Yann Tiersen

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Ich hatte mal so ein Kunst-Negativerlebnis:

Meine Frau hat mich mal wieder ins Theater geschliffen. Stück unbekannt aber super Sitzplatz.
Bei dem Theaterstück sprangen alle Darsteller wild durcheinander, einige von ihnen schrieen sich alle paar Minuten an. Sonst nix. Hab das Programm nochmal gelesen um evtl. was zu verstehen - aber daraus konnte ich auch keine Handlung ableiten.
Nach 15min habe ich mich getraut meine Frau hilfesuchend anzusehen - aber sie war noch angestrengt damit beschäftigt einen Sinn zu erkennen. Ich wartete geduldig & rebellierte nicht (für meine Frau mache ich das:super:) In der Pause musste sie mich auch angrinsen und wollte nur noch nach Hause. Der Abend war gerettet...

Wer hat hier was falsch gemacht?

Hätte man am Theatereingang schon eine künstlerische Vorbildung abfragen sollen und Laien des Hauses verweisen?

Darf man als normaler Bürger nicht einfach gedankenlos in's Theater gehen?:denken:
 
Vielleicht niemand? Ihr seid auf Gut Glück ins Theater gegangen. Kann klappen und interessante, unerwartete Erfahrungen bringen. Kann aber auch schief gehen. Bei Euch ist es halt schief gegangen. Das sagt aber erst mal nichts darüber aus, ob das Stück und/oder die Inszenierung gut oder schlecht war, geschweige denn darüber, ob es Kunst war.
 
Wenn Du damit aber Einfallslosigkeit meintest, dann gebe ich Dir Recht.

Genau das meine ich. Es geht um Belanglosigkeit und Austauschbarkeit. Viele fassen das heute anders auf. Kunst ist, wenn es der Künstler sagt und irgendwie sind wir ja alle Künstler usw. Mathematisch definieren kann man es schließlich nicht. Diskussionen darüber sind mühsam, da erfahrungsgemäß viele Leute eher weniger freundlich reagieren wenn man ihnen mitteilt, dass das was sie gerne hören mit Kunst nicht viel zu tun hat. Gerade in der Musik ist das extrem. Dabei bestünde dazu überhaupt kein Grund. Ich lese gerne mal belanglose Belletristik und finde Bilder schön, die eher in die Kategorie Kitsch gehören oder schau mir Alien-Schießfilme an usw., ich käme eben nur nie auf die Idee, das als Kunst zu bezeichnen.
 
Warum ist es überhaupt wichtig, ob etwas Kunst ist oder nicht? Wozu dient die Einteilung in "Kunst" und "Keine Kunst"? Wem nützt die Unterscheidung?
 
Gegenfrage: Ich setze mich ans Klavier, und spiele 10min die C-Dur-Tonleiter rauf und runter. Anschließend nenne ich das ganze "Ocean on a sunny day". Anschließend wirst du gefragt, ob das denselben künstlerischen Anspruch hat, wie z.B. die impressionistische Wassermusik. Was antwortest du?
 
Ich müsste ehrlicherweise antworten, dass ich die impressionistische Wassermusik nicht kenne. So, wie Du die Frage formulierst, würde ich aber wohl - wenn ich die Wassermusik denn kennte - mit "Nö." antworten.

Aber was hat das mit meiner Frage zu "Kunst" und "Keine Kunst" zu tun?

Ach ja: Wenn Du die C-Dur-Tonleiter 10 Minuten lang beidhändig über vier Oktaven fehlerfrei und mit Variationen in Artikulation, Tempo und Dynamik spielt, wäre ich auch noch neidisch.
 
Nix beidhändig, sondern nur mit dem Zeigefinger.

Ich kann dir auch ersatzweise gerne eine Malerei meiner 3-jährigen Tochter schicken, welche du dann den Arbeiten van Goghs gegenüberstellst.

Es geht um den künstlerischen Wert, das eingesetzte Maß an Kreativität, die Originalität etc. Wem nützt die Einteilung? Sie nützt dem, der werten will und für den es wichtig ist im jeweiligen Bereich zu werten. Habe ich die Einstellung, dass mir das im jeweiligen Gebiet egal ist und mir nur wichtig ist, was mir selber gefällt (über Geschmack lässt sich nicht streiten, eh kloar) oder wenn einem an der Anerkennung einer künstlerischen Leistung nichts gelegen ist, bringt einem persönlich die Einteilung nichts.

