Wie lehrt man Disziplin?

Manchmal braucht es ihm Leben nur ein oder zwei besondere Menschen, die am Schluss dann das eigene Leben „formen“.
Das kann ich genau so unterschreiben.
Die hier beschriebenen Motivationsprobleme hatte ich ... eigentlich nie (vielleicht hatte ich wirklich nie welche ... aber sehr wahrscheinlich habe ich sie nur verdrängt).

Zur Musik kam ich mit 14 über Papas Gitarre nebst Peter Burschs Gitarrenbuch. Mit 15 war ich durch dieses Buch durch ... aber ich habe mir kein neues besorgt, sondern die Gtarre (zusammen mit einem guten Freund) nach und nach erforscht.
Das ist noch heute der Gitarrist in zweien meiner Bands und vor einigen Jahr(zehnt)en hatten wir mal eine Unterhaltung darüber, wie wir zwei eigentlich Gitarre gelernt haben ... am ende kamen wir zu dem Ergebnis, dass wir uns das wohl irgendwie gegenseitig beigebracht haben müssen. Jedenfalls waren wir beide der Meinung, wir hätten vom anderen sehr viel gelernt.
Eigentlich war es aber nur die Neugier, was der andere da macht ... und die Frage, ob ich das wohl auch kann.
Mit 16 dann gleich das erste Konzert ... das Hutgeld hat für eines der berühmten "gelben Kofferradios" (die damals noch orange waren) gereicht.

Warum ich mich im gleichen Jahr für Musik als LK entschieden habe, kann ich nicht genau sagen. Aber schon im ersten halbjahr traf ich ihn ... den Menschen, der mich zum Musiker formen würde.
Es war ein Lehrer, der es irgendwie geschafft hat, das ich sogar an Musikanalysen Spass hatte. Vorher auf der Gitarre habe ich immer TAB gelesen ... ich konnte zwar Noten entziffern, hielt das aber für die Gitarre für unnötig (und unprtaktisch).
Bei vielen Fächern gab es zu Kursbeginn den Gedanken "ich MUSS jetzt zu Geografie/Mathe/Englisch" ... beim Fach Musik war dieser Gedanke so gut wie nie präsent ... da hatte das nichts von "müssen". Das wollte ich wirklich.

Im Grunde hat Herr Georg Krieger mich aber einfach in eine Welt hineingeworfen, die mir die nächsten zwei Jahre immer verwirrender erschien ... aber irgendwie war es auch genau deswegen spannend.
Und plöltzlich ist irgendwie ein Knoten geplatzt ... ich kann nichtmal genau sagen, wann das passiert ist ... aber irgendwann wich die wachsende Verwirrung einer Art Verständnis. Und dann hat es garnicht lange gedauert, bis ICH der jenige war, der meinen Musikbekannten erklären musste, was ein "Neapolitaner" ist, wie er zustande kommt, was mit "Leittonbeziehungen" gemeint ist oder wie man eine Dissonanz auflösen kann (Spannung erhöhen können sie eigentlich alle).
"Olaf ... was ist denn das fürn Akkord?"

Ich suche nicht nach Motivation ... die Motivation sucht nach mir :lol:
Natürlich nicht. Ich kann mich nur einfach drauf verlassen, dass es mich irgendwann am Tag packen wird, und ich dann vielleicht nur ein Stück spiele (um danach dann an kleinen bis mittelschweren Problemchen zu arbeiten), Eventuell probiere ich auch "nur mal kurz" was aus, und bemerke erst danach, dass dabei fast 2 Stunden ins Land gegangen sind, und aus dem Ausprobieren eine iterierende Bewegung geworden ist, bei der ich bereits begann, über Begleit- oder Melodiestimmen nachzudenken. Wäre der Bleistift am Klavier angespitzt gewesen, hätte ich bestimmt auch schon was notiert gehabt (leeres Notenpapier steht da ohnehin immer).

Widerstände gegen Musik? ... die verspüre ich nur, wenn mein Bewegungsapparat mir mitteilt, dass es für heute genug ist. Und dann finde ich das meist sehr Schade.

