Liederzyklus (Eigenkomposition)

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Gelöschte Mitglieder 13940

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28. Apr. 2016
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Im vergangenen Jahr hatte ich die Gelegenheit, in kleinem Rahmen einen Liederzyklus aufzuführen, dessen Bestandteile ich teilweise bereits vor mehr als fünfzehn Jahren, teilweise aber auch erst vor kurzem komponiert hatte.

Die Lieder im einzelnen:
"Volksweise" nach dem gleichnamigen Gedicht von R. M. Rilke
"Die Nachtigall" nach dem gleichnamigen Gedicht von Theodor Storm
"Es lacht in dem steigenden jahr dir" nach einem Gedicht von Stefan George
"Komm in den totgesagten park" nach einem Gedicht von Stefan George
"Weil es Abend wird" nach zwei Strophen aus dem Gedicht "Die Flöte" von Werner Bergengruen
"Wiegenlied" nach einem eigenen Text

Bitte beachten, dass das Ganze ein Amateur-Projekt ohne professionellen Anspruch war.
Die Kompositionsdaten der jeweiligen Lieder lasse ich bewusst weg, aber vielleicht wirken einzelne Stücke "reifer" oder "avancierter" als die anderen? (Würde mich interessieren, ob man da was merkt.)
Mich würde auch interessieren, was eure Favoriten sind und welche Empfehlungen ihr mir zur Weiterentwicklung meiner Kompositionstechnik geben könnt.
 
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Die Kompositionsdaten der jeweiligen Lieder lasse ich bewusst weg, aber vielleicht wirken einzelne Stücke "reifer" oder "avancierter" als die anderen? (Würde mich interessieren, ob man da was merkt.)
Nach einmaligem Durchhören - ich schreib das einfach mal so hin, ohne mich durch ein zweites Reinhören zu vergewissern:
Den "anfängerhaftesten" Eindruck hat Nr. 2 auf mich gemacht.
Nr. 1, 2, 3 und 5 scheinen den Stil des frühen 19. Jahrunderts kopieren zu wollen, Nr. 4 und 6 eher den Stil des späten 19. Jahrhunderts. Hier fallen handwerkliche Schwierigkeiten mehr auf, insbesondere Nr. 4 klingt für mich nach "mehr gewollt als gekonnt". Andererseits entfaltet das Wiegenlied (Nr. 6) einen persönlichen Charme, insofern hat es mich von allen Liedern am meisten angesprochen.
 
Bitte beachten, dass das Ganze ein Amateur-Projekt ohne professionellen Anspruch war.
...auch unter Berücksichtigung dieser Vorzeichen gibt es ein paar Auffälligkeiten:

1. der Zyklus vereint Texte von Storm (Romantik/Realismus), Rilke, George (Frühmoderne, Symbolismus), Bergengreun (u.a. innere Emigration) und … "Charis" ……. ;-) ...wie soll man da nicht den Eindruck erhalten, dass sich da einer gerne neben Storm, Rilke und so sähe...

2. fünf der sechs Lieder sind - teilweise sehr unbeholfene*) - Stilkopien a la es soll so ähnlich sein, wie die extra schlicht gehaltenen Schubert- & Mendelssohnlieder, nicht wie die komplexen/komplizierten von denen, das sechste verwendet "neuere" Mittel (bisschen a la Satie, paar Nonenakkorde usw) - das ulkige an dieser "zyklischen Reihung" ist: der Storm, der Rilke, der George und der Bergengruen erhalten die altertümlichen Stilkopien, hingegen dem Autor "Charis" wird die etwas neuere Musik gegönnt... ;-)

