Aufnehmen und Lernerfolg, welche Erfahrungen habt Ihr?

beo

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14. Sep. 2017
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Um nicht wider OT zu schreiben. Mach ich jetzt mal einen passenden Thread auf.

Genau diese Abneigung von Schülern (und vielen Menschen im allgemeinen) gegenüber der schmucklosen Realität wollte ich ansprechen...

Wenn man sich dieser schmucklosen Realität, im Bezug auf sein Klavierspiel nicht zu entziehen, hilft es, glaube ich, sich selbst aufzunehmen.

Ich fand es Anfangs sehr frustrierend. Durch die quasi Vorspiel Situation, spielte ich erst einmal schlechter. Aber der Effekt ging mit der Zeit zurück. Ich merke den immer noch, aber lange nicht so stark wie am Anfang. @hasenbein, das würde ich auch für Deine Schüler nicht ausschliessen, es kann durchaus sein, dass sie ohne Zuhörer flüssiger spielen, und ein Aufnahmegerät ist ein Zuhörer.

Interessant finde ich den Effekt, dass schon beim Spiele ganz anders wahr nehme was ich spiele. Ich höre quasi als Publikum mit. Das empfinde ich durchaus als Bereicherung und ich übe fast nur noch mit Aufnahmegerät, auch wenn ich tatsächlich keine Zeit habe mir das alles wieder an zu hören. Es hat auch den Vorteil, dass ich im Unterricht gelassener bin und dort gefühlt ebenso spiele wie daheim.

Gestern habe ich allerdings seit längerer Zeit, dass erste mal wieder ohne Aufnahme gespielt, und es stellte sich etwas Neues ein. Ich habe mir auf eine irgendwie tiefere Art zugehört. Der Kopf zwischen Ohren und Fingern, plapperte weniger dazwischen, als ich spielte. Folglich verspielte ich mich auch weniger. Da es wie gesagt ohne Aufnahmegerät war, und ich nicht glaube es mit hin zu bekommen, muss es erst einmal ein ganz privater Eindruck bleiben. Ich werde das Gerät in der nächsten Zeit wieder seltener an machen.
 
Wenn ich mit mir zufrieden bin stimmt auch meist die Aufnahme
 
Geht überhaupt was ohne zu lernen.. ich nutze gerne Aufnahmen als Kontrolle. Meist ertappe ich mich das manches schnellere zu langsam und langsames zu schnell daherkommt.
 
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Es ist überhaupt eine interessante Frage, was passiert wenn man eigene Aufnahmen hört.
In Fällen wo die Wahrnehmung der Erwartung oder der Erinnerung nicht entspricht, ist zu bedenken, dass die Fassung vielleicht gerade in der Konzertsituation im großen Saal perfekt passte, aber nicht zu Hause durch die kleinen Lautsprecher ohne die Energie eines stillen Publikums. Anders gesagt, ist die Vorstellung der "perfekten" oder erwünschten Fassung nicht unbedingt unabhängig von der Situation.
 
Auch bei mir habe ich deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung der eigenen Spielweise festgestellt, seit ich öfter mich selbst aufnehme. Anfangs war ich auch wie Beo sehr aufgeregt wenn ich mich selbst aufgenommen habe, das wurde aber im Laufe der Zeit deutlich besser. Erst wenn ich ein Stück mehrmals fehlerfrei selbst kontrolliert habe, kommt es zu den Repertoir-Stücken. Den Tipp mit dem Aufnehmen habe ich durch Clavio bekommen und bin sehr dankbar dafür.
 
Befreit euch von den falschen Erwartungen. Anfangs is(s)t man scheiße. Muss aber nicht so bleiben.
 
Ich denke das aufnehmen ein richtig gutes Werkzeug fürs üben ist.

