Wiederholungen spielen oder weglassen?

Fips7

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Hallo miteinander,

hier war kürzlich die Rede davon, dass manche Wiederholungen in Stücken mehr oder weniger überflüssig seien. Kölnklavier hatte in diesem Zusammenhang Schumann erwähnt. Bei anderen Komponisten seien hingegen die Wiederholungen unbedingt einzuhalten.

Ich wollte mal fragen, wie es euch so geht mit den Wiederholungen. Gibt es Stücke, bei denen ihr regelrecht darauf besteht, dass alle Wiederholungen gespielt werden müssen? Wenn ja, welche? Könnt ihr andererseits auf manche Wiederholungen verzichten? Wenn ja, welche in welchen Stücken?

Der Anlass für meine Fragen ist ein gestern angesehenes YouTube-Video, in dem eine Amateur-Pianistin Schuberts As-Dur-Impromptu, D. 899,4 gespielt hat. Und die junge Dame hat es tatsächlich gewagt, die Wiederholungen im Mittelteil wegzulassen. In meinen Augen bzw. Ohren ist das eine schwere Sünde!!! :rolleyes: Wenn man irgendwo auf keinen Fall die Wiederholungen weglassen darf, dann hier.

Das wäre ein Beispiel für "Wiederholungspflicht". Gibt es noch mehr?

Grüße von
Fips
 
Hihi...das ist echt ein Problem. Bei Pruefungen auszer dem Diplomkonzert werden bei uns nie...bei Wettbewerben auch nie...in Klavierstunden generell eher auch nicht...bis letztens mein Prof eine unvorhergesehene Anwandlung hatte, ich sollte jetzt alle Wiederholungen mitspielen, und er musste mir glatt einsagen ^^
Bei Klavierabenden? Schon eher, erstens ist es geschenkte Zeit. Zweitens gibt man dem Publikum die Moeglichkeit, sich einzuhoeren, und alles, was man schon irgendwoher kennt, mag man auch eher ;-) und es bleibt vll sogar haengen, dann gehen die Zuhoerer meines Wissens auch zufriedener und im woertlichen Sinne beeindruckter (mehr Eindruecke ;) ) nach Hause.
Ich war mal so fahrlaessig, eine franzoesische Suite ganz ohne Wiederholungen vorzutragen, und das hat unnoetig ueberfordert, glaube ich. dabei war meine Absicht, den schwieriger zu hoerenden Teil ruecksichtsvoll so kurz wie moeglich zu gestalten ^^ das passiert mir nie wieder...

Was macht ihr denn da fuer Erfahrungen?

PS: damit mir jetzt niemand ueber en Mund faehrt: bei groszen Wettbewerben kenne ich mich nicht aus...ich habe jetzt aus meiner Erfahrung mit JuMu etc pp gesprochen
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich finde Wiederholungen meistens ärgerlich und lasse sie deshalb häufig weg. Insbesondere bei Sonatensätzen.

Bei Variationen, wo jede Zeile wiederholt wird, bin ich immer hin- und hergerissen. Das ist eine Gewissensentscheidung.
 
hallo,

meiner Ansicht nach kann man Wiederholungen nutzen, um verschiedene Nuancen klarzumachen (das wäre ein praktischer Aspekt).

dann aber stellt sich mir aber auch die Frage, ob man z.B. einem mit Wiederholungen versehenen Sonatenkopfsatz gerecht wird, wenn man glaubt, die Wiederholung der Exposition würde tatsächlich vordergründig eine identische Wiederholung sein: ich halte doch für einen Unterschied, dass die "erste" Exposition wieder zum Beginn, zum neu ansetzen führt, aber die "zweite" dann (also der neu-Einsatz) führt weiter - so gesehen, als komponierte Zwangsläufigkeit der veränderten Zielrichtung, halte ich das "wiederholen" der Exposition nicht für "Zeitschinderei". Freilich muss das dargestellt werden, was eben bedeutet, dass die vermeintliche Wiederholung nicht wie beim ersten mal klingen darf.