3. ...muss es denn gleich hochambitioniert ein Zyklus sein? Weder die Zusammenstellung der Texte lässt inhaltlich irgendwas zyklisches erahnen, noch die musikalische Ausarbeitung. Am einfachsten wären Texte, die tatsächlich zusammen gehören: Müllers Müllerin, Chamissos Frauenliebe (ok, das eine hat der Schubert, das andere der Schumann - vorbildlich gekonnt! - vertont) Wo die Texte keinen Zusammenhalt bieten, kann die Musik einen schaffen: Madame Wesendoncks ambitioniert-lächerliche Amatuergedichtlein mit Wagners Musik**) - hier schafft die harmon.-stilist. Kontrastanordnung Wagners den zyklischen Zusammenhalt. => deinem "Zyklus", der keiner ist, fehlt der Zusammenhang, ebenso fehlen wirkliche Kontraste.

...buhu & mimimi das ist aber herb... und voll fies mit Kanonen (Schubert und so) auf Spatzen (Amateurversuch) geschossen... du wirst es überstehen :-) Denn nach der kalten Dusche kommt unerwartet großes Lob: dafür, dass du diesen (vermutlich schon einige Jahre alten) Versuch hier vorstellst ! Deine Lieder bieten die Chance, typische Unbeholfenheiten***) der Ausarbeitung zu untersuchen und ggf zu verbessern. Des weiteren - und das ist ein noch größeres Lob - muss man erst mal auf die melodischen Einfälle kommen !

Mein Tipp an dich: nicht zürnen, nicht aber-Amateur-blabla machen, sondern zwei ruhige Lieder als exemplarische formale und kompositionstechnische Vorbilder untersuchen: Schubert "ich pflückte keine Blume" und Wagner "der Engel" (dir wird unschwer klar, warum diese zwei) und erst lange danach ein ruhiges "moderneres" von Richard Strauß "Morgen" op.27 Nr.4
_________________
*) da finden sich vermurkste Übergänge, holpernde Periodik, einfallslose Schlüsse, banale Harmlosigkeiten (z.B. die nachtigallischen Zwischentakte, in welchen die Singstimme dankenswerterweise schweigt)
**) ok, mit den genannten drei Zyklen von Schubert, Schumann, Wagner befindet man sich ganz oben im Olymp der Kunstliedzyklen - aber gerade diese sind lehrreich, was Zusammenhalt, Stil, Kompositionstechnik etc betrifft.
***) wenn einem gar nichts zur eigenen Melodie einfällt, dann führt man Singstimme und Begleitung parallel, weil männo das haben der Schubert und der Wagner ja auch etliche Takte lang gemacht -
 
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Danke für die Rückmeldungen, jetzt weiß ich, wo und wie ich weiterarbeiten kann.
Ich habe vergessen zu schreiben, dass es mir weniger um die Bewertung der Darbietungen als um die Kompositionen geht. Zweiter Fehler von mir: Diese Zusammenstellung von sechs Liedern "Zyklus" zu nennen. Das bietet eine unnötige Angriffsfläche und wirkt prätentiös.

...wie soll man da nicht den Eindruck erhalten, dass sich da einer gerne neben Storm, Rilke und so sähe...
Ach so - nee, das wollte ich damit nicht suggerieren. :-D Der Text zum Wiegenlied ist ja auch nichts Besonderes.

großes Lob: dafür, dass du diesen (vermutlich schon einige Jahre alten) Versuch hier vorstellst !
Reinstellen ist aber an sich noch kein Grund, jemanden zu loben, oder? Vielleicht war es auch dumm.

Des weiteren - und das ist ein noch größeres Lob - muss man erst mal auf die melodischen Einfälle kommen !
Danke für das Lob!

wenn einem gar nichts zur eigenen Melodie einfällt, dann führt man Singstimme und Begleitung parallel, weil männo das haben der Schubert und der Wagner ja auch etliche Takte lang gemacht
Hm ... ich habe das aber wirklich nur sehr selten gemacht.

Bis auf Nr. 4 und 6 sind alle Lieder von 2004. Nr. 4 ist von 2019, Nr. 6 von 2018.

insbesondere Nr. 4 klingt für mich nach "mehr gewollt als gekonnt".
Okay. Es war ein erster Versuch nach langer Pause.

