Klavier lernen ohne Noten?

Gibt es denn eine Meinung zu Klavarskribo, mal so als intuitives Gegenstück zur klassischen Notation?
Das Wort ist aus der Kunstsprache Esperanto gebildet - deren Verbreitung vermutlich genauso wenig erfolgreich gelungen ist wie die diverser exotischer Musiknotationsformen. In diesem Falle ist es eine Art Griffnotation, mit der lediglich Tastenspieler etwas anfangen könnten. Im Gegenzug kommen vermutlich die wenigsten Tastenspieler mit Lautentabulaturen zurecht.

@Hasenbein: Der eine sagt dazu "Witz der Woche", der andere (in dessen Name ein vielbesungener Fluß vorkommt) meint, dass dadurch in der Praxis vieles komplizierter und nichts leichter wird. In der Kammermusik und in der Ensembleliteratur jeglicher Art käme man an der bewährten Schreibweise ohnehin nicht vorbei.

LG von Rheinkultur
 
Griffnotation = letztlich "Verdummungsnotation".

(Wir hatten hier auch mal eine angeregte Diskussion über Tabulatur :D )

Selbstverständlich hat die herkömmliche Notenschrift diverse Unzulänglichkeiten und Inkonsistenzen. Aber das ist gut für den Lernenden!

Denn er ist dadurch mehr gezwungen, am eigenen Leib zu spüren, daß die Karte nicht das Gelände ist und jede Notation immer nur ein Finger, der auf den Mond zeigt, nicht aber der Mond selber!

Für die Schrift gilt ja das Gleiche: 1) Die Zeichen geben überhaupt nicht den wahren Klang der Silben und Wörter wieder, 2) die Rechtschreibung ist total inkonsistent.

Dies fördert aber den intelligenten, kreativen Umgang mit Schrift und Sprache; wäre es nicht so, hätten wir nicht die Kultur, die wir haben! Die berühmtesten Romane und Gedichte würden alle nicht existieren!

Überall würde nur "Malen nach Zahlen" herrschen"!

(Deshalb ist die Rechtschreibreform der 90er, wo versucht wurde, alles "logischer" zu gestalten, um es den Leuten einfacher zu machen, ja auch so unsäglich dumm.)

LG,
Hasenbein
 
Griffnotation = letztlich "Verdummungsnotation".

Was ist denn der Zweck einer Notation? Nur einem elitären Kreis zugänglich zu sein, der sich dadurch besonders fühlt, dass er dieser Notation mächtig ist? Oder geht es um eine Syntax, welche alle nötigen Informationen transportieren kann? Nicht, dass ich schon mehr über Klavarskribo gelesen hätte als den dazugehörigen Wikipedia-Artikel.

Selbstverständlich hat die herkömmliche Notenschrift diverse Unzulänglichkeiten und Inkonsistenzen. Aber das ist gut für den Lernenden!

Für mich ist es dieser Zustand ein Ärgernis. Probleme (oder in Beratersprech: Herausforderungen) soll es bei der Interpretation (wenn du so willst, dem Verständnis der Semantik der niedergeschriebenen Noten) geben, nicht bei der Syntax. Wie kann man versuchen, das ins Positive zu drehen, ja über jeden Zweifel erhaben darzustellen?

Zitat von Rheinkultur:
Das Wort ist aus der Kunstsprache Esperanto gebildet - deren Verbreitung vermutlich genauso wenig erfolgreich gelungen ist wie die diverser exotischer Musiknotationsformen

Und das, was wir als Notation kennen, ist keine Kunstsprache, die sich nur irgendwann etabliert hat? Ich such noch verzweifelt das Argument.
 
