Hammerköpfe erneuern

Gernot

Gernot

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17. Juli 2011
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Liebe Foris

Letztens war ein Klavierbauer da, um bei ein paar Tönen lästige Nebengeräusche zu beseitigen. Dabei hat er festgestellt, dass sich die Hämmer nicht mehr richtig intonieren lassen, weil es dem Filz an der nötigen Spannung fehle. ich habe einen Ehrbar Flügel (Typ 8a, ca 1,70m) aus den 1950er Jahren. Mechanik: Schwander Breveté. Die Hammerköpfe stammen zumindest aus den 1970ern, wenn sie nicht überhaupt noch original sind. Wurden sicher auch schon mehrmals abgezogen.

Ich trage mich jedenfalls mit dem Gedanken, das machen zu lassen. Nächste Woche kommt der Herr nochmal um sich den Spielapparat genauer anzusehen und Maßnahmen zu besprechen. Dann wird ein Kostenvoranschlag gemacht.

Angesprochen wurden bis jetzt folgende Punkte
- Neubefilzen vs. neue Hammerköpfe
- Filztyp, empfohlen: Naturfilz
- wenn neue Hammerköpfe dann mit neuen Stielen und tendenziell auch mit neuen Achsen und "Röllchen"?
- Fängerleder (sehen zum Teil mitgenommen aus, wurden irgendwann bei einzelnen Tönen ersetzt, aber offenbar mit einem anderen Material

Die Tastengarnierungen scheinen in Ordnung.

Frage, vor allem an die Fachleute und die, die sowas schonmal machen haben lassen: was gibt es diesbezüglich für Pros und Contras zu bedenken?

Ich hätte ja z.B. naiverweise gedacht, dass bei einem Hammerkopftausch die Hämmer von den Stielen gelöst werden und dann gegen neue getauscht werden. Was spricht für neue Stiele? Wenn man schon die Stiele tauscht, ist's dann nicht besser, gleich die Einheit mit Kapsel zu tauschen? Oder kriegt man das nicht mehr nach? Die Mechanik ist eine Schwander Breveté.

Freue mich auf Euren Input.

Liebe Grüße
Gernot
 
Wenn die Stiele noch in Ordnung sind, kannst du die Hämmer z.B. von Abel neu befilzen lassen. Das spart Zeit beim Wiedereinbau. Bei stärkerer Abnutzung der Mechanik (dafür sprechen hier die mitgenommenen Fängerleder) müssen aber meist die Achsen und Röllchen mit getauscht werden so dass es letztlich besser sein kann, neue Stiele mit neuen Hammerköpfen einzubauen. Dann hast du wieder gleichmäßige Verhältnisse weil die Achsen und Röllchen neu sind. Ein großer Zeitaufwand ist in beiden Fällen das Feilen auf Chor und anchließende Intonation der neuen Hammerköpfe. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Hammerköpfe neu sind oder nur neu befilzt.
 
Toll. :cry: Vor diesem "Problem" stehe ich ja auch mit meinem Förster aus den 20ern.

Irgendjemand im Forum hat mal geklagt, dass die neuen Hämmer durch solche Arbeiten zu schwer geraten sind. Das hat mich mächtig verunsichert - ich habe den Flügel ja wegen seiner zauberhaften Leichtgängigkeit gekauft.

Michael hat mir gesagt, es sei egal, ob man die Hämmer komplett neu nimmt oder nur neu befilzen lässt. Meine Bedenken, die Teile würden dann zu groß/zu schwer zerstreute er, indem er sagte, er würde sie ganz präzise fertigen lassen.

Wie groß ist das Risiko, dass eine Neubefilzung daneben geht? Kommt das häufig vor?


(Ich bin mir bewusst, dass das eine ziemlich blöde Frage ist, aber ich hege eine echte Sorge diesbezüglich...)
 
