Klangveredelung

Es ist nicht das Handgelenk, vorsicht. Die Finger allein sind es noch seltener. Die ursprüngliche Bewegung vollzieht der Oberarm. Natürlich sind alle nachfolgenden Elemente des Armes auch mehroder weniger beteiligt.
Oft ist es aber so, dass man eine Note lauter oder leiser spielen muss als den Rest an einer Hand, da kann man mit dem ganzen Arm wohl nichts ausrichten. Wenn man sich Horowitz ansieht, merkt man, dass Fortissimo kein Gefuchtel mit den Armen voraussetzt.
 
Man kann es sogar nur dann sinnvoll ausrichten, wenn der Arm beteiligt ist. Von Gefuchtel sagt keiner was, ganz im Gegenteil: Wenn man nicht genau weiß, wie es geht, sieht man es nicht (z.B. bei Horowitz) und liegt dann der falschen Annahme auf, alles geschehe nur mit den Fingern.
Natürlich sind sie wesentlich beteiligt, aber ohne den Rest des Körpers funktioniert es nicht.
 
hier ein Tipp, der @Klein wild Vögelein evtl. weiterhelfen könnte.
S. Bernstein schreibt, dass wenn man bei einem Mehrklang den obersten Ton, der mit dem fünften Finger gespielt wird, besonders hervorheben möchte, man aus dem Arm die Hand in die Tasten fallen lässt. Dabei achtet man darauf, dass der kleine Finger stabil ist und so nach unten Richtung Taste gesrtreckt ist, dass er als erster in die Tastatur eintaucht. Die restlichen am Akkord beteiligten Finger landen lediglich auf ihren Tasten, ohne diese nach unten zu bewegen.
Somit hat man einen (sehr) lauten hohen Ton und weitere sehr leise, nämlich unhörbare, Töne erzeugt.
Diese Bewegung wiederholt man immer wieder und geht nach und nach mit den „stummen Fingern" immer tiefer in die Tasten, bis sie einen ganz leichten Ton erzeugen.
Mit etwas Übung kann man auf diese Weise einen Akkord so erklingen lassen, dass nur der Ton des kleinen Fingers besonders hervorgehoben wird, während die anderen nur sehr leise angestimmt werden.
Sicherlich kann man diese Technik auch auf die anderen Finger anwenden...
 
In den ersten zwei Jahren habe ich ja nur mit dem Dämpferpedal geübt. Meine damalige Klavierlehrerin sagte nach ca 1 1/2 Jahren, dass sie sich schon gewundert habe, dass sich mein Anschlag nicht verbessern würde.
(...)
Am Flügel spiele ich eigentlich immer noch ziemlich verhalten, die Schüchternheit laut zu spielen hat sich irgendwie festgesetzt, am Silent-Piano geht es besser und an meinem alten Feurich so gut wie gar nicht, was wahrscheinlich an der völlig anderen Mechanik liegt.

Liebes Klein wild Vögelein,

so etwas passiert häufiger als man denkt! @Marlene hat ja auch schon Treffendes dazu geschrieben.

Die erste Herangehensweise an das Instrument ist sehr prägend und es ist kein Wunder, dass du dich an den sehr leisen und gedämpften Klang des Dämpferpedals gewöhnt hast. Da kommt einem an einem anderen Instrument schon ein normales mf fürchterlich laut vor.

Ein Flügel gar kann einem einen gehörigen Respekt einjagen, weil man dauernd denkt, dass alles viel zu laut ist. Man weiß dann gar nicht, wie man mit dem so anderen Klang umgehen soll und fühlt sich damit nicht wohl.

Was ist die Folge: man wird leicht "klein" am Klavier, man traut sich nicht und schrumpft in der Körperhaltung zusammen, die Bewegungen werden klein und gehemmt und so klingt es dann auch.

Vorschlag: mach aus dem Klein wild Vögelein ein Groß wild Vögelein! :003: Setz dich aufrecht hin mit aufgerichtetem Kopf und Bodenkontakt der Füße, nicht zu weit weg (Winkel Oberarm-Unterarm mehr als 90°), nicht zu hoch/tief (Unterarm in etwa parallel zum Boden, also keine "Rutsche" - aber dank Feuchtwanger weißt du das wahrscheinlich alles)!

Schick den Klang aus dem Instrument heraus bis in die hinterste Ecke deines Raums, deines Hauses oder schick den Hund, alternativ Mann :003: in den am weitesten entfernten Raum und schicke ihm von dir gespielte, wunderbare und volle Töne zu, die sein Herz erwärmen sollen. Nicht hart und laut sollen sie ihn erschlagen, sondern warm und singend erfüllen. :006:

Um nun einen singenden Ton zu erzeugen, braucht es zweierlei:

a) eine feine dynamisch abgestimmte Differenzierung aller Klangschichten.

Wenn man nun lauter bzw. singend spielen will, geschieht es leicht, dass man ALLE Stimmen lauter spielt. Und dann klingt es tatsächlich zu laut bzw. nicht gut.

Wenn du z.B. ein dreistimmiges Stück hast (Melodie, Bass, Zwischenstimme/n), kannst du die Melodie mf-f spielen, den Bass piano, die Zwischenstimme/n pp. Dann wird es insgesamt nicht zu laut klingen. Auch wenn vielleicht piano im Notentext steht als vorgegebene Dynamik, unterscheiden sich also die Lautstärken der einzelnen Stimmen extrem,

Wenn du diese unterschiedlichen Lautstärken zu "gleich" machst, also nicht sehr differenzierst, wird es insgesamt zu laut und unschön. Nur die Melodie soll singen - der Bass als Fundament stützt die Melodie, die Zwischenstimmen sind die hauchzarte Füllung, der Klangteppich, der die Melodie färbt und auf dem die Melodie sich erheben kann.