Den Schlüssel zur Frage, wie die allgemein gebräuchliche Notation entstanden ist, liefert meines Erachtens das Wort "Stimme" bzw. "Stimmung".
Ich vermute, dass die bis dahin für Stimme und Saiten-und Blasinstrumente gebräuchliche Notenschrift für Tasteninstrumente übernommen wurde. Das war naheliegend, da die temperierte Stimmung erst später entwickelt wurde.
Bei der gängigen Notenschrift kongruiert der Abstand zwischen zwei Linien nicht mit den Intervallen. Ein Beispiel dafür ist die Notation der Intervalle e' -> g' (kleine Terz) und g' -> h' (große Terz) auf dem Liniensystem mit Violinschlüssel: Die Abstände sehen gleich aus. Ein weiterer Aspekt ist das ungleiche Aussehen der Oktaven auf einem System mit fünf Linien.
Ich respektiere das gängige Notationssystem nur deshalb, weil es sich etabliert hat. Es würdigt m. E. jedoch nicht das Klavier als eigenständiges wohltemperiert gestimmtes Instrument, sondern tut so, als ob es da Grundtöne gibt.
Ein 2-3-2-3-Liniensystem kann Intervalle und Oktaven nicht nur in Hinsicht auf Tonhöhen deckungsgleicher abbilden, auch der zwangsläufige Bezug auf einen Grundton, der ja vor allem in der Zwölftonmusik keinen Sinn macht, fällt weg. Es ist die übersichtlichste Art, eine Zwölftonskala abzubilden. Aber auch bei der Umsetzung in motorisches Geschehen fällt für das Gehirn jede Menge an Entschlüsselungsarbeit weg - Klavarscribo ist m. E. als "Choreographie" für den Tanz der Hände über und auf der Klaviatur somit brauchbarer.
Das mit der Übersicht über harmonische Strukturen ist ein guter Punkt gegen Klavarscribo. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob das Erkennen harmonischer Strukturen nicht Aufgabe des Gehirns sein sollte. Auch Klavarscribo sollte nur als Landkarte verstanden werden.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Bei der gängigen Notenschrift kongruiert der Abstand zwischen zwei Linien nicht mit den Intervallen. Ein Beispiel dafür ist die Notation der Intervalle e' -> g' (kleine Terz) und g' -> h' (große Terz) auf dem Liniensystem mit Violinschlüssel: Die Abstände sehen gleich aus. [...] Es würdigt m. E. jedoch nicht das Klavier als eigenständiges wohltemperiert gestimmtes Instrument, [...]

Hi pianeer,

wegen den ABständen, die gleich aussehen: Ich finde, das sollten sie, denn sonst leidet die Lesbarkeit. Es ist wie etwa bei dieser Thematik (die auch nicht ganz unspannend ist) :

Unterschneidung (Typografie)

Und das mit dem "das Klavier sollte vom Notensystem gewürdigt werden", finde ich zwar auch wichtig, aber am ALLERALLERWICHTIGSTEN finde ich, dass SCHNELL umgesetzt werden kann, was in einer Notation steht...hmm...was mir noch einfällt, ist, dass es gar schonmal anberaumt wurde, das Klavier in seiner bisherigen Form (momentane Anordnung von schwarzen und weißen Tasten) abzuschaffen, und andere, "handgerechtere Konstrukte" zu ersinnen. Gar nicht mal abwegig - obgleich eigtl. Unsinn *ggg*, denn wenn man an der Notation Änderungen vornehmen kann - warum nicht auch am Klavier ? ;)

Nee nee, das soll schon alles schön so bleiben, wie es ist. Von irgendwelchen berühmten Komponisten wurde die Idee, das Klavier abzuändern bzgl. der Tasten / Handanpassung, ja auch ABGELEHNT.

LG, Olli !!
 
Interessant

Hallo!
Sehr interessante Diskussion, und interessante Sichtweisen!
Ich finde es nach wie vor wichtig, Noten lesen zu können. Ich sehe das wie das Lesen von Büchern - wie arm wäre die Welt, wenn niemand lesen könnte. Dann könnten wir hier auch nicht posten :-)
Ich lasse meine Schüler Stücke lernen und auswendig spielen. Es gibt viele bekannte Volkslieder, die man ohne Noten spielen kann. Man kann ein Gewitter auf dem Klavier stattfinden lassen, einen Schwarm Vögel zwitschern lassen... Mir ist es wichtig, daß die Schüler/innen das Klavier als Instrument zum Spielen - im doppelten Wortsinn - sehen. Und ich bin immer wieder positiv überrascht, wenn sie sich Melodien zu Popsongs oder Kinderlieder selber beibringen. Das ist der erste Schritt zur Improvisation - das Herausfinden von Harmonien, welche Harmonien passen zusammen, was klingt seltsam...
So, mein kurzes Statement dazu.
Gruß,
Antje
 

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