Klavierwettbewerbe für Amateure

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Das Phänomen musikalischen Wettstreitens zieht sich durch die gesamte Musikgeschichte und die Protagonisten dieser Ereignisse haben sich, wie bekannt sein dürfte, alles andere als widerstrebend daran beteiligt. Berühmte Beispiele musikalischen "Kräftemessens":

Händel - Scarlatti (1709)
Bach - Marchand (1717, durch Flucht entschieden)
Mozart - Clementi (1781)
Beethoven - Woelfl (1798/99)
Thalberg - Liszt (1837)

Als Amateure haben wir jeder ganz individuelle Gründe, uns an einem Wettbewerb zu beteiligen oder auch nicht (nachzulesen auf früheren Seiten dieses Fadens). Ich möchte allein schon die zahlreichen internationalen Freundschaften, die auf diesem Weg entstanden sind, nicht missen. Auch sollte, wer Lust hat, einmal bei einem der Amateurfestivals mitzuspielen, zumindest im Finale eines Wettbewerbs gewesen sein, um auf eine Einladung hoffen zu dürfen. Die Chance, mit einem professionellen Orchester zu spielen, wird sich Amateuren ebenfalls eher selten ohne Beteiligung an einem Wettbewerb bieten.

Drücken wir @Joh die Daumen insbesondere auch für letzteres. Heute Abend spielt er im Halbfinale in Paris!
 
Wie sieht es eigentlich aus mit dem Publikum bei Amateurwettbewerben? Überwiegend Freunde/Verwandte/(Ex)-Teilnehmer? Oder auch ganz andere Interessierte? Ich frage deshalb, weil ich in den üblichen Medien (als potenzielle Zuhörerin) eigentlich immer nur von Profikonzerten erfahre. Selten von Profiwettbewerben. Und nie von Amateurwettbewerben. Und ich bin ja als interessierte Hobbypianistin schon noch eher an der Quelle als manch anderer. Also stellt sich die Frage: sind diese nicht "öffentlich", oder werden sie nur nicht entsprechend beworben?
 
@ChristineK - das ist ganz unterschiedlich. Aber ich glaube kaum, dass es einen anderen Amateurwettbewerb gibt, der auch nur annähernd so gut besucht ist, wie derjenige in Paris. Der ist öffentlich, wird entsprechend beworben (z. B. in Pariscope) und kostet auch Eintritt.

Viele Leute haben mir erzählt, dass sie jedes Jahr zum Zuhören kommen (vor allem im Halbfinale und Finale); sie machen sich dann ihre ausführlichen Notizen zu jedem Kandidaten in ihrem Programmheft und diskutieren leidenschaftlich über die Jury(fehl)entscheidungen (im Finale gibt es auch immer eine Publikumswertung).

Das zahlreiche Publikum macht (zumindest für mich) auch einen besonderen Reiz dieses Wettbewerbs aus. Schon im Halbfinale ist recht viel los; hier ein Foto, das ich letztes Jahr beim Halbfinale im Rathaus des 16. Arrondissements gemacht habe:

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Im Finale geht es dann richtig zur Sache; letztes Jahr war das Assas-Amphitheater eindrucksvoll gefüllt (ich glaube, es wurden 800 Leute gezählt?). In anderen Jahren waren es Salle Cortot, Salle Gaveau oder das Amphitheater der Sorbonne, die sehr gut besucht waren. Hier ein Foto vom Finale 2012 (Salle Gaveau).
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Ein Artikel aus "International Piano" zum Wettbewerb 2012:
http://pianoamateurs.com/documents/presse/2012/International-Piano-May-June-2012.pdf
"At the top of the ranks, the techniques displayed can be quite extraordinary: you'lI find you know professional pianists with scarcely superior technique, who probably practise less."

Ein Video vom Finale 2007 (auch Salle Gaveau):
 
Mir persönlich ist es egal ob da 109, 500 oder 1000 Leute sitzen :) heute Abend aber drücke ich Johannes und meinem Freund Michael Slavin aus New York die Daumen!
 
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Reaktionen: Joh
Beeindruckend, danke für die Infos. Ich wäre ja zu gern mal als Zuhörerin in Paris dabei! :-)
 
Na, wer wird denn gleich so ruppig sein! :bye:

Ich habe die Kombination von Musik und Wettbewerb auch immer abgelehnt, sehe es aber inzwischen für den Amateurbereich aus anderer Perspektive. Natürlich kann man auch als Amateur zu einem Wettbewerb fahren und dort mit anderen um die Wette spielen und dabei die Kunst begraben. Aber man kann es auch anders angehen, z.B. die Auftrittsmöglichkeit nutzen (die sich sonst nicht so leicht ergibt), einfach für das anwesende Publikum spielen und daneben nette Gleichgesinnte treffen und gemeinsam etwas unternehmen. Ist das so übel?

