Bernhard Hiller
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„Komm, Wolferl, des reicht. Gemma weiter!“ sagte Leopold. Doch Wolferl lauschte immer noch gespannt den Klängen eines Straßenmusikers. „Papa, der spielt so schö. Des will i mir no ahörn.“ „Kannst du denn nicht genug kriegen von dem Geklimper?“ – „Aber Wolferl ist doch noch ein kleines Kind“ merkte Anna-Maria an. Das stach ein wenig. „Guat, gemma zum Ombdessen“, pflichtete Wolferl bei.
Am nächsten Morgen nervte Wolferl seine Eltern, ihm unbedingt eine Gitarre zu kaufen, bevor sie nach Wien abreisten. Letztlich gab sein Vater nach und ging mit ihm in einen Musikalienladen. Schließlich fand sich ein Instrument, das ihm gut in der Hand lag und ordentlich klang. Wolferl ließ sich ein paar Griffe von seinem Vater zeigen, und fing an loszuklimpern. Das Lied des Gauklers natürlich.
Und auf dem ganzen Weg tat Wolferl nichts anderes – immer nur dieses eine Stück. Gewiss, ein schlaues Bürschchen wie er war, machte er die eine oder andere Variation, erfand weitere Themen und stellte sie gegeneinander, aber letztlich drehte sich immer alles um das Geklimper des Gauklers. „Wolferl, willst nicht mal was anderes spielen? Hänschen klein zum Beispiel?“ nervte ihn seine Mutter. So spielte er Hänschen klein, und modulierte dann zurück zum Gauklerlied, … und so fort.
„Stop! Ich muß brunzen!“ rief Wolferl plötzlich. „Brrrr“ brachte der Kutscher die Kutsche zum Stehen, Wolferl sprang ab und pinkelte einen großen Stein an. Zum Gedenken an dieses historische Ereignis befestigte die Gemeinde Raschala ein Täfelchen am Steine.
Sein Vater nutzte die Gelegenheit, die Gitarre zu verpacken und der Rest der Familie atmete auf. Aber die Ruhe währte nicht lange. „Wo is mei Gitarrn?“ schimpfte Wolferl los. „Das reicht für heute, du darfst morgen weiterspielen“ wandte seine Mutter ein. Es folgte eine kleine Streiterei, aber schließlich bekam Wolferl seine Gitarre zurück und…
Als sie am späten Abend in Wien einzogen, klimperte er immer noch. Die Gaukler der Stadt hörten ihn und lauschten den wunderbaren Klängen. Sie erfaßten vom Umfange seines Werkes nicht viel – aber immerhin den Wesenskern: das Lied des Gauklers. Und das verbreitete sich nun in Windeseile unter den Gauklern Wiens.
Zu Hause angekommen, empfahl der Vater das Klavier. Wolferl setzte sich nieder und spielte endlich mal wieder was Anständiges. Geschafft! Endlich hatte die Familie Ruhe gefunden.
Machen wir nun einen großen Zeitsprung.
Etliche Jahre später kam ein Artist des Klavierspieles vom Niederrhein nach Wien und forderte die lokalen Virtuosi heraus: er war eindeutig überlegen. Und so gewann er Ruhm in der fremden Stadt, und viele Leute schickten ihre Söhne und Töchter zu ihm zum Klavierunterricht. Manche waren musikalisch begabt und eifrig, aber einige waren die berüchtigten KKS.
„Herr Lehrer, diese Übung ist viel zu schwer. Und langweilig ist sie auch noch dazu.“
Ludwig war verzweifelt. So hübsch und lieb, aber sowas von dumm… Töchter aus gehobenem Hause eben. Aber er war zutiefst in sie verliebt.
