Schüler wollen keine Details besprechen..?

Jetzt bitt ich Dich schön. Es gibt nicht nur Musik-, sondern auch Sprachästhetik. Da tut es ja noch weniger weh, wenn Du, falls es das in Deinem Dialekt gibt, sagst: ich habe meinem Ohr viel Falsches gelernt. ;)
Wenn wir schon beim Thema sind:
Akkusativ mit „gelehrt“ ist korrekt. Jedenfalls heutzutage. Im 17. Jahrhundert war das anders: https://bastiansick.de/kolumnen/abc/lehren-jemandemjemanden-das-fuerchten-lehren/
 
Und wieder einmal frage ich mich, was da studiert wird. Auf ordentlichen Unterricht wird man ja offensichtlich nicht vorbereitet. ...
Ob das Studium mittlerweile Konfliktmanagement etc. vermittelt, weiß ich nicht. Ich halte das für wichtig!

Auf "ordentliches Unterrichten vorbereiten" ist ein so langwieriger und umfassender Prozess, dass 4 Jahre Studium dafür bei Weitem nicht ausreichen. Denn zu einem halbwegs guten Unterricht gehört unfassbar viel, was den meisten (Schülern wie Lehrern) aus verschiedenen Gründen nicht bewusst ist. Ich zähle mal ein paar Punkte auf:
  • Ein guter Pianist sein
    • Gutes Gehör, Klangvorstellung, Ideenreichtum, Kreativität
    • Motorisches Geschick, sehr gutes Körperbewusstsein (!!)
    • Fähigkeit zur Problemlösung; kluges, zielführendes Übeverhalten
    • Hohe Intelligenz, Fähigkeit zur Abstrahierung und breites Fachwissen
    • Zielstrebigkeit, Frustrationstoleranz, Idealismus, Fähgkeit zur Freude
  • Ein guter Pädagoge sein (Methodik = wie wird etwas vermittelt)
    • Menschen ansehen und anhören können und dabei auch etwas wahrnehmen
    • Ein feines Gespür und Sensibilität, Menschenkenntnis
    • Klare, verständliche, sichere Fähigkeit zur Kommunikation und sprachlichen Ausdrucksweise
    • Führen können, die Führung abgeben können
    • Hohes Maß an Flexibilität, Ideenreichtum, Gelassenheit, Geduld, Spontaneität
    • Fähigkeit zur Selbstreflexion auf verschiedenen Ebenen (!!!)
    • Natürlich sowieso: Kenntnisse und Erfahrung über bzw. mit Lehrmethoden, ihrer flexiblen Anwendung und Wirkungsweise
    • Fähigkeit zur Stundenplanung
  • Ein guter Didaktiker sein (Welche Inhalte werden vermittelt)
    • Großer Grundstock an Ideen, wie Standardinhalte vermittelt werden können, je nach Alter, Vorerfahrung, Charakter, Interessen etc. (Damit meine ich Dinge wie: Notenlesen, Gehörschulung, Rhythmusschulung, Improvisation, Üben, Spieltechnik usw.)
    • Fähigkeit, Stärken und Schwächen des Schülers im Allgemeinen und konkrete Probleme im speziellen überhaupt zu erkennen
    • (gehört auch zur Methodik:) Eine Idee, was wann und in welcher Reihenfolge mit welcher Gewichtung gelehrt wird
    • Fähigkeit, alle Punkte aus "ein guter Pianist sein" nicht nur selbst zu beherrschen, sondern auch klar benennen, zeigen, wahrnehmen und lehren können
Der Studienplan an Hochschulen ist also ein ständiger Drahtseilakt zwischen einem überladenen, verschulten Stundenplan, bei dem alles ein wenig angerissen wird, und einem schlanken Stundenplan, der den Studenten Zeit zum Üben und für eigene Entwicklung lässt, aber auch mehr Verantwortung und Eigeninitiative voraussetzt.

