Komponieren im Kopf

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killmymatrix

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Damit das im Notenbild-Thread nicht ausartet (im Keim erstickt :D) würde ich gerne ein Thema dazu eröffnen. Es geht um das Komponieren im Kopf. Habt ihr schonmal, arbeitet ihr darauf hin, was sind eure Erfahrungen damit und so weiter.

Noch den neusten Kram dazu aus dem Notenbild-Thread:

Zitat von Mindenblues:
Was mir bisher noch ein absolutes Rätsel ist, wie man ohne ans Instrument zu gehen, rein nach Gehör komponieren kann. Habe gelesen, dass Bach seinen Schülern strengstens verboten hat, am Klavier zu komponieren. Wollte das auch mal selber ausprobieren, was dabei rauskommt. Ergebnis: ziemliches Chaos

Zitat von killmymatrix:
Mit einem ausgebildeten relativen Gehör. Wenn du die Melodie innerlich hörst oder singst kannst du mit dem relativen Gehör alle Intervalle bestimmen, theoretisch mit dem absoluten Gehör die absolute Tonhöhe und mit der Erfahrung und ein bisschen Rhythmusgefühl die rhythmische Notierung.

Zitat von Hacon:
Killmymatrix, bei mir liegt da das Problem eher darin, dass mir ohne Klavier nichts gescheites einfällt. Erst, wenn ich bisschen am Klavier rumspiele, dann kommen plötzlich die Ideen.

Bei mir war es bisher soweit ich weiß nie so, dass ich eine Melodie ausschließlich still (falls das gemeint war, aber letztendlich geht es ja nicht darum) im Kopf habe entstehen lassen. Eher beim "Vor-mich-hinsingen", wobei die meisten Notizen (mehr ist es bisher kaum, aber davon jede Menge) noch beim Klavierimprovisieren entstanden sind (was wohl auch erstmal ein geläufiger Weg dahin ist, überhaupt eigene Melodien aufzuschreiben).

Ich summe solche Melodien also meistens eher vor mich her und versuche, soweit möglich, sie aufzuschreiben. Ich hab's schon versucht, als ich noch hoffnungslos kein Intervall innerlich hören konnte, ich habe versucht, mir die Tasten vorzustellen. Inzwischen kann ich zumindest mit der Kenntnis einiger Intervalle kleinere musikalische Ideen auch ohne Klavier aufschreiben.

Du könntest auch eine bekannte Melodie nehmen (z.B. von Mozart, die ja meist relativ klar gefasst sind) und daran experimentieren. Ist natürlich gut, wenn du gewohnheitsmäßig z.B. vor dich sowas hinsummst und einfach plötzlich eine neue Melodie entsteht - aber neben dem spontanten Entstehen von Ideen ist Komposition ja auch zu einem guten Teil Handwerk und daher ist das Variieren von Melodien vielleicht ein guter Weg, reinzukommen.

Das kann auch auf's Rhythmische bezogen sein. Mozarts Sonata Facile: Halbe Note, zwei Viertel. Mit diesem Rhythmus einfach eine eigene Melodie kreieren. Kann auf Dreiklängen basieren, kann aufwärts, abwärts, irgendwie gehen. Summ einfach mal ein wenig mit diesem Rhythmus rum und variiere ihn langsam und so weiter.

So, einfach ein paar spontane Ideen. Immer probieren. Jetzt bin ich gespannt auf die Erfahrungen der anderen.
 
Schönes Thema und bei mir gerade aktuell. Ich habe gestern verzweifelt nach einer guten Variation/Modulation eines recht langweilig wirkenden Teils in meiner Sonate gesucht ... stundenlang am Klavier herumgeklimpert, aber herausgekommen ist nichts.

Vor dem Einschlafen bin ich dann einfach mal das ganze im Geiste durchgegangen und mir fiel gleich eine Stelle auf, an der man eigentlich gut modulieren könnte (von fis-moll nach F-Dur). Heute morgen habe ich mich dann ans Klavier gesetzt und es gespielt - und es klingt toll. Ich glaube, das werde ich in Zukunft öfter machen. Also: Ja, im Geiste komponieren (wenn auch nur im begrenzten Maße) geht bei mir.

