Bach & seine Orgelwelt

Was die Registrierung angeht: ja. Es ist in kürzeren barocken Stücken unüblich die Registrierung zu ändern. Bei norddt. mehrteiligen Sachen sieht das schon wieder anders aus.

Sparsam auch in der Auswahl, ein Tutti würde an den meisten barocken Orgeln die Windversorgung zur Aufgabe zwingen. Wie man das macht, zeigt Richter in der Freiberger Aufnahme mit der Dorischen ja wunderbar. Die Orgel sagt doch sehr deutlich: Karl, was du hier mit mir machst, das kann ich nicht und will ich nicht. Scheint er nicht zu hören.

Differenziert kann romantische Artikulation auch sein. Z.B. in Karl Straubes Ausgabe der Orgelwerke Bachs (2. Peters Band). Wesentlich ist hier aber, dass nicht die metrischen Schwerpunkte im Takt herausgehoben werden, sondern Phrasen gebildet werden. Damit wird beispielsweise häufig in die 1 eines Taktes gebunden. Würde man heute nicht mehr machen. Die 1 ist betonter als ihre Umgebung, daher muss die vorangehende Note leicht, d.h. kurz sein.

Der 3. Punkt ist schwieriger. Natürlich ist in einer Fuge die themenführende Stimme wichtiger als der Rest. Deshalb würde ich sie nicht unbedingt anders registrieren. Ich würde versuchen, das über die Dichte der Artikulation zu regeln. Wenn ich das Thema höre und mitführe, hört es eigentlich auch das Publikum. Ein subtiles "anspielen" auf einen Themeneinsatz kann auch ein Mittel sein.
 
Anderes Stück: BWV 572 - Pièce d'Orgue in G-Dur
Das hört man auf fast jeder Aufnahme im legato. Ist das historisch korrekt?
 
Radio Eriwan antwortet: Im Prinzip nein, aber im Mittelteil kann man von zahlreichen Vorhalten ausgehen und ein rüdes non-legato killt vermutlich jede historische Windversorgung.
 
Ich hab vor kurzem in einem Konzert das gehört im kompletten Tutti (also mit Füllstimmen und 4'-Solozunge im Pedal :-D) und im non-legato.

Das klang echt furchtbar ...
 
Was die Registrierung angeht: ja. Es ist in kürzeren barocken Stücken unüblich die Registrierung zu ändern. Bei norddt. mehrteiligen Sachen sieht das schon wieder anders aus.

..und wie sieht es bei etwas längeren Stücken aus?

Am Beispiel der Passacaglia von Bach: wäre diese Aufnahme historisch korrekt?



Sparsam auch in der Auswahl, ein Tutti würde an den meisten barocken Orgeln die Windversorgung zur Aufgabe zwingen. Wie man das macht, zeigt Richter in der Freiberger Aufnahme mit der Dorischen ja wunderbar. Die Orgel sagt doch sehr deutlich: Karl, was du hier mit mir machst, das kann ich nicht und will ich nicht. Scheint er nicht zu hören.

Ich finde die Aufnahme von Richter großartig. Du meinst schon diese hier, oder?



Darf ich fragen, wieso die Orgel die Registrierung nicht mag? Ist nur ne Verständnisfrage, weil ich zB. überhaupt nicht das Gefühl habe, dass die Orgel aus technischer Sicht (Windversorgung) ne Überforderung ausdrückt.

Da finde ich andere Interpretationen von Richter, die er zB. in Kopenhagen aufgenommen hat, wesentlich schlimmer. Da sind teils Registrierungen dabei, die mir latent in den Ohren weh tun. Diese von ihm bespielte Orgel hört sich bei gewissen "Mischungen" (kanns nicht besser erklären, sorry) echt gruselig an. Oder es liegt an der Aufnahmequalität der CD ;-)

Differenziert kann romantische Artikulation auch sein. Z.B. in Karl Straubes Ausgabe der Orgelwerke Bachs (2. Peters Band). Wesentlich ist hier aber, dass nicht die metrischen Schwerpunkte im Takt herausgehoben werden, sondern Phrasen gebildet werden. Damit wird beispielsweise häufig in die 1 eines Taktes gebunden. Würde man heute nicht mehr machen. Die 1 ist betonter als ihre Umgebung, daher muss die vorangehende Note leicht, d.h. kurz sein.

