Klavier lernen ohne Noten?

A

ag2410

Guest
Hallo!
Mir wurde von einem Klavierlehrer erzählt, der den Schülern Klavier beibringt, ohne ihnen die Noten zu lehren. Soll heißen: Er spielt etwas vor, die Schüler spielen es Stück für Stück nach.
Mir ist das sehr neu!
Und - aus meiner Sicht - ist das sehr schade. Ich weiß noch, als ich die ersten schwierigeren Stücke lernte, habe ich mir die Noten angeschaut, versucht, das selber zu lernen. Und heute noch kaufe ich mir Notenbücher, um darin zu "schmökern". Also ich lese die Stücke wie ein spannendes Buch :-)
Ist es eine Art von Schülerbindung, ihnen Klavier ohne Noten zu lehren? Sie haben doch nie die Möglichkeit, selber in ein Klavierstück einzutauchen und sich das zu erarbeiten. Sich also abzunabeln und selber in die Welt der Musik einzutauchen...
Oder sehe ich das falsch?

Viele Grüße!
Antje
 
Nee, das siehst Du nicht falsch. Das siehst Du richtig.

Man kann auch Karl-May-Bücher auswendig lernen. Dann braucht man nicht zu lesen.

CW
 
Kommt halt drauf an, was man für Lieder spielen will. Wenn es poppige Melodien sein sollen, ist das sicherlich kein Problem, sondern im Gegenteil sogar oft reizvoll. Sobald es an wenig eingängig melodiöse, mehrstimmige Klassik geht, ist Ende. In sofern ist dieses Lernen ohne Noten sicher nicht negativ zu sehen. Zumindest solange man ein gutes Gehör hat, und sich gut die Akkorde usw. merken kann.

Etwas provokant könnte man allerdings auch sagen, dass ein "Eintauchen" in das Stück durch reines Ablesen und Nachspielen jetzt auch nicht so toll vonstatten geht. Es wird erst richtig interessant, wenn man sich ein Stück nach dem Gehör wirklich selbst erarbeitet. Die typischen Lehrer/Schüler-Lieder, wo der Lehrer wie in den youTube Videos die richtigen Tasten vorbetet, oder die man nach einfachen Noten nachspielt, sollte man vielleicht weniger als Erarbeitung ansehen.
 
Ist es eine Art von Schülerbindung, ihnen Klavier ohne Noten zu lehren? Sie haben doch nie die Möglichkeit, selber in ein Klavierstück einzutauchen und sich das zu erarbeiten. Sich also abzunabeln und selber in die Welt der Musik einzutauchen...
Oder sehe ich das falsch?

man könnte auch ganz anders fragen: ist es denn nötig, immer und überall restlos jede Note zu lesen (oder gar zu buchstabieren)?

der Fortgeschrittene wird im dritten Satz der Mondscheinsonate ca. 50% der Noten gar nicht "lesen", weil aufden ersten Blick ersichtlich ist, wie die Akkordbrechungen und Albertibässe ablaufen; auch bei identischen Themen in unterschiedlichen Tonarten ist dann ein ablesen jeder Note gar nicht mehr nötig.

dem Anfänger mit Debussys "petite Negroe" wird es helfen, die chromatischen Terzen der linken Hand gar nicht erst abzulesen, sondern das Bewegungsmuster dieser Terzen erst mal ohne Noten zu spielen lernen.

Noten lesen bzw. eine Partitur verstehen und umsetzen bedeutet nicht immer, jeden einzelnen Ton ablesen zu müssen.
 
Mei, warum auch nicht - man kann ja auch Schriftsteller werden ohne lesen und schreiben zu können.......wie das allerdings funktionieren soll, weiß ich selbst ned so recht :D :D :D


Viele Grüße

Styx
 
Hallo!
Mir wurde von einem Klavierlehrer erzählt, der den Schülern Klavier beibringt, ohne ihnen die Noten zu lehren. Soll heißen: Er spielt etwas vor, die Schüler spielen es Stück für Stück nach.
Mir ist das sehr neu!
Und - aus meiner Sicht - ist das sehr schade. Ich weiß noch, als ich die ersten schwierigeren Stücke lernte, habe ich mir die Noten angeschaut, versucht, das selber zu lernen. Und heute noch kaufe ich mir Notenbücher, um darin zu "schmökern". Also ich lese die Stücke wie ein spannendes Buch :-)
Ist es eine Art von Schülerbindung, ihnen Klavier ohne Noten zu lehren? Sie haben doch nie die Möglichkeit, selber in ein Klavierstück einzutauchen und sich das zu erarbeiten. Sich also abzunabeln und selber in die Welt der Musik einzutauchen...
Oder sehe ich das falsch?