Übrigens bleibt es da auch. Ich habe bisher keine Noten aufgeschrieben, aber alles eingespielt. Die Noten schreibe ich erst, wenn das Stück fertig ist. Das kommt aber vor allem daher, dass ich Schwierigkeiten mit einer rhythmisch exakten Notation von etwas gehörtem oder gespieltem habe. Um so etwas vernünftig zu lernen, hätte ich eigentlich gerne studiert - aber dazu muss man sowas ja bereits vorher können :rolleyes:
 
Für mich stellt es sich als unmöglich dar, mir einfach so Melodien auszudenken, wenn ich grad nicht am Klavier bin. Woran das liegt, weiß ich nicht, kann halt nicht jeder.

Etwas anderes ist jedoch das Arbeiten an einer am Klavier begonnen Komposition. Da kann ich mental dran weiterbasteln, jedoch mache ich das nur in einem Ausnahmefall, und dieser ist recht kurios, wenn ich dran denke, dass mir ja sonst ohne Klavier rein gar nichts einfällt:

Jeder kennt es wohl: Man ist schon recht weit fortgeschritten in einer Komposition und plötzlich weiß man nicht mehr weiter, Sulan hat das ja beschrieben.
Dieses Problem hatte ich letztens:
Ich hatte mein Stück fast fertig, und hab nur noch nach einem passenden Schluss gesucht. Hab dann ewig lang rumimprovisiert, an mehreren Tagen - mir ist nichts gescheites eingefallen.

Dann dachte ich mir: Versuchs doch mal ohne Klavier. Die große Überraschung: Nach kurzem Überlegen hatte ich einen sehr guten Abschluss gefunden, den ich dann aufs Klavier übertragen konnte.

Bei dem Thema kann man sich eigentlich direkt fragen: Wie kommt man überhaupt auf Ideen?

Dazu hab ich einen wie ich finde interessanten Artikel aus einer Welt der Wunder Ausgabe, den ich hier mal abschnittsweise zitieren will:

"Neue Erfahrungen oder Gedanken lösen einen regelrechten Wirbelsturm in den Hirnwindungen aus. Verschiedene Verhaltensmuster und Strategientreten miteinander in einen erbitterten Kampf. Das Fass muss also erst zum Überlaufen gebracht werden damit neue Wege entstehen.

Doch in diesem Moment passiert etwas Faszinierendes- wenn die Barriere, die Schwelle erst einmal überschritten ist, kippt der Zustand.
Dann ist unser Gehirn gar nicht mehr zu bremsen. Die Kanäle öffnen sich, und jetzt ist alles möglich.

Einmal angetrieben, setzt sich in dem riesigen Datenspeicher, den wir das Unterbewusste nennen, etwas Erstaunliches in Gang.
Ohne dass wir etwas davon mitbekommen werden neue Informationen mit alten verglichen, verändert, neu kombiniert. Das Gehirn ist jetzt daueraufnahmefähig.

Der kreative Flow wird begleitet von dem fast schon unheimlichen Gefühl, dass es ganz von alleine läuft. Künstler, Architekten oder Schriftsteller kennen das Gefühl.

Aber wie kommt man dahin?

Es ist zuallererst eine Frage des Wollens.Werder oder Produktdesigner etwa haben den Vorteil, dass sie es aufregend finden, Ideen zu entwickeln. Selbst dann, wenn ihnen niemand zuhört.

Aber auch sie brauchen noch etwas: Wissen und Erfahrung. Denn es ist eines von zwei großen Missverständnissen, zu glauben, man müsse etwas völlig Neues erfinden.

Ideen ohne Wissen und Erlerntes, das wäre, als würde man ein Haus ohne Steine bauen. Auch ein Mechaniker wird nie ein neues Radio erfinden- etwa eines, das ohne Strom läuft- wenn er sich nicht auskennt mit den Gesetzen von Energie und Elektrizität, Reibung oder Antrieb.

Erst sein Wissen, seine Erfahrungen und Kenntnisse machen es ihm möglich, mit den alten Ideen zu jonglieren, bis sie sich neu formieren und sich daraus ein völlig neues Bild ergibt.

Das zweite Missverständnis ist: Die Idee ist nicht das Ende eines Prozesses, nicht die Lösung eines Problems. Sie ist der Anfang, und erst mit ihr beginnt die Arbeit, so K. Anders Ericsson von der Florida State University.
Der beste Einfall nützt einem nichts, wenn man es dabei belässt.
Daran scheitern viele große Ideen.