...sowas mag ich zB. besonders gerne. Auch wenns vll nicht ganz korrekt ist.

Also kann man zusammenfassend sagen, dass man im Barock prinzipiell mit den Regisrierungen eher sparsam umging und den größten Schwerpunkt in die Artikulation/Phrasierung gesetzt hat.

Der 3. Punkt ist schwieriger. Natürlich ist in einer Fuge die themenführende Stimme wichtiger als der Rest. Deshalb würde ich sie nicht unbedingt anders registrieren. Ich würde versuchen, das über die Dichte der Artikulation zu regeln. Wenn ich das Thema höre und mitführe, hört es eigentlich auch das Publikum. Ein subtiles "anspielen" auf einen Themeneinsatz kann auch ein Mittel sein.

Was bedeutet "Dichte" für dich in diesem Fall?

Und: was macht man, wenn man zB. innerhalb einer Fuge (wie in der passacaglia von Bach zB.) unterschiedliche Stimmen in unterschiedlichen Momenten betont haben will?

Wenn man sich dieses dreiteilige Konstrukt näher ansieht (seis in der passacaglia, als auch in der Fuge), dann fällt mir auf, dass der Schwerpunkt sich immer wieder ändert, mal in der ersten Stimme, dann aber, zu einem späteren Zeitpunkt, in der Pedalstimme zu finden ist. In bestimmten Momenten würde ich dann die Pedalstimme als zentralen Punkt hervorheben, in anderen Momenten eben genau diese wieder in den Hintergrund schieben, weil sich der Schwerpunkt in die Oberstimmen verlagert hat.

Ich stell mir das wie ein Bild vor, du hast drei Linien (drei Stimmen), die wellenförmig eine gemeinsame Linie ziehen. Alle drei Linien (Stimmen) haben unterschiedliche Farben, mal ist die rote führend, dann geht diese plötzlich in die gelbe über, und lässt dieser den Vorrang, während die blaue, als dritte Stimme, sicher immer unterhalb der beiden oberen befindet, aber dann, plötzlich, nach oben steigt, und den führenden Part übernimmt. Und passend danach würde ich dann registrieren.

Entweder generell, auf die Stimmen selbst bezogen, oder auch innerhalb nur einer Stimme.

Oder hat Bach für genau dieses "Problem" genaue Vorgaben gegeben?

Manche Sachen verstehe ich mittlerweile und kann das eine vom anderen auch einigermaßen trennen... allerdings gibt es immer noch Punkte (wie diesen mit der richtigen Wahl der Registrierung), die ich noch nicht verstehe, auch zB. ob Bach ein Crescendo zulässt, immer auf die Orgel bezogen, oder ob man - was den Einsatz eines "ritardandos" anbelangt - Spielraum hat und wenn ja: wieviel?
 
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Die Aufnahme mit der Dorischen in Freiberg finde ich leider nicht mehr, vielleicht ist sie gelöscht worden.

Ich nehme jetzt mal diese Version von BWV 565, weil ich die von dir verlinkte nicht öffenen kann (vermutlich gleich):



Hier hört man bei 1:35 sehr schön, wie der überhängende Ton beim Weggnehmen (man müsste sagen Wegreißen) der linken Hand einen Schlag in die Windversorgung bekommt. 7:25 ist auch katastrophal, ebenso 8:15. Ansonsten erträgt die Orgel die Misshandlung mit erstaunlicher Geduld. Heute wäre er damit bei einem Wettbewerb in der 1. Runde weg.

