Schumanns "Träumerei" traditionell zu langsam?

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Was meinst du mit "die Fermaten sauber abschlägt"? Wenn Beethoven das rhythmisch exakt durchgezählt haben wollte, dann hätte er das sicher so notiert
hat er ja: mit Fermate ;-)
Es gibt eben auch diese Bedeutung der Fermate: genau auszählen und dann abrupt Schluß. Und die Spannung bis zum Ende aufrechthalten, den Ton nicht abklingen lassen. Kurz: den notierten Notenwert voll ausfüllen. Ich glaube, die hat er hier gemeint und entsprechende Interpretationen klingen m.E. sehr überzeugend. Besonders die versetzten Einsätze direkt im Anschluß kommen viel besser, wenn das rhythmische Grundraster schon gelegt ist.
 
Und ein ritardando vor einer Fermate war zu Beethovens Zeiten nichts Ungewöhnliches
Wo willst Du denn bei ta-ta-ta... ein Ritardando machen? Das verpennen die Bratschen sowieso... ;-)

wieso bist du so sicher, dass er den Rhythmus nicht auch verschleiern wollte? Ich halte beides für möglich.
glaube nicht, daß man das dann so notieren würde. Wenn der Anfang volltaktik klingen sollte - wie es ja meistens ist - könnte man ihn auch so notieren und das letze Achtel in den nächsten Takt überbinden. Dann wäre auch schon für den Musiker deutlich, daß hier was krumm ist. Das würde vielleicht sogar ein Bratscher bemerken. ;-)

Zur Tonart meine ich, daß man c-moll hört. Das kann aber die Hörgewohnheit sein. Läßt sich im Nachhinein nicht klären. Aber derartige Auftakte sind in westlicher Musik wohl eher 5-3 als 3-1 (Tonleiterstufen). Als einziges Volxlied mit Auftakt mi-do fällt mir "nun ruhen alle Wälder" ein und das kann man problemlos nach moll deuten bis das sol auftaucht ("alle").
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
hat er ja: mit Fermate ;-)
Es gibt eben auch diese Bedeutung der Fermate: genau auszählen und dann abrupt Schluß. Und die Spannung bis zum Ende aufrechthalten, den Ton nicht abklingen lassen. Kurz: den notierten Notenwert voll ausfüllen.

Hast du dazu eine Quelle?
Davon habe ich ja noch nie gehört.
Dafür sind doch die Notenwerte da, um anzuzeigen, wie lang man einen Ton ausgehalten haben möchte.
 
Es gibt eben auch diese Bedeutung der Fermate: genau auszählen und dann abrupt Schluß. Und die Spannung bis zum Ende aufrechthalten, den Ton nicht abklingen lassen. Kurz: den notierten Notenwert voll ausfüllen.
Das kenne ich so nicht. Wenn ich als Komponist diese Wirkung erzielen möchte, würde ich die Fermate über die sich an die auszuhaltende Note anschließende Pause schreiben. Damit ergibt sich aus dem Schriftbild, dass mit den Pausen nicht einfach nur der verbleibende Rest des Taktes gefüllt wird, sondern der Interpret in spielbereiter Haltung die Spannung aufrecht erhält, auch wenn nichts zu hören ist.

Das trifft bei der "Träumerei" nicht zu. Im Falle der "Kinderszenen" schließt "Bittendes Kind" nicht mit einem Schlussakkord mit darüber notierter Fermate, der die gesamte Taktdauer von zwei Vierteln ausfüllt. Nein, Schumann notiert keine halbe Note, sondern eine Viertel mit Fermate und komplettiert den Takt mit einer Viertelpause. Warum wohl unterscheidet Schumann so sorgfältig, wie er im Einzelfall den letzten Spannungsbogen enden lässt?

Es gibt andere Werke wie die Papillons op. 2, bei denen mit Fermaten bezeichnete Pausen sehr präzise vorgeben, in welcher Weise der Interpret Spannung erzeugen soll während jener Momente, in denen nichts zu hören, aber sehr wohl etwas zu spüren ist.

