schwieriger Schüler

L

louiten

Guest
Liebe Forenbenützer

ich unterrichte aktuell einen Schüler, der 8 Jahre alt ist.
Er ist sehr talentiert, er kann schon sehr gut Notenlesen und hat ein sehr gutes Gehör.

Mein Problem ist, dass er sehr unruhig ist und ständig auf dem Instrument irgendwas zu spielen beginnt, sobald er ein Stück fertig gespielt hat.
Ich bleibe jeweils ruhig oder sage dann, er soll stoppen mit spielen. Er stoppt dann auch, wenn ich es sage.

Auch wenn ich sage, was wir als nächstes tun, scheint er abwesend zu sein und er schaut mir nicht in die Augen. Er kooperiert jedoch und macht, was ich sage.

Ende der Stunde schreib ich ihm jeweils die Aufgaben in ein Heft; letztes Mal war er während dieser kurzen Zeit sehr unruhig und hat sich stark aufgedrängt, um mir die Hand zu geben.
Ich habe dann gesagt, er müsse kurz warten; dies hat er auch respektiert.

Danach hat er seine Hefter eingepackt und ging, er verliess einfach den Raum ohne etwas zu sagen und ohne die Türe zu schliessen. Ich habe extra nichts gesagt, um zu sehen, was er tut.

Ich habe den Eindruck, dass dieses Verhalten auch von Zuhause kommen kann. In der ersten Lektion begleitete ihn seine Mutter. Im Zimmer hat es viele Instrumente und er ging sofort zum Kontrabass und zum Schlagzeug und begann, darauf zu spielen. Die Mutter hat dabei nicht interveniert.

Was würdet ihr mir raten?
Ich habe den Eindruck, ihm fehlt der nötige Respekt mir gegenüber. Ich werde auf jedenfall in der nächsten Lektion ein Gespräch mit ihm führen und ihm klar mitteilen, wie ich es haben will in meinem Unterricht.
Ich habe gedacht, vielleicht könnte ich probieren, ihn zu beruhigen, z.B. mit feiner Musik, einer Gedankenreise oder so was...
Oder vielleicht könnte ich seine Energie nützen, und damit etwas sehr bewegtes, lautes machen.

Ich freue mich auf eure Rückmeldungen

Liebe Grüsse
Lou
 
wie lange nimmt er schon Stunden bei Dir?
Wenn erst seit kurzer Zeit, dann würde ich erst mal weiter beobachten, ob er auch unabhängig von der Musik evtl. hyperaktiv ist. Vielleicht auch ein Gespräch mit den Eltern führen, wie er sich zuhause verhält.
Viele Grüße
hennes
 
Hallo Lou,

hm, vielleicht ist er hyperaktiv. Mit so einer Diagnose sollte man aber vorsichtig sein.

Acht Jahre - dann wird er wohl zweite Klasse sein. Je nach Schule hat er vielleicht einige "grundlegende Verhaltensweisen für Schüler" noch nicht gelernt oder jedenfalls nicht verinnerlicht. So etwa, dass man nach Beendigen einer Aufgabe vielleicht wartet, wie es weitergeht statt "irgendwas" zu machen. Oder, dass man die Lehrperson anschaut, wenn sie eine Aufgabe erläutert. Damit will ich sagen - so auffällig finde ich das Verhalten nicht. Ich verstehe aber, dass es das Unterrichten erschwert.

Auf Deine Erinnerung hin reagiert der Junge ja offenbar, er ist also durchaus kooperativ. Gerade das Anschauen des Lehrers ist so ein Thema - meine Tochter (fast 8 Jahre alt) macht auch immer irgendwas anderes, wenn ich was erkläre. Das macht mich manchmal fast wahnsinnig - aber hinterher merke ich, dass sie sehr wohl zugehört hat. Man sollte also bestimmt weiter darauf hinweisen, dass man sinnvollerweise seinen Lehrer anschaut und dadurch die Aufmerksamkeit auch ausdrückt. Man sollte sich aber möglichst nicht aus der Bahn werfen lassen, wenn es nicht klappt.

Zu welcher Uhrzeit hat Dein Schüler denn Unterricht - ist es sehr spät, oder ist es evtl. unmittelbar nach dem Unterricht? Ist es eher zum Wochenanfang (Kind noch erholt vom Wochenende) oder zum Ende hin (Kind fix und alle von einer Woche Schule). Vielleicht kannst Du ja den Termin verändern und so legen, dass der Junge sich besser konzentrieren kann. Man sollte nicht unterschätzen, wie fertig Kinder abends und besonders Freitag abend sind, und wie stark sich das auf ihr Verhalten auswirkt.

