Keiner will Erwachsene Unterrichten, und nu?

Naja, alles richtig, aber es kommt ja noch was anderes hinzu: Auch ich z.B. beobachte, wenn ich kritisiert werde, oft in mir einen aufkommenden Reflex, mich irgendwie verteidigen oder rechtfertigen zu wollen. Das ist, denke ich, normal und kennt jeder, egal was für ein "Typ".
Die Frage ist lediglich, ob man das dann auch tatsächlich ausagiert oder ob man in dem Moment die Unangebrachtheit dieses Impulses erkennt (weil der andere einfach Recht hat) und die Klappe hält bzw. sagt "Ja, stimmt." (Sich also reif, souverän und erwachsen verhält.)
 
Was Kritik im Klavierunterricht angeht gibt es noch einen anderen Punkt zu bedenken: Man kann als Lehrer niemals alles sagen. Das würde den Schüler musikalisch, menschlich, motorisch und intellektuell überfordern, die Zeit, Konzentration und Muße völlig überstrapazieren. Außerdem gibt es Punkte, die man nicht "mal eben so erklären" und in Worte fassen kann, da sie Einblicke und ein tiefgehendes Verständnis erfordern, das über Wochen, Monate oder Jahre wächst.

Wenn jemand viele Baustellen hat, muss man sich für ein paar davon entscheiden. Geht der Schüler dann zu einem anderen Lehrer, greift der vielleicht nicht dasselbe heraus und der Schüler wundert sich, dass der erste Lehrer ihm diese Wichtigkeiten vorenthalten hat - und eben keine Kritik geübt hat (scheinbar!).
 
Meine 2 Cent:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die meisten Erwachsenen, die zum Klavierunterricht gehen, Probleme mit schonungsloser, dabei aber fundiert erklärter Kritik haben. Dennoch glaube ich, dass auch hier der Ton die Musik macht.
Mit einem "das war jetzt sehr schlecht, weil..." kommen vermutlich mehr Menschen klar, als mit einem "das war jetzt wirklich Scheiße, weil..."
Wobei es da natürlich auch auf die persönliche Ebene ankommt. Wenn man ein kumpelhaftes oder gar freundschaftliches Verhältnis hat, ist sicherlich auch eine "knackigere" Ausdrucksweise besser zu ertragen.
 
Mit einem "das war jetzt sehr schlecht, weil..." kommen vermutlich mehr Menschen klar, als mit einem "das war jetzt wirklich Scheiße, weil..."
Genau an sowas habe ich gedacht. Es gibt jede Menge Formulierungen mit denen man Kritik anbringen kann, das muss nicht Richtung Beleidigung gehen. Der Lehrer ist zwar nicht für die Psychischen Befindlichkeiten des Schülers verantwortlich, aber der Schüler für die des Lehrers noch weniger. Ein Lehrer der Kritik nicht sachlich vorbringen kann, sollte sich ebenso reflektieren, wie ein Schüler der mit Kritik ein Problem hat.
Wobei das Thema Selbstreflektion wieder ein ganz großes Fass ist, die meisten Menschen können es nur sehr unzureichend und ich gehe davon aus, dass es keinen Menschen gibt, der es durchgehend kann. Ich habe schon zu oft erlebt, dass diese Fähigkeiten, bei Menschen versagten, die eigentlich viel Wert darauf legten, einschliesslich mir selbst.
 
Meine 2 Cent:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die meisten Erwachsenen, die zum Klavierunterricht gehen, Probleme mit schonungsloser, dabei aber fundiert erklärter Kritik haben. Dennoch glaube ich, dass auch hier der Ton die Musik macht.
Mit einem "das war jetzt sehr schlecht, weil..." kommen vermutlich mehr Menschen klar, als mit einem "das war jetzt wirklich Scheiße, weil..."
Wobei es da natürlich auch auf die persönliche Ebene ankommt. Wenn man ein kumpelhaftes oder gar freundschaftliches Verhältnis hat, ist sicherlich auch eine "knackigere" Ausdrucksweise besser zu ertragen.

Das Wort "Scheiße" hat im Klavierunterricht nichts verloren. Sonst sollte man auch lieber darauf verzichten.