Viele Grüße!
Antje
Wahrscheinlich sind es besondere Talente, bei denen er das Unterrichten ohne Noten durchzieht. Die meisten Pianisten spielen ja auf der Bühne ohne Noten, warum also Ballast mit sich rumschleppen. Vielleicht gehört der KL ja selbst in diese Kategorie?
der Fortgeschrittene wird im dritten Satz der Mondscheinsonate ca. 50% der Noten gar nicht "lesen", weil aufden ersten Blick ersichtlich ist, wie die Akkordbrechungen und Albertibässe ablaufen; auch bei identischen Themen in unterschiedlichen Tonarten ist dann ein ablesen jeder Note gar nicht mehr nötig.
Ja klar, und dann noch die Leittonfolge lernen und der Satz spielt sich wie von selbst ;)
Ne, im Ernst. Natürlich ist Musik bestimmten Strukturen folgend aufgebaut. Wenn man die erkennen kann werden die Noten vom "Malen nach Zahlen" zur Regieanweisung. Diese Erfahrung mache ich jetzt im Improvisationsunterricht (klassische Improvisation) leider erst recht spät - meiner Meinung nach ist diese Mustererkennung der zentrale Schlüssel wenn es darum geht neue Stücke zu lernen - aber um diese Muster wiederzuerkennen braucht´s halt etwas Erfahung. Und deshalb von Anfang an auf Noten zu verzichten? Na ich weiß ja nicht... Im Keyboardunterricht, vielleicht :D
 
@Tastist:
recht gut "nachspielbaren" Griegs Morgenstimmung?
Dieses Stück ist zwar sattsam bekannt und die Melodie hört sich zunächst auch nicht "schwierig" an. Sicher könnte jemand mit einiger Erfahrung am Klavier und mit einiger Erfahrung im Hören das Hauptthema - Didada Didadadada Didada Didadadada - ´mal zitieren und es kurz anspielen, so dass jeder weiß, es ist von Grieg die Rede.

Das ist aber noch kein Spielen des Stückes und erst recht noch keine Interpretation.

Da müssen dann schon alle Töne kommen, vom ersten bis zum letzten, und es müssen alle sonstigen Spielanweisungen erfüllt werden. Und wer so etwas dann nur mit nach dem Gehör spielen schafft, der kann garantiert auch Noten lesen. Das hat er dann schon Jahre vorher gelernt.

Es geht ja hier nicht darum, ob man nach Gehör spielen kann oder nicht und ob man so etwas lernen kann oder nicht. Klar geht das und manche leisten da Erstaunliches. Anständig Klavier spielen lernen schließt aber Noten lesen mit ein, auch wenn das viele abschreckt und so in die offenen Arme von tollen Klavierlehrern mit noch tolleren Methoden treibt.

CW
 

@ cwtoons

Ich möchte auch nicht das Spielen ohne Noten als grundsätzlich besser darstellen.

Allein die Logik sagt einem jedoch, dass Spielen nach Noten erstmal gar keine Interpretation sein kann. Dort wird die Anweisung umgesetzt und fertig. GERADE beim Spiel ohne Noten ist die Interpretation unbedingter Bestandteil des Spiels.

"Anständig" Klavier spielen nur mit Noten? Nein. Das ist ein bisschen sehr nach Schema F gedacht. Das stimmt für den Fall der beschriebenen Musikstücke, aber gerade nicht für Stücke, die nach dem Gehör interpretiert werden können.

Wer sagt denn, dass das Spiel ohne Noten auch gleich "Didada Didadadada" sein muss, um das mal aufzugreifen? Grob gesagt, Noten fallen nicht vom Himmel. Auch die schwierigsten Stücke basieren auf der Interpretation eines Grundthemas, das vom Komponisten interpretatorisch aufgebaut wurde.

Genauso gut könnte man sagen, dass Spielen nach Noten und all den vorgegeben Spielanweisungen nur Malen nach Zahlen ist, was dem natürlich auch nicht gerecht wird. Allein das Wort "Anweisung" negiert erstmal schon den Ansatz der Interpretation.

Dass diese Klavier"lehrer", die als "Notenübersetzer" dem Schüler bloß jede Taste vormachen, natürlich nicht nachhaltig lehren, ist klar. Man muss aber aufpassen, dass man durch solche Methoden das freie Spiel nach dem Gehör nicht grundsätzlich als schrottige Lehrmethode abhakt.

