Akkorde

Ein Schritt nach dem anderen ;-), dann wird das schon.
Habs nicht eilig, bin für ne Pianistinnenkarriere eh schon zu alt!
 
Evtl. weil laut Youtube-Comment:

"Colossus was composed autonomously by Iamus Computer without human intervention."
Denke auch, dass dieser Kommentar hier als "Link" zu dem Thema dienen soll. Allein die Aussage "without human intervention" ist per se Unsinn, da sich zuvor ein human being den Algorithmus überlegt hat, wie der Herr Computer komponieren soll. D.h. die vorherige human intervention, die Entwicklung des Algorithmus und die Programmierung desselben, ist die Grundlage für dieses Ergebnis. Dieses kann einem als Musik gefallen oder nicht, Geschmacksache.
Ironischerweise ist der Bezug zum ursprünglichen Thema aber auch unmittelbar begründet. Der Programmierer verfügt mit 100%iger Sicherheit über sehr gute Kenntnisse der Grammatik der Musik, auch wenn man (ich) in der Musik z.B. keine einzige Kadenz heraushört. Vielleicht ist die Software aber auch noch zu schlecht. :cry2:
 
ich höre nicht mal die Musik in dem Stück ... ich das jetzt schlimm?? :schweigen:
 
ich höre nicht mal die Musik in dem Stück ... ich das jetzt schlimm?? :schweigen:
Nö, überhaupt nicht schlimm. ;-)
Aber zurück zum Thema. Aus eigener Erfahrung stehe ich voll hinter dem Prinzip wenigstens die Grundlagen der Harmonielehre zu lernen oder beherrschen zu lernen (z.B. gängige Dur- und Mollakkorde plus 6.,7.,9.,11.Stufe). Egal, ob man Volksmusik, Songs von den Beatles oder die eine oder andere Jazznummer spielen will. Es ist ungleich einfacher, wenn man dazu Noten hat, die sich auf die Melodielinie mit dazugehörigen Akkordsymbolen beschränken. Mit etwas Routine kann man das vom Blatt spielen. Ganz im Gegensatz zu Noten, die sich jemand als Notenvolltext ausgedacht hat.
Umgekehrt erleichert es ungemein das Spielen von klassischer Literatur, wo die Noten ja i.d.R. als Volltext vorgegeben sind, wenn man erkennt, um welche harmonischen Strukturen es sich dabei handelt.
 
ich kriegs quasi bei Bedarf häppchenweise vorgekaut.

Das halte ich (vorsicht: ein Laie* spricht!) für sinnvoll. Es ist wahrscheinlich nicht jedermenschs Sache, sich auf abstraktem Niveau mit Musik"theorie" zu befassen. Ist für den Hausgebrauch auch zunächst nicht nötig.

Wenn man die Stücke, die man spielt - und die mit wachsender technischer Herausforderung auch musikalisch interessanter werden - von Beginn an routinemäßig durchanalysiert, lernt sich die "Theorie" quasi von selbst am konkreten praktischen Beispiel. Man kann sich zum Beispiel eine Zeitlang - bis man es intus hat - angewöhnen, zu Beginn der Erarbeitung eines Stücks die Tonart notieren und den Grundakkord. Dazu Subdominante und Dominante (später auch: Dominantseptakkord/plus None/Dominantseptnonakkord ohne Grundton). Und von den dreien die parallelen Molltonarten. Das ist noch kein "Pauken" und nichts Nebulöses, aber eine wie ich finde ganz niedrigschwellige Art, sich die "Theorie" anzueignen, ohne sich in Abstracta zu verlieren. Denn diese Figuren kommen vermutlich in dem Stück vor.

Du nanntest ja bereits z. B. Deine Kenntnisse aus dem gern geschmähten Heimorgelbereich. Das ist ja letztlich auch "Theorie"! Du siehst irgendeine Anhäufung schwarzer Punkte und weißt sofort: A7 (als Beispiel). Damit ahnst Du auch instinktiv, wohin die Reise (aller Wahrscheinlichkeit nach) geht.