Beispiele:
- Chopin, Sonate b-Moll - die "wiederholte" Exposition wird schwärzer klingen müssen, denn erst sie führt in die Katastrophe der fantastischen Durchführung
- Beethoven, Sonate op.111 - die "wiederholte" Exposition muss ohne das einleitende Maestoso auskommen und muss (auch hier quasi "tragischer") in die Durchführung kommen

Gewiss: es ist wohl "nur" den "großen Kompositionen" vorbehalten, dass bei ihnen Wiederholungen keine wirklichen Wiederholungen sind - z.B. bei der WoO Sonatine F-Dur von Beethoven könnte man die Wiederholungen evtl weglassen (aber: ich bin überzeugt, dass sich mehr die Spieler, als die Hörer auch hier an den Wiederholungen stören!)

--- aber was machen wir, wo die Komponisten "dreist und frech" ihre "Wiederholungen" ausnotieren (nix doppelte Taktstriche mit Wdh-Punkten), z.B. Chopins A-Dur Polonaise?...

so gesehen: gibt es in den großen Sonaten wirklich Wiederholungen? (ich erninnere sicherheitshalber, dass die 1. Exposition wieder zum Anfang und die 2. Exposition dann woandershin führt - - das könnte man bedenken)

liebe Grüße, Rolf
 
Wenn wir gerade schon bei Bach sind: Wie haltet ihr es mit den Wiederholungen im WTK? Gerade z.B. die ohnehin nicht ganz kurzen Präludien h-moll, Band 1 und D-Dur, Band 2 tragen ja Wiederholungsvorschriften. Und Bach hat die gewiss nicht ganz leichtfertig gesetzt. Ich bin mir da ganz aktuell sehr unschlüssig ob spielen oder nicht (beim D-Dur Präludium). Die erste Wiederholung ist für mich irgendwie fast zwingend, aber die zweite fast zuviel des Guten, aber das kanns doch eigentlich auch nicht sein, dass Bach zwei Wiederholungen schreibt und nur eine davon auch gespielt werden soll? Ich bin unschlüssig...

Bei Sonatenhauptsätzen halte ich es eigentlich auch sehr gerne so, dass ich die Exposition wiederhole, aber die Wiederholung von Durchführung und Reprise wegfallen lasse (ohne konkret begründen zu können warum - wohl eine Geschmacksfrage, in der mich meine Klavierlehrerin mit ihrer Art zu wiederholen bzw. nicht zu wiederholen vorgeformt hat).

Bei anderen Wiederholungen außerhalb von Sonatenhauptsätzen entscheide ich eigentlich immer irgendwann beim Üben spontan aus dem Bauch heraus, ob ich die Wiederholung denn nun für sinnvoll halte, oder nicht. Je nachdem, ob mir der Gesamtverlauf des Stücks mit oder ohne Wiederholung schlüssiger erscheint.
 
Richtiggehend problematisch finde ich jedoch die stereotypen Wiederholungen in den "klassischen" Sonaten, wo sowohl Exposition als auch Durchführung samt Reprise wiederholt werden soll. Nach der Reprise nochmals in die Durchführung einzusteigen, widerstrebt mir, da doch letztlich alles gesagt sein sollte. Die Wiederholung der Exposition allein kann ich mir schon eher vorstellen, sie zerstört aber die Proportionen des Sonatenhauptsatzes.

hallo,

daran haben die doch vehement gearbeitet: "stereotype Wiederholungen" gerade des 2. Teils (Durchführung und Reprise) finden sich in Beethovens späten Sonaten nicht mehr (was ich auch als wohltuend empfinde), und das verlaufskonzentrierte Gewicht der "Expositionen" hat dort auch einen kompositorischen Sinn gefunden - nicht umsonst komponiert nach diesen Erfahrungen Liszt seine Sonate mit ExpositionEN, DurchführungeEN und ReprisEN, also variativ!