Ich würde es eine Weile beobachten und dann mit der Mutter vorsichtig reden. So wie du sie schilderst riskierst Du aber eine schwierige Diskussion mit ihr. Wenn sie es nicht für nötig hielt, den Jungen vom Begrabbeln Deiner Instrumente abzuhalten, wird sie auch Deine sonstigen Beobachtungen nicht teilen und das Problem entweder gar nicht akzeptieren oder bei Dir suchen.

Just my 2 ct als Vater einer Tochter im ähnlichen Alter.
- Karsten
 
Einfach mal Winterhoff lesen, z.B. das erste Buch aus der Reihe:
http://www.amazon.de/Warum-unsere-K...TF8&qid=1415975554&sr=8-1&keywords=winterhoff
Nicht vom Titel abschrecken lassen - Winterhoff als Kinder- und Jugendpsychiater analysiert sehr treffsicher, woher die Verhaltensstörungen von immer mehr Kindern heutzutage kommen.
Es handelt sich um Entwicklungsstörungen der Kinder, die dadurch kommen, dass die Eltern die ihnen angemessene Rolle im Beziehungsgefüge nicht einzunehmen vermögen, sondern z.B. meinen, ihren Kindern ein "Kumpel" sein zu müssen oder ihre Kinder in viel zu frühem Alter über viel zu viele Dinge selber entscheiden lassen zu müssen. Oder das Kind wird geradezu auf ein Podest gestellt, bildet den absoluten Mittelpunkt der Familie und ist de facto der "Bestimmer". Dies hat fatale Auswirkungen, da Kinder dann z.T. bis ins Erwachsenenalter in einer frühkindlichen Entwicklungsstufe steckenbleiben, die durch (in der frühen Kindheit normale) extreme Egozentrik und Unvermögen, sich auf soziale Situationen einzustellen, gekennzeichnet ist.

Es könnte sehr gut sein, dass Dein Schüler ein Beispiel für ein solches Kind ist.
"ADHS" ist dann übrigens gerne mal eine Diagnose, die von den betreffenden Eltern geradezu erfleht wird, um sich nicht dem grausamen Gefühl, dass man möglicherweise sein Blag fehlerzogen hat, stellen zu müssen.

LG,
Hasenbein
 
Dieses Machwerk wird ausschließlich von NICHTeltern empfohlen.
 
Oder Probleme aus dem autistischen Formenkreis?
 
Hallo!
Ich kenne auch ein Kind, das sehr ähnliche Verhaltensmuster aufweist. Es KANN einem nicht in die Augen sehen, und auch tut es sich sehr schwer, hallo oder tschüss zu sagen. Es macht, was es soll, aber erst nach Aufforderung. Es ist leicht autistisch, aber das kann ich nicht auf Deinen Schüler übertragen, ich kenne ihn ja nicht.

8jährige sind - schultechnisch - meist ziemlich ausgelastet. Wenn dann eine gewisse Unkonzentriertheit hineinkommt, kann man da auch mal ein bißchen Geklimper zulassen. Ich lasse dann die Schüler etwas auswendig gelerntes spielen, ein bißchen im Stehen spielen, Töne erkennen, Rhythmus klatschen, singen... Stur den Unterricht weiterzumachen, obwohl das Kind im Moment offensichtlich nichts mehr ins Hirn kriegt, ist kontraproduktiv.
Was hilft, ist Körperkontakt. Also wenn das Kind nicht richtig zuhört, ihm die Hand auf die Schulter legen, wenn Du etwas erklärst.
Es ist eigentlich nicht respektlos, wenn das Kind nach Deiner Ermahnung das macht, was Du sagst. Respektlos wäre es, wenn es das ignoriert.

Inwieweit die Eltern an dem Verhalten schuld sind, weiß man nicht. Schildere ihnen die Situation, aber ohne Vorwürfe oder Laiendiagnosen.
 
Dieses Machwerk wird ausschließlich von NICHTeltern empfohlen.

Und derartige Sätze kommen in aller Regel von Eltern, die der Ansicht sind "auf Eltern werde sowieso zu viel rumgehackt" und die Möglichkeit einer Verantwortung für die Verkorksung ihrer Kinder stets entrüstet weit von sich weisen...

Es ist natürlich richtig, dass nicht die Eltern allein, sondern auch die anderen Erziehungspersonen (z.B. Lehrer) eine Rolle spielen, wenn Kinder problematisch werden. Aber das schreibt Winterhoff ja auch.
 
8jährige sind - schultechnisch - meist ziemlich ausgelastet. Wenn dann eine gewisse Unkonzentriertheit hineinkommt, kann man da auch mal ein bißchen Geklimper zulassen. Ich lasse dann die Schüler etwas auswendig gelerntes spielen, ein bißchen im Stehen spielen, Töne erkennen, Rhythmus klatschen, singen... Stur den Unterricht weiterzumachen, obwohl das Kind im Moment offensichtlich nichts mehr ins Hirn kriegt, ist kontraproduktiv.

