Czerny - Kunst der Fingerfertigkeit

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dominik91e

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28. Okt. 2010
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Hallo zusammen,

wer hat Erfahrungen mit diesen Übungen? Hat sie jemand gespielt und kann sie weiterempfehlen? Muss man die aberwitzigen Tempoangaben erreichen? Was meint ihr dazu?

Gruß
 
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Abgesehen davon, dass es sowieso sehr lesenswert und erhellend ist (eine Doktorarbeit, aber sehr "lesbar" und spannend geschrieben), steht auf S. 39ff. einiges dazu, was es mit Czernys Übungen so auf sich hat! Kurz gesagt: Sie werden leider fast immer in einer vom Verfasser nicht intendierten und letztlich auch nur sehr mäßig nutzbringenden Weise eingesetzt; dem Otto-Normal-Klavierlehrer bringt ihre Verwendung in erster Linie den Vorteil, dass der in der kapitalistischen Leistungsgesellschaft und über den Sport konditionierte Schüler das Gefühl bekommt, er bekomme ein "richtiges Training" geboten und könne, wie im Sport, über kräftiges Bimsen von Übungen und über das Hinarbeiten auf Endtempi objektive, meßbare Erfolge vorweisen (wodurch das Bezahlen des Klavierunterrichts dann für sein Gefühl eine marktgemäße Berechtigung bekommt).

So hat Czerny es jedoch wie gesagt nie gemeint; dem entnehmen wir demzufolge, dass nichts dagegen einzuwenden ist, diese Übungen auch mal zu verwenden, man muss nur drauf achten, wie.

LG,
Hasenbein
 
Das weitverbreitete Bild von Carl Czerny als berufsmäßiger Peiniger für zu piesackende Klavierschüler bedarf ohnehin einer nachhaltigen Korrektur. Man lege die pädagogischen Handreichungen mal beiseite und höre sich in Originalliteratur aus seiner Feder ein. Beispiele gefällig?

Variationen über ein Thema von Haydn
Konzert für Klavier vierhändig und Orchester C-Dur
Klaviersonate Nr. 11 Des-Dur
Sinfonie Nr. 5 Es-Dur, 1. Satz

Bedauerlich, dass der Beethoven-Schüler und Liszt-Lehrer jahrzehntelang derartig falsch eingeschätzt wurde - höchste Zeit also, ein realitätsnahes Bild zu entwerfen. Dann bleibt zu hoffen, dass Czernys mit Sinn und Verstand zu lesende Übungswerke nutzbringend zum Einsatz kommen.

LG von Rheinkultur
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich wusste gar nicht, dass Haydn das alte Lied der Taiga geschrieben hat. :D:D:D:D
 
Also, hin und wieder, das betone ich gerne und ausdruecklich, nehme ich mir zusammen mit der Lehrerin schon ein wenig Czerny vor, ua um damit Kraft und Regelmaessigkeit zu erreichen. Erstaunlicherweise: es funktioniert! Dabei gibt die Lehrerin Hilfestellungen, WIE die Uebungen zu spielen sind. Bei mir hat es also etwas gebracht, versuchen kannst du es wohl.
 
Nenn mal bitte ein Beispiel für eine Übung, die Du zum "Kraft"-Aufbauen nutzt / genutzt hast, und erzähl mal, in welcher Weise Du die Übung geübt hast. Danke!
 
Ich lese schoen, da habe ich mich unguenstig ausgedruckt... Also, ich hatte im Schrank noch eine alte Ausgabe Band 1 Ed. 300, Herausgegeben von Heinrich Germer. Es sind also die total einfachen Etueden, zusammengestellt aus opus 261, 821, 599 und 139. Die OpusNr. habe ich gerade aus dem Vorwort.
Also, die spiele ich dann in 3-er, 4-er oder x-er Gruppen. Wobei die 3, 4 oder X-beliebige Notenfolge schnell gespielt wird, in Gruppen also. oder eine bestimmte, zum Beispiel jeweils die zweite Note, betonen. Dadurch sind die Laeufe in anderen Stuecken sehr viel besser geworden.
 
