Absolutes Gehör

Die ganze Debatte hier ist nicht zielführend, da die Meinungen Überzeugungen sind. Prägungen können in der Kindheit auch sehr früh auftreten.
Glaube nicht, dass es mit zwei Jahren schon zu spät war. Da konnte ich wohl schon mehrstrophige Lieder auswendig vorsingen. Meiner Erfahrung nach kann es nur eine Mischung aus Erbanlage und Training sein. Übrigens bin ich überzeugt davon, dass es (wer weiß wie viele) Menschen gibt, die ein Absolutes Gehör besitzen, ohne es zu wissen. Es gab bei "Wetten, dass...?" immer wieder mal Wetten, die dies voraussetzten. Zum Beispiel jemanden, der die Drehzahl des Motors am Ton erkannte (sicher ziemlich leicht, wenn man ein A.S. hat), oder jemanden, der die Ziffern des Tastentelefons vom Hören her zuordnen konnte.
 
Ein absolutes Gehör kann man sich auch durch einen Tinnitus zulegen - wenn sich dieser auf dem f#´´ befindet, so weiß man sofort wo sich das a´ befindet - nämlich eine große Sexte tiefer.

Dann ist es immer noch kein absolutes, sondern ein relatives Gehör, weil Du einen Referenzton brauchst. Jemand mit wirklich absolutem Gehör buchstabiert die einen 10stimmigen schrägen Akkord von oben nach unten, nach dem Du den Akkord 1 Sekunde lang auf dem Klavier angeschlagen hast.
 
Ich verbinde zusätzlich mit jedem Ton und damit jeder Tonart Eigenschaften, die ich nicht in Worte fassen kann.
Das geht mir genauso. Jeder Ton hat einen eigenen Charakter, wie eine eigene "Farbe". Auch (einzelne) Zahlen haben für mich gefühlt "Farben". Das ist für mich ganz normal, weil ich es nicht anders kenne. Auch Tonarten haben jeweils ihren eigenen Charakter, so wie unterschiedliche Menschen verschiedene Charaktere haben.

Meine Fähigkeit, aus einem komplexen Akkordsalat heraus alle Töne richtig zu erkennen, hat mit steigendem Alter aber deutlich abgenommen. Einzelne Töne oder einigermaßen harmonische Akkorde mit wenig Dissonanzen kann ich immer noch problemlos benennen. Manchmal mache ich aber auch komische Verwechslungsfehler (z.B. bei Terzen) - offensichtlich rostet mein Hirn langsam ein.

Dass es unterschiedliche Stimmungen von Instrumenten gibt (historische vs. heutige Stimmung), habe ich erst vor kurzem erfahren. Mit steigendem Alter "verstimmt" sich mein als natürlich empfundener Kammerton mehr in Richtung der historischen Stimmung, wird also etwas tiefer. Da ich das weiß, kann ich bewusst ein bisschen höher gehen und lande dann in etwa beim "heutigen" Kammerton.
 
@chopinfan
Sehr interessant. Die Frage ist: Wodurch genau „muss“ sich bei einem absoluten Gehör die Erkennungs- bzw. Bennenungsfähigkeit zeigen? Durch Tonnamen, durch spezifische ausgelöste Emotionen, durch evozierte, jeweils zugeordnete Farben oder durch etwas ganz anderes?

Und eine Frage, die sich mir stellt: Muss das absolute Gehör fit gehalten werden, oder hat man es für sein Leben lang, wenn man es hat?
 
in Richtung der historischen Stimmung, wird also etwas tiefer.
Historische Stimmungen waren ned immer tiefer, zum Teil waren die sogar wesentlich höher.

Der Cornetton liegt beispielsweise zwischen 450 und 480 Hz und wurd früher öfter bei Orgeln und Bläser verwendet.

Aber ich weiß was Du meinst - wenn ich beim stimmen beispielsweise ein h anschlage, meine ich auch bereits beim c zu sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage ist: Wodurch genau „muss“ sich bei einem absoluten Gehör die Erkennungs- bzw. Bennenungsfähigkeit zeigen? Durch Tonnamen, durch spezifische ausgelöste Emotionen, durch evozierte, jeweils zugeordnete Farben oder durch etwas ganz anderes?
Das ist vermutlich eine Definitionsfrage. Prof. Altenmüller (Hannover), der aktuell zum aG forscht, definiert das aG z.B. so, dass man die Töne benennen kann.
Muss das absolute Gehör fit gehalten werden, oder hat man es für sein Leben lang, wenn man es hat?
Bei mir ist es geblieben, auch über viele Jahre hinweg, in denen ich kein Instrument angerührt habe. Allerdings hat es sich insofern verschlechtert, als dass ich komplexe Dissonanzen mit mehreren Tönen nicht mehr sicher erkennen kann, was als Kind/Jugendliche noch ging. Ich kann probieren, ob das mit etwas Training wieder "besser" wird.

