Fingerfertigkeit im Urlaub

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Erst einmal Respekt an @hasenbein für den sachlichen Beitrag, trotzdem habe ich natürlich etwas zu meckern.

Problem dabei ist nicht der faule Durchschnittsschüler, sondern enfach der Faktor Mensch. Die vorgeschlagene Übemethode ist, so wie ich das verstehe, äußerst anstrengend, so wie sie im Idealzustand dargestellt wird. Dies täglich zu machen dürfte insbesondere einem Anfänger (erst recht einem Kind/Jugendlichen) schwer fallen. Ich würde mal schätzen, dass am Anfang bestenfalls 5 effektive Minuten möglich sind, bei Kindern eher weniger, wenn sie überhaupt schon den Sinn des Ganzen begreifen, was ja wichtig wäre. Das steigert sich dann bei sehr Fortgeschrittenen auf eine halbe Stunde effektive Übezeit. Selbst Profis würde ich maximal das doppelte als tägliche Übezeit zutrauen. Weil, ein Konzert dauert nicht umsonst nur ca. 2 h, wenn wir jetzt nicht von einer Hochzeitsmucke ausgehen. 2 Stunden volle Konzentration. Ein Sportler (ja grundsätzlich schlechter Vergleich) geht bei Training auch nicht immer über die volle Distanz.

Dies auf Klavierspieler übersetzt heißt, maximal eine Stunde Üben am Tag. Das erscheint mir für den Profi wenig und ist wohl auch in der Praxis selten zu finden. Und die 5 Minuten für den Anfänger erscheinen mir auch zu wenig. Was macht man also in der übrigen Zeit? Nicht wenige möchten weitere Zeit am Klavier sinnvoll nutzen. Meiner Meinung nach bieten sich Übungen an, die jeweils einen anderen Fokus haben, z.B. den Focus mehr auf den mechanischen Teil lenken. Das heißt natürlich nicht, dass das Denken und Hören dabei ausgeklammert wird, aber es soll eben deutlich vereinfacht werden, sodass man sich insbesondere auf den Klang, also die Hirn-Hand-Koordination konzentrien kann. Dazu dienen dann einfache sogenannte Fingerübungen.


Hier:

oder (zumindest könnte der Eindruck entstehen, wenn man diesen Absatz isoliert betrachtet) hier:




Genau deswegen entsteht bei mir der Eindruck, dass viele nicht lesen können oder wollen. Ohne Denken und Hören geht auch Hanon oder andere nicht, ich weiß nicht wie ich das noch deutlicher sagen soll. Wenn der Klavierlehrer sagt: spiel doch mal C-D-E-F-G in gleichmäßiger Geschwindigkeit und Lautstärke, der Schüler macht das, der Lehrer sagt, nein, hör noch mal hin, das C klingt anders als dein D, versuch das mal zu kontrollieren, ist ungleich schwerer als zu sagen, spiel das mal "musikalisch", weil das erstens keine "Musik" ist und zweitens undefiniert ist. Mit dem ersten lerne ich die Töne zu kontrollieren, mit dem zweiten irgendwie "musikalisch" zu spielen.


Und da ist dann die Frage, was ist musikalisch. Meiner Meinung nach wird das zu niedrig angesetzt. Wenn ich Tonleitern oder Arpeggien übe, was meiner Meinung nach durchaus sinnvoll ist, ist das, egal wie ich es spiele nicht musikalisch, sondern bestenfalls voll kontrolliert. Musikalisch fängt für mich erst auf anderer Ebene an.
Ja, der Durchschnittsmensch will sich möglichst nicht anstrengen (erwartet aber trotzdem geile Ergebnisse). Aufgrund dessen haben wir ja auch die kulturelle und pädagogische Landschaft von heute, da die Pädagogen und Künstler vor diesem Faktum resigniert haben. Dies prangere ich an.
 
Faulheit hat ein paar der wichtigsten Erfindungen hervorgebracht. Hebel, Rad, Flaschenzug usw. Man muss nur das richtige draus machen.
 