Wenn ich mich ans Klavier setze, muss ich nur kurz den Hocker vorziehen und kann loslegen.
Strom- und Nylkongitarre habe ich griffbereit da stehen. Westerngitarre, Cavaquinho, und Banjo muss ich erst auspacken, aber auch die sind schnell spielbereit.
All das tummelt sich in meinem Wohnzimmer ... genau da, wo ich mich meist auch tummele, wenn ich zu hause bin.
Nebenan (im Schlafzimmer) steht das Digitalpiano, welches ich nur nachts spiele.
Ausserdem hängen da zwei nicht spielbare Mandolinen an der Wand, und es liegen zwei ebenfalls nicht spielbare Violinen auf dem Kleiderschrank ... eine in einem Holzkästchen, bei dem man denkt, dass da auch ein "Chicago Typewriter" drin sein könnte. Wenn ich das Teil sehe, muss ich immer an einen alten Witz denken.
Ein Kleines Mädchen öffnet beim Geigenunterricht den Geigenkasten und sagt dann:
"Scheiße - jetzt steht Papa mit der Geige in der Bank".
 
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Man kann als Lehrer sicherlich das effiziente Üben lehren. Aber was nützen 60 Minuten einmal die Woche, das Üben üben, wenn der Schüler nicht den Ehrgeiz besitzt, diese Techniken anzuwenden, um Fortschritte zu machen. Woraus sich dieser Ehrgeiz speist? Bei Jugendlichen sicherlich vornehmlich aus dem Wunsch heraus, besser zu sein als die anderen der Peergroup. Nur: klavier- oder geigespielende Peergroups sind selten. Ein anderes Moment: Bewunderung des Lehrers. Aber dies kann ein sehr heikles Thema in Sachen emotionaler Abhängigkeit werden. Wie funktioniert es eigentlich im Sport, daß Kinder und Jugendliche Bestleistungen erbringen wollen?
 
Wie funktioniert es eigentlich im Sport, daß Kinder und Jugendliche Bestleistungen erbringen wollen?
Es ist nur eine Theorie, aber ich denke, dass da das "gewinnen Wollen" eine wichtige Rolle spielt.

Also im Grunde auch das "besser sein, als die anderen" für das das Ergebnis eines fairen Fussballspiels, die schnellste Zeit über eine bestimmte Strecke, der weiteste Kugelstoß, Hammer- oder Speerwurf, oder Sprung einen objektiven Beweis liefern.
Sport bietet einen direkten und eindeutigen Vergleich. Die Ergebnisse einer Sportveranstaltung kann man immer in eine Hierarchie bringen ... bei einem Konzertabend mit mehreren Interpreten wird das schon schwieriger.
Beim Sport kann man seine eigene Leistung ähnlich gut ins Gesamtbild einordnen, wie das mit Schulnoten funktioniert. Die nutzen Kinder ja auch, um sich selbst zu zeigen, dass die "zu den Besseren" gehören.
Bei 12 vs. 13 Sekunden (oder 20 vs. 19m) zweifelt niemand daran, wer schneller war (oder weiter geworfen hat).

Andere Theorie:
Leistung wird in unserer Gesellschaft belohnt ... dafür gibts Anerkennung, und die braucht Mensch ungefähr so dringend, wie ein Junkie den nächsten Schuß.

PS: Manche suchen Anerkennung über gute Leistungen ... andere werden dafür anerkannt, dass sie sich diesem System zu entziehen versuchen.
Um die Anerkennung geht es dabei beiden gleichermaßen ... was funktioniert, entscheidet die peergroup.
 
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Man könnte auch hoffen, dass sich alles durchgelesen wird, bevor Allerweltstipps gegeben werden.

Aus meiner ganz eigenen Erfahrung kann ich berichten, dass Motivation und die daraus folgende Disziplin ein wichtiger Faktor ist, der vom Lehrer vermittelt werden kann/muss.

Mit der Einstellung kann man natürlich alle Verantwortung von sich weisen. Wie schrieb @chiarina so schön: Man muss lernen (und lehren), das Üben zu lieben. Aber man kann natürlich auch Geschirr spülen...
Da hast du mich falsch verstanden.
Natürlich sind das Reaktionen auf manchmal jahrelange Versuche der Motivation, Gespräch mit den Eltern etc.pp.

Kleinere Kinder sind in der Regel ganz einfach zu motivieren. Da existiert oft noch eine Begeisterung für den Fortschritt, der sich folgerichtig ergibt auf die Wiederholung.