Also, es wird grundsätzlich nichts zu zu- oder abregistrieren "hervorgehoben", bei Reger ja, bei Bach nicht. Du kannst halt auf einer guten Mechanik versuchen mit einem gut dosierten leggiero eine Art "piano" zu erzeugen. Ebenso kann man per Anschlag "forte" spielen, tiefer in die Taste, mehr Ton. Nicht wie auf dem Klavier, aber das ist das Mittel. Dichte ist für mich das Verhältnis Ton/Pause im non-legato, dichter heißt, dann mehr in Richtung legato. Crescendo als Registrierungsänderung würde ich eher ausschließen.

BWV 582 ist ein spezieller Fall. Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es eine Quelle mit pro organo pleno. Auch eine frühe Passacaglia von Mendelssohn ist noch so bezeichnet. Das dürfte Usus gewesen sein. Also nix Crescendo. Eher so:



Die Frage ist halt, was mache ich mit diesem langen Stück? Wirklich gar nichts oder doch mindestens einen Manualwechsel.

Die grandiose Aufnahme von Käte van Tricht kann ich sehr empfehlen. Das ist fettes Crescendo und Romantik in Reinkultur.
 
Im Zusammenhang mit der vorstehenden Diskussion hinsichtlich einer historischen/historistischen/modernen Interpretation der Orgelwerke des Thomaskantors halte ich die Thesen aus diesem Aufsatz von Gabriel Dessauer für überlegenswert.
 
Radio Eriwan antwortet: Im Prinzip nein, aber im Mittelteil kann man von zahlreichen Vorhalten ausgehen und ein rüdes non-legato killt vermutlich jede historische Windversorgung.
Mir ist nicht ganz klar, warum ein non-Legato eine Windversorgung in Not bringen sollte. Legato =ganze Zeit Wind pro Ton, non Legato=nur ein bisschen Wind pro Ton.
Wenn man Bach interpretieren möchte, sollte man sich an ein historisches Instrument begeben und in Erfahrung bringen, was dieses Instrument in seinem Raum mit dem Stück und auch durchaus mit seinem Spieler anstellt. Lionel Rogg hat sich in seiner dritten Bach -Gesamtaufnahme wohl auf diesen beschwerlichen Weg begeben. Dies klingt zumindest für meine Ohren wie ein Bach, wie er sich damals angehört haben könnte. Mit einer modernen Interpretationspraxis auf modernen Instrumenten hat das nichts zu tun. Wer kein historisches Instrument hat, kann sich mit der Computersimulation behelfen, das ist zumindest schon mal ein klanglicher Ansatz, auch wenn das Drumherum fehlt.
 
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Lionel Rogg hat sich in seiner dritten Bach -Gesamtaufnahme wohl auf diesen beschwerlichen Weg begeben. Dies klingt zumindest für meine Ohren wie ein Bach, wie er sich damals angehört haben könnte. Mit einer modernen Interpretationspraxis auf modernen Instrumenten hat das nichts zu tun.

Ich frage mich sowieso, weshalb sich Rogg bei EMI dem Orgelwerk Bachs kurz nach Vollendung seines 2. Zyklus' erneut gewidmet hat. Deinen Prämissen (geeignetes, weil historisches Instrument; historisch inspirierte Interpretation) wäre er doch bereits mit seiner 1970 entstandenen Arlesheimer Aufnahme (near complete) bei HMF ohne weiteres gerecht geworden. Bei Marie Claire Alain kann ich die dritte Aufnahme ja noch nachvollziehen, wenn sie hinsichtlich ihrer ersten beiden Lesarten mit den Worten zitiert wird:"Nie höre ich sie mir an. Nur wenn ich muß – ich hasse sie nicht, aber es gibt doch vieles, was ich nicht mehr so machen würde. Meine erste Gesamtaufnahme war mehr instinktiv, die zweite schon sehr viel bewußter, und die letzte profitiert von einem langen Leben musikalischer Arbeit und Forschung."