Vor diesem Hintergrund ist eine überzeugende Tempowahl bei der "Träumerei" von großer Bedeutung. Gerade weil an anderer Stelle ("Der Dichter spricht") die Unterteilung in Takte tatsächlich zeitweilig aufgegeben wird, darf der musikalische Fluss in Sätzen zu keiner Zeit verloren gehen, in denen ein präziser Ablauf der Ereignisse durchgängig vorgegeben ist. Weder durch ein zu langsames und spannungsarmes Grundtempo, noch durch die nur in der Schlußzeile gerade zweimal vorgeschriebenen Fermaten, noch durch überdosiertes Rubato oder gar unkontrollierbare Temposchwankungen darf die Orientierung im musikalischen Kontext auf der Strecke bleiben. Genau das droht aber bei vielen unbefriedigenden Interpretationen, die dann eben kein "philosophisches Klavierspiel" (im Sinne von Beitrag #28) anbieten, dafür aber ein ungeordnetes Zerfließen musikalischer Abläufe, weil der Interpret selbst keine Ordnung erkannt hat und folgerichtig auch durch sein Spiel keine solche vermitteln kann.

LG von Rheinkultur
 
Hmmn, das Orchester die Beethovens vorgeschriebenen Tempi spielt, muss noch erfunden werden! Ja, Ja die Komponisten sind einfach unfehlbar, ich dachte sowas ist nur den Päpsten zugestanden.
Unfehlbar habe ich nicht gesagt - aber: wenn wir von Fehlern ausgehen, auf was können wir uns dann beruhen?

Argumentiert man mit Fehlern könnte man genauso anmerken, die Harmonien seien falsch oder die taktart. Das ist in meinen Augen nicht sinnig. Die Notation des Tempos ist meiner Meinung nach das geringste, was beim komponieren falsch gehen kann.

Daher: wers nicht greifen kann, solls lassen :teufel:
 
Ist ja schon gut, machen halt aus den Noten heilige Werke. Auch Herr Horowitz hat in einigen Noten Fehler (vor allem bei Schumann) gefunden. Aber eben, sowas darf man hier nicht erwähnen.
@Ludwig ich habe mich auf Beethoven Metronom Angaben bezogen und die sind bei den Sinfonien recht umstritten und z.T. gar nicht spielbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
ich habe mich auf Beethoven Metronom Angaben bezogen und die sind bei den Sinfonien recht umstritten und z.T. gar nicht spielbar.

Es gibt mehrere Aufnahmen, die sich ziemlich genau an Beethovens Metronomangaben orientieren (z.b. Norrington mit dem SWR-Sinfonieorchester oder Chailly mit dem Gewandhausorchester). Womit die These der Unspielbarkeit klar widerlegt ist. Noch dazu sind diese Aufnahmen richtig gut!

Schon Mendelssohn hat die Metronomangaben Beethovens ernstgenommen, das weiß man aus Berichten. Das war also auch früher schon spielbar, und es gab ja auch schon immer Dirigenten, die diese schnellen Tempi gewählt haben - u.a. Toscanini, Gielen, Kleiber, Szell, Ormandy etc.

Inzwischen haben sich die raschen Tempi auf Basis der Metronomzahlen sogar weitgehend durchgesetzt.

LG, Mick
 
@mick,
In Beethovens vorgeschriebenen Tempo wird kaum mehr in der gebotenen Klarheit gespielt (wie die Ecksätze von op.106).

Da stellt sich weiter die Frage, soll man die vorgeschriebenen Tempi konsequent durchhalten?

Ich sehe kaum mehr als die "Überzeugungskraft" der Furtwänglerschen Interpretation in der Waagschale (auf mich wirkt dieses Ende wie ein Rausschmiss mit Fusstritt).

Was mir absolut nicht in den Kopf will, ist die Unverständlichkeit des letzten Wortes "Götterfunken" bei Furtwängler. Wäre er konsequent gewesen, dann hätte er den Chor wenigstens dieses Wort noch ordentlich zu Ende singen lassen können, indem er die zwei Notenwerte (-fun-ken) seinem Tempo entsprechend verlängert hätte. Nur ein kleiner Eingriff in den Notentext (verglichen mit dem Kuddelmuddel, das die Streicher aufgrund des Tempos zu spielen gezwungen werden etc.), aber ich hätte dann nur noch halb so viel auszusetzen.