Ein weiterer Schlüssel zu hervorragenden Ideen: Das Gedächtnis.
Hirnforscher fanden heraus, wie das Gedächtnis von Superkreativen funktioniert- nämlich anders: Es besteht aus sogenannten Chunks. Das sind Einheiten aus bedeutungshaltigen Mustern im Gehirn, die hierarchisch strukturiert sind. Quasi dicke Gedächtnisbrocken, Wissensbündel, mit denen die Genies riesige Mengen von gespeichertem Wissen organisieren.

Und sie können noch etwas: Sie schalten ihr Langzeitgedächtnis auf Durchzug. Das bedeutet, dass sie ihren Langzeitspeicher zum Arbeitsspeicher umfunktionieren können- und auf die Art haben sie einen deutlich besseren Zugriff auf unbewusstes Wissen. Der sogenannte Flow-Effekt stellt sich ein. Alles passiert wie von selbst. Wissen fließt hin und her, Gedanken knüpfen sich neu."

Wesentlich interessanter finde ich folgenden Abschnitt über Ideen, die im Schlaf kommen:
" Die Macht des Schlafes ist inzwischen bewiesen. Während der Wachphasen entstehen neue, energieverbrauchende Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen. Im Schlaf baut das Gehirn überflüssige Nervenverknüpfungen wieder ab und verfestigt dagegen andere. Besonders gut funktioniert das im Tiefschlaf, denn in diesem Zustand synchronisieren sich die Neuronen, und ihre elektrische Aktivität schwingt im Muster sehr langsamer Deltawellen.

In diesem langwelligen Modus lässt das Gehirn Geschehnisse und Erfahrungen Revue passieren, bildet Assoziationen und hinterlässt deutliche Spuren im Netz der Neuronen. Das Gedächtnis verlagert währenddessen Informationen aus dem Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis und verknüpft neue mit alten Eindrücken."

Ich merke grad, der Artikel ist einfach noch viel zu lang, und vieles hab ich weggelassen.
Daher nur noch eines, was uns Musiker besonders interessieren dürfte;):
" Der amerikanische Musikprofessor Arthur W. Harvey fand heraus: Langsame Sätze der Komponisten Bach, Händel, Vivaldi oder Corelli haben eine ideale Wirkung auf das Gehirn. Grund: Ihr Vierteltakt ist langsamer als der Herzschlag- wir geraten in einen Zustand aktiver Entspannung. Das Gehirn schaltet in den Aufnahmemodus. Ein Forschungsfeld, das noch viele Fragen offen lässt..."
 
Interessantes Thema, und interessante Stellungnahmen!

Will nur noch das Zitat von mir gerade rücken: Das Ausdenken von Melodien und einfachen Harmonien und Rhythmen funktioniert bei mir schon im Kopf. Auch das Improvisieren am Klavier geht nach diesem Schema, dass ich gerade ausgedachte Melodie/Harmoniefragmente aneinanderreihe.

Wo ich einen Hänger habe, ist das Ausknobeln anspruchsvoller Harmoniefortschreitungen, im mehrstimmigen Satz, z.B. für einen Choral. Vielleicht hängt die Schwierigkeit damit zusammen, dass ich auch nicht bei einer ausgeschriebenen mir bisher unbekannten mehrstimmigen Harmoniefortschreitung im Kopf die Harmonie vorstellen kann bzw. oft daneben liege.

Vielleicht gibt es einen Zusammenhang, dass man alles, was man von geschriebenen Noten zuverlässig im Kopf abspielen lassen kann, auch umgekehrt vom Kopf in die Noten tippen kann. Wenn dem so wäre, könnte man das Komponieren von komplexeren Stücken, oder Sachen, die noch nicht ohne Klavierhilfe zu Papier gebracht werden können, durch den umgekehrten Weg üben: die Harmoniefortschreitung von unbekannten Stücken versuchen nachzuempfinden, und mit Klavier kontrollieren. Mglw. wird man damit mit der Zeit besser, und dann klappt auch der umgedrehte Weg, vom Hirn aufs Notenpapier ohne Klavierhilfe?
 

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