Wenn man jedesmal alle Noten ohne Kenntnis ihres Zusammenhangs "dechiffriert", braucht man ja ewig und kann sie sich vermutlich auch nicht gut merken.


* Ich bin wirklich nicht die Queen der Musiktheorie! Ganz ehrlich. Mein Interesse ist vor allem ein pragmatisches: Schon rudimentäre Grundkenntnisse erleichtern einem das Einstudieren eines Werks. Und je mehr man "weiß", desto weniger Fragezeichen/Stolpersteine gibt es in der Praxis.

Der Mann, bei dem ich meine ersten "Stunden" hatte, ein von mir sehr geschätzter und vor einiger Zeit verstorbener Vollblutmusiker, hatte zum Beispiel überhaupt keine Vorstellung davon, wie man Anfänger sinnvoll unterrichtet, verfügte als Grundschullehrer aber über eine gewisse Vorstellung von Didaktik. Also haben wir Kadenzen gespielt. Einfach nur nach Gehör ("Wie klingt es richtig"). Und diese Kadenzen dann auf Notenlinien übertragen. Dazu Moll ("Es klingt richtig, aber irgendwie komisch" - Ah, wenn die kleine Terz über dem Grundton liegt und die große darüber!). Und weil sich das an der Sakralorgel abspielte, kam noch der passende Bass (im Pedal) dazu und eine "Umkehrung" auf dem zweiten Werk. Daheim hatte ich so ein kleines billiges Keyboard von Bontempi, zwei oder zweieinhalb Oktaven, gerade ausreichend, um mit den kennengelernten Kadenzen jedes Kinderlied aus dem Kindergarten oder jedes Weihnachtslied zu "begleiten". Die Melodie geriet dabei zu hoch/zu tief? - Dann fängt man halt etwas tiefer an und bastelt die passende Kadenz dazu. In der "Theorie" nennt man das "Transponieren", und es klingt ehrfurchtsgebietend. In der kindlich-experimentellen Praxis heißt es: "He, viel zu hoch, spiel das doch mal tiefer!"

Diese kleine Anekdote zum Thema: Anfänger/Hobbyspieler brauchen keine "Theorie".
 
Mein Interesse ist vor allem ein pragmatisches: Schon rudimentäre Grundkenntnisse erleichtern einem das Einstudieren eines Werks. Und je mehr man "weiß", desto weniger Fragezeichen/Stolpersteine gibt es in der Praxis.

Genau darum geht es! Kenntnis der "Theorie" ist ja eben das "praktische" Wissen, Kennen und Beherrschen von Dingen, die ohnehin da sind, ob man sie nun wissen will oder nicht.

Man muss sich bewusst sein, dass die "Theorie" nicht erfunden wurde, sondern dass die Theorie eine in "Regeln" oder in "Erkenntnissen" formulierte "Anleitung", "Analyse" oder ein "Bauplan" der Dinge ist, welche ohnehin passieren oder existieren. Die Theorie wurde nicht geschrieben und danach wurde munter drauflos komponiert. Sondern die Musik war zuerst da, und danach * hat man allmählich (oder gleich unmittelbar darauf folgend) die Theorie (aka Gesetzmässigkeiten, Regeln) bzw. die Lehre davon formuliert.

Analog der Grammatik, die formuliert wurde, nachdem die Sprache entstanden ist. Analog der Geologie, die beschreibt, was schon da war. Analog der Philosophie, die das existierende Wissen formuliert. Analog der Astrologie, die beschreibt und erforscht, was da ist. Man hat nicht beschlossen, dass die Pflanzen das Wasser in ihren Stängeln "hochpumpen" sollen. Sondern man hat entdeckt, dass das offenbar so ist. Darum wurde dies in der Biologie als "Gesetzmässigkeit" so festgehalten.