Dazu kommt, dass es mit der Fachmethodik an Hochschulen tatsächlich nicht besonders gut bestellt ist. Die entsprechenden Stellen sind sinnvollerweise meistens Kombinationen aus Fachmethodik und Klavier (also z.B. eine Professur, die 50% Fachmethodik etc. und 50% Instrumentalunterricht beinhaltet), was wiederum zur Folge hat, dass nur ein kleiner Teil der Bewerber die Anforderungen wirklich erfüllt - nämlich dreierlei:

1. Ein hervorragender, erfolgreicher Pianist sein
2. Ein hervorragender Klavierpädagoge sein
3. Ein hervorragender Fachmethodiker sein

Oft fällt tatsächlich 3. am ehesten hinten herunter, weil man denkt, "das bisschen Fachmethodik kann der schon irgendwie mit unterrichten". Tja.
Außerdem: Natürlich sind an der Hochschule im IP-Studiengang nicht reihenweise geborene Pianisten-Lehrer; manche können selbst (noch?) nicht gut genug spielen, um den nötigen Überblick zu haben, und dies auch zu lehren; anderen fehlt es an Lehrerfahrung; manche hatten selbst überwiegend so schlechten Unterricht, dass sie kein positives Vorbild haben (woher soll dann eine gute Lehrerpersönlichkeit kommen?) etc. etc.

@chiarina Konfliktmanagement an sich kommt bei uns nicht vor. Darüber wird "nur" gesprochen, wenn es konkrete Gründe gibt.

Dieser Beitrag ist wirklich das Knappeste vom Knappen, was man zu dem Thema sagen kann, ganz unvollständig und etwas platt. Ich möchte damit nur zeigen, wie wirklich komplex und anspruchsvoll es ist, ein guter Lehrer zu werden!
 
Konzept haben und umsetzen. Die 13 jährigen merken die Unsicherheit eines Lehrer und könnten dies ausnützen in Zukunft. Es muss klare Grenzen geben, wie in einer Erziehung.

Ein erkennbares Konzept, genau. Ich halte das für wichtig. Sogar gutwillige SuS fühlen sich irritiert, wenn sie kein Konzept und keine Führung erkennen können.

Übrigens, bei allem wohlfeilen Schüler-Bashing: Für Menschen beginnt im Alter von ca. 13 Jahren eine schwierige Lebensphase. Viele kindliche Gewissheiten scheinen wegzubrechen, Vieles wird in Frage gestellt, das individuelle Ich wird gesucht (aber leider noch nicht gefunden) usw. blabla.

Eine klare Strukturvorgabe ist in dieser Zeit wahrscheinlich noch wichtiger als in jeder anderen Lebensphase.

@Anna_ Bist Du schon cool genug, um bei Deinem Vorgänger einfach mal anzurufen? :001:
 
Außerdem zu beachten: wer nach dem Studium eine neue Stelle an einer Musikschule antritt bekommt Anfänger und 'Wanderpokale' !
Das ist nicht erfreulich, aber das gibt sich.
 
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Wenn wir schon beim Thema sind:
Akkusativ mit „gelehrt“ ist korrekt. Jedenfalls heutzutage. Im 17. Jahrhundert war das anders: https://bastiansick.de/kolumnen/abc/lehren-jemandemjemanden-das-fuerchten-lehren/

Jetzt weiß ich nicht so recht, ob du mich ein bisserl hochnehmen willst mit deinem Link auf diese dürren Einlassungen eines Hobby-Linguisten, oder ob du wirklich glaubst, im 17. Jh. habe es eine normierte Grammatik des Deutschen von einiger Reichweite gegeben. Die beginnt ja erst nach Mitte 18. / Anfang 19. Jh. mit Leuten wie Heyse, Adelung oder dem Frankfurter Gelehrtenverein für Deutsche Sprache.

Was aber der Autor erklären hätte können, ist, warum die Konkurrenz der beiden Kasus überhaupt existiert. "Lehren" hat zunächst nur ein Sachobjekt bei sich (ich lehre Mathematik etc.). Wenn der Nutznießer der Lehre genannt werden soll, muss der in einem adverbialen Dativ dazutreten (sog. Dativus commodi): ich lehre dir... Der ist also tatsächlich das Ursprüngliche. Wo kommt dann der Akkusativ her? Er ist eine Lehnprägung aus der Humanistenzeit auf der Basis des Lateinischen: doceo te artem - ich lehre dich eine Kunst. Und weil das ein prestigesprachliches Muster ist, verbreitet es sich rasch. Schon in dem Kinderlied aus dem dreißigjährigen Krieg heißt es "Morgen kommt der Oxenstern, will die Kindlein beten lehr'n". Und dieses Muster hat dann Eingang in die Grammatiken des 19. Jh. gefunden und ist daher heute Sprachnorm. An die muss sich gottlob keiner halten, wir sind ja nicht in Frankreich. Aber solange man an einem gemeinsamen Sprachstandard festhält, ist es sinnlos, ihn zu relativieren mit dem Hinweis, dass die Merseburger Zaubersprüche sich ja auch nicht an ihn gehalten hätten.
 