Liess noch mal den Eingangspost.
Violina war unmotiviert. Erst der „böse“ Lehrer hat bewirkt, dass sie anfing selbst Verantwortung zu übernehmen.
Wir reden über Schüler, die gewöhnt sind, sich nicht „anstrengen“ zu müssen.

Wie man lernt, das üben zu lieben? Wenn man es nicht macht, dann kann man es nicht lieben lernen!!! Also musst du dem Schüler zuerst mal dazu bringen, dass er es eben macht.

Die inzwischen weit verbreitete Annahme, der Lehrer muss doch dem Schüler die beste Note geben, auch wenn er nicht lernt, hat man ja inzwischen oft auch in der Regelschule.
Ich bekomme oft zu hören, das Kind soll „Spaß“ haben.
Es liegt nicht am Lehrer, sondern am verqueren Bild der Eltern, die ihre Kinder immer mehr überversorgen und kaum Erwartungen an sie stellen.

Da ich als Kind das nicht hatte und selbst meine Eltern überzeugen musste, dass ich Klavier lernen DARF, und mich niemals jemand dazu aufgefordert hat, meine ich, dass der Funke durch zu viel Kuschelkurs erlischt.

Violina ist das Beispiel hierfür. Anstrengen muss man sich eben selbst.
Ich schone meine Nerven, der Schüler übt, das Geschirr wird sauber.
Beste Lösung.
Wie man übt, zeige ich jede Woche, tausendfach. Aber es zu tun, das obliegt dem Schüler. Wenn er es zu Hause nicht kann, dann trainiert er es eben bei mir. Das ist die reale Situation. Alleine mit dem Instrument.
Warum muss ich daneben sitzen? Ich höre ihn ja😃
 
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Vielleicht habe ich nur Glück ... aber das "Warten auf Motivation" bringt mich zuverlässig täglich an fast alle meine Instrumente ... mehrmals täglich.

Mir feste Übezeiten zu setzen, hat bei mir noch nie funktioniert, aber ich kann mich nun seit über 30 Jahren recht gut drauf verlassen, dass kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht 30-180 Minuten an irgendwelchen Musikinstrumenten herumfingere.

Ich finde Motivation zum Musizieren ... und darüber findet sich auch immer Motivation zum Üben. Übungen sind für mich Bewegungsabläufe, die ich auch irgendwann beim Musizieren verwenden kann, wenn ich sie immer wieder übe.
Zur Klärung: Ich spreche von "Musizieren" und nicht von "Reproduzieren".
Ich meine damit primär Improvisation.

Darum geht es mir ... Übung als Selbstzweck lehne ich ab und dafür finde ich auch keine Motivation.
 
Dieses Thema ist ein großes Fass:

Kuschelkurs? Spaß-, erlebnis-, bedürfnisorientiertes Lernen bzw. Instrumentalunterricht?

Heutigen bürgerlichen Kindern und vor allem deren Eltern kann man natürlich nicht mehr mit der harten russischen Schule kommen. Große Teile meines Klavierunterrichts in den 80ern und 90ern würde heute als autoritär oder sogar missbräuchlich durchgehen.

Aber was soll man machen? Ohne Fleiß kein Preis. Von nichts kommt nichts. Daran hat sich trotz aller Fortschritte in Erziehungs- und Lehrmethoden nichts geändert.

Meine Kinder (10 und 13) sind gerade am Übergang von "Spielerisch und ohne Druck an das Instrument herangeführt werden" zu "Wenn Du langfristig Fortschritte machen und nicht nur rumdümpeln willst, wirst Du nicht drumrumkommen Dich selbständig reinzuhängen und zumindest phasenweise auch ein bisschen zu quälen." Ausgang ungewiss...

Entscheidend ist natürlich wie letztgenanntes vermittelt wird und da unterscheiden sich wahrscheinlich durchschnittliche Lehrer von guten Lehrern.

Dass signifikante Leistungssteigerungen egal ob im Sport, im Ausbildungssystem oder im Instrumentalspiel schmerz- und frustrationsfrei möglich sind, halte ich für eine Illusion. Traumatisierungen müssen natürlich vermieden werden, aber ansonsten halte ich diese Erkenntnis bzw. Desillusionierung für wichtig und richtig. Gilt für fortgeschrittene Kinder und Erwachsene ebenso...
 