nicht die Kunst der Fingerfertigkeit,

sondern Oktavenstudien aus der Czerny-Sammlung von Germer haben mir nicht nur für die Oktaventechnik, sondern für alle Tonarten sehr viel gebracht. Damals war ich ca. 16-17 Jahre alt.
Es sind zum Teil sehr kurze Stücke z.B. in b-moll, As-Dur, es-moll u.ä. dabei, die einen Jugendlichen nicht nur donnern lassen, sondern sie klingen auch sehr gut. Musikalisch natürlich "flach", aber darum hatte ich mich einen feuchten Kehrricht gekümmert. Die Kürze und Übersichtlichkeit nehmen einem jungen Menschen die Angst vor den vielen Vorzeichen.

Diese Übungen hatte ich ohne das Wissen meines Klavierlehrers einfach für mich durchgenommen.
Tempobezeichnungen o.ä. haben mich nicht gekümmert.

Die Schule der Geläufigkeit war lange Zeit mein täglich Brot, aber erst, nachdem sie meist mit so machnem Frust im Unterricht durchgenommen war.
Diese Stücke frische ich mir zum Teil sogar wieder zum auswendigen Einspielen wieder auf (meist die aus den letzten 10 Etüden).

Also: Werbung für Carl Czerny. Spiele seine Sachen mit viel Klang und Freude an der Technik und kümmere Dich nicht um Tempobezeichungen.

Walter
 
nicht die Kunst der Fingerfertigkeit,

sondern Oktavenstudien aus der Czerny-Sammlung von Germer haben mir nicht nur für die Oktaventechnik, sondern für alle Tonarten sehr viel gebracht. Damals war ich ca. 16-17 Jahre alt.
Es sind zum Teil sehr kurze Stücke z.B. in b-moll, As-Dur, es-moll u.ä. dabei, die einen Jugendlichen nicht nur donnern lassen, sondern sie klingen auch sehr gut. Musikalisch natürlich "flach", aber darum hatte ich mich einen feuchten Kehrricht gekümmert. Die Kürze und Übersichtlichkeit nehmen einem jungen Menschen die Angst vor den vielen Vorzeichen.

Diese Übungen hatte ich ohne das Wissen meines Klavierlehrers einfach für mich durchgenommen.
Tempobezeichnungen o.ä. haben mich nicht gekümmert.

Die Schule der Geläufigkeit war lange Zeit mein täglich Brot, aber erst, nachdem sie meist mit so machnem Frust im Unterricht durchgenommen war.
Diese Stücke frische ich mir zum Teil sogar wieder zum auswendigen Einspielen wieder auf (meist die aus den letzten 10 Etüden).

Also: Werbung für Carl Czerny. Spiele seine Sachen mit viel Klang und Freude an der Technik und kümmere Dich nicht um Tempobezeichungen.

Walter


Hi,

besonders bzgl. "Klang" würd ich mich - selbst aus Amateursicht - anschließen, denn ich glaube, um guten Klang hinzubekommen, braucht man gute bzw. die passende Technik.

( Und um gute Technik zu entwickeln, eine entsprechend gute Klangvorstellung im Kopf, die nahezu von selbst dazu führt, das Richtige "aus dem Instrument auf eine bestimmte, jeweils passende Weise herauszukitzeln" : Also zur notwendigen Technik führt ) . Doch Folgendes:

Zu Czerny-Etüden:

Wie ich feststelle, gibts ja davon unüberschaubar viele ( siehe Opuszahlen ) ! Und ich weiß genau, dass in dem Klavierschulenbuch von Krentzlin, "Der Junge Pianist" Teil 1, mit dem ich früher ja begann, als Kind, auch ab und an mal eine kleine, kurze Czerny-Etüde drin war ( und auch welche von anderen, z.B. Krentzlin ), und die hab ich alle gespielt, jedes Stück aus dem Heft, und: oft. Allerdings aus diesen Gesichtspunkten: Nicht vornehmlich um irgendwelche speziellen Technikdinge zu "lösen" oder zu "üben", sondern weil es gefällige, kleine Stücke waren, die auch meine Mum gut fand und gern hörte! Sie waren knuffig.