Ich hänge mich auch mal dran. Meine sind auch aus den 70ern und mir wurde schon zu einer Neubefilzung geraten. Vielleicht doch besser alles komplett mit Stil und Gelenk,Achse neu? Mir wurde auch gesagt, daß die Hämmer schwerer werden, weil der alte abgezogene Filz ja leichter ist. Aber wieviel ist das in Gramm? Wie kann man das denn ausgleichen, oder von Abel auf das gleiche Gewicht bringen lassen, oder wie könnte das Micha gemeint haben?
Ich würde dann am Liebsten alle komplett selber abschrauben und dann in der langen Zeit im Sommer, wo ich nicht zu Hause bin nach Abel schicken. Einbau, Intonation dann im Herbst natürlich vom Fachmann.

Gruß
Manfred
 
Hallo Manfred,

so weit ich weiß, arbeitet Abel nicht mit Privatpersonen zusammen. Du müsstest die Hämmer einem Dir vertrauten Klavierbauer / -techniker geben oder schicken. Dieser könnte gleich auch die Achsen prüfen und gegebenenfalls ersetzen.

Das Hammerkopfgewicht wirkt sich auf das Spielgefühl aus. Meist ist das Übersetzungsverhältnis ca. 5. Das heißt also, dass 1 Gramm mehr Gewicht sich in einem 5 Gramm höheren Niederdruckgewicht auswirkt.

Befilzen lassen kann man sowohl bei Abel als auch bei Renner. Das Pendant zu Abel Naturfilz bei Renner ist der Weickert-Spezial.

Viele Grüße
Martin
 
Wie groß ist das Risiko, dass eine Neubefilzung daneben geht? Kommt das häufig vor?

Wenn die Arbeit fachgerecht ausgeführt wird, brauchst Du Dir da keine Sorgen zu machen. Die neuen HK (Filze) müssen halt in der Regel nochmal im Instrument nachintoniert werden. Beim Förster haben wir häufiger das Problem daß der Hammer im Baß zu weich ausfällt - kriegt man allerdings mit dem Hammerkopfbrenneisen recht gut "rausgebügelt".
LG
Alb
 
Danke @jensen1 und @Mawima für die Infos.

Ein paar Fragen dazu:

Woran erkennt man, dass Stiele ausgetauscht werden sollten?

Werden beim Neu-Befilzen eigentlich nur die Köpfe eingeschickt oder die gesamte "Garnitur" (Kapsel, Stiel, Kopf?

Kommen neue Stiele normalerweise im Paket mit neuen Kapseln? Wie hier zu sehen:



Bei den "Achsen" geht es immer um das Gelenk zwischen Kapsel und Stiel, oder sind da noch andere Teile gemeint?

Liebe Grüße
Gernot
 
Woran erkennt man, dass Stiele ausgetauscht werden sollten?

An der Abnutzung der Hammerröllchen und Achsen. Beim neuen Hammerkopf geht es ohnehin nicht ohne Austausch der Stiele,
Werden beim Neu-Befilzen eigentlich nur die Köpfe eingeschickt oder die gesamte "Garnitur" (Kapsel, Stiel, Kopf?
letzteres - wär ja Blödsinn dafür die alten HK auszuleimen
:rauchen:

LG
Alb
 
... Du müsstest die Hämmer einem Dir vertrauten Klavierbauer / -techniker geben oder schicken. ...

Das Hammerkopfgewicht wirkt sich auf das Spielgefühl aus. Meist ist das Übersetzungsverhältnis ca. 5. Das heißt also, dass 1 Gramm mehr Gewicht sich in einem 5 Gramm höheren Niederdruckgewicht auswirkt.
...
Ich hatte das nur vereinfacht ausgedrückt. Ich wollte nur bemerken, daß ich mir zutraue die Hämmer komplett auszubauen und dann an den mir bekannten Fachmann zu schicken. Ich möchte die Wartezeit gerne in meine Abwesenheit setzen. Wenn am Ende der Hammerkopf tatsächlich 1 g schwerer ist, ist das 5 g höhere Niedruckgewicht schon leider sehr deutlich. Fragt sich eben, wieviel wird es? Ist es üblich, siehe den Hinweis aus Michas Äußerung, daß Abel die Neubefilzung auf gleiches Gewicht trimmen kann? Vielleicht ist die Beschaffenheit des Filzes wichtiger als die Dicke und damit das Gewicht...keine Ahnung:konfus:.
 
