Bach & seine Orgelwelt

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devasya

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20. Apr. 2013
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Hallo ihr,

…zu Bach und seiner Aufführungspraxis wurde ja schon einiges geschrieben. Mir geht es hier in diesem Thread auch nicht so sehr darum, über die verschiedenen Arten der Interpretation zu sprechen, als vielmehr um die Frage, in wieweit man diese (also die verschiedenen Möglichkeiten Bach oder auch andere Komponisten zu interpretieren) in den Orgelunterricht miteinfließen lassen bzw. wieviel Freiheit man einem Schüler generell in Sachen „Interpretation“ lassen sollte.

Mein Orgellehrer weiß von meiner Liebe zu Karl Richter und seinem, ich würd mal sagen „romantischen und intensiven“ Bach. Ich hab auch gar keine Probleme damit, dass er die Art und Weise, wie Richter Musik für sich interpretiert hat, nicht mag. Er ist in meinen Augen (und das meine ich nicht abwertend) der klassische Befürworter der historischen Aufführungspraxis.

Heute haben wir im Unterricht ein wenig darüber gesprochen und ich habe ihm dabei zu erklären versucht, dass ich eine vielleicht etwas eigene Sicht zu Bach habe und dass es mir persönlich wichtig ist, kreativ sein und mich ausprobieren zu dürfen. Er meinte daraufhin, dass man zwar schon kreativ sein darf, aber dass es primär darum geht, „dem Komponisten zu dienen“ und das, was dieser wollte, bestmöglich umzusetzen.

Ich sehe das ja ein wenig anders, bzw. würde diese Entscheidung jedem Musiker selbst überlassen. Der eine wills authentisch haben, der andere nicht.

Daraufhin meinte ich, dass es doch auch eine schöne Aufgabe für einen Musiker sein kann, die Werke Bachs in die heutige Zeit zu übertragen. Du hast auf der einen Seite die wunderbaren Noten, die Bach auskomponiert hat, du hast dein aktuelles Umfeld, deine Geschichte/Gegenwart und letztenendes dich, als Menschen, mit deiner ganz eigenen Vergangenheit und Lebenserfahrung. Ich sehe es zB. als „meine Aufgabe“ an, ein Stück so zu interpretieren, dass ich alle diese Aspekte in Harmonie zueinander bringe, bzw. einen Kompromiss eingehe, zwischen dem, was in den Noten steht, und dem, was mein Herz, mein Gefühl mir sagt.

Gleichzeitig mache ich aber auch die Erfahrung, dass so eine Art von Erleben in der kirchenmusikalischen Welt nicht gerne gesehen wird. Da wird nur „eine Art von Bach“ als richtig und gut definiert und wenns der eine mal anders haben will, dann hat man fast schon das Gefühl, sofort auf den Scheiterhaufen zu kommen. Ich drücke es jetzt extra überspitzt formuliert aus, aber letztenendes trifft es den Nagel auf den Kopf, wie ich finde.

Wie geht ihr mit solchen Situationen um? Was ist euch zB. wichtig? Hält ihr euch an alle „Regeln des Barock“, selbst dann, wenn ihr selbst zB. einen anderen Weg (in der Registratur oder im Tempo zB.) gehen wollen würdet? Ist euch dann „die Theorie“ wichtiger oder euer „Gefühl“?

Das Thema beschäftigt mich schon sehr lange und ich würde wirklich gerne verstehen wollen, warum es manchen Menschen so schwer fällt, aus diesen (für mich) starren Regeln auszutreten und Bach vielfältig und farbenfroh werden zu lassen.

Liebe Grüße & habt einen schönen Abend,
Deva
 
Typischer Anfängerstarrsinn... gibt sich wieder.
 
Das tust Du schon, indem Du auf modernen Instrumenten spielst.
Das Herangehen an diese Musik kann so vielfältig wie die Spielarten, die Bach selbst in seinen Kompositionen vorgegeben hat, sein.
Ich würde mir da keinen so großen Kopf machen. Nötigenfalls findest Du einen Lehrer, der Dich da etwas freier interpretieren lässt.
Toni
 
Das Thema beschäftigt mich schon sehr lange und ich würde wirklich gerne verstehen wollen, warum es manchen Menschen so schwer fällt, aus diesen (für mich) starren Regeln auszutreten und Bach vielfältig und farbenfroh werden zu lassen.