Ich nehme 1 mal im Monat auf, ab dem Punkt, wo ich meine "jetzt hast du es" aber bevor ich es mit meinem Lehrer anschließend besprochen habe.
Meist (böse Zungen behaupten "jedes Mal" :-D) wird mir schon beim zuhören klar: "das kannst du aber besser!" oder "von "haben" kann noch keine Rede sein:girl:

Das ist in soweit auch gar nicht schlimm, schließlich ist der Zweck der Aufnahme ja die Kontrolle meines Spiels.
Und leider haben wir Anfänger/ Hobby Pianisten mit dem spielen an sich schon so viel zu tun, dass das Zuhören leider auf der Strecke bleibt. :-|

Höre ich mir dann meine Aufnahme an, merke ich aber auch schnell, wo meine Fehler sind.
Diese Stellen gehe ich dann nochmal gezielt an und versuche gleichzeitig, mir beim Spielen aktiv zuzuhören.

Gefühlt waren meine Fortschritte, so bescheiden wie sie anderen gegenüber sich vorkommen, enorm.
Gerade weil ich nicht nur das Klavier spielen geübt habe, sondern auch der Musik aktiv Zeit gegeben habe und mich selbst kontrollieren konnte.

Ich weiß das keine meiner Aufnahme fehlerfrei ist, dass ist aber auch gar nicht mein Ziel.
Für mich ist es eher wichtig, darüber auch einen "Langzeit" Vergleich durchführen zu können.
Ich hab auf meinem Youtube Account auch Videos (ich schau mir gerne selbst auf die Finger um Bewegungen zu erkennen und wenn möglich zu optimieren) die öffentlich gar nicht zugänglich sind, weil sie meiner Meinung nach so schlecht sind, dass die niemand hören sollte:-D
So zb "Innocent" aus dem Burgmüller Etüden. Das Stück hab ich vor ca 2-3 Monaten auf dem Ständer gehabt, fand aber nach der Aufnahme das ich es nicht gut spielen konnte.
Viele Pausen, Patzer hier und da, und überhaupt lief das ganze nicht rund.

Da ich über Weihnachten viel Zeit hatte um mich nochmal mit den Stück auseinander zu setzen hab ich irgendwann gegen die 2 Monate alte Aufnahme verglichen.
Unglaublich wie anders, fast schon "besser" mein Spiel ist.

Dazu kommt oft das Gefühl, dass ich nach einer Aufnahme besonders kritisch dieser gegenüber stehe. Ist aber ne gute Zeit dazwischen, entspannt sich mein Verhältnis und ich gehe mit gehörten Fehlern, mit mir nicht mehr so stark ins Gericht.

Ich kann jedem nur empfehlen, gelegentlich das Handy aufnehmen zu lassen:super:
 
Wenn man sich dieser schmucklosen Realität, im Bezug auf sein Klavierspiel nicht zu entziehen, hilft es, glaube ich, sich selbst aufzunehmen.

Ich fand es Anfangs sehr frustrierend. Durch die quasi Vorspiel Situation, spielte ich erst einmal schlechter. Aber der Effekt ging mit der Zeit zurück. Ich merke den immer noch, aber lange nicht so stark wie am Anfang. @hasenbein, das würde ich auch für Deine Schüler nicht ausschliessen, es kann durchaus sein, dass sie ohne Zuhörer flüssiger spielen, und ein Aufnahmegerät ist ein Zuhörer.
Für mich sind Klavierspiel (Performance) und Aufnahme (Recording) völlig unterschiedliche Dinge. Und ich stehe letzterem als Amateur durchaus kritisch gegenüber.

Das Klavierspiel vor Zuhörern ist ein Kommunikationsvorgang. Denn Live-Musik ist Kommunikation. An diesem nehmen nur der Pianist und seine Zuhörer teil. Ist die Performance beendet, bleibt allen Beteiligten nur eine hoffentlich erbauliche Erinnerung daran. Was genau vorgefallen ist, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Fehler, an die sich niemand erinnert, sind praktisch nicht passiert.

Eine Aufzeichnung hingegen hält den Akt forensisch zur unbegrenzten Wiederholung für die Nachwelt fest. Und genau deshalb verändert sich das Spiel u. U. zum Negativen dadurch. Sich daran gewöhnen, kann auch heißen, daß man gar nicht mehr frei zur Höchstform auflaufen kann, sondern permanent im "Aufnahmemodus" bleibt.

Fazit: Amateure sollten sich klarmachen, daß es viel schwieriger aufzunehmen, als in den musikalischen Kontakt mit Zuhörern zu treten. Bei letzterem steht sehr viel weniger auf dem Spiel.