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@Ambros_Langleb
Ok, „korrekt“ war von mir zu eng formuliert, aber dein Hinweis auf die Sprachnorm ist das, was ich ursprünglich ausdrücken wollte.
 
@Barratt die Familie hat vorher im Ausland gelebt und musste deswegen den Lehrer wechseln :) die Kids waren aber auf einer deutschen Schule

@chiarina Also es wurde natürlich viel über Methodik gesprochen und auch anhand von Video-Sequenzen des Unterrichtes spontan über das gesprochen, was in der aufgenommenen Stunde so anstand (Wie haben sich Lehrer und Schüler im Video verhalten?)
 
@Stilblüte
Anne, was ich an Deinem Unterricht sehr schätze, sind zum einen die bildhaften Metaphern, die mir so oft weitergeholfen haben. Das ist nicht jedem gegeben, Probleme zu abstrahieren, in Worte zu fassen und Lösungen mit Bildern treffend weiterzuvermitteln.
Zweitens akzeptierst Du auch einen anderen Stil als den Deinen (obwohl der auf alle Fälle nachahmenswert und lehrreich ist). Das könnte wirklich talentierten Schülern einmal helfen, ihren Stil zu entwickeln und zu vervollkommnen. Ich vermute, dass diese Lehrerqualität weder selbstverständlich noch trivial und schon gar nicht verbreitet ist.
Drittens und das betrifft die ursprüngliche Frage in diesem Faden: wir mischen! Du hast meine Neigung, wie das Kind unterm Christbaum alle möglichen und unmöglichen Stücke hervorzuzerren freundlich toleriert und mir immer weitergeholfen, andererseits sind wir auch sehr detailliert an Probleme herangegangen - da hast Du mich echt gestriezt (zum Beispiel Mozart KV 333, zwei Zeilen pro Stunde) - Gut so !

@Anna_
lass Dich nicht ins Bockshorn jagen. Weder von Schülern, die eine eher oberflächliche Auffassung vom Üben und von den Stücken haben, noch gar von schimmerlosen Eltern, die ihren Sprößling schon auf einem Konzertpodium sehen, oder erst gar nicht beansprucht sehen wollen. Noch von jenen, welche einmal „zum Sport müssen“, ein andermal „depressiv verstimmt“ und ansonsten sowieso untalentiert / uninteressiert sind. Wenn sie pünktlich zahlen, stehe es extensiv durch, wenn nicht, schmeiß sie raus.
Führung und ein gefestigter Standpunkt sind das A&O, sonst wirst Du zerrieben.

alles Gute
Robert
 
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Ich glaube, wenn junge Schüler neu anfangen, dann tun sie das selten aus der schieren Begeisterung zur Musik. Meist sind es die Eltern, die sagen "mach doch mal" oder man versucht sich, weil ein Kumpel so cool Klavier spielt oder man will halt mal was in der Richtung machen, das da auf CD oder bei Youtube so toll klingt. (Bei Erwachsenen, die wissen, was sie wollen, mag das ganz anders aussehen.) Ich habe keine Ahnung, wie man nun in so einem Kind die Begeisterung für die Musik weckt. Aber bevor die mal geweckt ist, ist da vermutlich viele Mühe vergebens. Und bei einer großen Zahl von Schülern wird da auch einfach gar nichts geweckt. Dem einen liegt das Klavierspielen nicht, dem anderen ist das viel zu langwierig, jahrelang an etwas zu üben, während man ja z.B. den Führerschein in ein paar Wochen machen kann. Viel üben ist zu anstrengend, eine Stunde pro Tag sowieso zu viel und manchem gefällt das eigene stümperhafte Spiel schlicht nicht. Ich glaube, in dieser Phase kann man nur mit einfachen Stücken, die man dann auch beizeiten wieder beiseite legt Erfolgserlebnisse provozieren, die die Schüler bei der Stange halten, bis sie irgendwann merken, dass da mit ein wenig Übeeinsatz auch Dinge gehen, die sie selbst begeistern. Ich glaube nicht, dass es gleich zu Anfang sinnvoll ist, ein Stück bis zur Perfektion zu bringen. Das scheitert an fehlender Technik, für die man noch Jahre braucht.

Wenn die Begeisterung dann mal geweckt ist und die Technik langsam etwas mehr erlaubt, dann bringt man ein Stück auch gerne zur Perfektion und nimmt das noch mal wieder eine weitere Woche mit nach Hause, weil man selber weiß, da geht noch was.
 