Nun, da bist Du mitten in der Diskussion um historische und moderne Aufführungspraxis, um Werktreue und den Individualanspruch des Interpreten. Prinzipiell würde ich Deinem Lehrer schon zustimmen, daß Du in erster Linie Mittlerin bist, also einen Dienst am Autor verrichtest, ohne den Du ja verurteilt wärest, selber zu komponieren. Andererseits ist es ganz sicher einfacher zu ermitteln, was Bach nicht "gewollt" hätte, als das, was er wollte. Zum einen ist die Vorstellung der "verbindlichen Interpretation" durch die damalige Musikpraxis unterminiert, die ja noch viel "handwerklicher" war, sich nach den jeweils verfügbaren Möglichkeiten richten mußte und eher selten in der Lage war, diese selbst zu bestimmen. Zum andern hat Bach ja selber vielfach allein dadurch, daß er Notationen unvollständig ließ, angedeutet, daß es einen gewissen Raum für individuelle Interpretation gebe. Hinsichtlich seiner Intentionen gibt es also oft kein gesichteres Wissen, wenngleich das kein Freispruch dafür ist, daß man sich nicht um deren näherungsweise Ermittlung kümmern müsse. Schließlich gibt es ja noch das häufige Argument: was hätte Bach denn gemacht, wenn er schon diese oder jene technische Möglichkeit gehabt hätte? Wir wissen es nicht, können uns aber kaum vorstellen, daß er sie nicht ausprobiert hätte. Kurz und gut, mit dem Verhältnis zwischen Komponist und Organist(in) steht es ähnlich wie mit dem zwischen literarischem Autor und Leser. Beide sind aufeinander angewiesen - der Autor weiß, daß jeder Leser seinen Text individuell rezipiert, daß es also nie ganz alleine in seine Macht liegt, die Textbedeutung zu konstituieren, sondern der Leser daran beteiligt ist. Zum andern wäre es aber unkooperativ vom Leser, diesen Individualspielraum schrankenlos zu nutzen und zu sagen "rutsch mir doch den Buckel runter, ich versteh den Text wie ich mag": jeder, der eine bestimmte Deutung vertritt, trägt dafür auch die Beweislast. Was impliziert, daß er um den Versuch der Rekonstruktion der Autorenintention einfach nicht herumkommt, denn schließlich bezieht sich der "Beweis" auf den Text des Autors und nicht auf seinen. Natürlich bist Du auch völlig frei, "Bach remade by Devasya" zu spielen. Aber da kommt ein möglicher Unterschied zur Literatur ins Spiel - Du bist ja im Regelfalle zusätzlich noch aufs Publikum angewiesen. Und von dem werden die einen enthusiasmiert Dein Ingenium preisen, die anderen Dir zürnen, weil Du Dich von der "Beweisführung" freigesprochen habest. Das Dilemma ist unauflösbar, aber es ist gut, wenn man es kognitiv im Griff hat und ggf. "präventiv" kommuniziert, sprich: wenn man seine Interpretation auch begründen kann und sich nicht auf ein "ich fands halt so mal cool" zurückziehen muß.
 
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Das tust Du schon, indem Du auf modernen Instrumenten spielst.

Wie weise.

Das bedeutet gleichzeitig, dass die Möglichkeiten der modernen Instrumente auch genutzt werden sollten.
Weicht man davon ab, und spielt Bach ( oder auch Scarlatti ) auf modernen Instrumenten, wenn man dabei Möglichkeiten WEGLÄSST, und sie wie ein historisches Instrument aus der Zeit des Komponisten klingen lassen will, ist das nicht ratsam. Ich hatte es schonmal bei den Themenkreisen "Bach usw. auf modernen Flügeln spielen?" erwähnt: Es ist schlicht Unsinn, denn auf eine solche Weise würde man a ) die Möglichkeiten der MODERNEN Instrumente nicht nutzen, hat aber b ) GLEICHZEITIG auch kein historisches Instrument samt dessen Möglichkeiten vor sich: Das Ergebnis wird also auf jeden Fall schlecht.