Man muss dazu sagen, dass es sich um eine ziemlich komplexe Angelegenheit handelt, die sich kaum in wenigen Sätzen abhandeln lässt. Mit der Fragestellung "Was ist Kunst?" wurden hier schon mehrer Fäden gefüllt. Auch lohnt es sich, über die Sicht des Künstlers und über die des "Kunst-Konsumenten" nachzudenken.
 
Finger weg! Das ist mein Part. :lol:

Diskussionen darüber sind mühsam, da erfahrungsgemäß viele Leute eher weniger freundlich reagieren wenn man ihnen mitteilt, dass das was sie gerne hören mit Kunst nicht viel zu tun hat.
Zu Recht! Kunst liegt im Auge des Betrachters (inkl. Sehschwächen). Vermutlich findet der gleiche Dialog umgekehrt statt, wenn Du verschiedene Stücke einer Musikrichtung beurteilst, bei der Du keinerlei Vorbildung hast. Es klingt erst mal alles interessant und kreativ. Erst bei näherer Beschäftigung wirst Du das überhaupt differenziert betrachten können. Insofern ist ein "das hat nichts mit Kunst zu tun" ein generell schlechtes Argument.
 

Was ist hier gemeint? Geht es darum, dass die Deutung, vielleicht die Interpretation eines Kunstwerkes im Auge des Betrachters liegen kann oder geht es um die generelle Aussage, ob etwas Kunst ist oder nicht?

Vermutlich findet der gleiche Dialog umgekehrt statt, wenn Du verschiedene Stücke einer Musikrichtung beurteilst, bei der Du keinerlei Vorbildung hast.

Das ist eben der Unterschied. Wenn ich keinerlei Vorbildung habe, erlaube ich mir auch kein Urteil über ein absolut nichtssagendes, rein subjektives Geschmacksurteil hinaus. Wenn du mir hier verschiedene architektonische Werke präsentierst werde ich den Teufel tun und dir erklären, was davon den höheren, künstlerischen Anspruch hat. Ebenso wenig würde ich bei jemandem, mit der entsprechenden Vorbildung darauf beharren, dass das Werk, welches mich am meisten anspricht, einen hohen künstlerischen Wert hat.
 

Merkwürdig ist, dass Arztromane, Seifenopern oder Splatterfilme selbst von denjenigen meist nicht als Kunst angesehen werden, die diese Genres konsumieren. Man ist sich irgendwie einig, dass es sich um billige Unterhaltung bzw. Kommerzkrempel handelt. Aber wehe, jemand urteilt ähnlich über die Machwerke von Tiersen, Yiruma & Co. - da geht sofort das Gezeter um den Kunstbegriff los...
 
Wem nützt die Einteilung? Sie nützt dem, der werten will und für den es wichtig ist im jeweiligen Bereich zu werten.
Ok. Das verstehe ich. Und gegen Wertung von Kunst habe ich auch nichts. Ich würde dann allerdings "einfache Kunst", "keine große Kunst", "triviale Kunst" oder evtl. auch "schlechte Kunst" sagen. Mit dem Prädikat "Keine Kunst" habe ich ein Problem. Es ist mir zu absolut. Aber möglicherweise bin ich einfach aufgrund mangelnder Sachkenntnis zu vorsichtig in meinen Wertungen über Kunst.

Inwiefern?
 
Ich würde dann allerdings "einfache Kunst", "keine große Kunst", "triviale Kunst" oder evtl. auch "schlechte Kunst" sagen.

OK! Dann bezeichne ich von nun an Nasenbohren als schlechten Sport und Schlafen als Trivialsport. :drink:

Was ist denn so schlimm daran, wenn nicht jeder kommerzielle Mist als Kunst bezeichnet wird? Ist es irgendwie beleidigend wenn man was fabriziert, was keine Kunst ist?
 
Gegen die Bedeutungserweiterung/-verschiebung von Begriffen lässt sich leider nicht erfolgreich ankämpfen. Die Sprache gehört niemandem außer den Benutzern, und die machen damit letztlich was sie wollen. :-)

Viele Begriffe verlieren an früherem Inhalt. Gerade den Begriff "Kunst" hat es besonders gebeutelt. Er diente zu bestimmten Zeiten (recht lang sogar) zur qualitativen Abgrenzung gegenüber dem Gewöhnlichen/Minderwertigen. Ist vorbei. Man sollte ihn nicht (mehr) zu Definitionszwecken bzw. und schon gar nicht als Qualitätsausweis von Artefakten verwenden, es hat keinen Sinn. Die Individualisierung aller Lebensbereiche bringt Normverlust mit sich; das hat positive wie negative Folgen.