Wahrscheinlich (und nach meiner Erfahrung) kannst du die Melodie deutlich lauter spielen in deinem Spiel, während du die begleitenden Stimmen wesentlich zurücknehmen musst. Das ist nur eine Vermutung - sie kann falsch sein, aber oft ist es so.

b) Um das hinzukriegen, benötigt man den Arm/die Arme! Blüte hat sehr recht:

Man kann es sogar nur dann sinnvoll ausrichten, wenn der Arm beteiligt ist. Von Gefuchtel sagt keiner was, ganz im Gegenteil: Wenn man nicht genau weiß, wie es geht, sieht man es nicht (z.B. bei Horowitz) und liegt dann der falschen Annahme auf, alles geschehe nur mit den Fingern.
Natürlich sind sie wesentlich beteiligt, aber ohne den Rest des Körpers funktioniert es nicht.

Wenn ich sage, dass du dich "groß" machen solltest, heißt das auch, dass du deine Bewegungen, genauer die Bewegungen der Arme, am Anfang ruhig übertreiben darfst und sollst.

Wenn wir unsere Arme als Hebel betrachten, stellt sich die Frage, womit wir die meiste Kontrolle haben: mit dem kurzen (Finger) oder mit dem langen Hebel (Arm)?

Antwort: mit dem langen Hebel! Stellen wir uns vor, wir müssten mit einem Spaten mit sehr kurzem Griff den Garten umgraben. Da müssten wir uns viel mehr anstrengen als mit einem längeren Griff. Bewegen wir ein Ende einer (langen) Wippe auf dem Spielplatz, können wir die andere Seite millimeterweise bewegen. Bei einer Wippe mit sehr kurzem Hebel ginge das nicht.

Nutzen wir also unsere Arme, den langen Hebel, um dynamisch so variationsreich wie möglich am Klavier zu agieren. Wir können so auch sehr unterschiedliche Anteile von Masse ins Klavier bringen und haben eine feine Kontrolle über die Geschwindigkeit, mit der wir die Taste anschlagen. Das ergibt mit genügend Training Klangveredelung, Klangdifferenzierung und Klangkontrolle! :002:

Das ist leider nur am Instrument zu zeigen. Zwei entscheidende Bewegungen möchte ich hier trotzdem nennen:

1) setz dich ans Klavier und bewege ohne zu spielen beide Arme mehrmals nach vorne und zurück wie die Kuppelstangen einer Dampflok.

Jetzt spielst du einen einzigen Ton mit dem 3. Finger mit dieser Bewegung! Erst einmal hast du Tastenkontakt. Dann wird der Arm aus dem Rücken nach vorn bewegt, dabei bleiben die Finger auf der Stelle und das Handgelenk geht hoch. Durch diese Bewegung schlägst du die Taste/den Ton an. Nach dem Anschlag machst du den Arm/die Hand so leicht wie möglich!

Jetzt kannst du experimentieren mit der Lautstärke, mit der Geschwindigkeit dieses "Schwungs", dieses Impulses und mit der Masse (wieviel "Arm" du reingibst). Der Mitspieler ist eine sehr sensible Fingerkuppe, die du gern vorher massieren darfst, damit sie sich wie Saugnäpfe eines Froschs oder Tintenfischs an die Taste ansaugt. Das Gefühl der Fingerkuppe ist dabei eher das eines Ziehens, während sich der Arm nach vorn bewegt. Gleichzeitig fühlt sie den Auftrieb der Taste.

Stell dir außerdem vor dem Anschlag den Klang des Tons vor, einen warmen vollen, singenden Ton, der den ganzen Raum bis in die hinterste Ecke erfüllt (s.o.). Und übertreibe zunächst die Bewegung! Das macht sie deutlicher fühlbar.

Das machst du so oft du willst mit jedem deiner Finger! So erzeugst du einen singenden Ton, der sehr variabel ist.

2) eine zweite grundlegende Bewegung ist die Ellipse! Auf meiner Website steht unter Pädagogik - "Klaviertechnik" einiges dazu. Hier nur soviel: der Arm fasst in elliptischen, fließenden Bewegungen musikalische Einheiten zusammen.

Rechts bewegt sich der Arm und das Handgelenk in der Regel gegen den Uhrzeigersinn, links mit dem Uhrzeigersinn. Ich mache mit meinen Schülern dazu Übungen, indem sie z.B. einen oktavierten Dreiklang h-dis-fis-h (rechts mit 1-2-3-5) hin und zurück mit einer elliptischen Bewegung spielen. Vielleicht kann dir das dein KL zeigen. Du kannst auf jeden Fall schon einmal Trockenübungen auf der Tastatur (ohne zu spielen) machen, um ein Gefühl für diese (spiegelbildliche) Bewegung zu bekommen.

Übrigens ist man mit einer solchen Technik auch nicht so abhängig von den verschiedenen Instrumenten mit den verschiedenen Anforderungen, da man so vielfältige Möglichkeiten hat.

Liebe Grüße und viel Erfolg!

chiarina
 
Ich finde diese Erklärung von Chiarina auch sehr sehr hilfreich und habe das gleich gestern ausprobiert und in mein tägliches Übeprogramm aufgenommen.
Sowas lerne ich ja nicht von heute auf morgen.
Vielen herzlichen Dank Chiarina.
 

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