Taktik für Unterricht von 8-jährigen?

Die Realität drückt sich in einem Kontostand aus und der legt alle weiteren Voraussetzungen fest.
  • Einige Kinder werden mal auf einem billigen Digitalpiano unter Anleitung von Amateuren klimpern und nie richtigen Unterricht erhalten, geschweige denn ein funktionierendes akustisches Instrument zu Gesicht bekommen.
  • Einige werden auf einem verstimmten Schrottklavier Unterricht beim russischen Veteran, Nebenfach Klavierlehrer erhalten und dürfen in der Chrustowa üben, bis sie von den Nachbarn totgeschlagen werden.
  • Einige starten mit S&S im freistehenden Haus ins Leben und dürfen zum Meisterkurs.
Talent, Wunderkind oder nicht, spielt alles keine Rolle. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen bestimmen die Möglichkeiten. Die Voraussetzungen stehen fest.

Lieber Fünfton,

du hast Recht, wenn du konstatierst, dass Klavierunterricht eher etwas für den gehobenen Mittelstand ist, da er im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten oder Hobbys eher teuer ist.

So plakativ, wie du es hier beschreibst - speziell Punkt 3 -, kann ich dem allerdings nicht zustimmen! Es gibt eine Menge Klavierstudenten, die aus eher ärmeren Verhältnissen kommen und
  • die größtenteils auf alten und/oder schlechten Instrumenten geübt haben,
  • die sehr lange Fahrtzeiten auf sich genommen haben, um guten Unterricht zu bekommen,
  • deren Eltern der Unterricht so wichtig war, dass sie dem in ihren Finanzen alles untergeordnet haben (Essen, Kleidung, Urlaub....).
An Musikschulen können finanziell schlecht gestellte Familien günstig Unterricht bekommen (Subventionen). Klaviere (keine guten) bekommt man schon für kleines Geld (s. ebay...).

Worauf ich hinaus will: es ist immer eine Entscheidung für oder gegen Unterricht, die je nach Familie und ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten getroffen wird.

Wer etwas wirklich will, wird es ermöglichen - das ist überhaupt gar keine Frage. Es ist sehr oft eine Sache der Prioritäten! Dabei ist es völlig in Ordnung für mich, wenn jemand sagt, Klavierunterricht ist mir zu teuer und ich WILL mir oder meinen Kindern das nicht leisten. Wer aber sagt, ich KANN es mir nicht leisten, WILL es aber unbedingt, hat vielleicht noch nicht genug ausprobiert.

Liebe Grüße

chiarina
 
An Musikschulen können finanziell schlecht gestellte Familien günstig Unterricht bekommen
Wer etwas wirklich will, wird es ermöglichen
Das reden sich die Bessergestellten immer gern ein, damit die Welt wieder in Ordnung ist und somit die Armen halt selber Schuld.

Hartz 4 für Kinder im besagten Alter: 302 € für alles. Essen, Klamotten, neue Matratze, Schreibtisch für Hausaufgaben, Spielzeug, Freizeit, hastenichgesehn. Davon gehen dann schonmal 50,- für die ermäßigte Musikschule ab. Die Anschaffung auch nur eines Digis ist da noch gar nicht mitbedacht. Hier zu behaupten, man müsse halt nur wollen, ist doch arg zynisch. Klar kann man seine Prioritäten anders setzen und aufs Essen und dichte Schuhe für den Winter verzichten. Wenn man wirklich Klavier lernen will...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Aha, man kauft also jeden Monat neue Schreibtische, Matratzen und dichte Schuhe.
302 Euro für 8-jährige ist reichlich, wenn man das Geld nicht für überflüssigen Scheiß ausgibt.
 
Wenn Kindern wirklich etwas gefällt, fangen sie an zu drängeln und zu betteln. Für irgendein preiswertes Instrument reicht das Geld dann als Geschenk und sei es ein gebrauchtes Digital Piano von eBay.
Das ist schon klar , aber ich finde die Kinder haben schon ein wenig Weitsicht und eine gute Planung in die Zukunft verdient. Das fehlt mir doch jetzt.
Es scheint mir hier so da wird nur an den Tag und nicht an das Morgen gedacht.
 
@dilettant :Nach meinem Wissen wird das Kindergeld in voller Höhe verrechnet, d.h. es gibt nix davon.
 