Aber Lionel Rogg? Vielleicht kannst Du mir auf die Sprünge helfen.
 
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Mir ist nicht ganz klar, warum ein non-Legato eine Windversorgung in Not bringen sollte. Legato =ganze Zeit Wind pro Ton, non Legato=nur ein bisschen Wind pro Ton.
Wenn man Bach interpretieren möchte, sollte man sich an ein historisches Instrument begeben und in Erfahrung bringen, was dieses Instrument in seinem Raum mit dem Stück und auch durchaus mit seinem Spieler anstellt. Lionel Rogg hat sich in seiner dritten Bach -Gesamtaufnahme wohl auf diesen beschwerlichen Weg begeben. Dies klingt zumindest für meine Ohren wie ein Bach, wie er sich damals angehört haben könnte. Mit einer modernen Interpretationspraxis auf modernen Instrumenten hat das nichts zu tun. Wer kein historisches Instrument hat, kann sich mit der Computersimulation behelfen, das ist zumindest schon mal ein klanglicher Ansatz, auch wenn das Drumherum fehlt.

Bei vielen historischen Orgeln gibt es das Problem weniger in der Menge des verfügbaren Windes, sondern in der Anfälligkeit für Schwankungen, da es keine Ausgleichsbälge gibt. Hartes Staccato gibt jeweils einen Schlag in die Windversorgung, die das dann oft mit einem entsetzten Aufjaulen quittiert. Das ist natürlich ein Effekt, den man nicht mit Computersimulationen hinbekommt.
 
Im Zusammenhang mit der vorstehenden Diskussion hinsichtlich einer historischen/historistischen/modernen Interpretation der Orgelwerke des Thomaskantors halte ich die Thesen aus diesem Aufsatz von Gabriel Dessauer für überlegenswert.

Natürlich ist das bedenkenswert. Man muss allerdings auch sagen, dass der Kollege damit tendenziell eher alleine. Selbstverständlich ist es nicht nur sein Recht, sondern auch seine Verpflichtung im Sinne einer künstlerischen Wahrhaftigkeit das zu spielen, was er für sich als sinnvoll anerkannt hat. Ich würde es nicht so machen, muss allerdings anerkennen, dass der Kollege ein sehr guter Musiker ist, der seine Sache als Spieler überzeugend transportiert und eben so fit ist, dass er auch anders könnte.
 
Bei vielen historischen Orgeln gibt es das Problem weniger in der Menge des verfügbaren Windes, sondern in der Anfälligkeit für Schwankungen, da es keine Ausgleichsbälge gibt. Hartes Staccato gibt jeweils einen Schlag in die Windversorgung, die das dann oft mit einem entsetzten Aufjaulen quittiert. Das ist natürlich ein Effekt, den man nicht mit Computersimulationen hinbekommt.
Hast Du dafür einen Beleg in der Literatur ?
Bei großen romantischen Akkordkaskaden im Staccato wäre solch ein Phänomen vielleicht vorstellbar, aber ein historisches Instrument, das anfängt zu röcheln, wenn man Bach staccato spielt ? Das müsste ja zumindest schon mal irgendwo beschrieben worden sein.
 
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Wieso Literatur? Das ist schlicht meine Erfahrung als professioneller Organist.
 
Wieso Literatur? Das ist schlicht meine Erfahrung als professioneller Organist.
Dass beim Bach beim Staccato die Orgel in die Knie geht ? Das hätte ich doch zu gerne mal gehört. Vor Allem, dass bei diesem Phänomen Duzenden von Generationen von Orgelbauern noch nicht aufgefallen ist, dass man auf ihren Instrumenten kei staccato spielen kann. Vielleicht müsstet du deinen Kalkanten besser füttern, dann bringt der mehr Druck auf den Balg !
 