Die Proportionen halte ich beim späten Beethoven nicht für zerstört, nicht einmal im extrem umfangreichen Kopfsatz der Hammerklavier-Sonate.

gönnen wir doch der Musikgeschichte, dass es eine Weile und eine ganze Mühe gebraucht hatte, wunderbare Sonaten ohne Makel zu entwickeln (Beethoven, Chopin, Liszt, Skrjabin) - und gönnen wir den "Anfängen" der Sonaten dort, wo sie genial sind (Haydn, Mozart), ein paar formale Unzulänglichkeiten (die doch nur retrospektiv als unzulänglich erscheinen, weil man schon anderes kennt): gerade Mozart langweilt doch fast nie, trotz Wiederholungen :)

Gruß, Rolf
 
Wenn wir gerade schon bei Bach sind: Wie haltet ihr es mit den Wiederholungen im WTK? Gerade z.B. die ohnehin nicht ganz kurzen Präludien h-moll, Band 1 und D-Dur, Band 2 tragen ja Wiederholungsvorschriften. Und Bach hat die gewiss nicht ganz leichtfertig gesetzt. Ich bin mir da ganz aktuell sehr unschlüssig ob spielen oder nicht (beim D-Dur Präludium). Die erste Wiederholung ist für mich irgendwie fast zwingend, aber die zweite fast zuviel des Guten, aber das kanns doch eigentlich auch nicht sein, dass Bach zwei Wiederholungen schreibt und nur eine davon auch gespielt werden soll? Ich bin unschlüssig...

Dazu fällt mir als erstes ein Kommentar von D. R. Hofstadter ein, aus seinem Werk "Gödel, Escher, Bach", in einem Kapitel über Rekursion.
Ich zitiere mal S.140f:
"Dafür, dass Spannung und Auflösung Herz und Seele der Musik bilden, gibt es zahllose Beispiele. (...) Bach (...) komponierte viele Stücke in der Form "AABB", d.h. zwei Hälften, die beide wiederholt werden.
Nehmen wir die Guige in der französischen Suite Nr. 5, die für diese Form typisch ist.Ihre Grundtonart ist G, und wir hören eine gelöste Tanzweise, die die Tonart fest begründet.Bald jedoch leitet die Modulation in Abschnitt A über zu der Tonart D.Wenn der Abschnitt A endet, befinden wir uns in der Tonart D. (...) Dann aber geschieht etwas seltsames-wir springen unvermittelt zum Anfang zurück, nämlich zu G, und hören wieder den gleichen Übergang nach D.Dann aber geschieht etwas seltsames-wir springen unvermittelt zum Anfang zurück, nämlich zu G, und hören wieder den gleichen Übergang nach D.
Dann kommt der Abschnitt B.Mit der Umkehrung des Themas unserer Melodie beginnen wir in D, als wäre das schon immer die Tonika gewesen-aber schließlich modulieren wir zurück nach G, was bedeutet, dass wir in die Tonika zurückpoppen, und der Abschnitt B endet korrekt.Dann findet diese komische Wiederholung stat, die uns unvermittelt nach D zurückwirft un uns abermals nach G zurückkehren lässt.Dann findet diese komische Wiederholung stat, die uns unvermittelt nach D zurückwirft un uns abermals nach G zurückkehren lässt.
Die psychologische Wirkung all dieser Tonartverschiebungen-einige unvermittelt, andere gleitend-ist sehr schwierig zu beschreiben.Es gehört zur Magie der Musik, dass wir diesen Verschiebungen automatisch einen Sinn geben können.Oder vielleicht ist es die magie Bachs, dass er so strukturierte Stücke komponieren kann, denen solch einen natürliche Grazie innewohnt, dass wir uns gar nicht bewusst werden, was eigentlich geschieht."