Dass diese Lehren sich immer weiter entwickeln, liegt auf der Hand. In der Musik des Frühmittelalters gabs wohl die Theorie der Regeln des vierstimmigen Satzes, der Alteration oder der Tritonussubstitution noch nicht, da noch nichts dergleichen erfunden bzw. komponiert wurde. Die Formenlehre der Fuge wurde erst definiert, nachdem Fugen komponiert wurden und Regeln bzw. Gesetzmässigkeiten erkannt wurden. Selbstverständlich ist auch der neapolitanische Sextakkord nicht einfach festgelegt worden und danach mussten von da an Komponisten, die etwas auf sich hielten, mindestens einen pro Stück einbauen. Sondern der Neapolitaner wurde irgendwann in der Musik erfunden, und weil er nett klang und immer öfter als kompositorisches Stilmittel Einzug hielt, hat man diesem einen expliziten Namen und eine Gesetzmässigkeit gegeben.
Genau so ist es mit allen harmonischen Gesetzen bzw. Erkenntnissen. Also ist es eben nicht so, dass man die Theorie lernen muss und dann Klavier spielt (oder die Theorie weglässt, weil man meint, das brauche es nicht). Man spielt etwas und lernt gleichzeitig, zu verstehen, was da passiert, und bestenfalls erkennt man mit der Zeit auch noch gerade, warum das passiert und weshalb gewisse Modulationen, Stellungen, Stimmführungen und Harmonien besser klingen und andere eher nicht. Mit der Zeit versteht man, warum in einem klassischen Stück ein Unterschied besteht zwischen einem Akkord, der in der Grundstellung steht und einem, der als Quartsextakkord dasteht. Und warum es nach dem Quartsextakkord so weitergeht, wie es eben weitergehen müsste...

* Ausnahmen darf es auch hier geben, zB die Zwölftonmusik. Da wurden wohl erst mal Regeln festgelegt und dann mal geschaut, was man daraus machen kann...
 
Zuletzt bearbeitet:

Was soll damit sein? Und was willst du jetzt genau wissen? Oder was willst du damit sagen? Glaubst du, mit diesem Video irgendetwas gesagt zu haben? Was genau ist deine Frage?

Niemand hat je zuvor und danach wieder mit solch einer Meisterschaft Fugen komponiert wie Bach. Bach setzte hier die Pace, welche niemand in diesem Ausmass und Können je erreicht hat. Bach hat natürlich Regeln für sich festgelegt und er hat auch neue Regeln geschaffen bzw. nach Bach muss man sagen, das geht so nicht besser. Aber Bach hat auch gegen Regeln verstossen. Es gibt vierstimmige Choräle, wo er Oktavparallelen hatte und Quintparallelen. Und zwar nicht weil er gegen die Regel verstossen wollte oder sie nicht kannte oder zu wenig gut war. Nein, sondern, weil es so am besten klang, wie er es machte. Punkt.

Wir können sehr gerne Bachs Fugen einzeln diskutieren und anschauen, ich habe ziemlich alle für Klavier studiert. Aber Obacht, da hats auch Harmonielehre drin. Da fürchte ich, reicht ein Video nicht.

Du hast nicht verstanden, dass es ein Unterschied ist zwischen Regeln, die vorher aufgrund von bereits vorhandenen Werken und Erkenntnissen aufgestellt wurden (wie geht Fuge?), die Bach als Gott der Fugen dann nochmals verschob und manifestierte. Und zwischen Regeln, die explizit geschaffen wurden, um ein neues Kompositionsprinzip zu ermöglichen, siehe Zwölfton. Vor Bach gab es strengere und nicht allzu strenge Fugen und deren Regeln entstanden daraus. Vor den Regeln zu Zwölfton gab es kein Zwölfton.
 