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Der Rohrstock hat Jahrzehntelang vielen Schülern zu besseren Leistungen verholfen.

Trotzdem ist es einer der schlechtesten Motivatoren, die es überhaupt gibt ... der ist nämlich nur für den Strafenden einfach anzuwenden und sorgt auch nur dem gegenüber für das erwünschte Verhalten.

Die Motivation verschiebt man damit tatsächlich vom einen Ziel (Steigerung der eigenen Leistung) auf ein anderes (Strafvermeidung) ... die dadurch eventuell beobachtbare Leistungssteigerung ist eigentlich nur eine Nebenwirkung. Man übt, weil man nicht schon wieder "auf die Fresse" kriegen will.
Eigentlich ist sowas eher Demotivationstraining.

Aber ziemlich lange glaubten viele (vor allem etwas ältere Semester) dass das eine gute Methode wäre, um den Kindern Disziplin einzubläuen (der Farbbezug kommt von den typischen Hautirritationen).
Schon zu sehen an der beliebten Verteidigungsformel "mir hat das auch nicht geschadet". Die wichtigere Frage wäre aber, hat es dir auch genützt? Das Ausbleiben von Schaden ist kein Qualitätskriterium für eine pädagogische Praxis und lange konnte niemand sagen, ob die Leistungen ohne Prügel eventuell noch besser gewesen wären ... denn das wurde ja so selten ausprobiert.

Aber wer hat sich gewehrt, als die Prügelstrafen abgeschafft wurden? Natürlich die Eltern, die in ihrer Schulzeit gut durchgeprügelt wurden, und am ende dachten "geschadet hat es mir ja auch nicht".

Disziplin ist wichtig, weil man sonst nicht am Ball bleibt, aber diese Erkentnis darf man dem Schüler eben nicht "lernen" (im Sinne von "eintrichtern"), sondern man muss es ihn "lernen lassen".
Das ist eine Aufgabe, bei der man dem Schüler allenfalls helfen kann ... dass er so nicht weiterkommt, kann man ihm hundert mal sagen ... man kann es von Engelschören singen lassen (oder von Taylor Swift und Ed Sheeran) ... es kommt trotzdem erst richtig an, wenn der Schüler das selbst merkt.

"Nein", "Nein", "Nein" ... mal als kleiner Vorrat für Eltern ... ein sehr wichtiges Wort ... man kann es zum Beispiel einsetzen, wenn der Nachwuchs sagt "darf ich raus zum Spielen"? bevor die Hausaufgaben erledigt sind.
Und immer dran denken: Erzieher sind KEINE Freunde. Bei erziehereischen Tätigkeiten ist es normal, dass das Kind den Erzieher zwischendurch mal hasst. Das ist nicht "Oh Gott", sondern völlig normal. Der Erzieher ist lange zeit einfach nur der, der mir meinen Willen verwehrt ... dass es dabei darum geht, dass man nicht immer seinen Willen durchsetzen kann und das aushalten muss, davon ahnen die meisten Kinder noch nichts. Die finden es erstmal doof, das "die mir schon wieder irgendwas verbieten oder vorschreiben wollen".
 
Ja, der gute alte "innere Schweinehund" bzw. die gute alte Selbstdisziplin...

Oder, wie ich so gern sage: unser Belohnungssystem im Gehirn (sorgt für die Ausschüttung - oder eben das Drosseln - von Glückshormonen bei gewissen Verhaltensweisen)

Irgendwann mal im Laufe der Evolution war das sehr sinnvoll... aber heute steht es uns doch meistens im Weg.

Ist das gleiche, wie mit dem Drang zu essen: das hat früher unseren Vorfahrern echt geholfen. Wer nämlich nicht zulangte, wenn es (ausnahmsweise) mal was zu futtern gab, der hat schlechter überlebt...

Heute geht dieses System saftig nach hinten los (wie die meisten von euch an den zu vielen Kilos auf der Waage werden erkennen können).

