Tonsatz lernen

Das g wäre gewissermaßen eine Verausnahme. Gab es die schon zu der Zeit?
Vorausnahmen gibt es im Frühbarock. Ob aber in diesem Zusammenhang?

Noch zu den "merkwürdigen Verrenkungen" im Bach-Satz:

i5svt4bg.jpg

Weiß jetzt nicht, ob das so gut ist. Außerdem wäre hier meine Frage: was ist denn da nun Baß, das d oder h-g?

Auf jeden Fall ist das mit den Hälsen nach unten der Baß. Also im letzten Takt auf dem ersten Viertel h-g.
Da bei dem Satz das Orchester mitspielt und der Kontrabaß die Baßstimme eine Oktave tiefer mitspielt, ist das h-g auch ganz klar als unterste Stimme zu hören.

Das d im Tenor ist ein Schreibfehler, das muß ein e sein. Dann klingt es wunderbar melodisch und überhaupt nicht nach "Verrenkung".
 
Da bei dem Satz das Orchester mitspielt und der Kontrabaß die Baßstimme eine Oktave tiefer mitspielt, ist das h-g auch ganz klar als unterste Stimme zu hören.
ach, das ist ja interessant. Solche Fälle der Stimmkreuzung von Baß und Tenor gibt es in den Bachchorälen öfters. Kann ich immer davon ausgehen, daß da noch ein Baß drunter liegen soll?

Das d im Tenor ist ein Schreibfehler, das muß ein e sein. Dann klingt es wunderbar melodisch und überhaupt nicht nach "Verrenkung".
Woher weißt Du das? Mit e im Tenor, könnte dieser sogar als korrekter Baß durchgehen.

Also, vielen Dank und wenn es von keiner Seite weitere Anmerkungen gibt, mache ich mich mal an den nächsten Satz...
 
ach, das ist ja interessant. Solche Fälle der Stimmkreuzung von Baß und Tenor gibt es in den Bachchorälen öfters. Kann ich immer davon ausgehen, daß da noch ein Baß drunter liegen soll?
Ein großer Teil der Bachchoräle stammt aus Kantaten und ähnlichen instrumentierten Werken. Da ist immer ein Kontrabaß dabei.

Manchmal läuft die Orchesterbaßstimme sogar noch etwas anders als der Chorbaß (siehe Beispiel unten).

Woher weißt Du das? Mit e im Tenor, könnte dieser sogar als korrekter Baß durchgehen.
In meiner Ausgabe steht ein e.
Ich habe aber noch vorsichtshalber im Autograph nachgesehen:
http://imslp.nl/imglnks/usimg/9/90/...tmas_Or__BWV_248__Autogr.bachdig850_Part1.pdf
 

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Gerade sehe ich erst die Änderung beim Übergang Takt 7-8. Da sind jetzt Quintparallelen zwischen Alt und Baß drin.

mh6mm78o.jpg
 
Dann so:

t3n6l2si.png


ich wollte die "böse Sept" vermeiden, wo sich das e in das schon vorhandene d auflöst. Ich finde das klanglich ganz gut, aber ob Praetorius das auch gut fand?
Man kann den Vorhalt zwar ganz unterlassen, aber es wird in mehreren Büchern betont, daß in jeder Kadenz - auch der phrygischen - die Synkopendissonanz (2-3 bzw. 7-6) als Signalakkord anzustreben ist.

