Veränderungen in Wiederholungen bei Bach

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partita

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15. Dez. 2009
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Hallo ihr Lieben,

da ich die Musik Bachs sehr liebe und immer wieder gerne spiele, beschäftige ich mich auch intensiv mit den Besonderheiten des Bach-Spiels. Von früher, als ich noch Unterricht bei einer Bach-Spezialistin (Prof. Rosar, die nun, nachdem Prof. Blankenheim leider verstorben ist, den Würzburger Bach-Wettbewerb leitet) hatte, habe ich einiges gelernt und in Erinnerung, was Verzierungslehre angeht usw. Natürlich habe ich auch jetzt hervorragenden Unterricht an der Musikhochschule bei einer ganz wunderbaren Professorin.

Trotzdem wollte ich die professionellen Klavierspieler unter euch auch nochmal fragen, wie ihr es mit den Veränderungen bei Wiederholungen von Bach-Stücken haltet. Mir ist klar, dass man Verzierungen verschiedenster Art hinzufügen kann an Stellen, wo sie hinpassen (also nicht hauptsache verziert, sondern es muss schon reinpassen, die Linien dürfen nicht unterbrochen, sondern nur unterstützt werden usw.). Nun frage ich mich gerade, bis zu welchem Grad man Artikulationsunterschiede sinnvoll einbauen kann. Manchmal habe ich den Eindruck, kann es sehr reizvoll sein, z.B. in der ersten Version etwas legato zu spielen und in der zweiten dann non-legato. Weiß hier jemand etwas bzgl. historischer Fakten? War das üblich? Haben wir uns das erst später ausgedacht, weil wir es schön finden und um die Möglichkeiten, die wir auf unserem Instrument haben, einfach alle zu nutzen? Wie haltet ihr es mit Veränderungen in Wiederholungen?

Bei Suitensätzen z.B. gehe ich vorsichtig damit um: Bei Allemanden, Couranten, Gigues z.B. bin ich eher sparsam (vor allem in den schnellen Sätzen - bei einer Allemande, je nachdem welche, kann es auch mal mehr werden). Bei einer Sarabande hingegen kann man je nach Sarabande so einiges tun, finde ich. Konkret sitze ich gerade an der B-Dur Partita und überlege mir, was ich mit der Allemande mache (habe schon viele Ideen und auch mit meiner Lehrerin darüber gesprochen) und mit dem Menuett (beim Menuett z.B. habe ich den Eindruck, macht es Sinn, die zweite Version artikulativ komplett anders zu spielen). Meine Frage ist aber eher genereller Natur - es interessiert mich, was ihr dazu zu sagen habt und ob jemand was von der historischen Aufführungspraxis bzgl. globaler Artikulationsänderungen weiß.

Liebe Grüße von der
(B-Dur ;))
Partita
 
Nun frage ich mich gerade, bis zu welchem Grad man Artikulationsunterschiede sinnvoll einbauen kann.

Eine Möglichkeit ist, nachdem primo alles vorgestellt hat, secundo eine charakteristische Nebenstimme hervorzuholen - damit bekommt die Wiederholung für den Zuhörer eine neue Dimension. (selbstredend dort, wo eine interessante Nebenstimme vorliegt :)) Ausgehend davon, dass man jede Wiederholung (wenn man will) als neue Beleuchtung oder Bereicherung, Erweiterung auffassen kann, lässt sich auf diese Weise durch Klangfarbenänderung auch die Stimmung, der Charakter leicht veriieren bzw. intensivieren.

Von unterschiedlichen Artikulationen des Themas lediglich im Hinblick auf die Wiederholung von Formteilen würde ich eher abraten - solche Änderungen können aber dosiert über den gesamten Verlauf als quasi Entwicklung (z.B. von Strenge zu Fröhlichkeit) gebracht werden (sofern das Stück sie verträgt!)

herzliche Grüße,
Rolf
 
Lieber Rolf,

Eine Möglichkeit ist, nachdem primo alles vorgestellt hat, secundo eine charakteristische Nebenstimme hervorzuholen - damit bekommt die Wiederholung für den Zuhörer eine neue Dimension.

oh ja, solche Stimmen herauszuspielen bereitet mir besonders große Freude. Die muss man auch nicht erst suchen gehen - Bach hat so wunderbar komponiert, dass sie sich einfach anbieten. Hast du mal in besagter Allemande T9-11 angeschaut? Herrlich...

Ausgehend davon, dass man jede Wiederholung (wenn man will) als neue Beleuchtung oder Bereicherung, Erweiterung auffassen kann, lässt sich auf diese Weise durch Klangfarbenänderung auch die Stimmung, der Charakter leicht veriieren bzw. intensivieren.