Unser "Kunst"lehrer (wie ironisch Sprache sein kann:lol:) hat es uns schon vor Jahrzehnten mit auf den Weg gegeben: "Kunst" ist das, was vom Urheber dazu deklariert wird.

Menschen mit Gespür für das Erhabene erkennen es. Und sie erkennen auch das Nichterhabene, egal welches Label draufbappt. Muss es immer das "Erhabene" sein? Das Schöne ist auch nett, und was "schön" ist, ist abhängig von den Betrachtenen. Manche mögen raffinierte Harmonieentwicklungen, mache wertschätzen den komplexen Aufbau oder kühne Entwürfe, die meisten haben Spaß an gefälligen Melodien/Harmonien/Formen/Farben und nicht wenige mögen zum geeigneten Zeitpunkt sowohl das eine oder auch das andere.

Ist doch nicht tragisch, wenn sich dadurch Streit vermeiden lässt. :heilig:
 
OK! Dann bezeichne ich von nun an Nasenbohren als schlechten Sport und Schlafen als Trivialsport.
Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

Was ist denn so schlimm daran, wenn nicht jeder kommerzielle Mist als Kunst bezeichnet wird? Ist es irgendwie beleidigend wenn man was fabriziert, was keine Kunst ist?
Diese beiden Fragen erwecken bei mir den Eindruck, dass zumindest Du es beleidigend meinst, da Du eine Analogie zwischen "kommerziellem Mist" und "keine Kunst" herstellst. Aber nicht jeder empfindet die gleichen Dinge als beleidigend.

Ansonsten würde ich mich aus dieser Kunst-Diskussion jetzt gerne verabschieden. Wahrscheinlich ist mir Kunst nicht wichtig genug, um mit der hier aufkommenden Leidenschaft weiter zu diskutieren. Zudem bin ich weder Künstler noch Kunstwissenschaftler und kann möglicherweise einfach nicht ausreichend kompetent über dieses Thema urteilen. Und diesen letzten Satz meine ich tatsächlich weder ironisch noch sarkastisch. Ich kann mich einfach nicht in jemanden hinein versetzen, der mit vollem Herzen Künstler ist oder sein Leben anderweitig der Kunst widmet, und dann mit ansehen (oder hören) muss, wenn etwas, dass er als komplett banal empfindet, von anderen ebenso als Kunst bezeichnet wird.
 
Diese beiden Fragen erwecken bei mir den Eindruck, dass zumindest Du es beleidigend meinst, da Du einen Analogie zwischen "kommerziellem Mist" und "keine Kunst" ziehst.

Das hast du falsch verstanden oder ich mich falsch ausgedrückt. Es war nur ein extremes Beispiel um den Standpunkt möglichst klar auszudrücken. Nicht alles, was keine Kunst ist, muss schlecht sein und schon gar nicht ist jeder schlecht, der sich mal schlichten Sachen widmet. Merkwürdiger Weise fühlt sich aber so mancher auf den Schlips getreten wenn man ihm mitteilt, dass die Sache eher nicht so genial ist, besonders in der Musik. Irgendwie fassen das manche Leute so auf, als würde man ihnen sagen, sie seien persönlich eher minderwertig, was natürlich quatsch ist.


Die große Tragik an der Sache ist dann aber, dass dann wie gesagt alles Kunst ist und somit nichts. Wenn keine Abgrenzung zum Trivialen vorhanden ist, dann hat TEY tatsächlich denselben künstlerischen Stellenwert, wie Mozart. Klar kann man sagen, dass der Kenner das Erhabene bei Mozart erkennt, aber was heißt das schon? Das sind dann doch nur die versnobten Klassiker. Entscheidend ist nur noch der persönliche Geschmack und wir sind alle Künstler... :schlafen:

Na von mir aus...:drink:
 