Naja, beide Seiten haben Recht.
Das Klavier selbst ist das geringste finanzielle Problem. Die gibts geschenkt*; das muss man wirklich nur wollen. Guter regelmäßiger Unterricht, selbst wenn subventioniert, ist da schon was anderes. Das treibt die Fixkosten dann doch empfindlich in die Höhe und ich kann jede (arme) Familie verstehen, wenn sie hier den Groschen 3x umdreht. Da gibt es noch so viele andere, viel wichtigere Dinge.

*) zu Ostzeiten hatten wir zwei alte Klaviere umsonst besorgt, nach der Wende in Berlin ebenso, sogar für unsere Stammkneipe, meine Nichte vor ein paar Jahren, Mein Bruder vor ein paar Jahren. Ich bin der Einzige aus der Familie, der bisher für so ein Ding Geld ausgegeben hat :-D
 

Das reden sich die Bessergestellten immer gern ein, damit die Welt wieder in Ordnung ist und somit die Armen halt selber Schuld.

Lieber Blend-a-med,

ich hatte mich auf dieses Zitat von Fünfton bezogen:

Die Realität drückt sich in einem Kontostand aus und der legt alle weiteren Voraussetzungen fest.
  • Einige Kinder werden mal auf einem billigen Digitalpiano unter Anleitung von Amateuren klimpern und nie richtigen Unterricht erhalten, geschweige denn ein funktionierendes akustisches Instrument zu Gesicht bekommen.
  • Einige werden auf einem verstimmten Schrottklavier Unterricht beim russischen Veteran, Nebenfach Klavierlehrer erhalten und dürfen in der Chrustowa üben, bis sie von den Nachbarn totgeschlagen werden.
  • Einige starten mit S&S im freistehenden Haus ins Leben und dürfen zum Meisterkurs.
Talent, Wunderkind oder nicht, spielt alles keine Rolle. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen bestimmen die Möglichkeiten. Die Voraussetzungen stehen fest.

Klavierunterricht ist besonders für finanziell schlecht gestellte Familien teuer und Klavierlehrer haben oft Schüler, die finanziell besser gestellt sind. Noch mehr spielt aus meiner Sicht der Bildungsgrad der Eltern eine Rolle.

Was Hartz 4-Familien angeht, gebe ich dir recht: für sie wird es so gut wie unmöglich sein, Klavierunterricht zu bezahlen. Am gesellschaftlichen Leben, an Bildung und Kultur teilzuhaben, ist für sie äußerst schwierig. Das liegt aber auch daran, dass sie diese Möglichkeiten oft nicht kennen und kaum damit in Kontakt gekommen sind. Dass sie daran


wären, ist keineswegs meine Meinung, im Gegenteil betrübt mich die ganze Situation.

Wenn nun aber tatsächlich jemand, der von Hartz 4 leben muss, Klavierunterricht haben wollte und dafür wirklich brennen würde (vielleicht hat er über Jeki einen Bezug dazu bekommen), so könnte er vielleicht zu einer Musikschule oder einem privaten Klavierlehrer gehen und fragen, ob er umsonst Unterricht bekommen würde. Mit dem Versprechen, viel zu üben und sich sehr zu engagieren, evtl. mit dem Angebot, kleinere Arbeiten wie Rasen mähen (gilt nicht für kleinere Kinder) etc. zu übernehmen.

Solche Dinge könnten anderes nach sich ziehen, z.B. eine ehrenamtliche Musikschule zu gründen, in denen sehr arme Kinder umsonst unterrichtet werden o.ä.. Das gibt es auch schon, ich meine @Stilblüte hat mal davon erzählt.

Liebe Grüße

chiarina
 
so könnte er vielleicht zu einer Musikschule oder einem privaten Klavierlehrer gehen und fragen, ob er umsonst Unterricht bekommen würde.
Ja, fragen kann man ja mal... :blöd:
Du glaubst gar nicht, wie gut Arme die Antwort schon kennen. Wie verschüchtert sie dadurch sind - gerade arme Kinder. Die durchschauen oft gar nicht, daß sie aufgrund ihrer Armut von Kultur und Bildung ausgeschlossen werden. Sie glauben, mit ihnen persönlich sei irgendwas faul. Dieser Tip von dir suggeriert leider wieder - ob gewollt oder nicht - daß man halt einfach nur mal den Arsch hochkriegen muss, statt mit Chipstüte vor RTL2 abzuhängen.

