Mein Gehör hat einen Quintenschaden

alibiphysiker

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Hallo allerseits,

ich habe ein kleines Problem, welches mich bereits seit Jahren begleitet: Ich höre "fast absolut", bzw. scheinbar in einem anderen Tonsystem: Für mich hören sich Töne welche sich um eine Quinte unterscheiden nahezu gleich an. (Also im Sinne von: Jemand schlägt einen Ton an und ich soll ihn benennen. In Melodien höre ich natürlich schon einen Unterschied :D). Besonders stark ausgeprägt ist die Verwechselung bei Fis und Cis sowie B und Es. Meine Deutung dahinter ist, dass ich, da ich mit Geige begonnen habe, Tönen in meinem Kopf automatisch "einen Finger" zuordne, und da die Geige in Quinten gestimmt ist habe ich somit den Salat. Ein über Ecken befreundeter Gehörbildungsdozent meinte dazu "Endlich gibt es mal so einen, das ist in der Literatur beschrieben". Nunja, seine Freude hilft mir nun leider nicht weiter, da es wirklich furchtbar ätzend ist. Hat irgendjemand von euch auch Erfahrungen damit? Hat irgendjemand mal einen Schüler gehabt der ein ähnliches Problem hatte? Gab es Möglichkeiten das zu "verbessern"?

LG,

Daniel

P.S. Heute Abend sehe ich unter anderem eben diesen Gehörbildungsdozenten und wollte mal mit ihm darüber plaudern, scheinbar hat er davon ja schonmal gehört.
 
Sry, ich meinte in der Reihenfolge "Es und B". Ich habe nicht auf Groß-, Klein- und Strichschreibung geachtet.
 
Ah ok, jetzt kann ich "in Geige denken" nachvollziehen.
Aber dass das die Ursache dafür ist, kann ich mir nur schwer vorstellen.
Ist das bei allen Instrumenten oder Stimmen so? Nicht dass ich Ahnung hätte, aber als erstes würde ich auf (gleiche?) Obertöne tippen, die Du mehr heraushörst als andere.
 
Lässt sich das Problem in einem zweiten Schritt lösen, in dem du dir einen Ton zwischen Es und B vorstellst, ihn benennst und dann aufgrund des relativen Abstandes Es und B unterscheiden kannst?
Und: Wenn du ein Es hörst, verwechselst du es mit B. Was passiert, wenn du ein B hörst? Verwechselst du es immer mit der Oberquinte? Und wie hoch ist die "Fehlerquote" ?
 
Nicht, dass ich die Lösung fürs Problem hätte... Mich würde aber interessieren, was Du hörst, wenn eine Quinte (z.B. die "schlimmste" Cis-Fis) gleichzeitig angeschlagen wird? Eine Oktave oder doch eine Quinte?
 
Lässt sich das Problem in einem zweiten Schritt lösen, in dem du dir einen Ton zwischen Es und B vorstellst, ihn benennst und dann aufgrund des relativen Abstandes Es und B unterscheiden kannst?
Und: Wenn du ein Es hörst, verwechselst du es mit B. Was passiert, wenn du ein B hörst? Verwechselst du es immer mit der Oberquinte? Und wie hoch ist die "Fehlerquote" ?

Hi Anne. Es ist leider etwas schwierig für mich, dass unter "gescheiten" Bedingungen zu untersuchen. Ich werde bei Gelegenheit mal eine gute Freundin ob sie die obengenannten Töne mal anschlagen kann, um eine einigermaßen ordentliche Statistik zu erhalten.

Tatsächlich verwechsle ich B auf dem Klavier eigentlich nie mit der Oberquinte F. Wie das bei anderen Instrumenten ist kann ich gerade nicht sagen. (Ich weiß dass die Trefferquote auch ziemlich vom Instrument abhängt. Bei Querflöten und Geigen ist sie z.B. auch recht gut, bei Oboen ziemlich schlecht).Aber tatsächlich hören sich für mich "B und F" auch wesentlich ähnlicher an, als andere Töne. Mir fällt es zum Beispiel verhältnismäßig leichter Dinge nach Gehör um eine Quinte zu transponieren, als um andere Intervalle. Aber das ist ja vielleicht noch normal.

