Schumanns "Träumerei" traditionell zu langsam?

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Ich frage mich aber, warum ein Komponist überhaupt so ein strenges Korsett, wie Metronomzahlen, vorgibt und sich nicht auf Tempoangaben, wie von @jannis erwähnt, beschränkt. Verzeiht mir meine Naivität und zerrupft mich nicht!
Vielfach existiert beides auf dem Papier: Angaben zu Tempo und Charakter der Musik einerseits und eine exakte Metronomzahl andererseits. Eine solche Metronomzahl bildet die vorgegebene Richtgeschwindigkeit ganz präzise ab, wobei das in der Musizierpraxis kein "strenges Korsett" darstellt, da der Interpret diese Vorgabe ja nicht starr und mechanistisch umsetzen wird. Verbale Spielanweisungen sind weniger präzise: "Andante" soll mit "gehend" übersetzt werden? Ist schnelleres oder langsameres Gehen gemeint? Jeder ist unterschiedlich gut zu Fuß und deutet die Anweisung auf seine eigene Weise. Bei einer exakten Zahl sieht das anders aus: Zumindest auf dem Metronom einstellen und auf Brauchbarkeit überprüfen sollte man diese schon. Wer dann eine solche Angabe modifiziert oder ignoriert, sollte begründen können, warum er das tut.

LG von Rheinkultur
 
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Was soll man da begründen, ausser [1] ich kann es nicht schneller oder [2] dieses Tempo gefällt mir so besser ...... [3] alles Andere ist nur überhebliches bla bla bla gegenüber dem Komponisten.
[1] das nennt man dann halt Unvermögen :-D
[2] da tut dann einer so, als wisse er im Werk eines Komponisten besser Bescheid als dieser selber :-D
[3] @Steinbock44 was genau meinst du mit diesem Blabla?
 
[1] das nennt man dann halt Unvermögen :-D
[2] da tut dann einer so, als wisse er im Werk eines Komponisten besser Bescheid als dieser selber :-D
[3] @Steinbock44 was genau meinst du mit diesem Blabla?
War es nicht auch so, dass die Klaviere/Flügel zu Ludwig´s Zeiten wesentlich leichtgängiger waren.

Arrau hat doch die Waldstein nur unter Vorbehalt öffentlich gespielt, also wenn der Flügel auch entsprechend leichtgängig war.
 
Achso, noch eine Frage zum Oktavenglissando: Beherrscht du es, wenn ja, wie kann man das üben?
was hat das mit Schumanns Tempi zu tun?

damit @Roodol Foa Npadre nicht plärrt:
Doppelgriffglissandi sind gar nicht so selten (Beethoven, Liszt (Etüden, Transkriptionen), Ravel usw.) - wenn der Doppelgriff eine Oktave ist, dann muss man halt deutlich weiter als nur eine Oktave greifen können, denn entweder der Daumen (von außen nach innen) oder der 5.Finger (von innen nach außen) muss ziemlich schräg gestellt sein; obendrein dürfen die Finger nicht fest fixiert sein, sondern eher weich/flexibel. Wer keine Dezime grifen kann, braucht ein Oktavglissando gar nicht erst probieren (aber die schönen Sextenglissandi aus Liszts E-Dur Paganinietüde sind dann trotzdem machbar, dito die Terzglissandi aus der Berlioz/Liszt fantastique) - - und zu "üben" gibt´s da nüscht, denn über die Tasten rutschen ohne sich aua zu machen, ist eigentlich trivial (nur Deppen holen sich da Blasen oder sonstige Wehwechen)
 
Was soll man da begründen, ausser ich kann es nicht schneller oder dieses Tempo gefällt mir so besser ...... alles Andere ist nur überhebliches bla bla bla gegenüber dem Komponisten.

Etwas Überheblicheres als "gefällt mir so besser" ist doch kaum denkbar. Das arbeitsintensive Bemühen um ein möglichst genaues Werkverständnis wird ganz einfach durch Willkür ersetzt. Die eigene Bequemlichkeit stellt man damit über den Willen des Komponisten.

Genau zu diesem Thema fällt mir eine Begebenheit ein, die ich vor eineinhalb Jahren in einem Dirigierkurs erlebt habe. Auf dem Programm stand u.a. Beethovens Coriolan-Ouvertüre. Ein Teilnehmer (mit bereits abgeschlossenem Dirigierstudium!) hat das Werk in der morgendlichen Klavierprobe in rasendem Tempo begonnen und wurde dann beim Seitenthema beinahe um die Hälfte langsamer. Auf die Frage unseres Maestros, wie er zu dieser eigenwilligen "Interpretation" käme, sagte er nur: "Ich empfinde das so."