@thepianist73 Was für ein hervorragender Beitrag :super:,

Zum Thema ganz kurz: Wie viele wissen, bin auch ich Laie, aber mit großem Interesse an allerlei Aspekten der Musiktheorie.
Ich bin fest davon überzeugt, dass mich so gut wie jeder dieser Aspekte (dazu gehört mehr als nur Harmonielehre!), den ich mir so weit angelesen habe, auch pianistisch weiter gebracht hat, und wenn nicht für ein konkretes Stück, dann für die Begleitung meiner Band, die Komposition diverser Stückchen und/oder der Improvisation bzw. der Rettung von fehlerhaft vorgetragenen Stücken.

Natürlich sollte man, wenn einen das Thema weniger liegt, den Stoff auf ein überschaubares Maß reduzieren: Harmonielehre, zumindest in den Grundzügen, sollte aber meiner Meinung nach zur musikalischen Ausbildung auf jeden Fall dazugehören.

Wer kein Bock drauf hat, solls halt nicht machen, aber der ist dann selber Schuld, wenn alles langsamer und schwieriger voran geht. Punkt, aus :-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Du nanntest ja bereits z. B. Deine Kenntnisse aus dem gern geschmähten Heimorgelbereich. Das ist ja letztlich auch "Theorie"! Du siehst irgendeine Anhäufung schwarzer Punkte und weißt sofort: A7 (als Beispiel). Damit ahnst Du auch instinktiv, wohin die Reise (aller Wahrscheinlichkeit nach) geht.
Genau das rettet mich jetzt sehr oft.
 

Wir können sehr gerne Bachs Fugen einzeln diskutieren und anschauen, ich habe ziemlich alle für Klavier studiert. Aber Obacht, da hats auch Harmonielehre drin.
:-D:-D:-D absolut köstlich!!! 100% Zustimmung!!!

...weil aber die Fugen doch bissel kompliziert sind und folglich dem Laien leicht den Blick verstellen: auch in der glasklaren übersichtlichen ersten Invention (zweistimmig) von Bach ist ne Menge Harmonielehre drin!

...die Geheimnisse der böse-fies-theoretischen Harmonielehre für C-Dur und G-Dur zu ergründen, kann man sich auch die jeweils ersten vier Takte von WTK I Praeludium und dem Praeludium der ersten Cello-Suite anschauen :-D:drink:
 
Also ist es eben nicht so, dass man die Theorie lernen muss und dann Klavier spielt (oder die Theorie weglässt, weil man meint, das brauche es nicht). Man spielt etwas und lernt gleichzeitig, zu verstehen, was da passiert, und bestenfalls erkennt man mit der Zeit auch noch gerade, warum das passiert und weshalb gewisse Modulationen, Stellungen, Stimmführungen und Harmonien besser klingen und andere eher nicht.
Hundertprozentige Zustimmung. Irgendwie kommt mir vor diesem Hintergrund das Bild einer Kommilitonin mit Hauptfach Gesang in den Sinn, die sich einst in einem gemeinsam besuchten Harmonielehre-Kurs mächtig aufregte. Man möge sie nicht mit dieser unnützen Theorie-Sch***e belästigen: "Ich will singen!!!" - wenn man sie dann singend in Aktion erlebte, wusste man, dass sie sich überhaupt nicht dafür interessierte, was sie sang. Eigentlich schade; was ebenfalls nicht gänzlich unter den Tisch fallen sollte, ist ein wenig Wertschätzung für die Gabe, spröde theoretische Belange so raffiniert zu meistern, dass faszinierende und in sich stimmige Musik dabei herauskommt. Wer einmal selbst im Rahmen eines Musikstudiums tonsetzerisch mit dieser Materie gerungen hat, wird ihr sicherlich künftig mit gesundem Respekt begegnen.