Die Idee mit dem zweiten Schritt ist tatsächlich garnicht so unklug, da ich ein A eigentlich immer erkenne. Ich habe es gerade am Klavier ausprobiert, allerdings weiß ich nicht genau, wie sehr das von meinem "intuitiven Wissen trotz geschlossener Augen" welche Taste ich anschlage gebiased war. Ich werde deine Fragen versuchen so bald wie möglich zu beantworten, sobald ich eine weitere helfende Person aufgetrieben habe.

Nicht, dass ich die Lösung fürs Problem hätte... Mich würde aber interessieren, was Du hörst, wenn eine Quinte (z.B. die "schlimmste" Cis-Fis) gleichzeitig angeschlagen wird? Eine Oktave oder doch eine Quinte?

Ich höre da ganz eindeutig eine Quinte. Das wärs ja noch :D Dann wäre mein Gehör ja wirklich zu nichts zu gebrauchen.

LG,

Daniel
 
Ich habe da auch schon von gehört, daß sich Absoluthörer gern mal um eine Quinte oder einen Halbton vertun. Quinte kann ich gut nachvollziehen - die Töne sind halt ähnlich.
 





Ihr Lieben verwirrt mich und zwar ein jeder von Euch!
:dizzy: ;-) :konfus::denken:

Ich dachte bisher, dass es sich um Akkorde handelt, wenn groß geschrieben wird und um einzelne Töne, wenn klein geschrieben wird.

Ja, wie denn nun?
 
Ich hatte schon mehr als einmal Schüler, die, aufgefordert, einen auf dem Klavier gespielten Ton nachzusingen, auffällig oft um eine Quinte oder Quarte daneben lagen.

Vielleicht haben diese Phänomene ja miteinander zu tun?

Vielleicht liegt das Falsch-Nachsingen bei denen ja nicht an irgendeiner Unfähigkeit, den Kehlkopf in die passende Schwingungsfrequenz zu versetzen, sondern die hören tatsächlich so undeutlich und können sich nicht zwischen 2 prominent wahrgenommenen Frequenzen entscheiden??
 
Wenn sie den dritten Oberton deutlicher wahrnehmen als den zweiten oder den Grundton, ist es durchaus denkbar, daß die Quinte als der 'Richtige' wiedergegeben wird.
 

Ich hatte schon mehr als einmal Schüler, die, aufgefordert, einen auf dem Klavier gespielten Ton nachzusingen, auffällig oft um eine Quinte oder Quarte daneben lagen.
Die charakteristische Klangfarbe eines bestimmten Instruments hängt mit der Erzeugung bestimmter Obertöne und deren Verhältnis untereinander zusammen - und besonders stark präsent sind da nun mal die Duodezime und die Doppeloktave. Dahinter verbergen sich letztlich Quinte und Quarte.

Vielleicht liegt das Falsch-Nachsingen bei denen ja nicht an irgendeiner Unfähigkeit, den Kehlkopf in die passende Schwingungsfrequenz zu versetzen, sondern die hören tatsächlich so undeutlich und können sich nicht zwischen 2 prominent wahrgenommenen Frequenzen entscheiden??
Die oben genannte Fehldeutung geht möglicherweise tatsächlich auf eine indifferente Wahrnehmung des klanglichen Spektrums zurück - und das kann verschiedenste Ursachen haben.