Mit dem Slogan "Alles ist Kunst" berauben wir uns selbst der Ästetik. Ich kann auch meine stimmerei als Kunst verkaufen und da für hohe Eintrittspreise verlangen - nur bittschön, wie viele hier hören gern 90 Minuten stimmen zu?
Oder Architektur - da werden langweilige Schuhschachteln, welche in ein paar Sekunden auf ScetchUp erstellt wurden, preisgekrönt :dizzy:

Bei Musik und Bildern - ja, es mag ja durchaus gefallen finden, muß aber deshalb noch lange keine Kunst sein - ich male und musiziere ja auch immer mal wieder ganz gern, was ja auch den einen oder anderen durchaus Freude bereiten kann, aber Kunst ist des ned, da wären noch ganz andere Kriterien Vorraussetzung, welche ICH nicht zu erfüllen vermag.:rauchen:

LG
Henry
 
Zu Recht! Kunst liegt im Auge des Betrachters (inkl. Sehschwächen).
Nein!
Mag der pseudoschlaue Spruch "die Schönheit liegt im Auge des Betrachters" für wenig reflektierte Zeitgenossen auch ebenso oft wie gerne als "Argument" scheinbar tauglich sein, so ist bei nüchternem Licht betrachtet der Inhalt dieses Satzes gänzlich belanglos, weil austauschbar: für einen perversen Sonderling mag der Anblick eines geschlachteten und geschändeten Kindes der Gipfel der Schönheit und Wonne sein*) - es scheint mir allerdings doch sehr zweifelhaft, dass die krankhaften ästhetischen Empfindungen perverser Sonderlinge sowohl bei "der Masse" als auch innerhalb der Kunstgeschichte**) auf Akzeptanz stoßen...

Wenn jetzt von dir @Peter mit diesem belanglosen Spruch eine linguistische Ersetzungsprobe veranstaltet wird (statt "Schönheit" wird "Kunst" eingesetzt), so macht das diesen Spruch nicht weniger belanglos***) ;-):-D
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Natürlich machen solche Diskussionen Spaß, weil sie Erheiterungs- und Unterhaltungspotenzial haben - aber der Gegenstand hier steht in keinem vernünftigem Verhältnis zum Aufwand. Ich habe nicht den Eindruck, dass Tiersen mit einer Pose a la "ich und Satie" oder "ich und Mozart, wir Brüder im Olymp" kokettiert. Der Tiersen werkelt seine Sachen aus dem großen Fundus von U-Musik Patterns zusammen, freut sich gewiß über den Erfolg, stellt sich aber nicht als "neuer Mozart" dar. Und das ist völlig ok! - - - es ist lediglich lästig, sich mit Fans dieser Produkte auseinanderzusetzen, die diesen Produkten Gütestempel andichten, die sich ihr Urheber überhaupt nicht anmaßt. (in dieser Hinsicht ist Herr Einaudi, dessen Produkte durchaus etwas ambitionierter konstruiert sind als die von Tiersen, schon eher ein Sünder...)

...übrigens @Peter mit musikalischem Minimalismus a la Monte, Glass u.a. hat das Tiersen Zeugs eher wenig zu tun
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*) wir erinnern uns gebildet an die griechische Antike, an die Sophisten wie Protagoras mit ihren Spiegelfechtereien wie "entgegengesetzte Behauptungen sind gleich wahr, wenn sich nur ein Mensch findet, der es so fühlt" (sinngemäß zitiert) - - mit dergleichen kann man restlos alles rechtfertigen...
**) ein interessantes Fach, das man an nahezu allen Universitäten studieren kann
***) noch ein krasses Exempel zur Verdeutlichung gefällig? bon: ein irrwitziger Sonderling voller Sendungsdrang kann sich mitten auf einen Marktplatz stellen und sich laut kreischend und grimassierend komplett und ergiebig entleeren, gerne kann er dabei Großmutters Schlüpfer und Opis Wehrmachtshelm tragen, kann dieses erschütternde Ereignis ablichten und zu einem hochartifiziellen Happening mit dem Titel "das Universum gebiert den Sinn des Lebens im Kreißsaal des öffentlichen Merkantilismus" deklarieren - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird die Angelegenheit nicht im Museum aufbewahrt, sondern stattdessen wird dem sendungsbewußten Sonderling eine empfindliche Gerichtsnummer in Sachen Erregung öffentlichen Ärgernisses zuteil... hätte er doch besser nicht geglaubt, dass "die Kunst im Auge des Betrachters" liege...
 

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