„Gnädiges Fräulein, solche Übungen sind unbedingt notwendig. Nur so könne Sie die Koordination beider Hände erlernen.“ „Aber die Etude ist langweiliges Geklimper.“ „Was würde Ihnen denn besser gefallen? Können Sie mir da einen Hinweis geben, vielleicht etwas vorsingen?“
„Ja, dieses di-di di-di damm…“ „Das, was die Gaukler auf der Gitarre schrumpen etwa?“ fragte er enstetzt. „Ja genau Herr Lehrer, das Stück ist einfach geil.“ „Gnä Fräulein, das ist einer edlen jungen Dame, wie Sie es sind, doch nicht würdig!“ „Aber mir gefällt’s.“
Da hatte er nun den Salat. Was sollte der bedauernswerte Virtuoso nun tun? Schließlich setzte er sich an den Flügel und arbeitete das Werk aus. Noch ne ordentlich Durchführung und Reprise dran, naja, wenn es für das edle Fräulein sein muß, dann muß es halt sein.
In der nächsten Unterrichtsstunde spielte er ihr dieses Werk vor, und sie war begeistert. Sie setzte sich an die Tasten, und di-di di äh… war sie aus dem Takt geflogen. Es folgten etliche Versuche, und gegen Ende der Stunde hatte sie die ersten 8 Takte zumindest in der rechten Hand grob im Griff. „Das ist schön, aber sau schwer. Könnten’S das noch ein bisserl einfacher machen, Herr Lehrer?“
Als sie gegangen war, nahm der Virtuoso einen kräftigen Schluck vergorenen Traubensaftes zu sich. So hübsch, aber so dumm… trauerte er ihr nach.
Da trat Franz mit Schwung herein, ein talentierter und musikalischer Schüler. Ein Lichtblick. Franz ging auf den Flügel zu „Ah, da haben Sie schon neue Noten für mich bereit gelegt, Herr Lehrer.“ Und legte los zu spielen. „Das kenn ich. Das ist aber schön! Und wunderbar eingerichtet für das Klavier!“ Den Anfangsteil spielte er prima vista fehlerfrei vom Blatt mit passenden musikalischen Phrasierungen – das Stück war ja jedermann bekannt. Beim Mittelteil verhaspelte er sich kurz, und packte ihn dann – wie es sich für Franz gehört – fehlerfrei prima vista. „Geiles Stück, Herr Lehrer!“
„Junger Herr, das ist ein Plaisierchen für ein Fräulein aus gutem Hause, welches leider für das Klavierspiel nicht sonderlich talentiert ist.“ „Ah ja, da steht ja noch die Widmung ‘Für Elise‘ als Titel drauf.“ „Machen wir mit was Ordentlichem weiter. Waldstein-Sonate 3. Satz, ab Takt 43. Wo die Triolen rechts gegen die Quintolen links spielen, dann umgekehrt. Wie sind Sie hier seit dem letzten Unterricht weitergekommen?“
Franz mußte sich arg anstrengen. Sein Lehrer forderte viel von ihm, brachte ihm aber auch wirklich viele Tricks und Kniffe bei. Es lohnt sich – bei aller Anstrengung.
Erschöpft begab sich Franz danach zu seinen Kumpeln in die Kneipe und bestellte ein Glas Heurigen. Plötzlich fiel ihm ein, daß er keinen Kreuzer dabei hatte. Was nun?
Er setzte sich ans halb-verstimmte Wirtshaus-Piano und spielte das Stück, das sein Lehrer einer jungen Schülerin gewidmet hatte. Und alle sein Kumpel und andere Gäste waren begeistert. „Franz, bringst mir das auch bei? Das ist so geil, das muß ich lernen!“ „Ja, mach ich, für ein Gläschen Heurigen geht das schon.“
Auch wenn die meisten nicht über den wohlbekannten ersten Teil hinauskamen (und einige wie das Fräulein nur die ersten 8 Takte schafften), ging Franz diesmal so besoffen aus der Kneipe wie schon lange nicht mehr.
Und das Lied des Gauklers eroberte in der Version für Klavier umgehend ganz Wien, bald das übrige Österreich-Ungarn und schließlich den Rest der Welt. Bedauernswerte Klavierlehrer verübeln es ihrem früheren Kollegen immer noch sehr, dieses Stück arrangiert zu haben, da all ihre Schüler es unbedingt sofort zu aller Anfang lernen wollen – und oft nach 8 Takten aufgeben.