Wenn, dann sollte man Bach a ) auf einem modernen Gerät mit all dessen Möglichkeiten spielen, oder aber, b ) auf einem historischen Gerät, mit all dessen Möglichkeiten.

Wobei ALLZU hartnäckigen Befürwortern der sog. "historischen Aufführungspraxis" natürlich folgendes gesagt sei:

Wir leben JETZT, und nicht in der Vergangenheit. Doch selbst wenn wir uns in die Vergangenheit versetzen, und also ein historisches Instrument nutzen, um Bach ( und andere ) zu spielen, könnte sich dieses, uns vorliegende Instrument DENNOCH, ich betone: DENNOCH von dem / den von Bach verwendeten historischen Instrument / en , das / die er zum Komponieren / spielen verwendet hat, gravierend unterscheiden... :

Wenn wir also auf einem "historischen Instrument" dem Komponisten "besonders nahe" kommen wollen, so ist gar nicht gesagt, dass wir das auf den heute noch vorhandenen, aufpolierten Krücken von damals, auch wirklich tun, da AUCH DIE VON UNS GENUTZTEN HISTORISCHEN ganz andere Eigenschaften als die von Bach genutzten historischen haben können. Es wäre dann keine Verbeugung vor Bach ( dieses Argument halte ich eh für Kokkolores, niemand muss sich verbeugen vor irgendwem, und niemand ist ein Diener von irgendwem ), sondern nur vor seiner Zeitepoche, was ich geradeso nachvollziehen kann, da es eine spannende, gesellschaftlich hochinteressante Zeit war.

Was ich persönlich sehr mag, wäre gar nicht so sehr orgelspezifisch, sondern mich interessiert da eher der Cembaloklang und auch andere, wie Clavichord, oder noch ältere, wie Virginal, die ich allesamt sehr knuffig finde:kuscheln:, und dahingehend mag ich Bach, Scarlatti usw. gern auf Cembalo und evtl. ähnlichen, :kuscheln:UND auf modernen Klavieren und Flügeln. :kuscheln:Wann so ein Cembalo nun gebaut wurde, interessiert mich dabei eher weniger. Wichtig ist: Dat Ding hat Tasten, und Tasten sind zum drauf Spielen da. Ich denke aber, dass ich bezüglich Orgeln ähnlich fühle: Entweder auf 'ner alten, mit allen Möglichkeiten, oder auf ner neuen, mit allen Möglichkeiten. Aber kein Mischmasch-Versuchs-Mix.

LG, Olli
 
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Das tust Du schon, indem Du auf modernen Instrumenten spielst.

Ich weiß :-) und ich traue mich auch offen und ehrlich auszusprechen, dass ich Bach - auf modernen Instrumenten gespielt - um einiges mehr liebe, als auf Barockinstrumenten. Ich mag einfach den Klang der Barockvioline nicht (ich durfte selbst mal auf einer spielen) und ich vermisse bei historischen Aufnahmen den massiven und satten Klang der Bässe.

Ich hab mir die "h-Moll-Messe" und diverse Kantaten und Konzerte (Jauchzet Gott, Brandenburgisches Konzert Nr.5) live angehört, ganz authentisch und auf Barockinstrumenten gespielt. Mir hat es leider gar nicht gefallen. Ich fand es aber durchaus interessant und auch sehr lehrreich, Bach so zu hören, wie er möglicherweise in seiner Zeit geklungen haben mag.
 
Nun ja, ich denke, es gibt Freiheiten, die man hat und solche, die man eigentlich nicht hat. Wir wissen nicht, wie Bach es wirklich gemacht. Allerdings kann man bei einigen Fällen recht sicher sagen, dass die Interpretation sich Freiheiten nimmt, die wohl nicht einer von Bach intendierten Spielpraxis entsprechen. Karl Richter gehört dazu. (Abgesehen davon, dass ich Richter ziemlich grauenhaft finde, zumindest bei Aufnahmen. Konzerte müssen teilweise spannend gewesen sein.)