Ich persönlich hätte klanglich auch keine Probleme, das c im Alt liegen zu lassen. Dann hätte man aber einen d-7 vor dem E-Dur. Weiß nicht... Außerdem hat man dann so viele Dissonanzen bei "gute neue Mär". Hm...
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerade sehe ich erst die Änderung beim Übergang Takt 7-8. Da sind jetzt Quintparallelen zwischen Alt und Baß drin.
Und über den Auftakt beginnt die nächste Textzeile mit kaum verdeckten Oktavparallelen, weil alle Stimmen aufwärts geführt werden. Tipp: Im einfachen Kantionalsatz die Außenstimmung in Gegenbewegung führen. Wenn bei den parallel geführten Stimmen Mittelstimmen beteiligt sind und ansonsten möglichst viel Selbständigkeit der Stimmführung angestrebt wird, ist das Ergebnis ein besseres. Übrigens können sich auch in Gegenbewegung bei Fortschreiten in den perfekten Konsonanzen Prime, Quinte und Oktave (auch oktaviert) sogenannte Antiparallelen ergeben - dagegen funktioniert leider kein Trick.

Warum in Vorklassik und Klassik parallel geführte perfekte Konsonanzen so ungebräuchlich und verpönt waren? Weil sich die Mehrstimmigkeit über die Zwischenstation des Parallelorganums (Saint-Martial- und Notre-Dame-Schule) herausgebildet hat, die mit einer möglichst selbständigen Führung der melodischen Linien einhergeht. Plötzliches Abgleiten in eine neuerliche Parallelführung der Stimmen wird dann als Rückschritt in ein früheres Zeitalter empfunden. Musiktheoretiker, die daraus Regeln ableiteten, kamen meist erheblich später zu Wort. Im neunzehnten Jahrhundert wandelte sich diese zeitliche Trennung zwischen Musizierpraxis und Satzlehre - nicht zufällig entstand damals die Institutionalisierung der Musikerziehung im heute gewohnten Sinne, indem Ausbildungsstätten für Musikberufe gegründet und aktuelle Satztechniken als gegenwartsnahes Lehrfach unterrichtet wurden. Spätestens im zwanzigsten Jahrhundert kamen Theorie und Praxis im Umfeld der Schönberg-Schule komplett zur Deckung, indem die Satzweise parallel unterrichtet und kompositorisch angewandt wurde. Davon war man natürlich zur Bach- und Vor-Bach-Zeit noch weit entfernt.

Trotzdem ist's mein Reden: es ist unglaublich schwierig, hier ohne Parallelen rauszukommen. Nochmal die Frage: ist es nicht metrisch schlecht, die Subdominante bis zum dritten Schlag zu halten und dann nur ein Viertel Dominante?
Wenn die Stimmen mit nur geringer Zeitverzögerung letztlich doch parallel weiterlaufen, funktioniert kein Trick. Wenn die Harmonisierung frei wählbar ist, prüfe man Alternativen. In der Regel ist die Gefahr, störende Parallelen zu erhalten, dann am größten, wenn sich zwischen Melodie- und Akkordgrundton Parallelen ergeben würden. Der zu harmonisierende Ton sollte im beständigen Wechsel mal Terz-, mal Quint-, mal Grundton oder bei ruhigem Tempo auch Durchgangsnote sein. Klingt kompliziert? Ist es auch mitunter - aber es kann reizvoll sein, dieses nicht immer leicht zu behandelnde Tonmaterial zu bändigen. Wenn es ziemlich viele vor uns geschafft haben, warum sollte uns das nicht gelingen? In diesem Sinne frohes Schaffen und frohe Ostern!

LG von Rheinkultur
 
Und über den Auftakt beginnt die nächste Textzeile mit kaum verdeckten Oktavparallelen, weil alle Stimmen aufwärts geführt werden.
Man kann das tatsächlich vermeiden, indem man den Aufwärtssprung im Baß nach hinten verlegt:

ina39jva.png

Ist das denn besser? Ich fand den weicheren Neueinstieg über einen Sextakkord ja auch ganz angemessen.

In der Regel ist die Gefahr, störende Parallelen zu erhalten, dann am größten, wenn sich zwischen Melodie- und Akkordgrundton Parallelen ergeben würden. Der zu harmonisierende Ton sollte im beständigen Wechsel mal Terz-, mal Quint-, mal Grundton oder bei ruhigem Tempo auch Durchgangsnote sein.
Da liege ich doch gar nicht schlecht. Ich habe jetzt mal die jeweilige Akkordlage über die Melodie geschrieben. Wechselt sich doch ganz gut ab, oder? (edit: in Takt 3 muß es natürlich 1/3 heißen...)