So wie sie jetzt in der Partitur stehen, ist offensichtlich, dass die beiden abschliessenden Worte "Götterfunken, Götterfunken" nahezu identisch gesungen werden sollen. Ich finde es schon sehr erstaunlich, dass dieser simple und vom klanglichen Ergebnis absolut und unmittelbar überzeugende Tatbestand von der Ich-will-es-aber-schneller-haben-Fraktion beharrlich ignoriert wird.
 

Ich kann immer nicht verstehen, was an Schumann so toll sein soll. Als Kind hab ich den Wilden Reiter, fröhlicher Landmann und Soldatenmarsch gespielt, und dann etwas später die Träumerei, bei welcher meine Klavierlehrerin immer etwas besonderes und geheimnissvolles hineinpretiert wissen wollte. Ich hab´s nie verstanden, bzw. konnte ihr nicht in die seltsam verschwurbelte Welt Schumanns folgen. Ewig lang hat sie an gewissen Stellen bei der Interpretation rumgetan.
Heutzutage ist Schumann für mich ein jemand, der sich auf Grund seines Ehrgeizes selber zerstört hat. Er muss sämtliche Schranken auf Grund seines Ehrgeizes abgebaut haben und wurde dann von einem Dämon besetzt. In seinen Gesichtszügen kann man bei manchen Bildern Unheilvolles sehen. Ich empfinde auch seine spätere Musik so.

Possesed bei a demon von Nina Hagen.
 
Ich kann immer nicht verstehen, was an Schumann so toll sein soll [...diverser Unfug...]
das @Roodol Foa Npadre liegt einzig an dir selber, und ganz gewiß nicht an Schumann und seinen Kompositionen; und nur weil du diese offenbar nicht begreifst, sind sie noch lange nicht verschwurbelt. Falls dir das nicht behagt, dann informiere dich darüber, was solche Leute wie Wagner, Brahms, Tschaikowski, Mussorgski von Schumanns Musik hielten.
Und jetzt Obacht, bevor du zu wüten anhebst: mir geht es mit mancherlei Musik ebenso, d.h. manches gefällt mir nicht, liegt mir nicht, spricht mich nicht an - aber ich bin in der Lage, die Qaulität dessen, was mir da nicht zusagt, zu erkennen; und deswegen komme ich nicht auf die Mißidee, das, was micht nicht anspricht, als "verschwurbelt" zu bezeichnen oder sonstwie auf absurde Weise runterzumachen. (ich kann dir gerne aufzählen, womit man mich jagen kann: ich langweile mich entsetzlich, wenn ich Händels Messias, Bachs Weihnachtsoratorium, Beethovens Fidelio, Schönbergs Klavierwerke, Dvoraks Sinfonien (ausgenommen die plakativ-effeltvolle in e-Moll), Prokovevs Klavierkonzerte, Rachmaninovpreludes, Rachmaninovsonaten anhören muss (und das ist noch lange nicht alles, was ich unerträglich finde) - aber ich kann auch dort, wo es mir selber nicht gefällt, wahrnehmen, dass das klasse ist und warum das so ist)
 
@mick,
In Beethovens vorgeschriebenen Tempo wird kaum mehr in der gebotenen Klarheit gespielt (wie die Ecksätze von op.106).
u.a. Friedrich Gulda, Mauritio Pollini und Claudio Arrau haben demonstriert, dass man das Finale von op.106 in der Nähe des extremen Originaltempos durchaus glasklar, differenziert und überzeugend spielen kann - oder hast du an deren Einspielungen was auszusetzen?
...dass Gulda die Fuge brillant, klar und schnell wie der Teufel live spielen konnte, kann man sogar auf Video sehen und hören!

Es gibt sogar Aufnahmen, in welchen das furios rasche Tempo Beethovens in der Fuge teilweise übersteigert wird: das hatte Edwin Fischer gewagt - zwar gibt es da einige Undeutlichkeiten, aber man muss dazu sagen, dass diese Aufnahme in einer Zeit entstand, als man noch nicht büschelweise Taktgruppen retuschieren konnte: der Fischer hatte sich getraut, in aberwitzigem Tempo in einem Rutsch aufzunehmen!