Im Rahmen des Möglichen gibt es immer noch genügend individuellen Spielraum. Das versuche ich meinen Schülern und Studenten auch zu vermitteln. Ich sage immer, was ich warum mache. Aber oft gilt auch: If you don't like it, I'm also happy. Die müssen nicht spielen wie ich selbst. Aber eine antiquierte Nummer a la Richter geht einfach in keiner Prüfung mehr durch. Ich würde da als Lehrer auch bremsen. Nach dem Examen können dann alle machen, was sie wollen.

Schöne Grüße
Axel
 
Prinzipiell würde ich Deinem Lehrer schon zustimmen, daß Du in erster Linie Mittlerin bist, also einen Dienst am Autor verrichtest, ohne den Du ja verurteilt wärest, selber zu komponieren.

Das verstehe ich zB. nicht: wieso bin ich verpflichtet, sämtliche Wünsche des Komponisten umzusetzen? Zumal ich ja an den Noten nichts (!) ändere - sondern nur "am Klang". Ich ändere nur die Facette der Farbe, aber nicht das Grundgerüst selbst.

Wobei ich dir aber dennoch zustimme: mir persönlich ist es auch wichtig, mich mit dem "barocken Back" auseinanderzusetzen. Ich habe diverse Aufnahmen von Harnoncourt, Gardiner und Herreweghe im Regal und natürlich auch die ein oder andere Biographie von Bach. Mir ist es ebenfalls ein Anliegen, zu verstehen, wie Bach seine Musik begriffen hat.

Nur kommt man als Musiker irgendwann an einen Punkt, wo man - auf interpretatorischer Ebene - dem Komponisten nicht mehr ganz folgen kann, eigene Ideen hat oder andere Farben sieht, die vorher vielleicht übersehen oder nicht beachtet wurden. Was macht man dann?

Zum andern hat Bach ja selber vielfach allein dadurch, daß er Notationen unvollständig ließ, angedeutet, daß es einen gewissen Raum für individuelle Interpretation gebe.

Das stimmt - und ich würde sogar noch weiter gehen. Wenn man sich anguckt, wie Bach komponiert hat, so war er für mich nicht nur der "typische Handwerker", sondern auch ein Künstler, der es hervorragend verstanden hat, alle möglichen Stile und Situationen in seine Kompositionen miteinfließen zu lassen. Ich glaube, Bach hätte es befürwortet, dass sich seine Musik weiterentwickelt, dass sie lebendigt bleibt und nicht stagniert.

Natürlich bist Du auch völlig frei, "Bach remade by Devasya" zu spielen.

So weit würde ich dann vielleicht doch nicht gehen... denn wie gesagt: mir ist es schon auch wichtig, mich mit dem damaligen Bach und seiner Musizierweise auseinanderzusetzen. Nur muss ich in dem Moment, wo mir etwas nicht gefällt oder ich eine andere Idee habe, einen anderen Schwerpunkt sehe, dem auch nachgehen können. Sollte es Bach noch irgendwo geben, dann möge er mir das verzeihen :girl:

Und von dem werden die einen enthusiasmiert Dein Ingenium preisen, die anderen Dir zürnen, weil Du Dich von der "Beweisführung" freigesprochen habest.

Das erlebe ich jetzt schon - und ich hab erst angefangen ;-)

Ich hab auch kein Problem damit, wenn Menschen meine Sicht zur Musik (nicht nur bei Bach, ich mein das generell) nicht schön finden. Damit kann ich umgehen. Im Orgelunterricht, im Chor und in der Ausbildung. Ich werde nur dann ein wenig "zornig", wenn man dogmatische Lehrsätze aufstellt und mir dadurch das Gefühl gibt, "falsch" zu sein.

Das Dilemma ist unauflösbar, aber es ist gut, wenn man es kognitiv im Griff hat und ggf. "präventiv" kommuniziert, sprich: wenn man seine Interpretation auch begründen kann und sich nicht auf ein "ich fands halt so mal cool" zurückziehen muß.