Was soll diese Stichelei? Das ist doch unnötig.
 
Ich frage mich sowieso, weshalb sich Rogg bei EMI dem Orgelwerk Bachs kurz nach Vollendung seines 2. Zyklus' erneut gewidmet hat. Deinen Prämissen (geeignetes, weil historisches Instrument; historisch inspirierte Interpretation) wäre er doch bereits mit seiner 1970 entstandenen Arlesheimer Aufnahme (near complete) bei HMF ohne weiteres gerecht geworden.
Ich würde vermuten, weil man ihm die Möglichkeit gegeben hat.
Bach hat sein Klavierwerk, und damit erzähle ich an dieser Stelle vermutlich mal wirklich etwas Neues :geheim:, als Clavierübung konzipiert. Sein Orgelwerk verfolgt (1x Lehrer immer Lehrer) vermutlich den gleichen Ansatz. Dieser liebevollen Pädagogik des Herrn Bach kann sich auch ein Meister wie Lionel Rogg nicht entziehen und setzt sich, was läge näher, nach erfolgreichem Durchackern des Orgelwerks, neues Spiel, neues Glück, wieder an den historischen Tisch.
Ich finde seine 3. Aufnahme hochgradig interessant, eben wenn man sich selbst mit dem einen oder anderen Stück beschäftigt. Zum Einen ist es wohl der, im Vergleich mit anderen verfügbaren Aufnahmen, völlig aus dem kommerziellen Rahmen fallende Sound, diese Musik kommt erst einmal recht unschön rüber, bis man sich an den historischen Klang gewöhnt (und in das Instrument verliebt) hat. Dann diese liebevolle kleinteilige Beschäftigung mit den musikalischen Details, bei denen er Dir vorführt, was Du an Bachs Musik noch alles nicht verstanden hast. Und, last but not least, sein manchmal herauszuhörendes Scheitern am historischen Instrument, da macht die Kiste dann zuweilen was sie will, und nicht das, was der mit den schweizer Präzisions-Trakturen aufgewachsenen Herr Meisterorganist intendierte. Lieber Herr Rogg, alles Gute, und wenn Sie vielleicht noch eine 4. Aufnahme, also nur für den Fall, dass...
 
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Ich glaube, dass es letztenendes wichtig ist, in dem was man spielt und interpretiert, Freude und Erfüllung zu finden. Während der Ausbildung ist es natürlich wichtig, alle Möglichkeiten der Interpretation gut kennengelernt zu haben, auch und gerade das wissenschaftliche Erarbeiten derselben. Aber am Ende zählt dann, für mich zumindest, der Inhalt, bzw. der Atem und die Persönlichkeit des Musikers.

…und ich kann für mich selbst sagen, dass ich eine Sache (neben vielen anderen) am Orgel spielen unfassbar liebe: diese Vielzahl an Möglichkeiten, die man als Spieler hat, ein Werk dynamisch aufzubauen. Grade auch aus „wissenschaftlicher“ (akustisch/physikalischer) Sicht, finde ich es mehr als erstaunlich, was man aus einer bestimmten Aneinanderreihung von Tönen, welche immer (!) diesselben bleiben und sich nicht verändern, alles machen kann. Über die Artikulation, die Phrasierung, das Tempo und seine „Spannung“ dazwischen, die Registrierung und letztenendes auch der just in dem Moment gespielten Orgel (und Kirche, als akustischer Klangkörper/Raum).

Will heißen: eine Orgelpartitur vor mir liegen zu haben und jeden einzelnen Teil davon (im Kleinen, sowie auch im Großen) auf die unterschiedlichsten Art kennen und spüren lernen zu dürfen, ist für mich ein wesentlicher Bestandteil und gehört zum Musizieren einfach dazu. Mir würde etwas fehlen, würde ich „dieses Ausprobieren“ und „Herantasten“ nicht mehr „tun dürfen“, bzw. müsste ich sämtliche Möglichkeiten, die ich habe, nur noch auf eine einzige reduzieren.