Ich glaube nicht, dass es gleich zu Anfang sinnvoll ist, ein Stück bis zur Perfektion zu bringen. Das scheitert an fehlender Technik, für die man noch Jahre braucht.

Das scheitert noch viel mehr an fehlender Musikalität - weil man noch gar nicht gelernt hat, die Feinheiten der Dynamik, der Artikulation des Timings etc. überhaupt zu hören, die so etwas wie Perfektion ausmachen.

Das Problem ist nämlich unlösbar: was einem gestern noch perfekt vorkam, offenbart seine Mängel, sobald man gelernt hat, genauer und feiner zu hören. Und je mehr man hört, um so schwieriger wird es, eine wenigstens subjektive Perfektion zu erreichen. Insofern ist Perfektion nicht nur für Anfänger, sondern auch für professionelle Konzertpianisten ein immerzu unerreichbares Ideal.

Vermutlich aus genau diesem Grund hört sich kein professioneller Musiker seine eigenen Aufnahmen mit Vergnügen an. Was für einen staunenden Amateur "perfekt" ist, ist es für den Profi leider noch lange nicht.
 
Erklärt ja umso mehr, warum ein Anfänger mit seinem Stück zufrieden ist, während der KL immer noch was zu verbessern hätte.
 
Erklärt ja umso mehr, warum ein Anfänger mit seinem Stück zufrieden ist, während der KL immer noch was zu verbessern hätte.

Grundsätzlich schon. Aber ich habe den Eindruck, dass es gar nicht so nicht wenige KL gibt, die zu wenig Wert darauf legen, das Musikverständnis und das Gehör ihrer Schüler zu auszubilden und sie entsprechend zu sensibilisieren. Ich kann das nicht belegen (und hatte selbst auch nie solchen Unterricht), aber wenn man hier einige Fäden liest, drängt sich dieser Eindruck durchaus auf.
 
Vor dem Hintergrund könnte es für einen Hobbyspieler sogar sinnvoll sein, die eigene Musikalität zu vernachlässigen.
 
Grundsätzlich schon. Aber ich habe den Eindruck, dass es gar nicht so nicht wenige KL gibt, die zu wenig Wert darauf legen, das Musikverständnis und das Gehör ihrer Schüler zu auszubilden und sie entsprechend zu sensibilisieren. Ich kann das nicht belegen (und hatte selbst auch nie solchen Unterricht), aber wenn man hier einige Fäden liest, drängt sich dieser Eindruck durchaus auf.
Je länger ich in diesem Forum lese, desto mehr habe ich den Eindruck, als KL muss man zwar schon zur Aufnahme an einer Hochschule perfekt spielen können und lernt sicher im Studium nochmal unendlich viel dazu, aber niemand vermittelt den armen KL, was sie hinterher eigentlich unterrichten sollen. Einen Lehrplan, wie an der Schule gibt es nicht, keinen Stundenplan mit Notenlesen, Tastendrücken, Theorie,Gehörbildung... Also nimmt man das Ergebnis aller Mühen, nämlich das Spielen eines Stückes und stülpt dem Schüler das über und erwartet eine 1:1 Kopie. Wohl dem Schüler, der einen Lehrer erwischt, der sich Gedanken macht, wie man denn den Weg dahin sinnvoll gestaltet.
 
Also nimmt man das Ergebnis aller Mühen, nämlich das Spielen eines Stückes und stülpt dem Schüler das über und erwartet eine 1:1 Kopie.
Nein, eine 1:1-Kopie erwartet mit Sicherheit kein Lehrer. Wir sind ja gerade dann froh, wenn Schüler sich mit uns konfrontieren (ich spreche mit "wir" einfach mal für die gesamte Zunft) und ihre eigene Persönlichkeit ins Klavierspiel bringen. Nichts ist für KL langweiliger und für Schüler unergiebiger, als wenn der Lehrer immer sagen muss: "Spiel' hier leiser, hier lauter, dort mehr Oberstimme" usw., ohne dass die Schüler gedanklich und emotional durchdringen und verinnerlichen, was sie da machen.
Wohl dem Schüler, der einen Lehrer erwischt, der sich Gedanken macht, wie man denn den Weg dahin sinnvoll gestaltet.
Ich unterstelle einfach mal, dass die allermeisten Lehrer gedanklich im Unterricht, aber auch in der Vorbereitung, nichts anderes machen als genau dies.
 
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