Jetzt grad, auch wenns spät in der Nacht ist, hab ich ein anderes Heft grad auf dem Schoß, und zwar Czerny ( Sammlung / Zusammenstellung Hrsg. von Meyer-Mahr ): Ed. Schott Nr. 402 a, Unterstufe.

Wobei, mehrere der Etüden, zum Beispiel die sehr schöne und toll klingende a-Moll-Etüde op. 748 , 18 haben auch in andere Sammelwerke Einzug gefunden.
Das Heft heißt also zwar "Unterstufe", jedoch finde ich persönlich nicht alle Stücke einfach! Manche sind nämlich m.E. relativ haarig ! ( murr ) .
Aber die meisten sind lösbar und viele auch beim "ersten Hinsehen", Prima Vista.

Worum geht es in dem besagten Heft ?

Es geht, der Reihe nach, um:

Rollbewegung ( 1- 5 ), Fortschreitende Bewegung ( 6-13 ), Akkord-Staccato in Doppelgriffen ( 14-15 ), Terzen ( 16-21 ), Gebrochene Akkorde ( 22-28 ), Geläufigkeits-Übungen ( 29-30 ), Andere Fingersätze in C-Dur ( 31 ), Staccato-Übungen ( 32-34 ), Punktierter Rhythmus ( 35-37 ), Gebrochene Terzen und Sexten ( 38-43 ), Doppelschlagfiguren ( 44-49 ), Doppelschlag mit Seitenschlag ( 50-51 ), Stützfinger-Übungen ( 52-53 ), Tonwiederholungen ( 54-56 ), Doppelläufer ( 57-59 ), Melodische Akkordbrechungen ( 60-64 ), Schüttelbewegung ( 65-68 ), Gebrochene Begleitakkorde ( 69-73 ), Gebrochene Oktaven ( 74-75 )

Im allegemeinen ( und wie schonmal erwähnt ) folge ich zwar einem anderen "Kurs" als dem des Etüdenspielens aus reinen Übungszwecken, und zwar schon seit Beginn, also weit BEVOR mir überhaupt Namen wie Libermann oder Leimer-Gieseking bekannt waren, die ja bekanntlich allesamt die m.E. höchst vernünftige Ansicht vertreten, dass man werkspezifische Probleme / Problemstellen AM WERK üben sollte - und nicht an externen Werken.

Doch wenn jemand den "Etüdenweg" zum Üben gewählt hat, muss man nat. auch das akzepieren, zumal es ja viele tun. Und da meine ich also folgendes:

Wer die Übungen des lapidar als "Unterstufe"-Heft ( Czerny-Mayer-Mahr ) bezeichneten Heftes, das ich eben erwähnte, erfolgreich durchlaufen hat, der müsste in der Lage sein, mit der Waldsteinsonate fertig zu werden ( Zu den Trillern dort: Die findet man zwar so nicht in DIESEM Czerny-Band, aber: entweder man kann Trillern. oder man muss es so üben, dass Schlechtes vermindert wird, dazu brauchts aber keine Etüden, sondern die Sonate, gleiches gilt für schnelle Oktavläufe oder auch Glissandi, je nachdem nach wessen Aufnahme man sich richtet und was man kann ) . Und selbst wenn man das in Abrede stellen sollte: Auf ALLE FÄLLE aber mit VIELEN Mozartsonaten und Mozart-Klavierkonzerten.

Bedenkt aber, dass das nur meine persönliche Amateur / - Autodidakten-Meinung ist.

Weitere m.E. empfehlenswerte Etüden, die WEITER führen, sind z.B. die Etudes Brillantes von Concone ( Suchfunktion. Ich hatte sie mal erwähnt, sie sind ganz toll! ) , ferner ALLE Scarlatti-Sonaten, es gibt da glaub ich keine einzige, die schlecht klingt, und daher sind ALLE supermotivierend, egal ob langsam oder schnell, und sie decken einen fetten Batzen an Schwierigkeitsspektrum und Anforderungen ab, das ist 100% ig so, und es ist für JEDEN was dabei, und dann gibts noch z.B. einen der heißt Ludvig Schytte und einen der Henri Lemoine heißt, von allen diesen habe ich auch gesonderte Hefte ( ältere Ausgaben ), aber sie sind wirklich schön und ich könnte mir vorstellen, dass sie auch alle motivieren, und auch Burgmüller, von dem ich op. 109 habe ( Heft ). ( Habe Heft grad nicht zur Hand, ich meine es war op. 109 ) .