Dito, genau so fasse ich die Wiederholung auf - es ist nicht einfach nur das Ganze nochmal. In dem Sinne habe ich auch die Artikulationsänderungen verstanden: Um Himmels Willen NICHT einfach nur, damit man etwas geändert hat in der zweiten Version und auch nicht nur das Thema, sondern evtl. zur Charakteränderung bzw. Verstärkung.

Bei meiner Allemande z.B. empfinde ich sie als sehr liebevoll, weich und warm. In diesem Sinne empfinde ich viele der 16tel Passagen sofort als ein Legato, aber kein breites, fettes, verschmiertes, sondern ein schönes, wohldefiniertes, liebevolles (klingt blöd? ich weiß zumindest, was ich damit meine...), natürlich nicht ohne gewisse andere Artikulation, um versteckte Stimmen hervorzuholen (z.B. schon im Thema die Sequenzen b-f-d-b, b-g-es-b, c-a-es-c, d-b-f-d). Dann aber empfinde ich sie auch als tänzerisch - schau dir die ganzen interessanten Basseinsätze an. Dieses Tänzerische überlege ich nun im Seconco als Charakteränderung hervorzuheben, und zwar als non-legato. Kein spitzes Staccato, aber ein körniges non-legato, manchmal staccati verwendend (wo im Primo ein portato war), um Einsätze oder (im Primo: portato-) Stimmen kenntlich zu machen.

Ich sehe es genauso wie du geschrieben hast so, dass der Primo das Stück erst einmal vorstellt und dass alles Weitere wie Charakteränderungen, interessante Nebenstimmen usw. im Secondo gezeigt werden sollen.

Nun bin ich gerade bei dieser Allemande am Überlegen - eigentlich ist für mich der Grundcharakter das Liebevolle, Warme und die Änderung das Tänzerische. Allerdings passt nun manche Nebenstimme besser zum Charakter des Primo als zu dem des Secondo - während ich aber am liebsten erst im Secondo solche Sachen herausholen würde.

Zum Menuett: Da finde ich es schön, wenn man noch viel deutlicher als in der Allemande im Secondo in ein fast schon staccato übergeht.

Herzliche Grüße,
Partita
 
btw:
Auch wenn ich nun recht konkret geworden bin, was meine Überlegungen zur Allemande der B-Dur Partita angeht, möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass ich diesen Faden nicht als Diskussion meiner Partita verwenden möchte, sondern dass ich ihn in erster Linie zur Sammlung von Wissen, Erkenntnissen und Erfahrungen im Spiel von Bach-Wdh. erstellt habe. Das heißt, ich möchte es nicht auf ein Stück reduzieren, sondern als generelle Frage in den Raum stellen.

Dies wiederum bedeutet aber nicht, dass Meinungen zur Partita nicht willkommen wären :)

Liebe Grüße,
Partita
 
Auch wenn ich nun recht konkret geworden bin, was meine Überlegungen zur Allemande der B-Dur Partita angeht
Du erweckst den Eindruck, so sehr von dieser Allemande ergriffen zu sein, dass Du beim spielen am liebsten gleich restlos alles vom ersten Takt an darstellen würdest - - wenn Du da nun erst mal emotional sotto voce beginnst, dann wird das, was Du hörbar machen willst (und was Du sehr schön beschrieben hast - völlig d´accord!), umso intensiver auf die Zuhörer wirken, denn sie werden zunehmend mehr erleben (und das geht nur, wenn sie als Vergleich einen noch eher neutralen Beginn haben)!
 
(...) Du erweckst den Eindruck, so sehr von dieser Allemande ergriffen zu sein, dass Du beim spielen am liebsten gleich restlos alles vom ersten Takt an darstellen würdest (...)

......echt jetzt? Wie kommst du denn nur auf DIE abstruse Idee... :D

herrlich - das muss ich mir merken!! :p

Ganz herzliche Grüße,
Partita
 
Begriffsklärung Secondo/a Primo/a

Hallo ihr Lieben,

auch hier möchte ich folgenden Hinweis einstellen, um hier nicht Leute zu verwirren:

Habe heute aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass Primo und Secondo wirklich nur für die unterschiedlichen Parts beim Vierhändigspielen üblich ist und ich das anscheinend mit "prima volta" und "seconda volta" (Italienisch für "erstes Mal", "zweites Mal") verwechselt hatte!

Nicht, dass ich hier nun fälschlicherweise etwas verbreite... ;)


Herzliche Grüße,
Partita
 

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