Was tut man dagegen? Keine Ahnung... ein grosses Problem ist, dass unsere Gesellschaft uns nicht darauf trimmt, damit umzugehen. Wer lehren uns, nicht nackt auf der Strasse herumzulaufen... aber dass wir unseren Kindern beibringen, bei zuviel Kilos auf den Rippen (=> Differenz zur Idealfigur) tatkräftig und wirkungsvoll mal ein paar Wochen/Monate erfolgreich Diät zu machen, und dass diese Strategie eigentlich völlig normal sein sollte und nichts "besonderes"... leider Fehlanzeige.

Das gleiche mit der Selbstdisziplin. Eigentlich ist es jedem selbst überlassen das zu "lernen"... bloss: wie? Manche haben Glück glaube ich, und schauen es sich einfach von Vorbildern ab, wie den Eltern.

Faulheit war evolutorisch mal sehr sinnvoll (Schonung der eigenen Kräfte/Resourcen, damit sie dann da waren, wenn man sie wirklich brauchte). Aber heute...?

Ich hab' leider auch keine Lösung... Man kann das Belohnungssystem "vor den Karren spannen", indem man das Üben zu etwas angenehmen macht, bzw. lernt, es so zu sehen. Wie das gehen kann? Ist bestimmt hochgradig individuell... aber sicher möglich. Viele Beiträge hier gehen ja in diese Richtung.

Oder man lernt, das Belohnungssystem und dessen Einfüsterungen zu ignorieren (?) Wie ein Junkie, der sich von seinem Suchtmittel entwöhnt. Das scheint auch zu funktionieren, zu einem gewissen Grad.

Mir fällt das Üben aus einem Grund relativ leicht: ich weiß, dass ich schnell (sehr schnell) vorankomme, dank Übestrategien und -Techniken, die ich mir selbst erarbeitet habe. Ich seh' also recht schnell Erfolge (=Ausschüttung von Glückshormonen=das BS ist zufrieden).

Und obwohl ich mich als in vielen Teilen als "erfolgreichen Menschen" sehen muss und kann, würde ich trotzdem sagen, dass das Belohnungssystem und dessen Mechanismen mir doch meinen Erfolg etwas verhagelt haben im Leben.

(Aber - fairerweise dazugesagt - auch für viel Freude im Leben gesorgt haben.)
 
@Dreiklang
Am Ende deines Beitrages hätte ich beinahe geschrieben, "dass lernen ja irgendwann mal einen evolutionären Vorteil geboten hat ... aber heute?". Das wäre aber rein polemisch gewesen. Am Ende kommt noch ein kurzer Gedanke dazu.

Übung bedeutet ja auch, dass man zwischendurch etwas vielleicht nicht ganz so angenehmes macht, damit man dann etwas anderes "besser" machen kann.
Wenn das klappt, dann triggert das auch das Belohnungssystem.
Letztlich wird das ja schon getriggert, wenn man merkt, dass eine Übung langsam immer weniger unangenehm ist und immer leichter von der Hand geht.

Wenn ich am Klavier sitze, und bemerke, dass ich meinen Händen eigentlich nur beim "Herumkneten im Tonraum" zusehe, und dabei Musik höre, die mich berührt, dann sind das für mich Momente größter Glückseeligkeit, die mich für jede Qual doppelt und dreifach entschädigen.

Deswegen improvisiere ich so gerne ... mit eingstudierten Stücken erreiche ich diesen Zustand nicht.


Idealgewicht (Körpergröße in cm minus 100, und davon nochmal 10% abziehen) ist eine Sache der Überflussgesellschaft. In Gesellschaften, wo es nicht gesichert ist, dass jeder irgendwie was zu beißen bekommt, hast du auch andere Schönheitsideale (und weniger Probleme mit Essstörungen).

Mal ein sehr polemisches Beispiel ... Heidi Klum mag nett anzusehen sein ... aber die bringt deine Kleinkinder nicht durch einen harten Winter, denn dafür bräuchte sie Reserven, die sie nicht hat ... die sie in der modernen westlichen Gesellschaft aber auch nicht braucht ... denn da liegen die Reserven im Supermarkt und man braucht keine Erfahrung und kein Jagdgeschick ... nur genügend Geld.