Ende Mai habe ich meine „Abschlussprüfung“ in Orgel und beim freien Orgelstück werde ich die Ciacona in fmoll von Pachelbel spielen. Und, man möchte es nicht meinen: ich setze doch etwas mehr ab, als früher und habe mich in meiner Art zu spielen verändert, mich auf Neues eingelassen und alles mögliche davon auch ausprobiert (Inegalität zB.). Und jetzt? Wähle ich, nur auf dieses Stück bezogen, eine Mischung aus barocker Spielweise (Dynamische Stilmittel die mir gefallen, mich berühren, denen ich emotional und kognitiv folgen kann, die „Sinn“ machen) und „meiner ganz eigenen, kleinen Welt“.

Hier hört man bei 1:35 sehr schön, wie der überhängende Ton beim Weggnehmen (man müsste sagen Wegreißen) der linken Hand einen Schlag in die Windversorgung bekommt. 7:25 ist auch katastrophal, ebenso 8:15. Ansonsten erträgt die Orgel die Misshandlung mit erstaunlicher Geduld.

Meinst du bei 1:35 diesen „Schwenker“, den der Ton „nach hinten“ macht? Bei 7:25 kann ich nix hören, bei 8:15 meine ich den „Schwenker“ im Pedal zu hören… ist das der von dir genannte „Schlag in die Windversorgung“?

Ist keine Stichelei, sondern ich bin neugierig und frag’ deshalb nach, ich hoffe, das ist okay ;-)

Generell muss ich aber sagen, dass die Aufnahmequalität der Werke, die Richter in Ottobeuren aufgenommen hat, katastrophal ist. Ich wäre gerne live dabei gewesen, um zu schauen, wie es sich „in echt“ angehört haben mag. Die Orgeln (Heilig-Geist und Dreifaltigkeitsorgel) sind nämlich wunderbar.

Wenn mich nicht alles täuscht, hat Richter auch die Ciacona in Ottobeuren aufgenommen. Die Interpretation (grade im Hinblick auf die Registrierung) ist wunderbar, nur (und ich muss schmunzeln, dass der Satz jetzt von MIR kommt) bei gewissen Sequenzen, grade von 6:46 bis 7:10 dann doch etwas „zu viel legato“ :D Dort setze ich zB. deutlich mehr ab, und verwende auch ein leicht inegales Spiel, mit nem schönen Ritardando und etwas länger gehaltenem Triller und Pedaleinsatz am Ende.


View: https://www.youtube.com/watch?v=j4hbEzT9toA


Lg,
Deva
 
Dass beim Bach beim Staccato die Orgel in die Knie geht ? Das hätte ich doch zu gerne mal gehört. Vor Allem, dass bei diesem Phänomen Duzenden von Generationen von Orgelbauern noch nicht aufgefallen ist, dass man auf ihren Instrumenten kei staccato spielen kann. Vielleicht müsstet du deinen Kalkanten besser füttern, dann bringt der mehr Druck auf den Balg !

Ich weiß ja nicht so recht, was dieser leicht giftige Kommentar soll, aber ich versuche es mal.

Die Windstößigkeit alter Instrumente gilt ja nun weithin nicht als Mangel, sondern als ästhetischer Wert. Die Orgel atmet eben mit. Es werden inzwischen ja auch genügend Neubauten ohne Stoßfängerbälge gebaut. Da muss man halt als Spieler durch. Solltest Du bisher keinerlei Erfahrung mit barocken Orgeln gesammelt haben, wäre z.B. ein Besuch in Ollheim (Orgel von König, gerade von Klais renoviert) sicher eine interessante Erfahrung, ich vermittele gerne den Kontakt.

Es geht hier auch gar nicht um Windmenge oder Druck. Teilweise liegt das an den Kanzellenabmessungen.
 

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