Dito :-)
 
Wie weise.

Das bedeutet gleichzeitig, dass die Möglichkeiten der modernen Instrumente auch genutzt werden sollten.

Das sehe ich auch so. Man muss es nicht tun, aber man kann. Manche finden historische Instrumente wunderbar, anderen fehlt dabei etwas. Ich hab als Kind und Jugendliche selbst Violine gespielt und durfte auch mal in den Genuss kommen (Genuss deshalb, weils interessant und aufregend war) eine Barockvioline zu bespielen: ich mochte den Klang schon damals nicht.

Ich brauch in der Musik immer ganz viel Schwingung und Klang, ganz viel Spannung und Elektrizität, ich muss jeden einzelnen Ton spüren. Bei historischen Aufnahmen vermisse ich genau das.

Den Streichinstrumenten fehlt der Klang, die Bässe sind mir oft zu wenig massiv, zu wenig voluminös, das Tempo meist ein wenig zu schnell, die Artikulation zu wenig ausgespielt, stimmlich oft unsauber phrasiert und dynamisch meist zu schlank und zu flach.

Was ich damit sagen will: ich denke, jeder Musiker sollte für sich entscheiden dürfen, welches Ziel er sich setzen will und wie er sich dem Komponisten nähert. Ich hab auch zu meinem Orgellehrer gesagt (ich komme sonst sehr gut zurecht mit ihm), dass er mir historisch alles beibringen kann, was er weiß und ich werde versuchen, es so gut als möglich umzusetzen. Nur möchte ich auch die andere Seite (das, was mir gefällt, was mich bewegt und berührt) lernen und ausleben dürfen. Dann bin ich schon zufrieden :-)
 
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Im Allgemeinen gilt doch unter Musikern inzwischen: Das Werk ist nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen. Dass es dabei Spielräume gibt (nicht nur bei Bach) ist selbstverständlich. Die Generation von Musikern, die in Kompositionen nur Rohmaterial für eigene Vorstellungen gesehen haben, dürfte so langsam verschwunden sein.
Aber ich fände die Sichtweise, dass ausgerechnet ich Bach "weiterentwickeln" könnte doch etwas vermessen. Und alle Thesen darüber, was Bach gemacht hätte, wenn er denn im 21. Jahrhundert angekommen wäre sind müßig. Wir wissen es nicht. Vielleicht hätte er wie Stockhausen elektronische Musik gemacht. Dann wäre er aber nicht der Bach, den wir kennen. Und dann ist man natürlich auch schnell da, wo man dann doch sagt, na die eine oder andere Note könnte man doch auch noch ändern.

Schöne Grüße
Axel
 

Aber eine antiquierte Nummer a la Richter geht einfach in keiner Prüfung mehr durch. Ich würde da als Lehrer auch bremsen. Nach dem Examen können dann alle machen, was sie wollen.

Aber warum kann man zB. nicht beides lehren und dann, in der Prüfung, dem Musiker selbst überlassen, was er wie machen möchte? Oder noch besser: ihm/ihr unterschiedliche Aufgaben stellen? Ein Stück historisch gespielt und ein Stück ganz so, wie es der Schüler möchte? Dann ist jedem gedient. Dem Lehrer und dem Schüler.

Darüber hinaus würde mich noch interessieren (es interessiert mich theoretisch wirklich) was Richter falsch gemacht hat?
 
Aber ich fände die Sichtweise, dass ausgerechnet ich Bach "weiterentwickeln" könnte doch etwas vermessen.

Hilfe nein! Ich wollte damit nicht sagen, dass ich Bach weiterentwickeln könnte. So war das nicht gemeint.

Ich wollte damit eher zum Ausdruck bringen, dass ich Lebendigkeit und Vielfalt mag. Und ich den Reichtum (nicht den materiellen, sondern die Freiheit des Denkens und Musizierens), den wir mittlerweile in unserer heutigen Gesellschaft haben, wunderbar finde. Bachs Werke erstrahlen so in immer wieder unterschiedlichen Farben, für jeden Geschmack ist was dabei. Ich schätze sowas sehr.
 