Wieviel schwerer der Hammer wird, das kann ich dir auch nicht genau sagen, ich habe da nie nachgemessen. Ich wollte aber mal für einen meiner Flügel eine ganz genau abgestufte Gewichtung der Hämmer haben und habe da mit der Präzisionswaage alle Hämmer gemessen und dann zurecht gefeilt. Aus der Erinnerung ist 1g Veränderung eine sehr große Menge Filz (volumenmäßig).

Der Austausch der Hämmer (bzw. Neubefilzung) ist ja eine Notwendigkeit, an der kein Weg vorbei führt, wenn die Hämmer einige Male abgezogen worden sind und nun wieder tiefe Rillen haben und ein nochmaliges Abziehen nicht möglich ist, oder wenn der Hammerkopf anderweitig nicht mehr klingt und per Intonation nicht das gewünschte Ergebnis erzielt werden kann. Es kann dir aber niemand verbieten, die neuen Hammerköpfe erstmal kräftig abzufeilen, falls sie doch zu schwer sein sollten (woran ich aber Zweifel habe). Damit würdest du die Lebensdauer der neuen Hammerköpfe zwar verkürzen, aber es wäre eine Möglichkeit, falls du tatsächlich mit der Spielschwere ein Problem bekommen solltest.

Ich glaube aber nicht, dass es so drastisch wird mit der Erhöhung der gefühlten Spielschwere. Die statische Spielschwere ist nur bedingt aussagekräftig, wie sich das Instrument anfühlt. Ein paar Gramm mehr an der Taste müssen nicht zwangsläufig den Flügel als "schwer" daher kommen lassen. Instrumente, die als schwergängig beurteilt werden haben in den meisten Fällen ganz andere Probleme, als zu schwere Hämmer.
 

Was spricht eigentlich dagegen, die Klaviatur auszuwiegen?
Soviel Arbeit, wie alle Hämmer abzufeilen kann das doch nicht sein, oder war es eine tastengebundene Mechanik?
 
Das mit den "neue Hammerköpfe sind spürbar schwerer als die alten zum teil entfilzten", ist Unfug solange die alten Hammerköpfe nicht durch schwerere ersetzt werden. Durch neue Hammerröllchen wird die Spielart erst einmal schwerer, da die Stoßzunge hier noch mehr Reibungswiderstand hat, als bei den alten glattgelutschten.
LG
Alb
 
Ich wollte aber mal für einen meiner Flügel eine ganz genau abgestufte Gewichtung der Hämmer haben und habe da mit der Präzisionswaage alle Hämmer gemessen und dann zurecht gefeilt. Aus der Erinnerung ist 1g Veränderung eine sehr große Menge Filz (volumenmäßig).
Was Du beim Hammerköpfe abziehen runterholst, bewegt sich im mg Bereich - holst Du 1 g vom Hammerkopf runter, hast ihn aber arg zugesetzt :dizzy:
LG
Alb
Genau das würde ich mit Auswiegen vermeiden wollen.
 