Gerade für den Anfang sehe ich mehr Reiz darin, nach dem Gehör gefällige Stücke zu interpretieren, daran Fingersätze, Anschlagshärten usw. zu erarbeiten, als die Notenkunde zum Heiligen Gral des Lernens ab der ersten Sekunde zu machen.

Voraussetzung ist allerdings, dass der Schüler auch entsprechende Voraussetzungen mitbringt. Viele Spieler eines Instruments sind schlicht gar nicht in der Lage, aus einer gehörten Melodie eine Interpretation zu machen. Für die ist der klassische Weg über die Grundlagen der Notenkunde und ensprechend anfänglich einfachstes Standardrepertoire sicher besser.
 
Bei kleinen Kindern funktioniert das Lernen ohne Noten sehr gut. Später kommt dann natürlich auch das Notenlesen dazu. Ein Kind lernt ja auch erst sprechen und sehr viel später dann lesen und schreiben.

Muttersprachenmethode - Germansuzuki.de

Für mich ist allerdings fraglich ob das Ganze auch auf den Erwachsenen übertragbar ist und ob ein Erwachsener nicht anders und vor allem deutlich "analytischer" lernt.
 
Allein die Logik sagt einem jedoch, dass Spielen nach Noten erstmal gar keine Interpretation sein kann. Dort wird die Anweisung umgesetzt und fertig. GERADE beim Spiel ohne Noten ist die Interpretation unbedingter Bestandteil des Spiels.


Das stimmt so jetzt aber wirklich nicht! Denn auch beim Spiel mit Noten ist die Interpretation unbedingter Bestandteil des Spiels! Der Pianist sieht die Noten, Interpretieren muß er sie aber selber, oder findest Du dass z.B. eine Chopin- Nocturne von jedem Pianisten gleich gespielt wird? Da könnte man ja genauso behaupten, Stücke, die nach dem Gehör interpretiert wurden, sind nur eine Interpretationskopie!

Ob Spielen mit Noten, oder Spielen nach Gehör, bei beiden sollte die Interpretation unbedingter Bestandteil des Spiels sein und nicht wie ein Computer das Gehörte, bzw Geschriebene spielen!

Dass diese Klavier"lehrer", die als "Notenübersetzer" dem Schüler bloß jede Taste vormachen, natürlich nicht nachhaltig lehren, ist klar. Man muss aber aufpassen, dass man durch solche Methoden das freie Spiel nach dem Gehör nicht grundsätzlich als schrottige Lehrmethode abhakt.
Ein guter und moderner Klavierunterricht beinhaltet sogar: Spiel nach Gehör (auditive Lehrmethode)
Aber auch die Notenlehre!


Gerade für den Anfang sehe ich mehr Reiz darin, nach dem Gehör gefällige Stücke zu interpretieren, daran Fingersätze, Anschlagshärten usw. zu erarbeiten, als die Notenkunde zum Heiligen Gral des Lernens ab der ersten Sekunde zu machen.
Da hast Du Recht! Notenkunde sollte nicht der Heilige Gral des Lernens sein, denn auch wenn der Schüler die Noten einwandfrei lesen kann, heißt nicht,
dass er auch spielen kann. Klavierunterricht behinhaltet mehr als Notenlesen und in einem Klavierunterricht lernt man ja nicht nur Notenlesen!

Für den Anfang finde ich es sogar sehr gut, zunächst Mal leichte Melodien nach Gehör zu spielen. Hier kann man dem Schüler u. a. dann auch schon Mal die Tastennamen erklären. Das mache ich auch mit meinen Schülern.
Aber generell auf Notenlehre verzichten, das ist kein seriöser Klavierunterricht, vor allem nicht, wie es im Anfangspost geschrieben wurde.
Wer ernsthaft Klavierlernen will muß auch die Noten lernen.

Obwohl ich schon Musiker und Sänger kenne, die keine Noten lesen können, die sogenannten analphabetischen Musiker. :-)

Es kam sogar schon einmal ein Schüler zu mir, der Jahre spielte, aber immer nach Gehör und nie Noten lernte. Diese haben dann meist schon ganz andere Vorstellungen, und als er mit Noten spielen sollte, bzw. Lernen auch mit Noten zu spielen, hat es ihm nicht gefallen, und er hat sich entschlossen nicht bei mir Klavierunterricht zu nehmen. Ich wüßte auch gar nicht, wie ich ihn unterrichten soll, wenn er keine einzige Note kennt, bzw. sich weigert, irgendwelche Noten zu lernen.

