In der Dorischen ist es aber für mich ein himmelweiter Unterschied von Richters flachem legato zu Tons Artikulation, die plastisch wie ein Relief ist. Bei Ton ist die erste Stelle auf dem Positiv ca. 0:42 wunderbar elegant. Da höre ich eine Solovioline, die elegant über einer Continuogruppe schwebt. Dagegen ist Richter kalt und steril.
Siehst du, ich erlebe es genau andersrum. Ich mag Richters Tempo, ich mag die Wahl seiner Registratur und ich mag vor allem das legato. In meinen Augen verleiht er dadurch der Toccata anhand dieser Dinge etwas sehr sinnliches und majestätisches - mit ein klein wenig Melancholie beigemischt.
Was ich zB. auch sehr mag, ist, das Richter sehr oft bei gewissen Durchführungen auf schwächere Manuale zurückgreift.
Was man hier zB. sehr gut erkennen kann, auch wenn jetzt sicher wieder 99% von euch die Hände über den Kopf zusammenschlagen werden
Ich brauche diese Art von Praxis, dass man musikalische Themen, die in einem Werk stattfinden, anhand unterschiedlicher Register aufgreift und zusammenfasst.
Meine absoluten Lieblingsstellen in dieser Version:
2:44 - 3:02
4:44 - 5:16 (Gänsehaut... fast wie kleine Wassertropfen, so zart und sanft)
5:48 - 6:06 (ich liebe den letzten "hohen" Triller)
7:21 - 7:36 (eine meiner Lieblingsstellen im Stück)
--> nur das Ende gefällt mir hier in dieser Version von Richter nicht so gut, und zwar genau bei 9:30. Da geht er mir zu schnell weiter.
Oder auch hier, die Fantasie, von Bach, wenngleich auch die Aufnahmequalität nicht so besonders ist:
Oder, ein weiteres Lieblingslied: Präludium und Fuge in aminor
Mir gefällt an dieser Version ganz besonders, wie Richter die Melodie artikulativ aufbaut, wo er den "Punkt" setzt, auch wenn ich die Orgel nicht so besonders schön finde.
Vor allen Dingen die Stelle von 1:20 bis 1:28, was er da im Pedal macht, finde ich persönlich großartig.
Aber letztenendes ist es doch so: das Geschmäcker verschieden sind, ist ja klar. Und ich will hier auch niemanden davon überzeugen, dass mein Geschmack der richtige ist. Absolut nicht. Von Richter (oder Walcha) kann auch jeder denken, wie er mag.
Jeder Musiker muss für sich selbst herausfinden, was ihm/ihr wichtig ist und welche Ziele er/sie sich setzt.
Das Stück ist ja recht untypisch für Bach, so untypisch, dass die Echtheit oft in Zweifel gezogen wurde. Ich weiß nicht, ob es da um Melodie geht? Es ist eher barockes Theater. Der Schauspieler ruft etwas, womit keiner rechnet, wartet einen Moment die Wirkung auf das erstaunte Publikum ab und macht dann weiter. Das generiert natürlich Pausen und Absätze. Da nimmt er sich viel Freiheit, aber durchaus zu recht.
Ja, ich hab auch schon davon gehört, dass das Stück nicht von Bach sein soll. Wobei ich es nicht mal so "bachuntypisch" finde, aber ich bin auch keine Musikgelehrte, oder derartiges. Die können das sicher besser beurteilen und hinterfragen
Ich bin auch nicht prinzipiell gegen Pausen und Absätze, eigentlich mag ich sowas sogar sehr gerne, nur kommt es auf das Werk und die jeweilige musikalische Situation an. Was aber wieder eine Geschmacksfrage ist. Koopman ist ein hervorragender Musiker, der es exzellent versteht, Bach aufzugreifen. Nur halt eben meinen "kleinen, bescheidenen" Geschmack nicht trifft.
Im Endeffekt sehe ich es so: du hast eine Partitur, du hast Noten, die darin stehen und du hast ein fantastisches Instrument... also mach was damit. Das Skelett wird nicht verändert (Noten), nur das äußere Erscheinungsbild. Manche mögen einen "großen und intensiven" Bach, andere bevorzugen es schlanker und authentischer und andere gehen sogar soweit, dass sie Bach auf elektronischen Instrumenten vertonen. Man kann das gut oder schlecht finden, aber mir persönlich zeigt das auch, dass wir künstlerisch frei sind. Was nicht immer so war.
Ich ahne, was Dein Lehrer meinte. In barocker Musik ist es verpönt in die 1 eines Taktes hinein zu binden. Vielleicht war es das. Grund ist, dass ein im non-legato mehr gekürzter Ton unbetonter wirkt als einer, der fast komplett ausgehalten wurde. Vor einer 1 wird man also so gut wie immer stark kürzen. Der Trick beim non-legato ist ja nicht, nicht zu binden. Dann kann ich gleich legato spielen. Der Punkt ist ja, dass ich dann das Maß der Kürzung differenzieren kann.
Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, genau DAS war der Inhalt unseres Gespräches. Ich hab anfangs meinen Übungsteil vorgespielt und er hat mir im Anschluss zu erklären versucht, warum ich dort absetzen muss und an andrer Stelle widerum nicht. Ich saß neben ihm auf der Orgelbank, irgendwie versucht, diese ganzen Informationen in mein Orgelbüchlein zu schreiben. Es hatte teilweise auch was lustiges
Er: Hier musst du absetzen.
Ich: Wieso?
Er: weil man hier absetzen muss (ich glaub, er sprach von Synkopen, muss mir das noch mal alles durchlesen)
Ich: okay. (mache es nach)
Er: genau richtig.
Ich: aber anders isses schöner. (abgesetzt, und dann legato)
Er: aber falsch.
Ich: obwohls schöner ist?
Er: ja.
Ich: wieso?
Er: weils falsch ist.
...und ich glaube darin liegt auch mein, unser Konflikt: für meinen Lehrer muss Musik richtig sein (& berühren) und mich muss Musik nur berühren (mit der Gefahr inklusive, die Werke dann nicht immer ganz getreu ihrer Epoche wiederzugeben).
Ich werd versuchen einen Mittelweg zu finden