Deshalb ist das Recording-Geschaft auch das Metier absoluter Profis, die in hunderten Anläufen mit der besten Technik die perfekte Klavier-CD herstellen. Den Anspruch sich damit zu messen, kann man als Amateur gar nicht haben. Es spricht natürlich nichts dagegen hin und wieder mal beim Üben den Recorder mitlaufen lassen um sich das Gespielte nochmal zur Kontrolle anzuhören. Aber ich würde nicht alles ständig und immerzu aufzeichnen, nur weil es technisch geht.

Das Vorspielen vor Zuhörern übt man am besten mit freundlich gesinnten Zuhörern, das kann auch viel Spaß machen. Man kann während dieses Übens über das Gespielte sprechen, erklären was bestimmte Dinge besonders schwierig macht, und sich gemeinsam am Gelingen erfreuen. Wiederholt man das regelmäßig, wird man dabei in der Kommunikation immer sicherer.

Ein technisches Dauer-Überwachungsgerät kommuniziert nicht, es seziert nur.
 

Deshalb ist das Recording-Geschaft auch das Metier absoluter Profis, die in hunderten Anläufen mit der besten Technik die perfekte Klavier-CD herstellen.

Frage mich gerade ob die ganzen schönen Aufnahmen eines Michelangeli, gieseking, richter, Rubinstein uvm. jenes nötig hatten. Existieren ja live mitschnitte. Es schadet nicht sich mit Vorbildern zu vergleichen. Auch wenn die Differenz unmöglich ist, kann etwas forschen, "warum klingt diese Stelle ausgerechnet so anders" nicht schaden. Und abundan den Recorder mitbimmeln lassen ist meines Erachtens besser als eingeschlichenes 100 weitere mal einzuschleifen.
 
Frage mich gerade ob die ganzen schönen Aufnahmen eines Michelangeli, gieseking, richter, Rubinstein uvm. jenes nötig hatten. Existieren ja live mitschnitte.
Diese Mitschnitte geben nicht das Erlebnis des Publikums und des Pianisten am Ort des Konzertes wieder. Deshalb finden auch viele professionelle Pianisten solche Live-Aufnahmen selten toll, selbst wenn sie beim Spielen zufrieden und das Publikum ebenso begeistert waren.

Und abundan den Recorder mitbimmeln lassen ist meines Erachtens besser als eingeschlichenes 100 weitere mal einzuschleifen.
Natürlich, gerade beim Digitalpiano ist nichts einfacher als mal schnell den Record-Button zu drücken, ein paar Takte aufzunehmen und dann nochmal genau hinzuhören. Und dann kann der Schnipsel auch weg. Aber beim Threadstarter ist ja eher von einem Rundumschlag - einem Big Brother auf dem Klavier zu lesen. Das ist für mich in der gleichen Liga, wie permanent das Metronom mitlaufen zu lassen.
 
Also...
ich habe ein Silentklavier. Toll!!! Ich habe immer viel zu wenig Klarinette geübt, weil ich zu den Zeiten, zu denen ich Zeit/Lust zum Üben hatte immer nicht konnte/durfte (Kinder im Bett, Lieblingsmensch im Bett, Nachbarn wollen das jetzt bestimmt nicht hören)
So, einfach Kopfhörer auf und los. Muss schon mal den Kopfhörer zur Seite ziehen um sicher zu gehen dass ich auf lautlos umgeschaltet habe.
Um jetzt mal zum Thema zu kommen. Wenn ich mich un(beobachtet)gehört fühle spiele ich viel ruhiger, selbstsicherer, kurz viel besser als wenn ich weiß, jeden Fehler, jede Unsicherheit haben Andere jetzt gehört. Damit ist auch das integrierte Aufnahmegerät gemeint. Wenn ich über Kopfhörer spiele, spiele ich nur für mich. Kein Druck, kein schämen weil die Stelle immer noch nicht so funktioniert wie sie sollte... Das ist so entspannt, da läuft es einfach besser. Das weiß auch mein Lehrer. Trotzdem ist die Aufnehmfunktion ein Segen. Das ist die Realität, das ist dass was in die Welt raus getragen wird (o. k. klingt etwas theatralisch) Mit dem Kopfhörer, das ist nur für mich, existiert nur in meiner Welt. Vielleicht sind da auch rosa Kopfhörer erlaubt.

