Verschiedene Tonarten versus Absolutes Gehör - Wieso eigentlich ?

Dass Bruckner seine Sinfonien des öfteren überarbeitet hat und dabei ganze Passagen gestrichen sowie (angeblich zu) schwierige Instrumentalpassagen vereinfacht hat ist doch sicher bekannt. Ich finde, wenn da mal eben 40 Takte entfernt werden, thematisches Material vereinfacht wird, dann ist das schon ein nicht unerheblicher Eingriff in die kompositorische Struktur.

Monte ... und tschüss
 
Ziehen wir doch mal die Literatur zu Rate: "Es versteht sich von selbst, daß demselben gleich notwendig ist: eine materielle Kenntniß der Instrumente, d.i. die Kenntniß von dem, was in der Natur der Instrumente liegt, und mit Leichtigkeit von ihnen ausgeführt werden kann." (Hebenstreit 1843, hier zitiert nach Jost, Peter: Instrumentation, Geschichte und Wandel des Orchesterklanges. Kassel 2004).

Diese Einstellung hat sich bis ins 19. Jh. wohl gehalten. Es muss - wenn auch uter Übeaufwand - gut spielbar sein und möglichst die beste Lage des Instrumentes präsentieren. Das ändert sich schlagartig mit Berlioz Sinfonie fantastique. Hier werden Randlagen, unangenehme Klänge verlangt. Das hat Auswirkungen bis Strawinsky. Das hohe Fagottsolo zum Beginn des Sacre ist schwer. Jahrzehnte nach der Uraufführung hatte eine ganze Generation Fagottisten die Stelle geübt. S. war enttäuscht davon, dass es nun nicht mehr "angestrengt" klingt.

Grüße
Axel
 
...mal zwischendrin was auf der Meta-Ebene: Dieser Faden und sein bisheriger Verlauf ist wirklch klasse, lesenswert und lehrreich. Wenn auch im "Forum für Anfängerfragen" vielleicht etwas Understatement-mäßig platziert. Aber: Dank an Rubato als themeneröffnende Person, Sterne für den Faden.

Gruß
Martin
 
Das ändert sich schlagartig mit Berlioz Sinfonie fantastique. Hier werden Randlagen, unangenehme Klänge verlangt. Das hat Auswirkungen bis Strawinsky. Das hohe Fagottsolo zum Beginn des Sacre ist schwer. Jahrzehnte nach der Uraufführung hatte eine ganze Generation Fagottisten die Stelle geübt. S. war enttäuscht davon, dass es nun nicht mehr "angestrengt" klingt.
so ganz allein war Berlioz da nicht: eine Sinfonie Nr.9 d-Moll und eine Missa Solemnis plagte Sänger wie Instrumentalisten sehr vehement und veranlasste deren Komponist zu ein paar (sagen wir) typischen Bonmots :):) auch eine Sonate in B-Dur sowie eine in c-Moll desselben Komponisten wurde erst einige Zeit nach seinem Tod uraufgeführt (denn sie war für seine Zeitgenossen unspielbar)
 
(denn sie war für seine Zeitgenossen unspielbar)

Ich würde gerne wissen, womit das zu tun hat. Haben die Stücke dermaßen neue Techniken erfordert, die bis dahin noch nicht bekannt waren oder wie?
Das würde ja implizieren, dass ein Weltklasse-Pianist von heute (k.a. sagen wir mal irgendein Kissin oder so) ausnahmesweise jedem Pianisten von 1850 bei weitem überlegen ist. Ist dem so?
 
Ich würde gerne wissen, womit das zu tun hat.
vereinfacht gesagt, ist das wie mit Autos: die Pkws zu Omis Zeiten fuhren langsamer und hatten weniger Komfort als die jetzigen ;):)

selbstredend wurde das Klavierspiel stets mit "neuen Techniken" oder Anforderungen bereichert; was den Zeitpunkt 1850 betrifft, so dürfte da allerdings von Spielern wie Liszt schon ein pianistisches Maximum erreicht worden sein, das später kaum übertroffen wurde.
 
Das würde ja implizieren, dass ein Weltklasse-Pianist von heute (k.a. sagen wir mal irgendein Kissin oder so) ausnahmesweise jedem Pianisten von 1850 bei weitem überlegen ist. Ist dem so?
Ich würde sagen: nein! In einzelnen Disziplinen mag das zwar stimmen, aber wenn man die gesamte Leistung betrachtet incl. musikalischer Vortrag etc. dann dürfte sich das nicht so viel tun. Es wurden zwar die technischen Anforderungen teilweise erhöht, aber das hat mit Fortschritt nicht so viel zu tun. Es ist einfach anders.

In dem Sinne sehe ich auch keinen Fortschritt im Instrumentenbau, jede Zeit schafft sich sein Instrumentarium, welches genau auf die Musik seiner Zeit abgestimmt ist. Mitnichten ist also das Hammerklavier der fortschrittliche Nachfolger von Cembalo und Clavichord, ein gleiches gilt für das Verhältnis von Hammerklavier und "modernem" Flügel. Aber das wird jetzt leicht OT.

Monte
 

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