Ich war mir beim Eingangspost nicht ganz sicher, lieber Rolf, ob da nicht ein Witzbold (wie Du zB?) dahinter stecken würde... weil der Gedanke ein wenig absurd ist. Aber im weitern Verlauf schien Klavierangelina es durchaus ernst gemeint zu haben mit ihrer Anfrage, was auch völlig ok ist. Mit einer solchen Motivation kann man durchaus Berge versetzen und ich habe sogar schon mal Pferde kotzen gesehen, will heißen: ein Erwachsener Schüler (ca 65 Jahre alt) hat letztes Jahr im Herbst ein Klavier gekauft, sich selbst die Noten beigebracht, im Februar die erste Klavierstunde bei mir erhalten, welche die erste Klavierstunde (sogar Instrumentalstunde) seines Lebens war und WAS hat er mir vorgespielt? Den ersten Satz der A-Dur-Sonate von Mozart. Da keine Basics da waren (die fehlen heute immer noch großteils) musste ich entsprechend leiden, aber zum Glück habe ich dann nachgefragt, bei wem er denn vorher und wie lange schon Unterricht gehabt hätte... und da war mein Erstaunen doch arg groß. Mein Klavierhändler hatte ihm mit dem Kauf des Klavieres meine Adresse vermittelt und somit war es wohl kein Fake. Er hat allerdings täglich 5-8 Stunden geübt...
Also, liebe Klavierangelina:
nur Mut! Man kann es tatsächlich schaffen, nach 5 Wochen die Elise zu spielen. Wenn Du absolut hochbegabt bist, außer Essen und schlafen nichts anderes mehr machst als Klavier üben, dann sollte das schon klappen. Beide Stücke haben ihre eigenen Tücken. Meine Tochter spielt kein Klavier, hat sich aber River flows in U selbst raus gepuzzelt. Klingt gut und machen viele, die kein Klavier spielen. Ob das zu einer echten Leistungskontrolle dienen mag wage ich zu bezweifeln, denn WAS wird da gemessen... meine Tochter kann keine Noten lesen, nur stottern. Sie lernt das dann flott auswendig. Und sie hat es auch schon zwei ihrer Freundinnen beigebracht, das klingt gut. So ähnlich wie der Flohwalzer von Generation zu Generation mündlich weiter gegeben wird und immer gut klingt.
Aber wenn Du zu den 99,99% durchschnittlich begabten zählst, dann werden die zwei Stücke frustrierend sein.
Im Moment habe ich einen 30 Jährigen, der vor einem Jahr ankam um die Elise zu spielen (keine Vorkenntnisse). Und: jetzt kann er sie. Er spielt sie mit Freude, noch ein wenig langsam, aber das wächst. Sein Vorteil: er hat sich genau an meine Übeanweisungen gehalten, da gibt es einige Tricks. Und es gibt einige Stolperstellen, wo fast ALLE die gleichen Fehler machen. Die musste er auch nicht machen weil er sich an meine eindringlichen Anweisungen gehalten hat. Doch doch, er macht das ganz gut, und zwar nicht nur den ERSTEN bekannten Teil, der geht ganz einfach...
Und hier noch ein Mutmacher: ich habe viel mit Schauspielern gearbeitet. Diese Menschen sind in der Lage, nahezu alles in kürzester Zeit so zu lernen, als ob sie jahrelang in der Materie drin wären: Kampfsport, Tennis, Jonglieren, egal. und auch: Instrumente!! Holly Hunter, die Hauptdarstellerin von dem Film "Das Piano" hat vorher nie Klavier gespielt. Sie hat ALLE Klavierkompositionen selbst eingespielt und auch für den Soundtrack nachher synchronisiert, da nur sie es genau so wieder spielen konnte wie bei den Dreharbeiten. Michael Nyman hatte vorher gute Pianisten gebucht, die das Synchronisieren nach Filmvorlage beherrschen, aber das hat nicht geklappt. Da hat Holly Hunter es kurzerhand selbst gespielt. Sie hat das Material innerhalb eines halben Jahres zusammen mit einem Klavierlehrer einstudiert, und zwar NUR dieses Material. Keine Tonleitern, kein Hanon, kein Czerny. Aber wie gesagt, diese Leute sind sehr gut darin so zu tun als ob sie schon jahrelang Klavier (oder Tennis oder Kampfsport) spielen würden. Sie begreifen das Wesentliche sofort, die Technik, die innere Haltung.
Ich habe Michael Nyman mal in Essen auf einem Workshop getroffen, also sind diese Angaben vom Hersteller selbst.