Des weiteren kann man Artur Kolischs verdienstvolle Forschungsarbeit zu den Beethoventempi nachlesen, und da kann man feststellen, dass Czerny und Moscheles (die mit dem alten Beethoven zu tun hatten) Tempi mitteilen, die sich großenteils mit den wenigen*) von Beethoven fixierten Tempi decken!

Sicher: es ist sauschwierig in manchen Teilstücken, die fixierten Beethoventempi sowie die höchstwahrscheinlich authentischen Czerny-, Moscheles- und Kolischtempi zu realisieren - aber unmöglich ist es nicht**)!!

Fazit: man sollte nicht unreflektiert die Beethoventempi ablehnen bzw. für nicht ausführbar erklären.
_________________________________________________________
...aber Beethoven ist hier nicht das Thema
(Beethovens Vorhaben, sein Werk zu metronomisieren, ist der Anfang der musikgeschichtlichen Metronomisierung)

Hier geht es um Schumann und dessen Metronomangaben
Zu Schumanns Lebzeiten war das Metronom schon in gewohntem Gebrauch, man verwendete es zur Tempokontrolle in der Praxis und man verwendete es zur Darstellung / Fassbarmachung eines relativ fixierten Tempos. Betrachtet man, wie die Generation der um 1810 geborenen romantischen Komponisten***) Metronomangaben in ihren Werken einsetzten, dann kann man interessantes feststellen (und was das ist, das verrate ich nicht - ätschi)
Und nachdem man das gemacht hat, wird man sich schämen, wenn man Unsinn zu den Tempovorgaben der Komponisten herausposaunt hat ------ jetzt stellt sich die Frage, was es zu bemerken gibt, wenn man die Metronomisierungen der Romantiker in Augenschein nimmt :-):drink: viel Spaß dabei!

@Ludwig ja, das hast du treffend bemerkt (oder eventuell aus paar Jahre alten Beiträgen abgeschrieben?) :-):drink:
_______________________
*) der grimme Ludwig hatte geplant, sein gesamtes Oeuvre nachträglich zu metronomisieren, aber er hatte dieses Vorhaben nicht ausgeführt.
**) Czerny und Moscheles geben für den 2. Satz aus op.111 Taktdrittel = 60 an (Kolisch ist da vorsichtiger...) - bon, die 3.Variation wird in diesem Tempo zum ultravirtuosen Kracher, was nur wenige so spielen - aber es ist spielbar und überzeugt auch.
***) Mendelssohn, Schumann, Chopin, Liszt, Wagner, Verdi
 
das @Roodol Foa Npadre liegt einzig an dir selber, und ganz gewiß nicht an Schumann und seinen Kompositionen; und nur weil du diese offenbar nicht begreifst, sind sie noch lange nicht verschwurbelt. Falls dir das nicht behagt, dann informiere dich darüber, was solche Leute wie Wagner, Brahms, Tschaikowski, Mussorgski von Schumanns Musik hielten.
Und jetzt Obacht, bevor du zu wüten anhebst: mir geht es mit mancherlei Musik ebenso, d.h. manches gefällt mir nicht, liegt mir nicht, spricht mich nicht an - aber ich bin in der Lage, die Qaulität dessen, was mir da nicht zusagt, zu erkennen; und deswegen komme ich nicht auf die Mißidee, das, was micht nicht anspricht, als "verschwurbelt" zu bezeichnen oder sonstwie auf absurde Weise runterzumachen. (ich kann dir gerne aufzählen, womit man mich jagen kann: ich langweile mich entsetzlich, wenn ich Händels Messias, Bachs Weihnachtsoratorium, Beethovens Fidelio, Schönbergs Klavierwerke, Dvoraks Sinfonien (ausgenommen die plakativ-effeltvolle in e-Moll), Prokovevs Klavierkonzerte, Rachmaninovpreludes, Rachmaninovsonaten anhören muss (und das ist noch lange nicht alles, was ich unerträglich finde) - aber ich kann auch dort, wo es mir selber nicht gefällt, wahrnehmen, dass das klasse ist und warum das so ist)
Hab gewusst, dass du antwortest. Hast Recht, die Kinderstücke hab ich mir, bevor ich den Beitrag geschrieben hab, auch kurz angehört, und die sind erfrischend. Aber ein SPinner war der von einigen heiss geliebte Schumann schon. Mir ist seine Welt fremd, ich mag dafür andere Spinner.
 