Wer diese Guige mal gespielt hat, wird erkennen wie vortrefflich dieses Beispiel gewählt ist.

Ein anderer Fall wäre für mich im WtK2 das Präludium in E, mit dem ich mich ja gerade intensiv beschäftige ;)
Dort werden die Wiederholungen mit anderen Registern gespielt.
Auch sonst ist der Aufbau (für mich): Einleitung - Wiederholung mit vollem Register und Überleitung - Entwicklung zum Höhepunkt im B Teil - Ausklang in dessen Wiederholung.

Viele Grüße,
classican
 
Ich kenne es auch, dass ich es etwas ermüdend finde, wenn immer alles wiederholt wird. Das, was Rolf gesagt hat, ist aber ein guter Grund, in Klaviersonaten die Exposition zu wiederholen. Nämlich dass man die Wiederholung nutzt, um andere Nuancen der Musik aufzuzeigen und zudem berücksichtigt, dass die wiederholte Exposition nicht wieder in den Anfang mündet, sondern in die Durchführung.

Ich würde jetzt aber gern noch einen anderen Aspekt einbringen, warum Wiederholungen sinnvoll sind. In bezug auf die von Kölnklavier genannten Ermüdungserscheinungen bei Variationenwerken fielen mir aus gegebenen Anlass die Mozart'schen Duport-Variationen ein, in denen - wie bei Mozart üblich - die harmonische Struktur kaum aufgebrochen wird. Dennoch finde, ich dass die Wiederholungen hier samt und sonders gespielt werden sollten. Und zwar aus folgenden Grund: die Musik ist so schön, dass sie es wert ist!

Dies ist natürlich eine sehr subjektive Einschätzung. Auch im As-Dur-Impromptu von Schubert könnte man theoretisch die Wiederholungen im Mittelteil weglassen, weil ja nach einmaligem Spielen schon alles gesagt ist. Aber diese Musik ist so tiefgehend und so berührend, dass sie von mir aus auch drei- oder viermal "gesagt" werden könnte. Das ist der Hauptgrund, warum ich es hier eine Sünde finde, die Wiederholungen nicht zu spielen. Ebenso bei den Duport-Variationen und noch vielen anderen Werken.

In der Fis-Dur-Sonate von Beethoven z.B. werden sowohl Exposition als auch Durchführung und Reprise ausdrücklich wiederholt. Und auch hier würde ich aus subjektiven Erwägungen heraus alle Wiederholungen spielen. Die Musik ist es einfach wert. Das schließt natürlich nicht aus, dass ich versuchen würde, in den Wiederholungen andere Nuancen herauszuarbeiten.

Grüße von
Fips
 
@rolf: du Idealist ;-) Was haeltst du von dem Argument, dass frueher tatsaechlich Abende mit solchen Sachen gefuellt werden mussten, weil es ja kein Kino etc gab ^^ und dass so manche (nicht alle!) Wiederholung _deshalb_ gesetzt wurde? Nicht boese sein, ich meine das als ganz ernste Frage...Opern dauern ja auch ewig...
 
@rolf: du Idealist ;-) Was haeltst du von dem Argument, dass frueher tatsaechlich Abende mit solchen Sachen gefuellt werden mussten, weil es ja kein Kino etc gab ^^ und dass so manche (nicht alle!) Wiederholung _deshalb_ gesetzt wurde? Nicht boese sein, ich meine das als ganz ernste Frage...Opern dauern ja auch ewig...