Du redest an mir vorbei. Es geht um eine bestimmte Übemethode. Dass Du keinen Hanon brauchst un er dir von deinen Lehrern nicht empfohlen wird, hatten ich schon mehrfach und, denke ich, auch deutlich gesagt.
Nein. Es geht um deine Behauptung, ein Profi könne nicht mehr als eine Stunde täglich methodisch sinnvoll (also aus der Klangvorstellung heraus) üben. Diese Vorstellung ist absurd.
 
Gibt ja den Spruch "Bildung [Musikalität] ist das, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man gelernt hat.". Wenn ich 10 Jahre nicht schwimme, werde trotzdem nicht untergehen, wenn ich einmal schwimmen konnte.
Ist natürlich eine Frage des Anspruchs. Vielleicht wirst du nicht untergehen, aber als Rettungsschwimmer wärest du auch nach ein paar Tagen immernoch untauglich.

Ich hatte ja mal ganz passabel klavier spielen können, hatte ich ja erwähnt. Nach 20 Jahren ohne Üben ging das immer noch irgendwie, einer hier fand das sogar ganz prima https://www.clavio.de/threads/fragen-zu-meinem-neuen-alten-steinway-klavier.28676/post-797459
Das ist sehr nett, aber ich selbst finde es schei.. und es würde gefühlt ewig dauern das damalige Niveau zu erreichen (vor allem weil ich wenig Zeit zu üben habe).
Nein. Es geht um deine Behauptung, ein Profi könne nicht mehr als eine Stunde täglich methodisch sinnvoll (also aus der Klangvorstellung heraus) üben. Diese Vorstellung ist absurd.
Nein, bitte lies genau, es geht um das Üben nach genau dieser Methode, ohne den Fokus auf etwas anderes zu setzen. Genau das machst du aber in dem von dir beschrieben Fall, wenn auch nicht auf den mechanischen Teil. Aber wenn du nicht lesen möchstest was ich schreibe, dann lass doch auch das Kommentieren von meinen Beiträgen.
Dass es die Faulheit war, ist ein nettes Bonmot. Eher war es Intelligenz gepaart mit Schaffungsdrang.
Und zum Lachen gehst du nachher in den Keller?
 
Vielleicht wirst du nicht untergehen, aber als Rettungsschwimmer wärest du auch nach ein paar Tagen immernoch untauglich.

Zu glauben man hält sein (hohes) Niveau oder steigert seine Fähigkeiten gar während des Nichtstuns ist natürlich absurd und entspricht nicht meiner Aussage. Aber wenn man schonmal eine Zeit als Rettungsschwimmer gearbeitet hat, wird man auch diese Grundfertigkeit nicht verlernen (die physische Möglichkeit dazu vorausgesetzt...).
 

-Gesund musizieren​

28.06.2017
In manchen Situationen braucht man Unterstützung. Wie gut, wenn ein erfahrener Wissenschaftler wie Prof. Dr. Altenmüller bei Fragen rund um das Thema "Gesund Musizieren" gute Tipps parat hat. Wer nicht bei den Vorträgen dabei sein konnte, kann sich hier informieren. -

Quelle: https://www.sinfonima.de/-/gesund_musizieren
 
Zu glauben man hält sein (hohes) Niveau oder steigert seine Fähigkeiten gar während des Nichtstuns ist natürlich absurd und entspricht nicht meiner Aussage. Aber wenn man schonmal eine Zeit als Rettungsschwimmer gearbeitet hat, wird man auch diese Grundfertigkeit nicht verlernen (die physische Möglichkeit dazu vorausgesetzt...).
So habe ich dich auch nicht verstanden, es diente eher als Aufhänger dazu meine Historie zu erzählen. Aber vorsicht:
(die physische Möglichkeit dazu vorausgesetzt...).
Genau darum geht der Streit hier. Gibt es so etwas wie physische Möglichkeit beim Klavierspiel oder ist es eine rein mentale Beschäftigung. Beim Schwimmen gilt, wenn deine Rettungsschwimmerausbildung 20 Jahre her ist, und du seitdem nur auf dem Sofa gesessen hast, kannst du dich zwar noch selbst über Wasser halten, aber Retten wird halt schwierig, eben wegen der physischen Möglichkeiten.
 