Und ein weiterer "dicker Klopper", mit m.E. fantastischen Übungsstücken ( wenn man sie als solche ansehen will ) , ist ja wohl ganz unzweifelhaft dieses Fitzwilliam Virginal Book, Dover ( 2 fette moppellige Bände ) , das ich neulich entdeckte: da ist genug Übungs-Stuff für Jahre drin !

****

Zu "Vorzeichen": Vor diesen sollte man AB ABSOLUTEM BEGINN keinerlei Angst haben, sondern man sollte dergestalt an die knuddelligen Zeichen herangehen, dass sie "freundlich" ausschauen und sind, und je MEHR, desto MOTIVIERENDER und besser !!

Bei mir war es tatsächlich am Anfang so, dass ich im Wortsinn nach Stücken mit vielen Vorzeichen "gelechzt" habe, und auch heute noch mag ich z.B. am liebsten es-Moll, weil es so sanft und weich ist. ( Ganz abgesehen von günstigerer natürlicher Fingerverteilung bei E-Dur, H-Dur, und ähnlichen, aber das ist ja bekannt, und auch, dass C-Dur aus diesem Blickwinkel betrachtet, eher unangenehm ist, da "Stützpunkte" nicht unbedingt von vornherein gegeben sind ( schwarze Tasten ) ) .

Also: Keine Angst vor Vorzeichen! ;)

Fasst zusammen, mit LG,
Olli !

PS.: Lese grad im Czerny-Heft auf der letzten Umschlag-Seite Werbung:
Es gibt wohl auch die "Leschetitzky-Methode" ( Ihr erinnert Euch ? Das war der mit den "numerous wives", von denen eins Anette Yesipoff / Essipow war ( Suchfunktion / Libermann ) ) .

Zitat aus Czerny-Heft: "Leschetitzky-Methode", Ed. Schott Nr. 200:

"Ihre Grundlage nebst umfangreichem Übungsstoff zum Gebrauch als Klavierschule für Jedermann. Herausgegeben von seiner langjährigen Assistentin Malwine Bree. Mit 47 Abbildungen der Hand Leschetitzkys.- Neue volkstümliche Ausgabe."

Ich weiß aber nicht, obs das noch gibt.
 
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http://art-lived.cwsurf.de/ArtLive%20-%20PHP/Header.php

Abgesehen davon, dass es sowieso sehr lesenswert und erhellend ist (eine Doktorarbeit, aber sehr "lesbar" und spannend geschrieben), steht auf S. 39ff. einiges dazu, was es mit Czernys Übungen so auf sich hat! Kurz gesagt: Sie werden leider fast immer in einer vom Verfasser nicht intendierten und letztlich auch nur sehr mäßig nutzbringenden Weise eingesetzt; dem Otto-Normal-Klavierlehrer bringt ihre Verwendung in erster Linie den Vorteil, dass der in der kapitalistischen Leistungsgesellschaft und über den Sport konditionierte Schüler das Gefühl bekommt, er bekomme ein "richtiges Training" geboten und könne, wie im Sport, über kräftiges Bimsen von Übungen und über das Hinarbeiten auf Endtempi objektive, meßbare Erfolge vorweisen (wodurch das Bezahlen des Klavierunterrichts dann für sein Gefühl eine marktgemäße Berechtigung bekommt).

So hat Czerny es jedoch wie gesagt nie gemeint; dem entnehmen wir demzufolge, dass nichts dagegen einzuwenden ist, diese Übungen auch mal zu verwenden, man muss nur drauf achten, wie.

LG,
Hasenbein

Wirklich interessant, hätte ich so auch nicht vermutet! Danke für den Link
 

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