Vor Bach gab es strengere und nicht allzu strenge Fugen und deren Regeln entstanden daraus. Vor den Regeln zu Zwölfton gab es kein Zwölfton.
Was es bereits bei Bach gab, war ein großes Maß an chromatischer Dichte. Erkennbar wird das spätestens bei der H-Moll-Fuge aus WTK I, wo bereits im Fugenthema alle zwölf Töne (natürlich mit Tonwiederholungen) auftauchen. So wie hier auf allen Grundtönen gleichrangig musiziert werden sollte, führt der musikgeschichtliche Weg schließlich zur Überwindung einer zentraltönigen Bindung, indem in der Zwölftontechnik alle zwölf Töne gleichberechtigt erscheinen. Bereits die Komponisten Schönberg, Webern und Berg kommen dabei zu ganz unterschiedlichen und individuellen Resultaten... .

LG von Rheinkultur
 
Man muss sich bewusst sein, dass die "Theorie" nicht erfunden wurde, sondern dass die Theorie eine in "Regeln" oder in "Erkenntnissen" formulierte "Anleitung", "Analyse" oder ein "Bauplan" der Dinge ist, welche ohnehin passieren oder existieren.

Ich würde bei jeder Theorie, die auf Erkenntnissen beruht, die dann in einen Zusammenhang gebracht werden, von einer Entdeckung sprechen. Und das bemerkenswerte bei Theorien ist, dass es unterschiedliche gibt, die jeweils genau zu dem Focus passen. Dies haben wir in allen Wissenschaften.

Aber es gibt den Unterschied, ist die Theorie nur Beschreibung (dein Beispiel Grammatik ec.) oder ermöglicht die Theorie eine Weiterentwicklung der Erkenntnisse zu Neuem. Und dies ist verzeih, bei Grammatiken von Sprachen nicht gegeben, da gibt es höchstens Abweichungen in Mundarten, und Festlegungen was die Norm sein soll, aber Mathematik etwa ermöglicht mit ihren entdeckten Gesetzen Weiterentwicklungen, die wiederum zunächst unerklärliche Erscheinungen erklären und aber auch technisch zu völlig neuen Ufern führen kann. Und genau dieses können Musiktheorien auch, wie du selbst schreibst, hat Bach aus Erkenntnissen sein Kompositionsprinzip weiter entwickelt.

Und gerade Musik, wie wir sie heute kennen, war eben nicht schon immer da, sondern aus Erkenntnissen und Kreativität (d.h. nicht nur Fortentwicklung , sondern auch konträr dazu, eben Nicht erwartbares Durchführen von Harmonienabfolgen etwa - irgendeiner zitierte Liszt's Ausruf, ah hier sollte so und so folgen, aber dies Neue ist überraschend und passt auch)

Ein dritter Punkt ist, was in dem Video zu Bach Methode der Komposition herauskommt: die Möglichkeit der Streichinstrumente im Zusammenhang die Töne nicht nur nicht "rein" oder "temperiert", sondern auch "enger" oder "weiter" zu spielen, so entstehen die Harmonien, die laut Video schon Kepler in Beziehung zum Sonnensystem als harmonisches Ganzes empfand und erst so für Bach die Tür öffnete. Also die mathematische Festlegung von Tönen durch Teilung einer Saite, wird ergänzt/erweitert durch das mental als harmonisch empfundene gegenüber dem Tonumfeld.
http://www.keplersdiscovery.com/Harmonies.html

Im 2. Video werden Expositionen von Fugen gespielt, einmal vom computer generiert mit Regeln von Bach, und vom Mensch komponiert und jeweils auch elektronisch oder physisch gespielt.

Allerdings hat er den Hörer verwirrt, indem das computer generierte Stück physisch gespielt wird, das erste, dagegen das von Bach komponierte mit einer midi Datei - eine Orgel immitierend - abgespielt wurde.

Dass er annimmt, dass Leute reihenweise darauf hereinfallen, liegt daran, dass viele eben Bach spielen wie einen computer. Der Unterschied liegt damit nicht mehr in der Theorie, sondern wie die Composition auf den physischen Spieler wirkt und er das dann mit den entsprechenden MItteln umsetzt (Agogik, Dynamik ec.) Das kann der Computer nämlich nicht beim Abspielen, aber der Mensch kann aus einem computer generierten Stück lebendig Musik machen.