hallo,

dazu fällt mir spontan ein, dass gerade die "ewig dauernden Opern" etwa von Verdi und Wagner die da capo Arien etc abgeschafft hatten :) und trotzdem mit reiner Spieldauer (ohne Pausen) gelegentlich bis zu 5 Stunden dauern können - und dabei nicht mal langweilen. ebenso verfügt die im Schnitt eine halbe Stunde Spieldauer beanspruchende Sonate von Liszt über keine "Wiederholung" im vordergründigen Sinn (dass dort nach ca. 15 min eine der Expositionen wiederholt wird aber abbricht und ganz woanders hin führt, ist was ganz anderes)

wie so oft kommt es wohl auf die Qualität an, und die ist unterschiedlich - mancher hatte drauf, sogar ohne Wiederholungen zu langweilen, mancher hatte es drauf, sogar mit Wiederholungen nicht zu langweilen... :)

...komponierte Zeitschinderei vermutest Du... wie schön, dass solche Zeitschindereien wie Strophen und Refrain in der lieben U-Musik niemandem Kopfzerbrechen bereiten :)

aber allgemein, was so das Wiederholen betrifft: es kommt doch oft genug vor, dass man was zweimal sagen muss - mal will der Adressat es nicht hören, mal schnallt er es nicht, so dass Floskeln wie "wie oft denn noch" sogar im alltäglichen Leben nicht gerade selten sind - - - in diesem Sinn kann man die Wiederholungen in vielen Sonaten des 18. und frühen 19. Jh. auch mal betrachten.

ansonsten: die Sonatenform ist in der Romantik stringenter und zugleich umfangreicher geworden (naiv gesagt: in eine Lisztsonate passen zwei Mozartsonaten inklusive aller Wiederholungen), auch wenn der junge Brahms seine 3 Sonaten noch etwas eklektischer bzw. traditioneller formte. Und betrachtet man Sachen wie z.B. ein Scherzo von Chopin, so finden wir etliche Wiederholungen (freilich mit kleinen Varianten) und stören uns nicht daran, solange die Musik spannend und effektvoll ist (allerdings darf man nicht vergessen, dass der "Anspruch" Sonate ein anderer ist als bei einem "Charakterstück")

Gruß, Rolf

(Haydn, Mozart, früher Beethoven: die sind so gut, dass Wiederholungen hier auf mich wie eine Wohltat wirken - die Stücke wären gar zu schnell vorbei ohne sie - - - bei Sonatinen von Pleyel oder Sonaten von Clementi allerdings kann ich das gähnen nicht ganz ausschließen...)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
[...] die Musik ist so schön, dass sie es wert ist!

Dies ist natürlich eine sehr subjektive Einschätzung. Auch im As-Dur-Impromptu von Schubert könnte man theoretisch die Wiederholungen im Mittelteil weglassen, weil ja nach einmaligem Spielen schon alles gesagt ist. Aber diese Musik ist so tiefgehend und so berührend, dass sie von mir aus auch drei- oder viermal "gesagt" werden könnte. Das ist der Hauptgrund, warum ich es hier eine Sünde finde, die Wiederholungen nicht zu spielen. Ebenso bei den Duport-Variationen und noch vielen anderen Werken.

Genau das wollte ich dir auf deinen Eingangsbeitrag antworten, aber du bist mir einfach zuvorgekommen. Manchmal ist die Musik so schön, dass es den Zuhörer wirklich schmerzt, wenn der Vortragende diese Schönheit übersieht (anders ist das Weglassen dieser Wiederholungen ja kaum zu erklären).

Nüchtern betrachtet fallen konkret diese Wiederholungen ja so leicht, weil a) die Abschnitte recht kurz sind und nicht mehrere Themen enthalten wie Abschnitte in Sonatensätzen sowie b) sonst der Mittelteil gegenüber den Außenteilen zu kurz kommen würde.

Was die Fis-Dur-Sonate angeht, muss ich dir auch zustimmen. Bei der kann man sich 100% sicher sein, dass beide Wiederholungen von Beethoven beabsichtigt sind, da dieser ja schon in der Appassionata eifrig über die Wiederholungspraktiken nachgedacht hat. Ich denke, da kann man auch Respekt vorm Komponisten verlangen, ohne als verstaubter Dogmatiker dazustehen.