Hier z.B. erkenne ich längst nicht mehr "alles":

Historische Stimmungen waren ned immer tiefer, zum Teil waren die sogar wesentlich höher.
Das ist interessant, danke für den Hinweis.

Ich kenne sehr viele Kollegen, die es im Alter von 50, 60 Jahren verloren haben.
Erkennen die dann gar keine Töne mehr, oder geht es noch zumindest mit Einzeltönen?

Für mich ist die Art, wie ich Töne wahrnehme, einfach eine spezifische Art der Wahrnehmung. Ich glaube, dass *jeder* Töne und Musik unterschiedlich bzw. spezifisch wahrnimmt. Die Unterscheidung zwischen "absolutem" und "relativem" Gehör ist nur eine mögliche Unterscheidungsdimension, die überdies sehr grob ist. Es gibt sicherlich noch zig andere Dimensionen (kenne da die Forschung noch nicht, würde mich aber interessieren).

Beim Chorsingen finde ich meine Art der Wahrnehmung sehr anstrengend, wenn Lieder in einer anderen Tonart gesungen werden und ich die Lieder noch nicht auswendig kann. Wenn ich etwas auswendig kann, ist Transponieren kein Problem, aber vom Blatt kann ich es in einer anderen Tonart nicht singen - während die Chorkollegen um mich herum damit gar kein Problem haben.

Auch Hintergrundgeräusche Ausblenden finde ich in spezifischen Situationen (komischerweise nicht immer - manchmal klingen die Hintergrundgeräusche für mich wie Musik, was dann wieder beruhigend ist) ziemlich schwierig bis unmöglich. Es würde mich interessieren, ob es anderen Leuten mit aG genauso geht.
 

Auch Hintergrundgeräusche Ausblenden finde ich in spezifischen Situationen (komischerweise nicht immer - manchmal klingen die Hintergrundgeräusche für mich wie Musik, was dann wieder beruhigend ist) ziemlich schwierig bis unmöglich. Es würde mich interessieren, ob es anderen Leuten mit aG genauso geht.
Das scheint unabhängig vom AG der Fall zu sein... ;-)
 
Beim Chorsingen finde ich meine Art der Wahrnehmung sehr anstrengend, wenn Lieder in einer anderen Tonart gesungen werden und ich die Lieder noch nicht auswendig kann. Wenn ich etwas auswendig kann, ist Transponieren kein Problem, aber vom Blatt kann ich es in einer anderen Tonart nicht singen - während die Chorkollegen um mich herum damit gar kein Problem haben.

Ich habe kein absolutes Gehör, aber seit einiger Zeit, ca. 2 Jahre nachdem ich mit dem Klavierspielen anfing, trat das Phänomen bei mir auch plötzlich auf, dass ich vom Blatt nicht mehr automatisch transponieren konnte, wenn wir das Stück in einer anderen Tonart gesungen haben.
Das ging bei einem Stück sogar schon mal soweit, das ich solistisch beginnen sollte, dass mir unsere Chorleiterin den Ton angab, ich ihn angesungen habe und beim Einsatz prompt den Ton gesungen habe, der in den Noten steht. Das war so anstrengend "falsch" zu singen, dass ich mir das Stück dann in die richtige Tonart umgeschrieben habe, sodass mein Hirn das Gehörte mit dem Geschriebenen wieder in Einklang bringen konnte. Das Problem tauchte aber erst nach einiger Zeit intensiven Klavierübens auf.
 
Das geht mir genauso. Jeder Ton hat einen eigenen Charakter, wie eine eigene "Farbe". Auch (einzelne) Zahlen haben für mich gefühlt "Farben". Das ist für mich ganz normal, weil ich es nicht anders kenne. Auch Tonarten haben jeweils ihren eigenen Charakter, so wie unterschiedliche Menschen verschiedene Charaktere haben.

@chopinfan
Sehr interessant. Die Frage ist: Wodurch genau „muss“ sich bei einem absoluten Gehör die Erkennungs- bzw. Bennenungsfähigkeit zeigen? Durch Tonnamen, durch spezifische ausgelöste Emotionen, durch evozierte, jeweils zugeordnete Farben oder durch etwas ganz anderes?

Vermutlich handelt es sich bei der kombinierten Wahrnehmung von Farben um Synästhesie, das hat dann mit dem absoluten Gehör nicht direkt zu tun.
 