u.a. Friedrich Gulda, Mauritio Pollini und Claudio Arrau haben demonstriert, dass man das Finale von op.106 in der Nähe des extremen Originaltempos durchaus glasklar, differenziert und überzeugend spielen kann - oder hast du an deren Einspielungen was auszusetzen?
...dass Gulda die Fuge brillant, klar und schnell wie der Teufel live spielen konnte, kann man sogar auf Video sehen und hören!

Es gibt sogar Aufnahmen, in welchen das furios rasche Tempo Beethovens in der Fuge teilweise übersteigert wird: das hatte Edwin Fischer gewagt - zwar gibt es da einige Undeutlichkeiten, aber man muss dazu sagen, dass diese Aufnahme in einer Zeit entstand, als man noch nicht büschelweise Taktgruppen retuschieren konnte: der Fischer hatte sich getraut, in aberwitzigem Tempo in einem Rutsch aufzunehmen!

Des weiteren kann man Artur Kolischs verdienstvolle Forschungsarbeit zu den Beethoventempi nachlesen, und da kann man feststellen, dass Czerny und Moscheles (die mit dem alten Beethoven zu tun hatten) Tempi mitteilen, die sich großenteils mit den wenigen*) von Beethoven fixierten Tempi decken!

Sicher: es ist sauschwierig in manchen Teilstücken, die fixierten Beethoventempi sowie die höchstwahrscheinlich authentischen Czerny-, Moscheles- und Kolischtempi zu realisieren - aber unmöglich ist es nicht**)!!

Fazit: man sollte nicht unreflektiert die Beethoventempi ablehnen bzw. für nicht ausführbar erklären.
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...aber Beethoven ist hier nicht das Thema
(Beethovens Vorhaben, sein Werk zu metronomisieren, ist der Anfang der musikgeschichtlichen Metronomisierung)

Hier geht es um Schumann und dessen Metronomangaben
Zu Schumanns Lebzeiten war das Metronom schon in gewohntem Gebrauch, man verwendete es zur Tempokontrolle in der Praxis und man verwendete es zur Darstellung / Fassbarmachung eines relativ fixierten Tempos. Betrachtet man, wie die Generation der um 1810 geborenen romantischen Komponisten***) Metronomangaben in ihren Werken einsetzten, dann kann man interessantes feststellen (und was das ist, das verrate ich nicht - ätschi)
Und nachdem man das gemacht hat, wird man sich schämen, wenn man Unsinn zu den Tempovorgaben der Komponisten herausposaunt hat ------ jetzt stellt sich die Frage, was es zu bemerken gibt, wenn man die Metronomisierungen der Romantiker in Augenschein nimmt :-):drink: viel Spaß dabei!

@Ludwig ja, das hast du treffend bemerkt (oder eventuell aus paar Jahre alten Beiträgen abgeschrieben?) :-):drink:
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*) der grimme Ludwig hatte geplant, sein gesamtes Oeuvre nachträglich zu metronomisieren, aber er hatte dieses Vorhaben nicht ausgeführt.
**) Czerny und Moscheles geben für den 2. Satz aus op.111 Taktdrittel = 60 an (Kolisch ist da vorsichtiger...) - bon, die 3.Variation wird in diesem Tempo zum ultravirtuosen Kracher, was nur wenige so spielen - aber es ist spielbar und überzeugt auch.
***) Mendelssohn, Schumann, Chopin, Liszt, Wagner, Verdi