Und was war in jener Zeit, wo es noch kein Radio, Abspielgeräte oder Aufnahmemöglichkeit gab, wie zu Chopin's und Liszt's Zeit?
Bei denen war das Notenlesen unausweichlich.

Und auch heute ist es noch wichtig, sonst wird man in keiner Gruppe oder Ensemble spielen können, wenn man nicht einmal die Noten lesen kann!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Diejenigen, die ich kenne, die keine Noten lernen wollen, suchen lediglich nach einem vermeintlich bequemen Weg, schnell musikalische Ergebnisse hervor zu bringen. Sie stehen sich mit dieser Blockade ziemlich im Weg für musikalische Weiterentwicklung und sind weit entfernt, etwas vergleichsweise einfaches wie Bachs Invention Nr. 1 spielen zu können.

Und wer keine Noten lesen kann, kann erst recht nicht beurteilen, inwieweit die Verwendung von Noten musikalisch eine Einschränkung sein soll. Referenzeinspielungen großer Pianisten der Klassik sind in der Regel auch dadurch entstanden, dass der Künstler den Notentext studiert hat.

Das steht natürlich nicht im Widerspruch dazu, dass Improvisation auch zum Klavierunterricht gehört - besonders im Jazz liegt hierin bekanntlich ein Schwerpunkt-, dass man beim Musizieren die Ohren benutzt und sich beim Lernen neuer Stücke auch Aufnahmen anhört.

Dass man Rock/Pop-Stücke meistens relativ einfach nach Akkordsymbolen oder von mir aus auch komplett nach Gehör/aus dem Gedächtnis spielen kann, ist auch klar. Dafür reicht aber oft ein Jahr Unterricht und wo Musik komplexer wird, scheidet diese Methode relativ schnell aus, weil für das Stück prägende Elemente wie z. B. eine bestimmte Bassfigur durch Nichtbeachtung schnell verloren gehen.

Und bei der Transkription, wo das Gehör sogar im besonderen Maße eingebracht wird, kommt man ohne Noten auch schlecht zurecht. Praktischerweise kann man auf etwas, das notiert wurde, auch dann wieder zurückgreifen, wenn es aus dem Gedächtnis bereits längst verschwunden ist.

Also: keine Angst vor Noten, das ist gar nicht so schwer, mit ihnen geht es i.d.R. schneller voran und man muss nicht gleich Prima-Vista-Meister werden!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
ich finde es interessant, dass es Menschen gibt, die das Lernen des Notenlesens als unüberwindbare Eintrittsbarriere zum Erlernen eines Instruments ansehen.
Dieser Schülertypus atmet erleichtert auf, sofern eine Methode "Lernen ohne Noten" ihm einen Ausweg aus der scheinbaren Misere verspricht.

Ich gehörte zu einer Gruppe von Hobbymusikern bei denen Notenlesen verpönt war, da die Erfahrung gemacht wurde, dass der gemeine Notenkundige hilflos war, sofern er ohne Noten improvisieren sollte.
Das führte dann zur Annahme, dass Notenlesen musikalisch unnütz bis musikalisch kontraproduktiv ist.

Zwei große Irrtümer:p

Lieber Gruß, NewOldie
 
Der Witz geht auch noch besser:

"Wie bringt man den Keyboarder in der Band zum Schweigen? Man nimmt ihm die Noten weg.
Wie bringt man den Gitarristen in der Band zu Schweigen? Man stellt ihm welche hin."

CW
 
man kann ja auch Schriftsteller werden ohne lesen und schreiben zu können.......wie das allerdings funktionieren soll, weiß ich selbst ned so recht :D :D :D
wenn du zu diesem Thema mehr wissen willst, dann empfehle ich, Herrn Wolfram von Eschenbach zu fragen (ein Besuch im ihm gewidmeten Museum in Wolframs Eschenbach ist wirklich lohnend)
 
Der Witz geht auch noch besser:

"Wie bringt man den Keyboarder in der Band zum Schweigen? Man nimmt ihm die Noten weg.
Wie bringt man den Gitarristen in der Band zu Schweigen? Man stellt ihm welche hin."

CW
Das kann man noch toppen:
Wie heißt die Hauptrunde im Bratschisten-Wettbewerb?
Auswendig stimmen.
Wie heißt die Endrunde im Bratschisten-Wettbewerb?
Achtelfinale!!!

LG von Rheinkultur
 

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