In den Videos gibt es natürlich noch mehr Anregungen/Diskussionsstoff...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Pianisten, Instrumentalisten, die gleichzeitig Komponisten sind, oder zumindest improvisieren können waren auch in der Vergangenheit rar. Wer gekonnt improvisieren will, muss zuallererst ein ausgezeichneter Instrumentalist sein - und Otto Normalo ist in der Regel kein ausgezeichneter Pianist.

Eine Freundin von mir kann super improvisieren, aber kaum nach Noten spielen.
 
Genau darum geht es! Kenntnis der "Theorie" ist ja eben das "praktische" Wissen, Kennen und Beherrschen von Dingen, die ohnehin da sind, ob man sie nun wissen will oder nicht.

Man muss sich bewusst sein, dass die "Theorie" nicht erfunden wurde, sondern dass die Theorie eine in "Regeln" oder in "Erkenntnissen" formulierte "Anleitung", "Analyse" oder ein "Bauplan" der Dinge ist, welche ohnehin passieren oder existieren. Die Theorie wurde nicht geschrieben und danach wurde munter drauflos komponiert. Sondern die Musik war zuerst da, und danach * hat man allmählich (oder gleich unmittelbar darauf folgend) die Theorie (aka Gesetzmässigkeiten, Regeln) bzw. die Lehre davon formuliert.

Analog der Grammatik, die formuliert wurde, nachdem die Sprache entstanden ist. Analog der Geologie, die beschreibt, was schon da war. Analog der Philosophie, die das existierende Wissen formuliert. Analog der Astrologie, die beschreibt und erforscht, was da ist. Man hat nicht beschlossen, dass die Pflanzen das Wasser in ihren Stängeln "hochpumpen" sollen. Sondern man hat entdeckt, dass das offenbar so ist. Darum wurde dies in der Biologie als "Gesetzmässigkeit" so festgehalten.

Dass diese Lehren sich immer weiter entwickeln, liegt auf der Hand. In der Musik des Frühmittelalters gabs wohl die Theorie der Regeln des vierstimmigen Satzes, der Alteration oder der Tritonussubstitution noch nicht, da noch nichts dergleichen erfunden bzw. komponiert wurde. Die Formenlehre der Fuge wurde erst definiert, nachdem Fugen komponiert wurden und Regeln bzw. Gesetzmässigkeiten erkannt wurden. Selbstverständlich ist auch der neapolitanische Sextakkord nicht einfach festgelegt worden und danach mussten von da an Komponisten, die etwas auf sich hielten, mindestens einen pro Stück einbauen. Sondern der Neapolitaner wurde irgendwann in der Musik erfunden, und weil er nett klang und immer öfter als kompositorisches Stilmittel Einzug hielt, hat man diesem einen expliziten Namen und eine Gesetzmässigkeit gegeben.
Genau so ist es mit allen harmonischen Gesetzen bzw. Erkenntnissen. Also ist es eben nicht so, dass man die Theorie lernen muss und dann Klavier spielt (oder die Theorie weglässt, weil man meint, das brauche es nicht). Man spielt etwas und lernt gleichzeitig, zu verstehen, was da passiert, und bestenfalls erkennt man mit der Zeit auch noch gerade, warum das passiert und weshalb gewisse Modulationen, Stellungen, Stimmführungen und Harmonien besser klingen und andere eher nicht. Mit der Zeit versteht man, warum in einem klassischen Stück ein Unterschied besteht zwischen einem Akkord, der in der Grundstellung steht und einem, der als Quartsextakkord dasteht. Und warum es nach dem Quartsextakkord so weitergeht, wie es eben weitergehen müsste...