Andererseits entfaltet das Wiegenlied (Nr. 6) einen persönlichen Charme, insofern hat es mich von allen Liedern am meisten angesprochen.
Danke!
 
@rolf hat mit seinem "Gutachten" eigentlich schon alles gesagt, noch eine Ergänzung: Beim Wiegenlied musste ich an Fauré denken. Wenn das Wiegenlied am ehesten deinem eigenen Stil entspricht, könntest du dir bestimmt zusätzlich zu Rolfs Vorschlägen auch bei Fauré-Liedern Anregungen und Inspiration holen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich halte mich an die Bitte der TE @Charis , die wahrscheinlich um zielgruppengerechte nüchterne Kritik bat
Bitte beachten, dass das Ganze ein Amateur-Projekt ohne professionellen Anspruch war.



Unter Beachtung obiger Gegebenheiten kann festgestellt werden:

a. sehr schön, dass es jemand wagt, seine musikalischen Gedanken zu Papier und einem breiten Publikum zu Gehör zu bringen.
Es sind viel zu wenige derer und viel zu viele der Grimassenschneider unterwegs, die eine Lust am Veriss lustwallen.

b. Auf jeden Fall fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt, nämlich in die Romantik und beim Wiegenlied in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Das dies gelang, zeigt musikalische Beschlagenheit.

c. Der Klavierpart zu 1. fängt eine sehr geheimnisvolle und recht traurige Stimmung ein. Der Hörer wird durchaus ergriffen davon.

d. Der Klavierpart zu 3. ließ mich spontan an eine KinderBallettstunde denken, heiter , unbeschwert und blumig.

e. Die Nachtigall zu 2. erscheint etwas plakativ um 01:00-05 aber hat dadurch natürlich guten Wiedererkennungswert. Das Tempo treibt rasch voran bis die Nachtigall, wie textlich festgestell wird, die ganze Nacht hindurch sang und schließlich ermüdet langsamer verklingt.

f. Das Wiegenlied zeigt sehr viel Innerlichkeit der Autorin, gewährt es doch textlich wie klanglich intime Einblicke, insoweit kann @Pedall durchaus beigetreten werden, der zu Recht von "persönlichem Charme" spricht. Bei 0:50 etwa könnte das bewiegte Kindlein aber jäh aus dem Einschlummern herausgerissen werden, obgleich die erwachsene Hörerschaft dies eher als Höhepunkt deutet, denn sie will sich ja gerade nicht einwiegeln lassen.

g. Stimmlich sollte einige Entwicklung stattfinden oder aber ein anderer Sänger probiert werden.
 
@Demian Du hast ins Schwarze getroffen. Fauré höre ich derzeit viel. "Les Berceaux" ist eines meiner liebsten Klavierlieder.

@maxe Danke für Deine Einschätzung.
 
speziell dem Lob für die melodischen Einfälle muss ich aber einen Dämpfer folgen lassen...
zwar ist schon viel gewonnen, wenn man erstmal eine tragfähige bzw. überzeugende Melodielinie gefunden hat, aber dann stellen sich zwei tückische Fragen:
1. was hat die Melodie mit dem Text zu tun?
2. findet sich eine passende Begleitung zur Melodie?

der ersten Frage weiche ich erstmal aus, denn mir steht gerade nicht der Sinn nach Gedichtinterpretation ;-) aber bei der zweiten Frage habe ich eine Antwort, die dir vermutlich nicht schmecken wird: so wirklich passen deine Begleitfiguren nicht zu deinen Melodien. Hierbei geht es gar nicht darum, etwaige Mängel im Klaviersatz zu beäugen oder konventionelle Allerweltslösungen mit Häme vorzuführen, sondern darum, ob charakterlich/stimmungsmäßig oder kontrastierend oder unterstützend/ausdeutend ein Zusammenhang zwischen Melodielinie und Begleitung besteht oder nicht.
=> genau das kann man bei den drei genannten ruhigen Liedern, die perfekte Musterbeispiele sind, mal nachschauen und dann vergleichen. Wäre mal so ein Ansatz, sofern dich das überhaupt interessieren sollte.
 