Sehr interessant. Die Frage ist: Wodurch genau „muss“ sich bei einem absoluten Gehör die Erkennungs- bzw. Bennenungsfähigkeit zeigen?
Es muss sich gar nichts zeigen. Wer keine Notennamen kennt, kann sie auch nicht benennen und kann trotzdem das AG haben.
Ich habe mal gelesen, dass die Anlagen in vielen Menschen da sind, aber verkümmern, wenn sie nicht durch Musik "erweckt" wird. Ein früheres Forenmitglied hat mal eine Methode beschrieben, mit der sie als Kleinkind das "trainiert" (oder vll. nur erweckt) hatte.
 
während die Chorkollegen um mich herum damit gar kein Problem haben.
Können die denn Noten lesen?
Das war so anstrengend "falsch" zu singen, dass ich mir das Stück dann in die richtige Tonart umgeschrieben habe, sodass mein Hirn das Gehörte mit dem Geschriebenen wieder in Einklang bringen konnte.
Mir wäre das zu anstrengend, die Stücke jedes Mal umzuschreiben. Vielleicht hilft es, wenn Du die Noten nicht absolut, sondern relativ liest - wenn Du also nicht versuchst, z.B. das notierte f-a-c' zu singen, sondern gedanklich halt I-III-V (oder do-mi-so, falls du relative Solmisation kannst/kennst), und dann ist es fast schon wurscht, ob e-gis-h oder es-g-b oder eben f-a-c' gesungen werden soll.
Ich verstehe Dein Problem durchaus, ich habe das auch, dass mein Hirn irritiert ist, wenn ein Stück in G-Dur notiert ist und es in F-Dur gesungen werden soll - aber ich kann im Kopf transponieren. Und manchmal habe ich auch eine Sekunde Zeit, mich darauf vorzubereiten, nämlich dann, wenn der Chorleiter vor dem Angeben der Töne kurz zu mir schaut und grinst. Dann weiß ich, gleich höre ich eine andere Tonart.
 
Es muss sich gar nichts zeigen. Wer keine Notennamen kennt, kann sie auch nicht benennen und kann trotzdem das AG haben.
Ich habe mal gelesen, dass die Anlagen in vielen Menschen da sind, aber verkümmern, wenn sie nicht durch Musik "erweckt" wird. Ein früheres Forenmitglied hat mal eine Methode beschrieben, mit der sie als Kleinkind das "trainiert" (oder vll. nur erweckt) hatte.
Richtig! Das sogenannte absolute Gehör ist ein antrainiertes.

Die Fähigkeit da zu besitzt jeder Mensch der ned gehörlos ist.
 
aber vielleicht hast du eben doch ein absolutes Gehör :005:
Richtig! Das sogenannte absolute Gehör ist ein antrainiertes.

Die Fähigkeit da zu besitzt jeder Mensch der ned gehörlos ist.
Da ist man sich nicht sicher. Ein gehäuftes Auftreten bzw. Nichtauftreten in Familien ist meiner Erfahrung nach schon manchmal zu beobachten. Außerdem gibt es viele Kinder, die sehr früh mit dem Musizieren anfangen und keines entwickeln / haben, und dann wieder völlig musikalisch ungebildete Erwachsene, die die Motordrehzahl an der Tonhöhe erkennen können...
 
Mir wäre das zu anstrengend, die Stücke jedes Mal umzuschreiben. Vielleicht hilft es, wenn Du die Noten nicht absolut, sondern relativ liest - wenn Du also nicht versuchst, z.B. das notierte f-a-c' zu singen, sondern gedanklich halt I-III-V (oder do-mi-so, falls du relative Solmisation kannst/kennst), und dann ist es fast schon wurscht, ob e-gis-h oder es-g-b oder eben f-a-c' gesungen werden soll.
Ich verstehe Dein Problem durchaus, ich habe das auch, dass mein Hirn irritiert ist, wenn ein Stück in G-Dur notiert ist und es in F-Dur gesungen werden soll - aber ich kann im Kopf transponieren. Und manchmal habe ich auch eine Sekunde Zeit, mich darauf vorzubereiten, nämlich dann, wenn der Chorleiter vor dem Angeben der Töne kurz zu mir schaut und grinst. Dann weiß ich, gleich höre ich eine andere Tonart.

Vor meinem Kavierunterricht war mir dir Tonart auf dem Notenblatt immer völlig egal, wenn wir den Anfangston bekommen haben, konnte ich automatisch in der gewünschten Tonart singen. Ich weiß auch nicht, warum mein Hirn neuerdings irritiert ist.

Es kommt in unserem Chor nicht oft vor, dass wir die Stücke in einer anderen Tonart singen, so dass sich die Arbeit mit dem Transponieren in Grenzen hält. Ich sehe es auch als Übung, so dass mir das ganze auch nichts ausmacht, die Stücke für mich umzuschreiben. :-)
 

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