* Ausnahmen darf es auch hier geben, zB die Zwölftonmusik. Da wurden wohl erst mal Regeln festgelegt und dann mal geschaut, was man daraus machen kann...
Thepianist: sehr guter Beitrag! Das die Philosophie existierendes Wissen formuliert, ist ganz sicher zutreffend. Aber ob sie nur aus dem Potenzial des Erkennbaren schöpft, also entdeckend, nicht erfindend ist, wage ich zu bezweifeln. Wenn wir an Kant denken, macht er in seiner Erkenntnistheorie deutlich, dass wir die "Dinge an sich" nicht erkennen können, sondern nur, nachdem sie durch die (transzendentalen), apriorischen Kategorien unseres subjektiven Denkens uns in subjektiver Weise erscheinen. So scheint doch auch die Philosophie, wie die Naturwissenschaft übrigens auch, eben nicht "objektiv" zu sein, wie das Glaubenbekenntnis vieler Materialisten lautet. Die Subjektivität geht dabei sogar so weit, wie uns die Quantenphysik lehrt, dass das subjektive Beobachten der Natur überhaupt erst zu "objektiven" Zuständen der Natur und Ergebnissen führt, die es so vorher gar nicht gab. Da könnte man über die übliche, im Denken verwurzelte Subjekt-Objekt-Spaltung einmal reflektieren.
Und so kann man eben viele "Philosophien" entdecken, die sehr subjektiv gefärbt sind, und eigenen Ideologien (Heilslehren), und Wunschvorstellungen entsprechen. Und mitunter finden sie dann in irgenwelchen "Manifesten" ihren Ausdruck. Viel mir spontan ein, als ich Deinen Beitrag gerade las. Gruß!
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber es gibt den Unterschied, ist die Theorie nur Beschreibung (dein Beispiel Grammatik ec.) oder ermöglicht die Theorie eine Weiterentwicklung der Erkenntnisse zu Neuem. Und dies ist verzeih, bei Grammatiken von Sprachen nicht gegeben, da gibt es höchstens Abweichungen in Mundarten, und Festlegungen was die Norm sein soll

Grammatik im linguistischen Sinn (und nicht im oberlehrerhaften) ist der Versuch einer Beschreibung eines bestimmten Zustand eines sich diachronisch fortwährend entwickelnden Prozesses, der nach chaotischen (= schwer bis gar nicht zu definierenden) Prinzipien abläuft. Also entsteht Grammatik aufgrund empirischen Nachvollzugs des Gegebenen (analytisch) durch die Erstellung von Regeln, die, wie wir wissen, auch "Ausnahmen" kennen (die teilweise wiederum regelhaft sind, teilweise "zufällig" - bewusst in Anführungszeichen). ;-) Die analytisch abgeleiteten Regeln dienen in synthetischer Anwendung eigentlich ausschließlich dem "korrekten Spracherwerb zum Zeitpunkt X" - einen exhortativen Normierungscharakter ("was die Norm sein SOLL") hat die Grammatik hinsichtlich kommunikativer und sozialer Erfordernisse (verstehen und verstanden werden - - sowie, das sollte man nicht verleugnen, sozialer Distinktion). Leider geht der diachrone Charakter von Grammatik in der nichtlinguistischen Betrachtung gern verloren. Bewusst überspitzt: Jede niedergeschriebene Grammatik ist aufgrund der hohen Dynamik des Beobachtungsgegenstands sozusagen schon veraltet, wenn sie den Verlag verlässt. Wer darauf beharrt, Normierungen durchzusetzen, erlebt Phänomene wie in Frankreich, wo die erste Fremdsprache Französisch ist, wie Lästerzungen hämen.

Begreift man Grammatik solchergestalt, ist die Analogie bzw. die Vergleichbarkeit zur Musiktheorie vielleicht besser nachzuvollziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Grammatik im linguistischen Sinn (und nicht im oberlehrerhaften) ist der Versuch einer Beschreibung eines bestimmten Zustand eines sich diachronisch fortwährend entwickelnden Prozesses, der nach chaotischen (= schwer bis gar nicht zu definierenden) Prinzipien abläuft. Den Normierungscharakter erhält sie eigentlich nur im empirischen Nachvollzug des Gegebenen aufgrund der Definition daraus abgeleiteter Regeln, die, wie wir wissen, "Ausnahmen" kennen (die teilweise wiederum regelhaft sind, teilweise "zufällig" - bewusst in Anführungszeichen). ;-) Exhortativ ("was die Norm sein SOLL") ist Grammatik nur hinsichtlich des "korrekten Spracherwerbs zum Zeitpunkt X".