Bei Mitgliedern von Laienchören beobachte ich zumeist drei verschiedene Ausprägungen bei dem unzulänglich bewältigten Vorgang, einen klar vorgegebenen Einsatzton nachzusingen:
  • Fallweise irrtümliches Übernehmen im Quint- oder Quartintervall, was auch mit anderen innerhalb der Probensitzung studierten Chorsätzen zusammenhängen könnte - häufig bei ansonsten versierten Chorsängern
  • Öfters oder ständig um eine kleine oder große Sekunde am Zielton vorbei intonieren, meist zu hoch - in der Regel bei Chormitgliedern höheren Lebensalters, bei denen starke degenerative Veränderungen am Gehör zu vermuten sind
  • Kein erkennbar systematisches Falsch-Singen, Irrtümer erfolgen in unterschiedlichsten Tonabständen und Richtungen - typisch für "Brummer", die streng genommen nicht stimmlich entwicklungsfähig sind.
In leistungsorientierten Chören und Vokalensembles werden Vertreter der letztgenannten Kategorie in der Regel als "Störer" von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen. "Gesangvereine" mit ihren sozialen Funktionen vollziehen diesen Schritt allerdings nicht, da man aufgrund persönlicher Verbindungen der Mitglieder untereinander in der Regel mit dem jeweiligen stimmlichen Potenzial aller Interessenten eben auskommen muss. Als Chorleiter erfährt man da mitunter mehr über die Funktionsweise des Gehörs, psychologische Zusammenhänge, Lernprozesse und dergleichen, als wenn man wie im leistungsorientierten Klangkörper alle diejenigen umgehend aussortiert, die den vorgegebenen Mindeststandard nicht erreichen.

Wenn sie den dritten Oberton deutlicher wahrnehmen als den zweiten oder den Grundton, ist es durchaus denkbar, daß die Quinte als der 'Richtige' wiedergegeben wird.
Es wäre mal einen Versuch wert, Töne und Intervalle nicht vom Klavier, sondern von der Orgel aus anzugeben, auf der man die Obertonstruktur durch die Registrierung verändern kann... - gibt es dazu irgendwelche Erfahrungswerte?

LG von Rheinkultur
 
Man müsste einfach mal probieren, ob das Nachsingen klappt, wenn man per Synthi einen reinen Sinuston zum Nachsingen vorgibt.
 
Man müsste einfach mal probieren, ob das Nachsingen klappt, wenn man per Synthi einen reinen Sinuston zum Nachsingen vorgibt.
Falls wirklich die Obertöne der Grund sind, könnte das Gehirn hier durchaus die erwarteten Obertöne vorgaukeln. Es gibt auch noch in anderen Bereichen das Phänomen, dass man etwas sieht / hört / wahrnimmt, was (jetzt gerade) nicht da ist, weil es sonst immer da ist.

Vielleicht wäre der Effekt auf besondere Weise zu beobachten, wenn man verschiedene Registrierungen an der Orgel (oder mit Synthi) direkt hintereinander vorspielt - einmal mit Oberquinte, einmal ohne, und fragt, ob sich der Nachsingende bei einem der Töne "sicherer" ist, was er singen muss als bei einem anderen.
 
Man müsste einfach mal probieren, ob das Nachsingen klappt, wenn man per Synthi einen reinen Sinuston zum Nachsingen vorgibt.
In der Laienchorpraxis wird diese Versuchsanordnung vermutlich aus zwei Gründen nicht ohne weiteres zum Einsatz kommen.

Zum einen werden bei À-Cappella-Literatur die Einsatztöne mit der Stimme und bei begleiteter Literatur mit dem Instrument vorgegeben und von den Chormitgliedern abgenommen. Problematisch ist es, die Töne immer mit dem Klavier anzugeben, weil dann die "(an)schlagende" Tonerzeugung von der Stimme oft unreflektiert übernommen wird - Fehlleistungen beim Stimmgebrauch sind dann vorprogrammiert. Zum anderen kommt man bei der Tonangabe mit konventionellen Mitteln schneller zum gewünschten Ergebnis: Wenn man sich einige wenige Sekunden mehr Zeit nimmt und die Tonangabe erst dann bei der nächsten Stimme fortsetzt, sobald die bisherigen Einsatztöne sicher erfasst und verinnerlicht sind (aushalten lassen!), gelingt der Start seitens der meisten Chormitglieder sicher. Diejenigen Chorsänger, die sich aufgrund von Beeinträchtigungen des Gehörs und ähnlichem schwer tun, lassen Vorsicht walten und steigen notfalls erst dann ein, wenn sie sicher "in ihrer Stimme angekommen sind".