Grüße von
Fips
ja lieber Fips zu erst möchte ich Dir gratulieren. Ich habe mir erlaubt von den Amateuren hier, 3 die ich besonders interessant finde, herauszupicken und deren Aufnahmen von Chopin an Fachleute zu schicken, auf deren Urteil man sich verlassen kann.
Mit Dir lieber Fips hatte man Mühe, man wusste nicht wo man dich einordnen soll:-(eine Aussage gefiel mir besonders " es erinnert mich an frühere Aufnahmen, es könnte ein berühmter Pianist sein, aber welcher?:lol:

Dieser Joh welchen ich auch interessant finde, fanden alle sehr gut sehr interessant.

Nr. 3 fiel raus " zu Schülerhaft"

zu Deiner Frage, ist das so übel, es ist nicht übel, aber das ganze hat einen
Nebengeschmack. Die Aussage "Olympischer Gedanke":puh:Da werde ich zum Picador.

"Wettbewerbe sind für Pferde da, nicht für Künstler",
sagte Bartok einmal. Eine sehr kühne Beobachtung! Wie oft hört man Künstler in einem Wettbewerb? So gut wie nie. Wettbewerb ist brutal in seinem Wesen, und eben dies macht ihn aus. Wettbewerb ist uralt, er geht auf die Römer und noch frühere Zeiten zurück. Denke man nur an Gladiatoren... Menschen haben den Anblick von Blut schon immer genossen. Jubel für den Sieger, Tod für den Besiegten.
In Abwandlung von Bartoks Worten heißt es für mich heute: Wettbewerbe sind für Musikstudenten (Pferde) da – samt deren Lehrern (Trainern), nicht für Künstler: Studenten sind auf der Bühne und Lehrer (meistens ihre eigenen) auf der anderen Seite derselben Bühne – genauso wie bei Schulprüfungen oder Pferderennen. Für wen sind eigentlich die Musikhochschulen da, wenn nicht für Studenten und Lehrer? Selbst die Bewertung von Musikvorführungen kommt der beim Pferderennen meistens gleich. Wer Geschwindigkeit, Sorgfalt und gute Taktik an den Tag legt, gewinnt (mit ein bisschen Hilfe vom Trainer, versteht sich). Was wird in einem Musikwettbewerb bewertet? Manche haben die Dreistigkeit, sogar dieselben Bewertungskriterien wie bei einer Schulprüfung anzusetzen: Man ermittelt Technik, Musikalität (was auch immer dies bedeuten mag), Durchhaltevermögen, Schönheit des Klangs (ein absurdes Abstraktum) etc... Manche Wettbewerbe werden auch wie Sportereignisse genannt, z.B. World Piano Competition, oder schmücken sich mit Möchte-Gern-Titeln wie Artists Competition oder - noch besser - Masters Competition. Soll Musik etwa mit Sport mitziehen?
Für mich sind Wettbewerbe ein notwendiges Übel. Es stimmt schon, dass sie auch Positives bewirken. So können Studenten Bühnenerfahrung sammeln oder Kollegen aus verschiedenen Schulen und Ländern an beiden Seiten des Jury-Tisches treffen. Aber dies sollte eher in Form von Musikforen oder internationalen Festivals geschehen – nicht als Wettbewerb. So würden Musikstudenten davon wirklich profitieren – genauso wie ihre Lehrer und das Publikum. Keine Absprachen, kein Taktieren, kein Blutvergießen, keine Tränen, keine Depressionen, keine Selbstmorde, keine Verlierer, keine Sieger. Dann wird es auch wahre Künstler geben. Und wir alle werden zu Siegern! Außer den Nieten, die im „Musikgeschäft“ sind und daraus Profite ziehen.


Bin gespannt auf die Reaktionen, aber aufgepasst, ich bin jetzt ein Picador!:denken::lol:
 
Den Text hast Du aber nett ganz ohne Quellenangabe von Lev Natochennys Homepage kopiert.
 
Den Text hast Du aber nett ganz ohne Quellenangabe von Lev Natochennys Homepage kopiert.
richtig! die Quellenangabe hätte ich selbstverständlich bekannt gegeben. Was wollte ich mit der scherzhaften Aussage und der dunklen Schrift wohl andeuten.
Mit Sicherheit wird jetzt keiner mehr den Mut haben, gegen die Äusserungen von Natochenny die ich 100% bejahe, auch nur ein Wort zu sagen.:bye:
 
Hey, schau grad' nur kurz hier rein und ... da steht der Junge schon im Finale!
Klasse, super gemacht!
Meinen Glückwunsch und viel Freude morgen.
Genieße den Moment.
 
Wie war's denn noch in Paris, Joh?
 