Du hast recht - bzgl. einer Zeitachse, allerdings war in dem Moment Sprache mit ihren Regeln als perfekt anzusehen, wo die Sprache als Instrument des Hirns in der Lage war, das Denken auch von Abstrakta nicht nur ausdrückbar und kommunizierbar, sondern auch kreativ u. steuerbar zu machen/. (z.B. Mathematik ist mitnichten ohne Kreativität denkbar!!)

Erst mit ausgereifter Sprache konnte gegenseitiges Befruchten in Denkprozessen vonstatten gehen und erst damit konnten überhaupt abstrakte Theorien entwickelt, diskutiert und letztendlich je nach ihrer Beschaffenheit konkret umgesetzt werden.

Die Erfindung von künstlichen Sprachen - esperanto - z.b. erwies sich als überflüssig - vielmehr wurden Begriffe aus vor allem den Bildungssprachen Latein Griechisch (Universitäten im Gebiet des heutigen Deutschlands hatten vor der Einführung des Deutschen Latein als Unterrichtssprache) (auch Hebräisch, Arabisch, Persisch....usw.) in die modernen Sprachen verwoben. Außerdem kristallisierte sich eine Sprache - Englisch- als das lebendige -Esperanto - für die Welt einschließlich der Wissenschaften heraus. Die Grammatik einschließlich der Syntax wird dabei nicht mehr verändert, nur Wortschöpfungen bereichern die Sprache.

Ähnlichkeit von Sprache und Musik besteht in sofern, dass die explizite Ausführung also das Sprechen, das Musizieren noch der emotionalen/mentalen Zugabe bedarf, um das inhaltliche subjektiv zu färben und damit zu verstärken und diese Zugabe verwandelt auch das Gesprochene/Gespielte in Kunst, der man sich hingeben kann, sprich evoziiert eine Erregung der (unterschwelligen) Gefühle.

Die MIttel dazu (zu begreifen, was einen ergreift) können dann wieder beschrieben werden sowohl die der Sprache (Rhetorik und Deklamation) alsauch der Musik (Harmonik, Agogik, Dynamik, .......)
 
Die Grammatik einschließlich der Syntax wird dabei nicht mehr verändert, nur Wortschöpfungen bereichern die Sprache.

Eben nicht. :-) Gerade nicht das "Englische" als "lingua franca" (nicht in Analogie zum "Esperanto"!). "Diachronie" im Zusammenhang mit grammatischen Veränderungen meint nicht nur "Jahrhunderte" - wo es mehr als offensichtlich ist - sondern (höchstens) Jahrzehnte. Es gibt allerdings Phasen mit weniger ausgeprägter Dynamik.
 
Auch ohne Linguistik studiert zu haben, wäre mir sehr daran gelegen, dass Grammatik ihren normativen Charakter bewahrt, und nicht zur Deskription von Alltagsgewäsch degeneriert. Mir scheint es mitunter schon weltanschaulich geprägt, wenn der Duden immer mehr Fehler als zumindest umgangssprachlich erlaubt hinstellt.
Beispiel " Wegen dem Wetter nahm ich den Wagen"...grauenvoll! Die Präposition "wegen" regiert nun einmal den Genitiv, auch für Deutschlernende und sozial Deklassierte. Sprachliche Dynamik schließt das m.E. nicht aus.
Gegen den Begriff "googeln" z.B. kann man doch wohl nicht viel einwenden, sonst entsteht so etwas wie: " Das Inanspruchnehmen einer Internet-Suchmaschine."
 

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