Lieber Rolf,
ich kann diesen Ausfuehrungen nur zustimmen, allerdings bleiben bei mir doch noch Fragen offen:
(i) Man musz das Tempo doch der Akustik und dem Instrument anpassen, finde ich. Das heiszt, bei langem Nachhall, groszer Klangfuelle im Basz ist eine leichte Reduzierung eben doch irgendwie notwendig. Beispiel: Scherzo aus der Beethoven-Sonate op. 28. Es kommen sehr laute D-Dur Akkorde im Basz vor, beginnend mit fis''-a''-d''' bis in die tiefe Baszlage, danach setzt ein einsames a'' im p ein. Wenn der Nachhall grosz ist, der Basz sehr kraefig, dann hoert man entweder nichts, oder das ff musz reduziert werden, oder ich brauche eine Pause, oder musz den Basz relativ stark verkuerzen, oder, boese, boese, das Tempo reduzieren. Wahrscheinlich gibt es von Czerny Zahlen, aber ich habe sie leider nicht. Auf jeden Fall moegen auf historischen Instrumenten durchaus lebhaftere Tempi besser klingen als auf heutigen. Fuer Streichinstrumente gilt das so nicht. Haeufig wuenschen Streicher oder Floeten auch Tempi, die schneller als das sind, was ich am Klavier als ideal ansaehe.
(ii) Es gibt vielleicht zwei Arten von "zu langsam": Bei lyrischen Stuecken wie der Traeumerei von Schumann einfach ein offenbar voellig falsches Verstaendnis des Stueckes, das aus falschen "romantischen" Vorstellungen in eine kitschige Karrikatur seiner selbst verwandelt wird. Eine zweite "Art von zu langsam", welche danach bestrebt ist, eine auf heutigen Instrumenten klanglich befriedigende Interpretation z.B. der Fuge der Hammerklaviersonate zu erzeugen. Das ist bei Beethovens Metronomzahl in einem "halligen" Saal zumindest zu hinterfragen. Dieses Problem haben natuerlich auch Symphonieorchester oder evtl. auch Streicher/Blaeser im Allgemeinen.
Ich finde es wichtig, sich ueber historische Metronomzahlen im Klaren zu sein, vor allem bei Stuecken ohne Tempoangaben wie den Kinderszenen. Trotzdem wuerde ich versuchen, das Tempo der Akustik und dem Instrument anzupassen ohne den Charakter des Stueckes zu aendern.
Viele Gruesze,
Jannis
 
@rolf Das Zitat tatsächlich :-D, alles andere beruht für mich auf einer simplen Überlegung: Schumann/Beethoven, die zu den besten Komponisten überhaupt zählen, sollen an einer missinterpretation oä. des metronoms gescheitert sein?
Beethoven, der taub große Meisterwerke verfasst hat?

Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Ich bin sicher dass es auch eine wissenschaftlich fundierte Erklärung für die Korrektheit der Angaben gibt (ich würde mich freuen, wenn du sie doch ausführen könntest, mich interessierts), aber mich persönlich überzeugt schon meine eigene Überlegung.

Viele grüße
Ludwig
 
Hallo Clavionisten!

Nicht, dass Ihr denkt, ich hätte mich schon verkrümelt. Es ist mir halt nur nicht möglich, auf Eurem professionellen Niveau mitzudiskutieren. Denn gleich empfinde ich Eure Beiträge für mich als äußerst lehrreich. Mein besonderer Dank gilt dabei @rolf und @Rheinkultur. Sämtliche Anderen sollen sich natürlich nicht minder beachtet fühlen.

Ich frage mich aber, warum ein Komponist überhaupt so ein strenges Korsett, wie Metronomzahlen, vorgibt und sich nicht auf Tempoangaben, wie von @jannis erwähnt, beschränkt. Verzeiht mir meine Naivität und zerrupft mich nicht!
 
