Ich hole den unsrigen am Samstag im nächsten Kaff, wo die Waldbauern ihre jährliche Ernte feilhalten. Die sägen das Fußende auch gleich ständerpassend zurecht.
Gibt es bei Euch daheim eigentlich auch jenen Christbaum-Kulturkonflikt, der aus unterschiedlicher Prägung durch die Traditionen der Elternhäuser herrührt? Für mich war seit meinen Kindertagen ein »richtiger« Christbaum protestantisch-schmuckarm, nur mit roten Kugeln und Strohsternen behangen, und auf der Spitze hockte ein Rauschgoldengel, den meine Mutter noch 1948 von wertlosen Reichsmarkt auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt erstanden hatte. Der Idealbaum meiner Kassenwartin dagegen ist bayerisch-barock-überladen, mit Lametta, jeder Menge Nippes (Vögelein, Engelein und anderes niedliche Getier) und darunter eine Krippe, populiert von Ochs, Esel und anderem für die Szenerie unerlässlichem Personal aus Lindenholz. Da herrscht seit Jahrzehnten der Zwang zu alljährlichen Kompromiß. Das Lametta habe ich erfolgreich unter Bann gestellt, aber Ochs & Esel sowie dem Nippes gegenüber war ich machtlos. Dafür thront seit ein paar Jahren auf der Spitze der besagte Rauschgoldengel, den ich nach dem Tod meiner Mutter in letzter Minute vor dem Entrümpler gerettet habe. Ein Auge ist ihm ausgeschlagen und in der Krone fehlt ihm der eine oder andere Zacken, aber auch einäugig und knitterig bewacht er mit stummer Freundlichkeit und nicht selten erfolgreich die Einhaltung des alljährlichen Weihnachtsfriedens.