Für mich ist beides wichtig. (rosa)Kopfhörer und Aufnehmfunktion. Weil irgendwann soll meine Musik ja auch mal raus dürfen.
 
Wenn man sich dieser schmucklosen Realität, im Bezug auf sein Klavierspiel nicht zu entziehen, hilft es, glaube ich, sich selbst aufzunehmen.

Interessant finde ich den Effekt, dass schon beim Spiele ganz anders wahr nehme was ich spiele. Ich höre quasi als Publikum mit. Das empfinde ich durchaus als Bereicherung und ich übe fast nur noch mit Aufnahmegerät, auch wenn ich tatsächlich keine Zeit habe mir das alles wieder an zu hören. Es hat auch den Vorteil, dass ich im Unterricht gelassener bin und dort gefühlt ebenso spiele wie daheim.

Das wurde hier im Forum allerdings schon öfters festgestellt und erläutert - also: ich kann es nur noch einmal bestätigen.

LG
 
Im Vorfeld von Schülervorspielen schlägt mein Lehrer mir meist vor, mich doch einmal im Unterricht aufzunehmen. Zum einen ist es ein bisschen wie ein Vorspiel und zum anderen kann man sein eigenes Zuhören mal testen. Ich bin leider nicht sehr gut darin, mir beim Spielen richtig zuzuhören. Konkret sind es Tempo und Dynamik, die mir die größten Schwierigkeiten bereiten. Beim Abhören der Aufnahme merke ich plötzlich Tempoeinbrüche oder plötzliche Temposteigerungen, die mir gar nicht richtig bewusst waren und dynamische Defizite natürlich.
Beruhigt bin ich immer, wenn ich trotz allem manche Stellen schon gelungen und anhörbar finde. Manche Makel lassen sich auch durch das bloße Bewusstmachen schon abstellen. Leider nicht alle :)

Ein anderes Mittel, das mir mein Lehrer oft empfiehlt, das ich aber wider besseren Wissens sträflich vernachlässige, ist das Metronom. Auch damit kann man ja seine subjektive Tempowahrnehmung einmal überprüfen. Was ich dagegen manchmal mache (nicht systematisch), ist das Anspielen einer Stelle am Anfang, z.B. das Thema einer Sonate in meinem Wunschtempo, dann springe ich in die Durchführung oder die Reprise und spiele da weiter. Durch den direkten Vergleich werden die Stellen, an denen ich unbemerkt Tempo verliere oder erhöhe, übersprungen und plötzlich wird die Differenz sichtbar. Das ist mir persönlich lieber als das Metronom, an das ich mir nur ganz schwer gewöhnen kann. Im Unterricht bleibt es mir dann allerdings nicht erspart ;)

lg marcus
 
Fazit: Amateure sollten sich klarmachen, daß es viel schwieriger aufzunehmen, als in den musikalischen Kontakt mit Zuhörern zu treten. Bei letzterem steht sehr viel weniger auf dem Spiel.

Ja, das ist sicher Vielen schon aufgefallen. :kuscheln:

Konkret sind es Tempo und Dynamik, die mir die größten Schwierigkeiten bereiten. Beim Abhören der Aufnahme merke ich plötzlich Tempoeinbrüche oder plötzliche Temposteigerungen, die mir gar nicht richtig bewusst waren und dynamische Defizite natürlich.

100%ige Zustimmung. Genau für solche Späße ist das Aufnehmen Goldes wert. Man hört es selbst einfach nicht, weil man vor allem das hört, was das Hirn hören "will". Oder berüchtigte Stockungen an immer derselben Stelle. :teufel: Falls man selbst eine Stockung wahrnehmen sollte, ist sie in Realität noch viel brutaler.

Das Ergebnis so einer Aufnahme kann zunächst blankes Entsetzen sein, aber es wirkt heftiger als die Mahnung der Lehrkraft, die es ja auch irgendwann wahrscheinlich aufgibt, ständig auf dieselben Dinge hinzuweisen.


Im Sport arbeitet man seit Erfindung der handlichen Videocam mit Videokontrolle. Es ist einfach so verdammt lehrreich... :idee:
 

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