Ich kann nicht etwas lehren, von dem ich zutiefst überzeugt bin, dass es falsch ist und Bachs Musik nicht gerecht wird. Das geht einfach nicht. Es ist ja auch nicht die Frage, ob mir als Lehrer gedient ist. Ich will ja dem Werk dienen.
Wenn Du dieses Beispiel nimmst: A la Richter musst Du andere Finger- und Fußsätze nehmen als ich Die jemals vorschlagen würde. Das gibt nur Chaos. Ich hatte auch mal einen Schüler, der unbedingt Couperin mit einer Voix celeste spielen wollte. Da muss er dann einfach zu einem anderen Lehrer gehen, da kann ich nicht mehr mit.
Und wie gesagt: In einer Prüfung ist dieser Stil ein absolutes no go. Da bist Du schon durchgefallen, bevor Du fertig bist.
 
[...]
Ich brauch in der Musik immer ganz viel Schwingung und Klang, ganz viel Spannung und Elektrizität, ich muss jeden einzelnen Ton spüren. Bei historischen Aufnahmen vermisse ich genau das.

Den Streichinstrumenten fehlt der Klang, die Bässe sind mir oft zu wenig massiv, zu wenig voluminös, das Tempo meist ein wenig zu schnell, die Artikulation zu wenig ausgespielt, stimmlich oft unsauber phrasiert und dynamisch meist zu schlank und zu flach.

AHHHH devasya, verstehe :-)

..dann haben wir zwar bezüglich des Klanges manchmal zwar unterschiedliche Meinung, :cry2:;-)denn z.B. ich sehne mich danach, dass - zum Beispiel - nicht, wie man es heute ANDAUERND hören und sehen muss, bei jedem Geigenton "gewackelt" wird, "gezittert" wird, sondern ich sehne mich nach einem klaren, glatten Klang, ohne vom Menschen addierte Schwingungen, den, wie ich mal im chat erfuhr, die Leute damals auf diesen Barockviolinen wohl bevorzugten..ganz ohne dieses - mich zutiefst störende - Gewackel. Glatt, gerade, und schön...:super:...ich mag auch nicht zu viel Spannung und Schwingung. Daher mag ich auch das Klavier sehr, denn da lässt sich der Klang nach dem ( und auch BEI DEM ) Betätigen einer Taste nicht noch (nachträglich) "wackeln" :super:

Ich mag auch dieses UN - SÄG - LI - CHE "Wackeln" in Opern-Stimmen nicht. Es geht mir in den Magen, ich halte solches...ehrlich...: nicht 5 Minuten aus. Daher liebe ich auch so sehr die SEHR SELTENEN Fälle, wie z.B. Trinidad Paniagua in Gottschalks "Escenas Campestres", sie hat eine wunderschöne, kristallglatte, klare Stimme, ich wünschte mir, dass ALLE Opernsänger und -sängerinnen so singen.

Aber das begreifen die nicht, wie sehr sie mir mit ihrem Gewackel auf den Keks fallen. Es verursacht mir nahezu körperliche Schmerzen. :angst::teufel:

AAAABER: Insgesamt meinen wir dennoch inhaltlich dasselbe. Stimme also ansonsten, bezüglich der Betrachtungen an sich, voll zu, devasya!

LG, Olli!!
 
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Ich kann nicht etwas lehren, von dem ich zutiefst überzeugt bin, dass es falsch ist und Bachs Musik nicht gerecht wird. Das geht einfach nicht. Es ist ja auch nicht die Frage, ob mir als Lehrer gedient ist. Ich will ja dem Werk dienen.

Das kann ich widerum absolut verstehen, dass du nur das lehren kannst, von dem du auch überzeugt bist. Ich glaube, das geht jedem Lehrer erstmal so. Und als Schüler freut man sich ja auch, wenn man Lehrer trifft, die eine klare Linie haben. Sowas gibt Sicherheit und Struktur - und das widerum hilft beim Erlernen der Werke.