Und nun wißt ihr von den Ursprüngen dieses Gassenhauers.
Am nächsten Morgen nervte Wolferl seine Eltern, ihm unbedingt eine Gitarre zu kaufen, bevor sie nach Wien abreisten. Letztlich gab sein Vater nach und ging mit ihm in einen Musikalienladen. Schließlich fand sich ein Instrument, das ihm gut in der Hand lag und ordentlich klang. Wolferl ließ sich ein paar Griffe von seinem Vater zeigen, und fing an loszuklimpern. Das Lied des Gauklers natürlich.
Und auf dem ganzen Weg tat Wolferl nichts anderes – immer nur dieses eine Stück. Gewiss, ein schlaues Bürschchen wie er war, machte er die eine oder andere Variation, erfand weitere Themen und stellte sie gegeneinander, aber letztlich drehte sich immer alles um das Geklimper des Gauklers. „Wolferl, willst nicht mal was anderes spielen? Hänschen klein zum Beispiel?“ nervte ihn seine Mutter. So spielte er Hänschen klein, und modulierte dann zurück zum Gauklerlied, … und so fort.
„Stop! Ich muß brunzen!“ rief Wolferl plötzlich. „Brrrr“ brachte der Kutscher die Kutsche zum Stehen, Wolferl sprang ab und pinkelte einen großen Stein an. Zum Gedenken an dieses historische Ereignis befestigte die Gemeinde Raschala ein Täfelchen am Steine.
Sein Vater nutzte die Gelegenheit, die Gitarre zu verpacken und der Rest der Familie atmete auf. Aber die Ruhe währte nicht lange. „Wo is mei Gitarrn?“ schimpfte Wolferl los. „Das reicht für heute, du darfst morgen weiterspielen“ wandte seine Mutter ein. Es folgte eine kleine Streiterei, aber schließlich bekam Wolferl seine Gitarre zurück und…
Als sie am späten Abend in Wien einzogen, klimperte er immer noch. Die Gaukler der Stadt hörten ihn und lauschten den wunderbaren Klängen. Sie erfaßten vom Umfange seines Werkes nicht viel – aber immerhin den Wesenskern: das Lied des Gauklers. Und das verbreitete sich nun in Windeseile unter den Gauklern Wiens.
Zu Hause angekommen, empfahl der Vater das Klavier. Wolferl setzte sich nieder und spielte endlich mal wieder was Anständiges. Geschafft! Endlich hatte die Familie Ruhe gefunden.
Machen wir nun einen großen Zeitsprung.
Etliche Jahre später kam ein Artist des Klavierspieles vom Niederrhein nach Wien und forderte die lokalen Virtuosi heraus: er war eindeutig überlegen. Und so gewann er Ruhm in der fremden Stadt, und viele Leute schickten ihre Söhne und Töchter zu ihm zum Klavierunterricht. Manche waren musikalisch begabt und eifrig, aber einige waren die berüchtigten KKS.
„Herr Lehrer, diese Übung ist viel zu schwer. Und langweilig ist sie auch noch dazu.“
Ludwig war verzweifelt. So hübsch und lieb, aber sowas von dumm… Töchter aus gehobenem Hause eben. Aber er war zutiefst in sie verliebt.
„Gnädiges Fräulein, solche Übungen sind unbedingt notwendig. Nur so könne Sie die Koordination beider Hände erlernen.“ „Aber die Etude ist langweiliges Geklimper.“ „Was würde Ihnen denn besser gefallen? Können Sie mir da einen Hinweis geben, vielleicht etwas vorsingen?“
„Ja, dieses di-di di-di damm…“ „Das, was die Gaukler auf der Gitarre schrumpen etwa?“ fragte er enstetzt. „Ja genau Herr Lehrer, das Stück ist einfach geil.“ „Gnä Fräulein, das ist einer edlen jungen Dame, wie Sie es sind, doch nicht würdig!“ „Aber mir gefällt’s.“
Da hatte er nun den Salat. Was sollte der bedauernswerte Virtuoso nun tun? Schließlich setzte er sich an den Flügel und arbeitete das Werk aus. Noch ne ordentlich Durchführung und Reprise dran, naja, wenn es für das edle Fräulein sein muß, dann muß es halt sein.