Um auf @hasenbeins Anregung eine adäquate Antwort zu bekommen, müsste man in der Tat mit einem Synthesizer in den Proberaum kommen. Ich wage aber als Praktiker eine Prognose: Sänger mit geringer Musikalität und/oder organischen Hörschäden tun sich auch dann ebenso schwer mit der Tonabnahme, während erfahrene und auffassungsstarke Chormitglieder etwaige Irrtümer bereits erkennen und korrigieren, sobald man ihnen nicht nur den Einsatzton, sondern weitere Töne ihres Stimmeinsatzes vorgibt und sie damit den harmonischen Kontext identifizieren. Das dauert selbst unter Anspannung bei Aufführungsbedingungen nur wenige Sekunden (länger) und funktioniert zuverlässig. Idealerweise stellt man sich bei der Tonangabe direkt vor die jeweilige Stimmgruppe und begibt sich erst dann ans Dirigentenpult.

Vielleicht wäre der Effekt auf besondere Weise zu beobachten, wenn man verschiedene Registrierungen an der Orgel (oder mit Synthi) direkt hintereinander vorspielt - einmal mit Oberquinte, einmal ohne, und fragt, ob sich der Nachsingende bei einem der Töne "sicherer" ist, was er singen muss als bei einem anderen.
Hat einer der hier mitlesenden und mitschreibenden Kantoren/Kirchenmusiker entsprechende Beobachtungen gemacht? Ich vermute aber, dass die jeweiligen Kolleg(inn)en zur Absicherung ebenfalls nicht nur den Einsatzton, sondern den harmonischen Kontext vorgeben und so ein akzeptables Ergebnis erhalten. Vielleicht erfährt man über diesen Fachkollegen hier Näheres?:
http://haraldjers.de/cms/website.php?id=/de/chorakustik/populaer.htm

LG von Rheinkultur
 
Sinustöne gibts auch im Netz zum Download
 
Hallo allerseits,

ich habe ein kleines Problem, welches mich bereits seit Jahren begleitet: Ich höre "fast absolut", bzw. scheinbar in einem anderen Tonsystem: Für mich hören sich Töne welche sich um eine Quinte unterscheiden nahezu gleich an. (Also im Sinne von: Jemand schlägt einen Ton an und ich soll ihn benennen. In Melodien höre ich natürlich schon einen Unterschied :D). Besonders stark ausgeprägt ist die Verwechselung bei Fis und Cis sowie B und Es. Meine Deutung dahinter ist, dass ich, da ich mit Geige begonnen habe, Tönen in meinem Kopf automatisch "einen Finger" zuordne, und da die Geige in Quinten gestimmt ist habe ich somit den Salat. Ein über Ecken befreundeter Gehörbildungsdozent meinte dazu "Endlich gibt es mal so einen, das ist in der Literatur beschrieben". Nunja, seine Freude hilft mir nun leider nicht weiter, da es wirklich furchtbar ätzend ist. Hat irgendjemand von euch auch Erfahrungen damit? Hat irgendjemand mal einen Schüler gehabt der ein ähnliches Problem hatte? Gab es Möglichkeiten das zu "verbessern"?

LG,

Daniel

P.S. Heute Abend sehe ich unter anderem eben diesen Gehörbildungsdozenten und wollte mal mit ihm darüber plaudern, scheinbar hat er davon ja schonmal gehört.
Wie ist das denn, wenn du versuchst, den Ton nachzusingen? Triffst du ihn oder singst du die Quinte dazu?
 
Sorry, ich antworte in den nächsten Tagen auf alles noch ausführlicher, hatte bloß gestern und heute keine Zeit.

Wie ist das denn, wenn du versuchst, den Ton nachzusingen? Triffst du ihn oder singst du die Quinte dazu?
Ich treff ihn. Das Problem ist nicht, dass ich Probleme mit der Quinte habe, wenn ich mein "relatives Gehör" bemühe, sondern nur, wenn ich Töne ohne Referenzton benennen soll.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe nur ein relatives Gehör, kann aber auf etwa 1/2 Ton Abweichung Töne benennen, weil ich mich am tiefsten Ton des Stimmumfangs orientieren kann. Ich finde, eine Quinte ist vom Abstand zum tatsächlichen Ton schon so viel, dass eigentlich auffallen müsste, dass es der angenommene Ton nicht sein kann, wenn man ihn gedanklich oder tatsächlich mitsingt.
 

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