Genau darum geht der Streit hier

Eher dein ganz persönliches Haar in der Suppe suchen. Also mein Opa konnte kurz vor seinem Tod schon lange nicht mehr allein aufs Klo, aber Klavier spielen hat er nie verlernt, man musste ihn nur irgendwie auf den Hocker bringen.
 
Ich möchte an dieser Stelle übrigens noch was sehr Wichtiges zum Thema "was ist eigentlich mein aktueller Stand?" anmerken.

Sehr viele üben ein Stück eine Viertel- oder halbe Stunde und denken dann, so wie sie am Ende der Übesitzung spielen, das sei der erreichte Stand (und mit diesem Mindset gehen sie dann auch in die Klavierstunde).

Dies ist völlig falsch. Wie man es am Ende des Übens kann, ist gänzlich irrelevant. Das Einzige, was tatsächlich Auskunft gibt, ist: Wie kann ich es nach längerer Inaktivität (z.B. am nächsten Tag), ohne mich vorher erstmal einzuspielen, spielen?

Daher ist es methodisch absolut sinnvoll, sich möglichst oft in die Situation "jetzt muss ich es plötzlich spielen" zu bringen, also beispielsweise mehrmals am Tag relativ kurz zu üben. Dann wird auch das Vorspielen im Unterricht ein weit geringeres Problem sein, denn a) ist man die Situation "ich muss es jetzt plötzlich, von 0 auf 100, spielen" schon gewohnt, und b) ist einem realistisch bekannt, wie gut man es in der Situation können wird (minus kleinen Abzug, weil man etwas aufgeregt ist beim KL).

Ich gehe aber jede Wette ein, dass nahezu keiner dies beherzigen wird, sondern alle so weiterwurschteln wie bisher.
 

Ich möchte an dieser Stelle übrigens noch was sehr Wichtiges zum Thema "was ist eigentlich mein aktueller Stand?" anmerken.

Genau zu diesem Punkt ging mir die letzten Tage etwas durch den Kopf:
Ich kenne das genau so, man kann ein Stück so weit können, das man es nach einigem "wieder rein finden" spielen kann. Eventuell sogar ganz schön. Aber es am Anfang der Stunde, oder bei einem kleinen ad hoc Vorspiel ("spiel doch mal was auf dem neuen Klavier") einigermaßen gut hinbekommt ist es noch ein Weg.

Bei den Stücken, die man so im Laufe der Übungszeit lernt nur um zu lernen, also nicht als geplante Vortragstücke, übt ihr die bis zur quasi Aufführungsreife, immer? So richtig pingellig.

Oder haltet ihr das bei diesen Stücken mit Mediocrates: "ach, gut genug"?
Ich kenne Verfechter beider Sichtweisen. Ein Lehrer von mir meinte, dass man nicht zu perfektionistisch an Stücke ran gehen muss, die nur ein Stück auf dem Weg sind, ein anderer von mir sehr geschätzter Lehrer meinte es soll immer so sein, dass mann es auch aufführen könnte.

Ich tendiere zu letzterem, hadere aber bei manchen Stücken damit :-)
 
Ich denke, das kann man nicht so pauschal sagen.

Hat das Stück ein ganz konkretes Lernziel? Sobald das erreicht ist, kann man es weglegen (vielleicht später wieder weitermachen). Möchte man es jemandem vorspielen? Dann ist Aufführungsreife wohl nicht so verkehrt.

Wobei natürlich ein Lernziel sein kann, ein Stück komplett durchzuarbeiten, nicht aufzugeben und sich auch mit den uninteressanteren Stellen zu beschäftigen, bis alles sitzt. Also ja, Aufführungsreife ist schon gut, aber mMn nicht bei jedem Stück zwingend notwendig.

Dann stellt sich die Frage: Was ist Aufführungsreife? Aufführung in welchem Rahmen? Man könnte argumentieren, dass die ersten paar Jahre aufgrund des Gesamtniveaus gar keine Aufführungsreife erreicht werden KANN.