Nur möchte ich keinem Werk dienen und schon gar nicht einem Komponisten, den ich nicht mal persönlich gekannt habe. Ich liebe Bachs Musik, aber ich möchte in meiner Art zu spielen dann doch auch unabhängig bleiben.

Oder ich bin zu "dumm" und kapiers einfach nur nicht ;-)

Und wie gesagt: In einer Prüfung ist dieser Stil ein absolutes no go. Da bist Du schon durchgefallen, bevor Du fertig bist.

Dann also lieber etwas spielen, was mir nicht gefällt, mich nicht berrührt, dafür aber eine gute Note bringt, als andersrum? Puh, da bin ich aber froh, dass ich diese Entscheidung (noch) nicht treffen muss... und ich hoffe, dass ich auch nie in so ein Dilemma kommen werde...
 
Darüber hinaus würde mich noch interessieren (es interessiert mich theoretisch wirklich) was Richter falsch gemacht hat?

Das fängt mit der entsetzlichen Artikulation auf legato-Basis an. Dann kommen die unbarocken Registrierungen hinzu. Bezeichnend, dass es mit seiner Version der Dorischen die Silbermann in Freiberg regelrecht erwürgt. Ein Bach Spezialist, der auf einer alten Orgel nicht klarkommt? Heute undenkbar. Von den entsetzlichen Cembali, die er gespielt hat ganz abgesehen.
Möglicherweise bin ich voreingenommen, leider bin ich Richter-Enkelschüler....
 
AHHHH devasya, verstehe :-)

..dann haben wir zwar bezüglich des Klanges manchmal zwar unterschiedliche Meinung, :cry2:;-)denn z.B. ich sehne mich danach, dass - zum Beispiel - nicht, wie man es heute ANDAUERND hören und sehen muss, bei jedem Geigenton "gewackelt" wird, "gezittert" wird, sondern ich sehne mich nach einem klaren, glatten Klang, ohne vom Menschen addierte Schwingungen, den, wie ich mal im chat erfuhr, die Leute damals auf diesen Barockviolinen wohl bevorzugten..ganz ohne dieses - mich zutiefst störende - Gewackel. Glatt, gerade, und schön...:super:

Du, ich mags auch gerne "gemixt" - ich mag den reinen und schönen Klang der modernen Violine, aber mit wenig Vibrato und einem geraden Klang.

Was ich zB. auch bei Richter nicht immer mag: seine Solisten hätten durchaus ein bisschen weniger vibrieren können ;-) Dh. auch bei den Stimmen mag ichs gerne, wenn man einen schönen, klaren und geraden Klang hört, mit einem dezenten Vibrato am Schluss oder, bei länger, gesungenen Bögen in der Mitte.

Ich mag auch dieses UN - SÄG - LI - CHE "Wackeln" in Opern-Stimmen nicht. Es geht mir in den Magen, ich halte solches...ehrlich...: nicht 5 Minuten aus.

Dem kann ich nur zustimmen! Karl Richters Agnus Dei, gesungen von Andreas Scholl! DAS wär mal eine Kombination gewesen ;-)
 
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Das fängt mit der entsetzlichen Artikulation auf legato-Basis an. Dann kommen die unbarocken Registrierungen hinzu. Bezeichnend, dass es mit seiner Version der Dorischen die Silbermann in Freiberg regelrecht erwürgt. Ein Bach Spezialist, der auf einer alten Orgel nicht klarkommt? Heute undenkbar. Von den entsetzlichen Cembali, die er gespielt hat ganz abgesehen.
Möglicherweise bin ich voreingenommen, leider bin ich Richter-Enkelschüler....

Gut, ich verstehe dann auf theoretischer Ebene, warum es Richter falsch gemacht hat.

Nur: was hilft mir das? Ich hab genau diese Aufnahme der Dorischen zu Hause und bin, grade am Ende der Fuge, jedes Mal zu Tränen gerührt, weil ers so verdammt schön umgesetzt hat.

Was rätst du mir? Hab ich jetzt einen "falschen Geschmack", muss ich mich ändern, oder verbiegen, was soll ich machen? :-)
 

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