Und zum Thema JEKI: da werden gerade diese Kinder massenweise verarscht. Denn nach dessen Ende in der 4. Klasse bekommen sie eben nicht weiter Unterricht. Sie kennen den netten Lehrer von der Musikschule, wollen bei ihm bleiben und dann heißt es schlicht: löhnen oder verpiss dich. Selbst privat könnte der Lehrer in einer Brennpunktschule das gar nicht stemmen. Wovon soll der dann leben bei so vielen kostenlosen Schülern? So viel Rasen zum Mähen hat der auch nicht.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Dieser Tip von dir suggeriert leider wieder - ob gewollt oder nicht - daß man halt einfach nur mal den Arsch hochkriegen muss, statt mit Chipstüte vor RTL2 abzuhängen.

Lieber Blend-a-med,

ja, das kann ich nachvollziehen! Und trotzdem, egal, wie realistisch das ist, bleibe ich dabei: Mut zu machen, seine Träume zu verwirklichen, egal wie schwer es ist! Das impliziert keineswegs die Schlussfolgerung, dass diejenigen, die das nicht tun, wollen, können..., nur nicht den Arsch hochkriegen!

Liebe Grüße

chiarina
 
Wenn nun aber tatsächlich jemand, der von Hartz 4 leben muss, Klavierunterricht haben wollte und dafür wirklich brennen würde (vielleicht hat er über Jeki einen Bezug dazu bekommen), so könnte er vielleicht zu einer Musikschule oder einem privaten Klavierlehrer gehen und fragen, ob er umsonst Unterricht bekommen würde.
Hallo Chiarina,

ich schätze dein oft hier im Forum gezeigtes Fachwissen und dein Bemühen um Hilfestellungen sehr. Aber sei doch bitte realistisch und ehrlich: wieviele solcher Schüler hattest du in den letzten 10 Jahren? Du forderst hier indirekt von Kollegen, dass sie dies leisten, wie sieht es mit deinem Engagement aus, talentierte Kinder aus sozialschwachen Familien zu fördern? Ich möchte dich hier nicht anprangern, aber aus einem warmen, priviligiertem Nest heraus lässt sich viel „schwatzen“.
 
Wie kommt man denn aus dem Dilemma des Angebots und "Zielgruppe möchte nicht so gerne fragen oder gar betteln müssen" raus?
Wenn ich jetzt sagen würde, ich habe einen oder zwei Slots pro Woche, in denen ich diejenigen kostenlos unterrichten kann, die es sich sonst nicht leisten könnten, wie würden die mir ihr Interesse an diesem Angebot mitteilen? Sie müssten sich ja melden und sagen, ich habe das Angebot gelesen und möchte es gerne annehmen. Also findet ein "Outing", dass man es sich nicht leisten kann, ja doch irgendwie statt.

Ich frage das ganz ernsthaft. Vielleicht hat ja jemand eine gute Idee oder Erfahrungen dazu.
 
Wie kommt man denn aus dem Dilemma des Angebots und "Zielgruppe möchte nicht so gerne fragen oder gar betteln müssen" raus?
Wenn ich jetzt sagen würde, ich habe einen oder zwei Slots pro Woche, in denen ich diejenigen kostenlos unterrichten kann, die es sich sonst nicht leisten könnten, wie würden die mir ihr Interesse an diesem Angebot mitteilen? Sie müssten sich ja melden und sagen, ich habe das Angebot gelesen und möchte es gerne annehmen. Also findet ein "Outing", dass man es sich nicht leisten kann, ja doch irgendwie statt.

Ich frage das ganz ernsthaft. Vielleicht hat ja jemand eine gute Idee oder Erfahrungen dazu.
Aus dem Instrumentalunterricht habe ich keine Erfahrung, bin kein Lehrer. Aber vom Sport weiß ich, dass es gut funktioniert, wenn das Angebot an entsprechender Stelle gemacht wird - im konkreten Fall gibt es eine freundschaftliche Verbindung zwischen einer ehrenamtlich arbeitenden Frau, die in den Familien „drin“ ist und einem engagierten Hobbyspieler, sie vermittelt dann den Kontakt. Ich höre schon förmlich den Hasenbein‘schen Aufschrei, dass das beim Klavier ja ganz und gar nicht ginge, dass das ein Hobbyspieler macht, aber wie schon weiter oben jemand schrieb, besser bei einem engagierten Hobbyspieler als bei keinem. Und Chiarina z.B. ist keine Hobbyspielerin.

Ich könnte mir aber vorstellen, dass es funktionieren könnte, wenn man an einen sozialen Verein rantritt (oder örtliche AWO u.ä.) und das Angebot unterbreitet. Wenn du Glück hast, haben die in einem ihrer Altenheime auch ein Klavier stehen, dass dann von den Kindern auch zum Üben genutzt werden darf.
 

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