Statt Fettpölsterchen am Körper sind mittlerwiele eher Geldpolster auf dem Konto oder eine gute Kreditwürdigkeit wichtig, damt man den Nachwuchs aus dem Gröbsten raus bekommt.
Früher musste man Geld haben, um sich Fettpolster leisten zu können ... heute muss man sich leisten können, diese Polster regelmäßig entfernen zu lassen, wenn man schon nicht die Disziplin aufbringt, ihre Entstehung zu verhindern.

Disziplin ist für die Moderne zu antihedonistisch.
 
Disziplin ist für die Moderne zu antihedonistisch.
Dennoch... im Grunde wäre sie angesagt. Meine Lieblings-KI (ChatGBT) hat mal gesagt:
"Früher war der Mensch ein Überlebenskünstler - heute müsste er lernen, ein Zivilisationskünstler zu sein".

Und da ist viel Wahres dran.
 
Also Folgendes: ( keine Ahnung, ob ich dies schon mal geschrieben habe):
Mein Miniaturbullterrier Pauline ist grundsätzlich mit im Unterricht - man kann sie auf dem Bild links betrachen ( ich muss zum Glück nicht an einer Musikschule o.ä. unterrichten). Zwecks Beschäftigung und damit sie sich vom Mitunterrichten erholen kann, kriegt sie manchmal was zu knabbern.
Der große Rinderknochen, der einmal neben dem Klavier lag, veranlasste den hereintretenden kleinen Schüler zur Frage: " Was ist denn das?"
Meine Antwort: " Das war Emil, der hat nicht genug geübt." So weit konnte die Klappe gar nicht runterfallen...Dann natürlich gleich großes Gelächter. Mama war dabei, lachte nicht weniger.
So geht Disziplin.
 

Vielleicht ein zu philosophischer Gedanke, der zu weit weg führt.

Wenn ich Evolution als Anpassungsprozess an Lebensumwelten begreife, dann ist der Mensch noch immer Überlebenskünstler ... er hat seine Lebensumwelt nur durch Zivilisation erweitert ... und passt sich nun eben an diese Lebensumwelt an.

Ich finde, dass man die menschliche Zivilisation und Evolution nicht getrennt denken sollte. Die menschliche Evolution hat ja nicht aufgehört, nur weil wir jetzt Zivilisation haben, und diese viele natürliche Evolutionsfaktoren ausgehebelt hat.
Der große Rinderknochen, der einmal neben dem Klavier lag, veranlasste den hereintretenden kleinen Schüler zur Frage: " Was ist denn das?"
Meine Antwort: " Das war Emil, der hat nicht genug geübt."
Da hast du Disziplin und Humor kunstvoll miteinander verbunden.
Sogar die Erzählung ließ mich spontan prusten vor Lachen ... zum Glück war der Schluck Kaffee da schon runtergeschluckt.

Wenn dir sowas im Unterricht öfter passiert, könnte das bei dir ja richtig Laune machen.
 
Die Grundidee finde ich gar nicht schlecht: "Klavierüben ist überlebensnotwendig" :004:

... wer das verinnerlicht, dem wird es leicht fallen, heute abend fleissig zu üben :026:

Die menschliche Evolution hat ja nicht aufgehört, nur weil wir jetzt Zivilisation haben, und diese viele natürliche Evolutionsfaktoren ausgehebelt hat.
Jo... wir stecken gerade in einer Evolutionsphase, wo sich für den Menschen vieles erst "seit einem Wimpernschlag" verändert hat (Überflussgesellschaft usw.), deswegen würde ich auch so gerne 2.000 Jahre in der Zukunft leben, da wird sicher so einiges anders sein. Führt aber zu weit vom Thema ab.
 
