Das Ärgerlichste an der ganzen Geschichte ist ja, dass man wochen- oder monatelang ein einem Stück geübt hat. Dann lässt du es eine Weile ungespielt, kramst es dann mal wieder hervor und ärgerst dich darüber, dass es weg ist - fängst wieder fast von vorne an es einzuüben.
hallo,
Du beschreibst da eine Erfahrung, die vermutlich für die große Mehrheit aller Klavierschüler (egal auf welcher Stufe) gilt und auch sicher sehr viele Hobbyspieler betrifft.
Ich würde zu Gelassenheit raten und diesen völlig normalen Umstand nicht überbewerten, geschweige denn darin einen Indikator für zu wenig Leistungsvermögen, Intelligenz oder Musikalität sehen.
Denn man kann sich ja auch fragen, wer dann ansonsten die "Gedächtnisleistung" bringt, über Jahre hinweg 10, 20, 30 und noch viel mehr Klavierstücke im Kopf zu behalten - und das sind entweder Berufsmusiker oder angehende Berufsmusiker (Studenten, geförderte Hochbegabte).
Und diese haben schlichtweg mehr Zeit für das Klavier und können der Musik eine größere Bedeutung im Alltag einräumen - und das sind zwei wensentliche Faktoren.
Wer mit Schule, Abitur, Berufsausbildung, Studium (klar: nicht eines Instrumentes), Beruf oder Familie befasst ist, kann keine täglichen vier bis deutlich mehr Stunden für das Klavierspielen aufbringen.
Ganz allgemein gesprochen ist es auch ein Unterschied, ob man noch lernen muss (etwa spielen können) - oder ob man weiter lernen darf (letzteres ist der Zustand, in dem sich Berufsmusiker befinden). Kurzum: wer den Kopf frei hat für Musik, weil diese ein zentrales Anliegen geworden ist (und nicht von anderen Notwendigkeiten bedrängt wird), der wird viel mehr und auch langfristig in sich aufnehmen.
Will man es neutral formulieren: Zeit und Intensität sind verantwortlich.
Als Schüler mit 11 Jahren hatte ich Beethovens Pathetique, Brahms g-Moll Rhapsodie und Prokovev "Romeo und Julia vor dem Abschiek Transkription" vor den Sommerferien vorgespielt - dann 3 Wochen Ferien am Meer (kein Klavier), und als ich zurück war, waren die schönen Stücke total verschwunden. Schwamm drüber und die neuen Sachen angefangen (und Schule, Freunde usw. gab´s ja auch). Klar könnte man sagen: so ein Mist - andererseits: ich war ja am lernen und das Klavier war eher eine Option, noch nicht Zentrum (insgeheim für mich wohl schon, aber Kind war ich ja auch!).
Später vergass ich nur noch die Sachen, die mir weniger bedeuteten, aber was mir viel sagte, das blieb dann im Kopf und in den Fingern - allerdings hatte ich dann auch die Möglichkeit, täglich mehr als 6 Stunden zu spielen, üben, proben usw.
Deshalb mein Tipp:
sich nicht darauf kaprizieren,
alles behalten zu wollen (denn irgendwann wird allein die Zeit zum durchspielen zu lang),
sondern nur die Sachen, die man vom bisher geübten am allermeisten mag. Das nimmt etwas Druck, bietet aber trotz allen Verpflichtungen die Möglichkeit, einiges ausgewähltes langfristig zu behalten. Da könnte man sich ja neben dem neu zu erarbeitenden Stück auf 3-4 andere schon gespielte beschränken - und die bleiben dann.
Gruß, Rolf
(ansonsten wird sich bei Lernenden schon weisen, in welche Richtung es gehen wird, und klar ist ja auch, dass man Klavier nicht einzig als Berufsziel lernt)