...vielleicht wäre ein eigener Faden über gräßliches Gekreische und elend gestümperte Seufzer angesagt, denn ich sehe nicht, wie diese Einsprengsel für Charis´ Lieder hilfreich sein sollen - - fair wäre, den Quatsch hier einfach zu entfernen.
Ich hätte da mal aus Moderatorensicht einen Vorschlag, den ich auch als einfacher Mitschreiber machen würde. Könnte man in den Eröffnungsbeitrag statt der leider wirklich unvorteilhaften Livemitschnitte lieber den Notentext im PDF-Format packen? Oder aber zeitnah einen neuen Beitrag mit den angehängten Notentexten, dann neu mit der Diskussion starten und die bis jetzt erstellten Beiträge über interpretatorisches Unvermögen verschieben oder löschen? Bis jetzt verstellen die in der Diskussion stehenden schiefen Töne als einzige Vorlage fast völlig den Blick auf die eigentliche kompositorische Arbeit, an der mich persönlich immerhin ein Aspekt positiv stimmt: es wird ein einfach und überschaubar gehaltenes musikalisches Vokabular benutzt und das Bedürfnis, auf plausible formale Anlagen zu kommen, ist durchgängig zu spüren. Da reiht also nicht einfach nur jemand zusammenhanglos eine musikalische Geste an die nächste und mit der zwangsläufigen Wort-Ton-Beziehung wird die gestellte Aufgabe zur schwierigen Doppelaufgabe.

Wer Kunstlieder in (früh-)romantischer Stilistik komponieren möchte, sollte nach den von @rolf vorgeschlagenen werkanalytischen Arbeiten seine schöpferischen Bemühungen durch zwei Aufgaben entscheidend weiterentwickeln:
  1. Kurze Klavierstücke etwa nach dem Vorbild von Beethovens Bagatellen oder Schumannscher Charakterstücke als Werk der "Absoluten Musik", um in Vor-, Zwischen- und Nachspielen ein abwechslungsreiches musikalisches Vokabular anzuwenden, das eben nicht nur die Zeit bis zum nächsten Einsatz der Singstimme füllt.
  2. Vertonung einzelner Verse für eine sangbar geführte Stimme ohne Begleitung, dabei im Hinterkopf behalten, dass bei syllabischer Vertonung (eine Textsilbe entspricht einem Ton) die Textverständlichkeit am besten ist.
Der nächste Schritt wäre dann das Entwerfen einer gestalterisch unterstützenden Klavierbegleitung, die auch mit der Singstimme in einen lebendigen Dialog treten kann und darf.

Der Einleitungssatz zu Beitrag #11 des Fadenerstellers lässt vermuten, dass ein Austausch zur kompositorischen Seite des Projekts erwünscht ist - und dieser funktioniert bei Vorlage des Notentexts mit Angabe der Taktzahlen naturgemäß am besten. Also?

LG von Rheinkultur
 
Könnte man in den Eröffnungsbeitrag statt der leider wirklich unvorteilhaften Livemitschnitte lieber den Notentext im PDF-Format packen?

Finde ich gar keine gute Idee, ich denke man sollte die Clavios nicht so einschätzen, dass Sie da nicht ein bissel abstrahieren können. Wer das denn nur ein klein wenig möchte, lässt sich den Blick auf eine gute Komposition doch nicht von einer schlechten Interpretation verstellen. Außerdem teilt sich in der Interpretation, wenn denn der Komponist selbst zu Werke schreitet, doch zumindest so etwas wie eine Absicht mit, wie das Ganze denn dargeboten werden soll.
 

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