Bei Haydn, Mozart und deren Zeitgenossen ist das schon etwas Anderes, denn die haben nicht so konsequent gegen die Konventionen gearbeitet wie Beethoven und andere spätere Komponisten. Denen war es noch nicht oberstes Ziel, alles anders zu machen, um sich als Künstler zu rechtfertigen, sondern eher, "erquickliche" Musik zu schreiben. Bevor jetzt Protest kommt: natürlich haben gerade Haydn und Mozart immer wieder mit Freude gegen die Konventionen verstoßen - das ist ein Hauptgrund, warum diese beiden heute noch frisch sind -, aber sie waren auch auf die Wünsche ihrer Gönner und Auftraggeber angewiesen und konnten sich deswegen nur in einem verhältnismäßig (!) kleinen Rahmen bewegen.

Was hat das nun mit der Frage der Wiederholungen zu tun? Nun ja, das soll deutlich machen, dass der Musikbetrieb zwischen Komponist/Kapellmeister, Musikern und Publikum viel strengeren Regeln unterlag als in späteren Jahrhunderten. (Fast) jeder weiß aus dem Geschichtsunterricht, dass damals das Leben in engeren Bahnen verlief und dass "Freiheit" verglichen mit heute ein Fremdwort war. Ob da nun ein Mozart am Ende eines Sonatensatzes zwei Pünktchen machte oder nicht, hatte damals wohl wenig Auswirkung auf die endgültige Aufführung. Wenn ein Orchester oder Streichquartett diesen Sonatensatz spielte, wird es sich in Sachen Wiederholungen eher daran orientiert haben, wie es es schon immer gemacht hat (d.h. bei ganz anderen Stücken), und weniger daran, was nun auf den Notenblättern stand. Damals wurden Noten oft mehrmals (fehlerhaft) kopiert und man konnte auch nicht mal eben den Komponisten anrufen und nachfragen, wie der sich das nun gedacht hatte. Wenn es also in einem durchschnittlichen Ensemble bspw. üblich war, die Exposition zu wiederholen und die Durchführung und Reprise nicht, dann wird es das wohl immer gemacht haben. Das werden die Komponisten auch gewusst haben und entsprechend werden sie sich auch verhalten haben; das heißt, man wird sich eher auf die Noten konzentriert haben und weniger auf die Frage, ob man dort nun zwei Pünktchen schreibt oder nicht. (Falls das jetzt kompletter Unsinn sein sollte, bitte berichtigen. Ich bin kein Musikwissenschaftler.)

Die Folgerung ist ganz einfach: es ist sehr nützlich, wenn man sich mit dem breiteren Schaffen der Komponisten auseinandersetzt, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was wie gemeint sein könnte (zumindest als halbwegs ambitionierter Musiker). Nach meinem Eindruck ist es halt so, dass man bei Haydn und Mozart etwa auch mal mit reinem "Gewissen" eine Wiederholung weglassen kann, wenn man das Gefühl hat, die Zuhörer sonst zu nerven. Bei Beethoven sollte man dagegen vorsichtiger sein, denn dieser hat die Wiederholungszeichen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit immer vollkommen bewusst gesetzt - zumindest ab Op. 20-30. Wenn man dann z.B. bei Op. 78 die Wiederholungen weglassen möchte, sollte man konsequenterweise auch über die Sinnhaftigkeit jeder einzelnen Note nachdenken... Dabei dann viel Spaß! :D
 

hallo chaotica,

leider wissen wir nicht wirklich, wie man im 18. Jh. gespielt hat und ob man alle Zeichen beachtet hatte oder nicht.