Es war wieder eine großartige Erfahrung, vor einem so großen Publikum aufzutreten. Habe mich entschieden, mit Medtner ein sehr unkommerzielles Programm darzubieten und ich wusste auch, dass ich damit nicht gewinnen kann (zu unbekannt / nicht beeindruckend genug für die breite Masse) - aber darum ging es bei mir nicht mehr.

Mein Ziel war es, diese tolle und wunderbare Musik den Leuten zu zeigen und Medtner ein wenig bekannter zu machen. Hätte ich die Beethoven Sonate Op. 7 gespielt, hätte ich gewinnen können - das haben mir mehrere Jurymitglieder gesagt. Habe jedoch schon in den Runden davor Beethoven gespielt, und ich wollte meinen Medtner unbedingt unterbringen. Ich bereue meine "Opfer"-Entscheidung keineswegs.

Und weil es so tolle Musik ist, die unbedingt jeder kennenlernen sollte, nochmal der Link zur Einspielung: https://www.clavio.de/klavierforum/...gotten-melodies-vergessene-weisen-op-38.20163

LG, Joh
 
(zu unbekannt / nicht beeindruckend genug für die breite Masse)

Ich finde es irgendwie traurig, dass das Kriterien sind, nach denen man Stücke auswählen muss.

Hätte ich die Beethoven Sonate Op. 7 gespielt, hätte ich gewinnen können - das haben mir mehrere Jurymitglieder gesagt.

Und diese Aussage macht mich noch trauriger. Medtner ist schließlich kein kompletter Exot, sondern ein anerkannter Komponist des 20. Jahrhunderts und op.38 ist ohnehin ein grandioses Werk.

Ich finde es jedenfalls klasse, dass du dich für Medtner, den ich auch sehr schätze so einsetzt. Zum erreichten Finale gratuliere ich natürlich ebenfalls.

Viele Grüße!
 
Ich finde es irgendwie traurig, dass das Kriterien sind, nach denen man Stücke auswählen muss. Medtner ist schließlich kein kompletter Exot, sondern ein anerkannter Komponist des 20. Jahrhunderts

Ja, da bin ich auch traurig - aber so ist es nunmal auf Wettbewerben. Übrigens kannte von den französischen Juroren fast niemand Medtner.
 
Die Franzosen stehen meist auf trockene Darbietungen, am liebsten Debussy oder Ravel... mit Medtner kann man dort nicht gewinnen, umso schöner, dass Joh in dargeboten hat! Und wenn die Juroren ihn nicht kannten, dann spricht das für deren begrenzten Horizont!
 
Lieber Joh,

das nenne ich wahre Liebe zur Musik: Nicht den ersten Preis im Visier zu haben sondern die Musik in den Vordergrund zu rücken. Ich gratuliere Dir zu dieser Einstellung und zum Erreichen des Finales.

Ravel und Debussy haben wundervolle Musik komponiert, aber wenn die Jury sich derart auf diese Komponisten festlegt (und nur jenen Chancen einräumt, die deren Musik spielen) finde ich das bedauerlich. Und dann (obwohl es sich ja wohl um Fachleuten handelt) Medtner nicht zu kennen, finde ich mehr als befremdlich.

Liebe Grüße
Marlene
 
@Joh
Respekt! Ich ziehe meinen Hut vor Dir. So viel Rückgrat zeigen nur sehr wenige Künstler. :super:
 
Es war wieder eine großartige Erfahrung, vor einem so großen Publikum aufzutreten. Habe mich entschieden, mit Medtner ein sehr unkommerzielles Programm darzubieten und ich wusste auch, dass ich damit nicht gewinnen kann (zu unbekannt / nicht beeindruckend genug für die breite Masse) - aber darum ging es bei mir nicht mehr.

Mein Ziel war es, diese tolle und wunderbare Musik den Leuten zu zeigen und Medtner ein wenig bekannter zu machen. Hätte ich die Beethoven Sonate Op. 7 gespielt, hätte ich gewinnen können - das haben mir mehrere Jurymitglieder gesagt. Habe jedoch schon in den Runden davor Beethoven gespielt, und ich wollte meinen Medtner unbedingt unterbringen. Ich bereue meine "Opfer"-Entscheidung keineswegs.

Und weil es so tolle Musik ist, die unbedingt jeder kennenlernen sollte, nochmal der Link zur Einspielung: https://www.clavio.de/klavierforum/...gotten-melodies-vergessene-weisen-op-38.20163

LG, Joh
wirklich schade! wer an so einem Wettbewerb teilnimmt, will gewinnen und hat der Masse zu gehorchen. ( Zitat Joh:" Medtner zu unbekannt / nicht beeindruckend genug für die breite Masse.) Das man mit Medtner in Frankreich auch anderswo keinen Eindruck machen kann, hat die Masse und Richter entschieden, jeder Coach hätte davon abgeraten.
Stellt sich die Frage, warum tut man sich so einen Scheiss an ?
 

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