Ist Aufführungsreife, wenn ein objektiver Zuhörer (also kein voreingenommener Elternteil "mein Kind ist das Beste"...) gerne zuhört? Und muss das Stück selber dafür ein gewisses Mindestniveau haben - gibt es Stücke, die einfach nicht zur Aufführung gemacht sind?
 
Dann stellt sich die Frage: Was ist Aufführungsreife?
bei mir derzeit recht einfach erklärt: Ich habe ja ein neues Klavier, kommt jemand in den Raum und sagt "oh, ein neues Klavier", setzt sich, "spiel doch mal was". Bei Stücken für "richtige" Auftritte ist das, jedenfalls bei mir, immer noch mal ne ganz andere Kategorie, aber das ist ja auch ein ganz anderes Thema.
 
Daher ist es methodisch absolut sinnvoll, sich möglichst oft in die Situation "jetzt muss ich es plötzlich spielen" zu bringen, also beispielsweise mehrmals am Tag relativ kurz zu üben.

Aufnahme vom kompletten Stück hat sich bei mir auch bewährt, das gibt den Stand gut wieder.

Und als jemand der nur gelegentlich Auftritte mit Band hat und sich das noch bissl mehr erarbeiten muss: Da stell ich die Live-Situation davor möglichst 1:1 nach. Heißt ich spiele das komplette Programm mit meinen Parts (Begleitung, Solo...) kalt einmal durch (ggf. mit gnadenlos durchlaufendem Play-a-long/ Metronom). Was da nicht 100% sitzt muss nochmal gründlich geübt werden. Dafür sind Auftritte eine gute Schule, weil da will man ja glänzen.
 
Meine Klavierlehrerin ließ mich die Stücke erst dann weglegen, wenn ich sie first take aufnehmen konnte (auf Kasette damals). Also das Stück wurde am Anfang der Klavierstunde, nachdem es bei der vorherigen gut gelaufen war, aufgenommen. Wenn ich Fehler dabei gemacht habe, nächste Stunde noch einmal. Ich fand das damals ziemlich nervig, weil ich mir die Stücke auch noch anhören musste, ob ich damit zufrieden bin. Es ist aber schon eine gute Übung, denke ich. Ganz selten war sie dann mal von Stücken auch generft, dass sie Gnade hatte und ich sie nicht perfekt aufnehmen musste, war aber eine Ausnahme.
 
Das ist natürlich auch großer Quatsch, das pauschal so zu machen. In bestimmten individuellen Einzelfällen kann es vielleicht mal bei einem Stück sinnvoll sein, das so durchzuziehen.
 
Das ist natürlich auch großer Quatsch, das pauschal so zu machen. In bestimmten individuellen Einzelfällen kann es vielleicht mal bei einem Stück sinnvoll sein, das so durchzuziehen.
Es entspricht es doch im Wesentlichen deiner Idee, dass man seinen Stand kennenlernt. Und so eine Aufnahme ist objektiver als die Selbstwahrnehmung (in der Regel, wenn man begleitet zuhört). Ich halte jedenfalls von Aufnahmen von sich selbst zu Übungszwecken immernoch sehr viel um zu sehen wo man steht. Ich finde es auch wichtig, dass man Vorspiele anbietet, jedenfalls wenn man Kinder und Jugendliche unterrichtet, aber das sehen manche ja auch anders. Für die meißten ist ein Ziel schon eine große Motivation zu üben.

Und im Nachhinein finde ich das sehr innovativ von ihr (es war schließlich in den 1970ern/80ern). Warum es großer Quatsch sein soll erschließt sich mir nicht, außer die Pauschalaussage, dass pauschal immer schlecht ist.
 
Nicht das Aufnehmen an sich ist großer Quatsch, sondern von JEDEM Stück ein Mal am Anfang der Stunde ein perfektes Take zu verlangen.
Es geht nicht um JEDES Stück, das hätte ziemlich lange gedauert, da wäre die Stunde vorbei gewesen, sondern um das Stück, was abgelegt werden sollte, weil es vermeintlich fertig war. Es wird nicht in jeder Stunde ein Stück abgelegt, nicht ansatzweise.
 

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