Violina war unmotiviert.
Ich denke, dass wird mir nicht gerecht. Ich war keineswegs unmotiviert, sondern undiszipliniert. Das hängt zwar zusammen, wie in diesem Thread auch schon bemerkt worden ist, aber ich musste echt erst mal verstehen, wie diszipliniertes Üben funktioniert. Ich denke, es wäre gut gewesen, wenn der Lehrer direkt in der allerersten Stunde einmal Klartext mit mir gesprochen hätte, indem er mir gesagt hätte, dass das Lernen eines Instruments harte Arbeit ist, dass man zum Üben viel Disziplin braucht und was das praktisch bedeutet, hätte man mir dann durch gemeinsames Üben zeigen müssen. Nun habe ich leider beim ersten Lehrer wirklich keine Disziplin gebraucht, weil das ein absoluter Larifari-Unterricht war. (Der Lehrer war ein Amateur-Cellist auf mittlerem Niveau.) Ich denke, dass der zweite Lehrer gut gewesen wäre, wenn ich nicht solche Angst gehabt hätte.
Ich muss sagen, durch das Schreiben dieses Threads und Reflektieren und Nachdenken aufgrund eurer Fragen, wächst in mir die Vermutung, dass ich Disziplin wahrscheinlich bei jedem guten Lehrer gelernt hätte, auch ohne 60 minütige Tortur mit einer stumpfsinnigen Übung. Ich glaube, es wäre nur notwendig gewesen, dass der Lehrer mir zeigt, wie ich üben soll, mit mir zusammen übt, mich dabei am besten gezielt Dinge üben lässt, die anstrengend sind, ziemlich hartnäckig ist und natürlich dass ich keine Angst vor ihm habe.
 
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Ich denke, es wäre gut gewesen, wenn der Lehrer direkt in der allerersten Stunde einmal Klartext mit mir gesprochen hätte, indem er mir gesagt hätte, dass das Lernen eines Instruments harte Arbeit ist, dass man zum Üben viel Disziplin braucht
Für mich wäre das nichts gewesen.
Es ist schon so anstrengend genug, täglich das Üben in den Tagesablauf einzubauen. Das darf und soll die ersten Monate, vielleicht sogar das erste Jahr gern so sein, dass es vor allem Spaß macht.
Irgendwer meinte, seine Lehrerin wollte anfangs nur, dass er sich täglich ans Klavier setzt. Für den Anfang reicht das wirklich. Ich war die ersten zwei Jahre immer auch froh, wenn Ferien waren.
Dann irgendwann später, kann man den weniger spaßigen Teil, für den man mehr Disziplin braucht, gern langsam erhöhen. Und halt dann klar dazu sagen, dass das den meisten Schülern weniger Spaß macht, dass das aber wichtig ist, wenn man weiter kommen will.

Und es kommt immer noch vor, dass es mir hilft, wenn wir eine Stunde im Unterricht üben, weil ich dann halt selbst weniger Disziplin dafür brauche, als wenn ich allein übe. In der Stunde sind wir dann das härteste Stück zusammen gegangen, dann geht es auch ohne Lehrer weiter.
 
Das darf und soll die ersten Monate, vielleicht sogar das erste Jahr gern so sein, dass es vor allem Spaß macht.
Irgendwer meinte, seine Lehrerin wollte anfangs nur, dass er sich täglich ans Klavier setzt. Für den Anfang reicht das wirklich. Ich war die ersten zwei Jahre immer auch froh, wenn Ferien waren.
Dann irgendwann später, kann man den weniger spaßigen Teil, für den man mehr Disziplin braucht, gern langsam erhöhen.
Entschuldigung, aber das ist doch Quatsch.

Wenn man nicht übt bzw. nur irgendwie so "spielt" als Anfänger, kann man doch auch nichts spielen, was Spaß macht, weil man einfach zu schlecht ist!
Der Spaß kommt doch erst, wenn man Arbeit geleistet hat und dies Ergebnisse zeitigt, so dass man anfängt zu denken: "Mensch, so langsam kann man sich das durchaus anhören, was ich hier spiele!"

Diese Form des "Spaßes", der ohne wirklichen Einsatz zustande kommt, ist doch nur was für ausgesprochen schlichte Gemüter ohne jeglichen Anspruch, sorry.
 
Das darf und soll die ersten Monate, vielleicht sogar das erste Jahr gern so sein, dass es vor allem Spaß macht.

Dann irgendwann später, kann man den weniger spaßigen Teil, für den man mehr Disziplin braucht, gern langsam erhöhen.
Also ich finde, je schneller man lernt, desto mehr Spaß macht es, zumindest wenn man auch Stücke spielen darf, die man mag. Daher halte ich es nicht für zielführend anfangs Larifari-Unterricht zu machen und erst später zur Sache zu kommen. Es mag natürlich Schüler geben, die das anders sehen. Das ist ok. Es bekommt ja auch nicht jeder den gleichen Unterricht.
 

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