Hallo,

also mein 108-jähriger Bechstein A hat gerade vor einem Monat seine neubefilzten Hammerköpfe bekommen, da die Origanalen auch ziemlich runter waren und mit Intonieren kaum noch was ging.
Die Neubefilzung bei Abel hat gerade mal drei Wochen gedauert. Erneuert wurden auch die Röllchen, Achsen waren alle noch leichtgängig und ohne Spiel. Kostenpunkt: knapp 1000€.
Der Wiedereinbau hat ungefähr zwei Tage gedauert, wobei nur einzelne Töne intoniert werden mussten, weil der Naturfilz (bei mir mittelhart mit Unterfilz) schon ab Werk sehr gut bearbeitet war. Kostenpunkt für den Klavierbauer: gut 1000€.
Der Klangzuwachs und die Steigerung der möglichen Dynamik ist jetzt enorm. Auch hat die Spielart nicht gelitten, ganz im Gegenteil. Zwar spielt es sich nun ein klein wenig schwerer, allerdings empfinde ich dass Spielwerk nun griffiger, alles ist genauer dosierbar, präziser. Ich kann aus meiner Sicht also nur jedem, der über eine Erneuerung der Hammerköpfe nachdenkt und ein altes/antikes Instrument, zur Neubefilzung raten.
 
Danke @Alb und @Ka8

Aus dem ergibt sich für mich noch Klärungsbedarf. Sorry, dass ich so begriffstutzig bin, ich tu nicht nur so :blöd:


An der Abnutzung der Hammerröllchen und Achsen.

Also sind in der Regel nicht die Stiele an sich das Problem, sondern der Zustand von Röllchen und/oder Achsen?

Hallo,Die Neubefilzung bei Abel hat gerade mal drei Wochen gedauert. Erneuert wurden auch die Röllchen, Achsen waren alle noch leichtgängig und ohne Spiel.

Meine Röllchen machen zum Teil einen ramponierten Eindruck. Also die sind sicher zu tauschen. Da die Mechanik insgesamt sehr leichtgängig ist, gibt mir das aber Hoffnung, dass die Stiele und Achsen vielleicht bleiben können.

Danke auch für die Angaben zu den Kosten. Eine genaue Inspektion erfolgt ja erst. Bis jetzt ging es bei den Gesprächen darum, was alles nötig sein könnte. Und da war dann schon von 5000 die Rede.

Der Wiedereinbau hat ungefähr zwei Tage gedauert, wobei nur einzelne Töne intoniert werden mussten, weil der Naturfilz (bei mir mittelhart mit Unterfilz) schon ab Werk sehr gut bearbeitet war.[...]
Der Klangzuwachs und die Steigerung der möglichen Dynamik ist jetzt enorm. Auch hat die Spielart nicht gelitten, ganz im Gegenteil. Zwar spielt es sich nun ein klein wenig schwerer, allerdings empfinde ich dass Spielwerk nun griffiger, alles ist genauer dosierbar, präziser. Ich kann aus meiner Sicht also nur jedem, der über eine Erneuerung der Hammerköpfe nachdenkt und ein altes/antikes Instrument, zur Neubefilzung raten.

Eine Steigerung in der dynamischen Bandbreite ist auch etwas, was ich mir erwarte, Ebenso wie klareren und substantielleren Klang im pp-Bereich. Mich würde dabei eine "Gewichtszunahme" nicht stören. Mir ist das derzeitige Spielgefühl ohnehin fast schon zu leicht. Aber da tickt halt jeder anders.

Was hat es mit dem Naturfilz auf sich? Der wurde mir ja auch empfohlen.

Liebe Grüße
Gernot
 
Also sind in der Regel nicht die Stiele an sich das Problem, sondern der Zustand von Röllchen und/oder Achsen?
Die Stiele selbst sind in der Regel nicht so das Problem - sicher, man kann sie auch mit neuen Röllchen ausstatten, neu achsen und tuchen - da verbrätst aber mehr Arbeitstunden als was Du an Material ausgeben würdest wennst gleich komplett neue Stiele verbaust.
Was hat es mit dem Naturfilz auf sich? Der wurde mir ja auch empfohlen.

Naturrr ist natürlich ein Modebegriff, hier handelt es sich schlichtweg um traditionell hergestellten Hammerkopffilz ohne Zusätze wie Härter o.ä.

LG
Alb
 
Sorry ist jetzt oftopic, ist zwar nicht hergestellt, daher eigentlich noch schlimmer: Echtholz, liest man leider häufiger, mir stehen da immer die Haare zu Berge.
Viele Grüße
Ivory
 

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