Offensichtlich war das keine besonders gute Antwort - am Nachmittag beim Unterricht mit Orchester hatte unser Kurs nämlich einen Teilnehmer weniger. :bye:

LG, Mick
 
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Offensichtlich war das keine besonders gute Antwort - am Nachmittag beim Unterricht mit Orchester hatte unser Kurs nämlich einen Teilnehmer weniger. :bye:

LG, Mick

Ist das denn üblich, dass man für eine nicht gefällige (sei es gar eine falsche) Antwort des Kurses verwiesen wird? Wozu gibt es dann das Konzept "Kurs"? Ohne weitere Kontext-Infos klingt das für mich nicht gerade bewundernswert, eher nach Indoktrination mit bereits sichtbaren Folgen bei den Teilnehmern.
Für mich fasst diese Begebenheits-Anekdote eher kurz und prägnant alle Vorurteile zusammen, die man als Laie über den Musikbetrieb so hat. Oder ich versteh unter Kurs etwas anderes - OK, wenn ich alle Leute aus Mathe-Tutorien geworfen hätte, die mir blöde Antworten gegeben haben, dann gäbe es keine BWL-Absolventen mehr, auch gut.
 

Auf die Frage unseres Maestros, wie er zu dieser eigenwilligen "Interpretation" käme, sagte er nur: "Ich empfinde das so."

Offensichtlich war das keine besonders gute Antwort - am Nachmittag beim Unterricht mit Orchester hatte unser Kurs nämlich einen Teilnehmer weniger. :bye:

LG, Mick

Ja nu, wenigstens hat er eine ehrliche Antwort gegeben, so in Sinne, so gefällt es mir besser (sein Subjektives empfinden). Nur so neben bei, da müsste man einige Interpreten mit eigenwilligen Tempis ausschliessen (inkl. Glenn Gould, Horowitz u.ä.). Sehr wahrscheinlich hätte Glenn Gould auch die Antwort gegeben: ich empfinde Bachs Musik so (peng und aus) ;-)
 
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Nur so neben bei, da musst du einige Interpreten mit eigenwilligen Tempis ausschliessen (inkl. Glenn Gould, Horowitz u.ä.).
@Steinbock44
nur so nebenbei: hat Gould die Kinderszenen gespielt? Das würde mich interessieren! ...und der alte Horowitz durfte sich bezgl. seiner Kinderszenenaufnahme von Pierre Boulez anhören "was der Alte da macht, geht zu weit" :-D allerdings muss man dazu wissen, dass Boulez damit mehr die Dynamikkontraste von Horowitz als dessen Tempowahl meinte (und was die Träumerei betrifft, so ist diese in der Kinderszenenaufnahme gottlob nicht so träge verschnarcht, wie bei sehr vielen (allerdings langsamer als Schumanns Metronomvorgabe))
 
nur so nebenbei: hat Gould die Kinderszenen gespielt? Das würde mich interessieren!">
nur so nebenbei: hat Gould die Kinderszenen gespielt? Das würde mich interessieren!

Ja. Aber die Aufnahme konnte nie veröffentlicht werden, weil der Gesang von Gould und das Knarzen seines Klavierstuhls die Musik übertönte:angst::-D.">

Ja. Aber die Aufnahme konnte nie veröffentlicht werden, weil der Gesang von Gould und das Knarzen seines Klavierstuhls die Musik übertönte:angst::-D.
 
Offensichtlich war das keine besonders gute Antwort - am Nachmittag beim Unterricht mit Orchester hatte unser Kurs nämlich einen Teilnehmer weniger. :bye:

Und "der Maestro" wurde danach nur noch "der Metronomnazi" genannt?
Kann mich @Andre73 nur anschließen. Eine "doofe" Antwort ist kein Grund, jemanden aus einem Kurs rauszuekeln oder gar rauszuschmeißen.
 
Auf die Frage unseres Maestros, wie er zu dieser eigenwilligen "Interpretation" käme, sagte er nur: "Ich empfinde das so."

Offensichtlich war das keine besonders gute Antwort - am Nachmittag beim Unterricht mit Orchester hatte unser Kurs nämlich einen Teilnehmer weniger.