Am Anfang war die muendliche Ueberlieferung,... so oder aehnlich beginnt wohl die Geschichte der Musiktradierung.
Auf jeden Fall wollten die Komponisten ihre Stuecke nicht nur "muendlich" bzw. "spielerisch" ueberliefern sondern schlieszlich immer genauer notieren. Bach z.B. schreibt wenige Vortragsbezeichnungen in seine Werke, oft nicht einmal eine Tempoangabe, z.B. bei den Inventionen oder dem "Wohltemperierten Klavier". Damals sind aber Musiker bei einem "Meister" in die Lehre gegangen und haben so gelernt, wie ein Stueck zu spielen war. Mit der "klassischen" Periode aendert sich das allmaehlich: Es kam der Notendruck auf, so dasz Stuecke allgemeiner verfuegbar waren. Zu Bachs Zeiten muszte man alles entweder nach Gehoer lernen (beim Meister persoenlich) oder abschreiben. Das Abschreiben war viel Arbeit. Da man aber im Allgemeinen sowieso aus dem direkten Kontakt mit dem Komponisten oder wenigstens dessen Schuelern wuszte, wie es zu spielen war, muszte man nicht staendig Phrasierungen, Vortragsbezeichnungen, Verzierungen oder Eingaenge mit hineinschreiben. Man vergesse nicht, dasz man mit Federkiel auf fuer die Menschen sehr teurem Papier bei Kerzenschein oder Tageslicht schreiben muszte.
Vor allem Beethoven war durch seine Schwerhoerigkeit am Unterrichten sehr behindert, seine einzige Moeglichkeit der Mitteilung seines "Inneren" der Auszenwelt war im fortgeschrittenen Stadium der Schwerhoerigkeit die Verschriftlichung (siehe Konversationshefte). Er hatte wahrscheinlich Angst, dasz sein Wille nicht respektiert wurde, da er wenig Moeglichkeiten hatte, andere zu korrigieren. Deswegen wird er immer mehr Vortragsbezeichnungen verwendet haben. Da ab etwa 1815 die Moeglichkeit bestand, das Tempo durch Maelzels Metronom noch genauer als durch Satzbezeichnungen zu fixieren, hat Beethoven diese technische Neuerung sicher begrueszt. Zu dieser rein praktischen Entwicklung kam bei Beethoven natuerlich auch sein ausgepraegtes Bewusztsein als weit ueber den ueblichen "Musikanten" stehenden Schoepfer. Dies war wahrscheinlich sogar der geschichtlich fruehere Grund fuer das Streben nach genauer Notation, noch bevor die Schwerhoerigkeit ihr Uebriges tat.
Die Genauigkeit bei der Notation und die Ausdifferenzierung der Vortragsbezeichungen nahm bis heute immer weiter zu. Als Gegenbewegung gab es dann im 20. Jahrhundert die Aleatorik, die bewuszt wieder Zufaelle und Improvisation in die Musik integrieren wollte.

Bei den Metronomzahlen kann ich mir trotzdem nicht vorstellen, dasz die Komponisten damals sie so "genau" nahmen, wie wir das heute gern haetten. Erstens weisz ich nicht, ob die Metronomzahlen nur durch innere Vorstellung oder wirklich durch Spielpraxis bestimmt wurden. Zumindest bei Beethoven darf letzteres bezweifelt werden. Zweitens kann ich mir auch nicht vorstellen, dasz die Komponisten so toericht waren, veraenderte akustische Verhaeltnisse oder ein veraendertes Instrument nicht in die Tempovorstellung einzubeziehen. Dabei sollte aber immer der Charakter des Stueckes erhalten bleiben. Gerade die raschen Tempi Czernys, Beethovens, oder Schumanns zeigen, dasz Zusammenhaenge und Phrasierungen, Taktschwerpunkte offenbar ungeheuer wichtig waren. Bei zu langsamem Tempo neigen die Stuecke "zu zerfallen", der Schwung geht verloren. Ein achttaktiges Thema kann dann eventuell nicht mehr "in einem Atem gesungen" also dargestellt werden. Das haette die Komponisten damals sicher geaergert. Wir bevorzugen aber, jetzt uebertrieben ausgedrueckt, "den zusammenhanglosen Wohlklang" gegenueber der "phrasierten Klangrede". Man koennte vielleicht auch sagen, dasz uns eine makellose Oberflaeche wichtiger als der Inhalt ist. Der erste Satz aus Beethovens Hammerklaviersonate ist eben nicht ein "gemuetliches Vorstellen wohlklingender, vollgriffiger Akkorde", sondern Beethoven stellt sich offenbar Fanfaren mit groszem Schwung vor. Kein staatstragender Festakt, sondern Glut und Leidenschaft.
Die Fuge finde ich jetzt in Beethovens scharfen Tempo zumindest auch als Hoerer sehr gewoehnungsbeduerftig: Es passiert dann so viel in so kurzer Zeit, das ueberfordert mich irgendwie.
Viele Gruesze
Jannis
 

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