In der nächsten Unterrichtsstunde spielte er ihr dieses Werk vor, und sie war begeistert. Sie setzte sich an die Tasten, und di-di di äh… war sie aus dem Takt geflogen. Es folgten etliche Versuche, und gegen Ende der Stunde hatte sie die ersten 8 Takte zumindest in der rechten Hand grob im Griff. „Das ist schön, aber sau schwer. Könnten’S das noch ein bisserl einfacher machen, Herr Lehrer?“
Als sie gegangen war, nahm der Virtuoso einen kräftigen Schluck vergorenen Traubensaftes zu sich. So hübsch, aber so dumm… trauerte er ihr nach.
Da trat Franz mit Schwung herein, ein talentierter und musikalischer Schüler. Ein Lichtblick. Franz ging auf den Flügel zu „Ah, da haben Sie schon neue Noten für mich bereit gelegt, Herr Lehrer.“ Und legte los zu spielen. „Das kenn ich. Das ist aber schön! Und wunderbar eingerichtet für das Klavier!“ Den Anfangsteil spielte er prima vista fehlerfrei vom Blatt mit passenden musikalischen Phrasierungen – das Stück war ja jedermann bekannt. Beim Mittelteil verhaspelte er sich kurz, und packte ihn dann – wie es sich für Franz gehört – fehlerfrei prima vista. „Geiles Stück, Herr Lehrer!“
„Junger Herr, das ist ein Plaisierchen für ein Fräulein aus gutem Hause, welches leider für das Klavierspiel nicht sonderlich talentiert ist.“ „Ah ja, da steht ja noch die Widmung ‘Für Elise‘ als Titel drauf.“ „Machen wir mit was Ordentlichem weiter. Waldstein-Sonate 3. Satz, ab Takt 43. Wo die Triolen rechts gegen die Quintolen links spielen, dann umgekehrt. Wie sind Sie hier seit dem letzten Unterricht weitergekommen?“
Franz mußte sich arg anstrengen. Sein Lehrer forderte viel von ihm, brachte ihm aber auch wirklich viele Tricks und Kniffe bei. Es lohnt sich – bei aller Anstrengung.
Erschöpft begab sich Franz danach zu seinen Kumpeln in die Kneipe und bestellte ein Glas Heurigen. Plötzlich fiel ihm ein, daß er keinen Kreuzer dabei hatte. Was nun?
Er setzte sich ans halb-verstimmte Wirtshaus-Piano und spielte das Stück, das sein Lehrer einer jungen Schülerin gewidmet hatte. Und alle sein Kumpel und andere Gäste waren begeistert. „Franz, bringst mir das auch bei? Das ist so geil, das muß ich lernen!“ „Ja, mach ich, für ein Gläschen Heurigen geht das schon.“
Auch wenn die meisten nicht über den wohlbekannten ersten Teil hinauskamen (und einige wie das Fräulein nur die ersten 8 Takte schafften), ging Franz diesmal so besoffen aus der Kneipe wie schon lange nicht mehr.
Und das Lied des Gauklers eroberte in der Version für Klavier umgehend ganz Wien, bald das übrige Österreich-Ungarn und schließlich den Rest der Welt. Bedauernswerte Klavierlehrer verübeln es ihrem früheren Kollegen immer noch sehr, dieses Stück arrangiert zu haben, da all ihre Schüler es unbedingt sofort zu aller Anfang lernen wollen – und oft nach 8 Takten aufgeben.
Und nun wißt ihr von den Ursprüngen dieses Gassenhauers.