...und hier in Stereo, da kann man die Stimmen besser verfolgen.

77yoouvu.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Also, ich wäre an einigen Stellen nicht ganz d'accord. Die Frage ist einfach, an welchem Stil sich der Satz orientiert.
Was sicher problematisch ist: T. 8 auf 9 ergibt Inversparallelen zwischen S und B.
 
An der gleichen Stelle ist auch die Stimmführung zwischen Sopran und Tenor problematisch.

Grüße
Manfred
 

Die Frage ist einfach, an welchem Stil sich der Satz orientiert.
"Alt" halt. Eher Haßler als Bach.

T. 8 auf 9 ergibt Inversparallelen zwischen S und B.
Was schlägst Du denn vor? Ich habe nach dem "Halbschluß" in a-moll nicht viele Möglichkeiten, weiterzugehen - m.E. a-moll oder F-Dur. Die andere Lösung (mit g# im Baß) wurde ja auch schon kritisiert.

C-Dur wäre auf dem letzten Viertel in T8 auch gut, nur bekäme ich dann eine Chromatik g#-g im Tenor, die wohl nicht so stiltypisch ist. Und für einen Haßler-artigen Querstand fehlt mir der Platz in den Stimmen.
 
Auf dem letzten Viertel von Takt 8 a-Moll, im nächsten Takt F-Dur+ d-Moll.
 
Auf dem letzten Viertel von Takt 8 a-Moll, im nächsten Takt F-Dur+ d-Moll.
könnte von mir sein ;-)
nee, auf sowas Naheliegendes kommt der Piet mal wieder nicht. Irgendwie scheint mir der D->T Schritt immer von leicht nach schwer vorbehalten. Aber gerade in alter Musik ist das wohl nicht so stark, oder?

Sieht an der Stelle jetzt also so aus:
yytncfp8.jpg
 
Den Sextsprung aufwärts im Bass würde ich nicht machen. Besser das a im Tenor doppeln, sonst sind die verdeckten Oktaven zwischen Alt und Bass schon sehr heftig. Und besonders sanglich ist so ein Sprung ja auch nicht.
 
Und besonders sanglich ist so ein Sprung ja auch nicht.
Das sehe ich aber anders. Gerade, weil das e vorher schon da war, finde ich das f sehr leicht zu finden. Und eine kleine Sexte aufwärts war doch ausdrücklich immer erlaubt. Bei der Lösung g#-a, e-a hätte bestimmt auch jemand die gerade Bewegung bemängelt, oder? Ich würde das jedenfalls tun, weil die Kraft des Leittons damit entwertet wird.
 
Bei der Lösung g#-a, e-a hätte bestimmt auch jemand die gerade Bewegung bemängelt, oder? Ich würde das jedenfalls tun, weil die Kraft des Leittons damit entwertet wird.

Das sehe ich über ein Zeilenende hinweg völlig unproblematisch, zumal die phrygische Wendung den Leittoncharakter des gis mehr oder weniger ausblendet.

Aber ich bin nun gespannt, wie viele Literaturbeispiele aus der Hassler-Zeit du auf Anhieb beibringen kannst, in denen im Bass eine Sexte aufwärts vorkommt ...
 
Das sehe ich über ein Zeilenende hinweg völlig unproblematisch, zumal die phrygische Wendung den Leittoncharakter des gis mehr oder weniger ausblendet.
Das ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Durch die leichte Zählzeit ist das a-moll auch nicht wirklich ein Zielpunkt.

Aber ich bin nun gespannt, wie viele Literaturbeispiele aus der Hassler-Zeit du auf Anhieb beibringen kannst, in denen im Bass eine Sexte aufwärts vorkommt ...
mal kucken... ;-)
 

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