schwierig ist, die Aufführungspraxis früherer (aufnahmeloser!) Zeiten zum Regelwerk zu erklären: statistisch wurden Sinfonien häufiger als "Harmoniemusik" (kleine bis sehr kleine Besetzung) aufgeführt als mit dem vollen Orchester - daraus sollte man aber nicht schließen, dass Mozart, Haydn oder Beethoven ganze Orchestrierungen nur als Vorlagen für Reduktionen geschrieben hätten! -- vergleichbar ist es um die Wiederholungen bestellt: zunächst mal stehen die in den Noten und sie stünden da nicht, wären sie allein fakultativ gemeint. evtl war ja - trotz mancher Formmuster - den Komponisten das, was sie wiederholen ließen, so zu sagen wiederholungswürdig (denn die vermochten ja auch anders zu komponieren, etwa Fantasien etc)! Und da kann ich bei den meisten Wdhs bei Mozart, Haydn, frühem Beethoven nur zustimmen.

ansonsten kann ein Blick in die Geschichte der Sonatenform hilfreich sein und zum Verständnis beitragen: was Mozart um 1770 komponierte ist formal und harmonisch sehr weit von dem entfernt, was Beethoven um 1820 oder gar viel später Liszt und noch später Skrjabin in dieser Gattung komponierten.

Gruß, Rolf
 
Ich hab die Noten nicht.

Das Stück könnte aber dem Gebet einer Jungfrau ernsthaft Konkurrenz machen :)

Hm, Haydnspaß, dann verstehe ich dein Anliegen mit diesem Video (noch) nicht. :rolleyes: Auch der Bezug zum Thema dieses Threads ist mir dann nicht ganz klar.

Allerdings muss ich jetzt in eigener Sache einen Rückzieher machen. Ich hatte auf IMSLP nach den Noten geschaut und sie dort auch gefunden ("Sonate No. 5"). Was ich übersehen hatte, war, dass dies die Niederschrift der Noten nach einer Einspielung von Michelangeli ist. Die Noten entsprechen also nur dem, was Michelangeli gespielt hat. Unter dem Titel steht klein: "Typeset after a recording from Arturo Benedetti Michelangeli by D. W. J. Regtien".

Ich habe beim Hören des von dir verlinkten Videos die Noten mitgelesen und festgestellt, dass Michelangeli an einer Stelle 8 Takte einschiebt, die nicht in den Noten stehen. Entweder hat da der Autor der Noten einen Fehler gemacht oder Michelangeli hat diese 8 Takte in einer anderen Einspielung (auf die sich der Autor bezieht) weggelassen. Wegen des 8-Takte-Einschubs hatte ich auf den anderen Thread verwiesen.

Fazit: Verlass dich nicht zu sehr auf IMSLP, Fips. ;)

Grüße von
Fips
 
Hm, Haydnspaß, dann verstehe ich dein Anliegen mit diesem Video (noch) nicht. :rolleyes: Auch der Bezug zum Thema dieses Threads ist mir dann nicht ganz klar.



Ich hab jetzt nicht mitgezählt, wie oft Michelangeli das Thema des Stücks wiederholt (es scheint ein Rondo zu sein) - aber das sprengt echt den Rahmen. Das Video dauert über 8 Minuten. Wenn man alle Wiederholungen weglassen würde, würde es max. 1 Minute dauern 8)
 
hallo,

was ich noch nicht so ganz begreife: hilft Galuppi bei der Überlegung, ob man bei z.B. Mozart Wiederholungen ernst nehmen soll oder will oder muss?

Gruß, Rolf
 
Ich hab jetzt nicht mitgezählt, wie oft Michelangeli das Thema des Stücks wiederholt (es scheint ein Rondo zu sein) - aber das sprengt echt den Rahmen. Das Video dauert über 8 Minuten. Wenn man alle Wiederholungen weglassen würde, würde es max. 1 Minute dauern 8)

Achso, jetzt verstehe ich. Im Grunde wiederholt er nur den 1. und 2. Teil des Stücks jeweils einmal. Aber innerhalb der Teile kommt das Thema halt auch mehrmals vor. ;)

Grüße von
Fips
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

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