Ist das denn üblich, dass man für eine nicht gefällige (sei es gar eine falsche) Antwort des Kurses verwiesen wird? (...) Für mich fasst diese Begebenheits-Anekdote eher kurz und prägnant alle Vorurteile zusammen, die man als Laie über den Musikbetrieb so hat.
Diese Schlussfolgerung trifft nicht zu - warum? Von einem Hochschulabsolventen muss man eine fachgerechte und fundierte Argumentation erwarten können, warum er seine Interpretation so befremdlich anders als üblich anlegt - und man fragt nach, wenn man in musikalischer Hinsicht einer so abseitigen Vorstellung nicht folgen kann, solange man im Lernprozess begriffen ist. Wenn man aber in der realen Welt des Bühnen- und Konzertbetriebs so einen offensichtlichen Unsinn abliefert, wird man meist ohne Rückfrage sofort an die Luft gesetzt.

Das ist das eine. Das andere ist im Falle des Dirigierkurses: Bei einer fragwürdigen Vorgabe bei einer Klavierprobe guckt nur der Pianist verwundert. Dasselbe Szenario mit einem Orchester führt zu einem Fiasko, das gleich Dutzende von Musikern auf die Palme bringt. In Berufsorchestern verfügen alle Ensemblemitglieder ihrerseits über ein abgeschlossenes Studium und solistische Podiumserfahrung und erteilen meist selbst Unterricht - die erkennen sofort die etwaige Inkompetenz auf der anderen Seite und reagieren mitunter noch schroffer als viele Kapellmeisterkollegen.

Noch schlimmer ist nur noch offensichtliche Beratungsresistenz. "Ich empfinde das so" heißt übersetzt, ich will das eben so haben und es ist mir egal, was die anderen davon halten. Selbst die Vorgaben des Komponisten interessieren mich nicht. Das aber ist etwas gänzlich anderes als der Außenseiterstatus des Pioniers und Vorreiters, der seiner Zeit meilenweit voraus ist und absehen kann, dass er sich mit Substanz eines Tages etablieren wird.

LG von Rheinkultur
 
Oder ich versteh unter Kurs etwas anderes - OK, wenn ich alle Leute aus Mathe-Tutorien geworfen hätte, die mir blöde Antworten gegeben haben, dann gäbe es keine BWL-Absolventen mehr, auch gut.
In diesem Falle handelte es sich um einen Meisterkurs, dessen Teilnehmer bereits als (zumindest angehende) Berufsmusiker tätig sind - also kein Terrain für Anfängerfehler. Das wäre wie mit Pippi Langstrumpf im Mathematik-Tutorium: Wer nicht einmal das kleine Einmaleins und die Grundrechenarten beherrscht, wäre bei Euch gleichermaßen fehl am Platze - BWL-Absolventen werden sich bestimmt nicht mit dem Mathe-Stoff der dritten Grundschulklasse abgeben.

LG von Rheinkultur
 
Hallo Clavionisten!

Es freut mich, auf clavio mal wieder Beiträge mit Substanz über die Themen Musik und Klavier zu lesen. Vielen Dank @jannis für Deinen lehrreichen Ausflug in die geschichtliche Entwicklung der Tempovorgaben in der Musik. Gibt es vielleicht Literatur über dieses Thema, die für mich als PianoAmateur verständlich und interessant wäre?
 
Noch schlimmer ist nur noch offensichtliche Beratungsresistenz. "Ich empfinde das so" heißt übersetzt, ich will das eben so haben und es ist mir egal, was die anderen davon halten. Selbst die Vorgaben des Komponisten interessieren mich nicht. Das aber ist etwas gänzlich anderes als der Außenseiterstatus des Pioniers und Vorreiters, der seiner Zeit meilenweit voraus ist und absehen kann, dass er sich mit Substanz eines Tages etablieren wird.

Jawollja!!
Die meisten, die so reden, haben sehr oft nicht das Werk im Zentrum ihres Blickfelds, sondern die eigene Eitelkeit.
Und andere kaschieren mit so einer Aussage, dass sie es eben nicht richtig können, und dann werden Interpretationsfehler eben mit "künstlerischer Freiheit" begründet.
Ich habe einen Bekannten, der das unsägliche (ja, das ist meine Meinung) "Pirates of the Carribean" von Jarrod Radnich völlig unrhythmisch spielt und teilweise übelst runtergurkt. Man hört zwar, dass er es definitiv nicht richtig kann, aber er ist von sich selber begeistert und faselt eben von erwähnter "künstlerischer Freiheit"...
Mir fällt auf (und zwar in vielen künstlerischen Bereichen): Das fundierteste Wissen und Können haben oft diejenigen, die am wenigsten damit Hausieren gehen...
 

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