Das ist natürlich zunächst mal völlig richtig.

Allerdings ist der heutige Instrumentallehrer immer öfter mit dem Phänomen konfrontiert, dass ein Kind in praktisch jeder Klavierstunde nicht wirklich aufnahmefähig ist, weil ihm das Hirn schon durch jede Menge Schule, Computer usw. zugeballert wurde und am Nachmittag, wenn Musikstunde ist, nichts mehr geht. Das ist schon manchmal sehr nervig.
 
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Nichteltern meist ganz genau wissen, wie Erziehung zu funktionieren hat.
Soll ich jetzt schreiben: qed?
:-)

Es gibt sehr gute und differenzierte Literatur zu diesem Thema. Winterhoff ist aber der einzige, den die Nichteltern kennen und zitieren. Der ist ja so schön plakativ...

edit: Meine jungen Schüler/innen sind durchwegs meist gut bei der Sache.
 

Wenn Du Dir den Schuh anziehen willst...:denken:

edit: Ich finde es amüsant, dass Du gleich so angeranzt reagierst. Denn Du betreibst doch recht gerne mal Bashing von Klavierlehrern/Lehrerinnen, die Du noch nie gesehen hast...
:-)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Am Anfang der Stunde ne halbe Tavor, und die Sache ist geritzt :dizzy:

Nee, im Ernst, ich denke dass man diese Probleme immer wieder mit Schülern hat, mal mehr, mal weniger. ag2410 hat schon Körperkontakt angesprochen. (ACHTUNG! Panik bei den Eltern! Der Klavierlehrer meines Sohnes fasst ihn an und.....)

Ich bin kein Experte, aber ich kann mir vorstellen, dass hier sogar so etwas wie Körpertherapie helfen kann. Also lernen, den Körper wahrzunehmen und zu entspannen, dazu gehört auch, andere wahrzunehmen und sich dementsprechend im Raum zu bewegen - also nicht einfach auf andre Instrumente einzukloppen.

Ich könnte mir zu Beginn der Stunde ne kleine Übung vorstellen, erst mal auf ne Matte legen, alles locker lassen, dann mal die Arme (die man gleich braucht) anheben, die Hände räkeln - muss nix Großartiges sein, einfach was fürs Körpergefühl.

Es grüßt
Die Drahtkommode
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein Eindruck von diesem 8-jährigen Jungen ist: Er ist total normal. Ich wäre beunruhigt, wenn er anders wäre.
Wie man damit umgeht, sollte man als Pädagoge eigentlich wissen.
 
Danke, Peter! Sorry, aber das ist der erste vernünftige Beitrag, meint ein doppelter Vater.
 
Ich bin zwar kein Vater, aber ich war mal selbst ein kleiner Junge, und ich habe mich ehrlich gesagt auch die ganze Zeit gefragt, was an dem Jungen nun so unnormal sein soll. Dass er seine Umgebung erforscht? Dass er spontan ist, interessante Gegenstände "mit den Fingern" ansieht, dass ihm schnell langweilig wird und er "im Leerlauf" auf dem Klavier herumklimpert? Genau, der Junge braucht natürlich Züchtigung und/oder Ritalin... :dizzy:
 
...und - ganz schlimm - der Bursch kann der KL nicht mal in die Augen sehen. Kein Wunder, treiben Ihn doch bereits die ersten Ahnungen um, dass Frauen irgendwie anders sein könnten ;-)
 
[...]Auswirkungen, da Kinder dann z.T. bis ins Erwachsenenalter in einer frühkindlichen Entwicklungsstufe steckenbleiben, die durch (in der frühen Kindheit normale) extreme Egozentrik und Unvermögen, sich auf soziale Situationen einzustellen, gekennzeichnet ist.

Hallo Hasenbein,

wirklich ? Hmm.

Najaaa, aber es ist doch so: Die meisten Erwachsenen heutzutage zeigen doch die von Dir genannten Verhaltensmuster, ganz unabhängig davon, wie sie als Kind erzogen wurden, :-D:lol::lol:, und ganz unabhängig davon, ob sie heutzutage solche eigenen Verhaltensmuster auch zu Recht vertreten und rechtfertigen können. ( Mit anderen Worten: Sehr viele sind egozentrisch, weisen aber nichts Bedeutendes auf, was ihr "Ego ins Zentrum zu rücken" verdienen würde. ) Solche Leute müssen nat. weg...

Wer zu RECHT egozentrisch ist, der kann es natürlich bleiben, er ist ein Gewinn für die Gesellschaft an Wissen, sehr langjähriger Erfahrung und Können, für eine Gesellschaft, die nat. bereits reif sein sollte für die ins "Zentrum" gebrachten Erfahrungen.

Ein gesellschaftliches Problem also, hm ?! :-D:-D:-D

LG, Ich. :drink:
 

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