Warum nicht "Das war jetzt nicht schlecht, aber hier könntest du noch auf das achten und da mehr das versuchen zu machen" (Auch wenn er es wirklich nicht gut gespielt hat)

Dann fühlt sich doch der Schüler gleich viel besser und schaltet nicht gleich auf stur oder aus. Egal ob jung oder alt
 
Warum nicht "Das war jetzt nicht schlecht, aber hier könntest du noch auf das achten und da mehr das versuchen zu machen" (Auch wenn er es wirklich nicht gut gespielt hat)

Dann fühlt sich doch der Schüler gleich viel besser und schaltet nicht gleich auf stur oder aus. Egal ob jung oder alt

Weil ein Schüler der weiss, das es nicht gut war, sich verarscht fühlt.

Es gibt jede Menge Formulierungen mit denen man Kritik sachlich anbringen kann ohne sich zu verbiegen oder seine Glaubwürdigkeit zu untergraben: "Das geht noch besser", "Das war noch nicht so gut" oder auch "Das gefällt mir so nicht, weil..." und durchaus auch "Das war nicht gut". Letzteres aber nur bei Schülern deren Selbstbewusstsein keine erkennbaren Lücken aufweisst und die selbst auch eher Sachlich unterwegs sind.
 
Das wäre ziemlich platt. Dises Lob ist unspezifisch und damit als Floskel erkennbar, jedenfalls für einen halbwegs reflektierten Schüler. Es ist lediglich ein rosa Schleifchen um das, was eigentlich gesagt werden soll.

Ich glaube, dass ein solches Schleifchen nicht hilft, um Kritik leichter verdaulich zu machen. Wer Kritik nicht verträgt, dem hilft auch kein rosa Schleifchen. Wer hingegen im Unterricht was lernen will, der kann auf das Höflichkeitsgeplänkel verzichten.

Wenn möglich, versuche ich (*), etwas Konkretes zu loben, etwa so: Du hast die Melodielinie jetzt schön herausgearbeitet. Leider war der Rhythmus nicht ganz sauber, deshalb konzentrieren wir uns als nächstes darauf. Lass uns das erstmal klatschen.

Alternativ per Frage (insbesondere, wenn es grad mal gar nix zu loben gibt): Und? Wie fandst Du das selber?

Wenn jemand viele Baustellen hat, muss man sich für ein paar davon entscheiden.
Das ist vermutlich der Punkt. Es hat ja wenig Sinn, dem Schüler alles zu sagen, was einem aufgefallen ist. Man muss sich entscheiden, woran man jetzt arbeiten will. Die anderen Unzulänglichkeiten behält man besser für sich. Das finde ich sauschwer, hier mache ich (in meiner Rolle als Papa) die meisten Fehler. Man hat ja immer Angst, dass die unbehandelten Fehler zur Gewohnheit werden.

(*) Ich bin kein Lehrer, schon gar nicht für Erwachsene. Ich begleite "nur" meine Tochter beim Geige üben, da steht man auch vor dem Problem.
 
Was Kritik im Klavierunterricht angeht gibt es noch einen anderen Punkt zu bedenken: Man kann als Lehrer niemals alles sagen. Das würde den Schüler musikalisch, menschlich, motorisch und intellektuell überfordern, die Zeit, Konzentration und Muße völlig überstrapazieren. Außerdem gibt es Punkte, die man nicht "mal eben so erklären" und in Worte fassen kann, da sie Einblicke und ein tiefgehendes Verständnis erfordern, das über Wochen, Monate oder Jahre wächst.

Wenn jemand viele Baustellen hat, muss man sich für ein paar davon entscheiden. Geht der Schüler dann zu einem anderen Lehrer, greift der vielleicht nicht dasselbe heraus und der Schüler wundert sich, dass der erste Lehrer ihm diese Wichtigkeiten vorenthalten hat - und eben keine Kritik geübt hat (scheinbar!).

Wobei sich Unaugesprochenes auch übertragen kann und beim Schüler ein diffuses Gefühl hinterlässt, dass etwas nicht stimmt, was schwerer auszuhalten ist, als wenn alles ausgesprochen wird und nach und nach bearbeitet wird. Ob das dann Überforderung auslöst, wird erkennbar werden und auch damit läßt sich dann weiterarbeiten. Offenheit und Klarheit wären mir wichtig im Klavierunterricht, falls ich mich überfordert fühlen würde, kann ich es ja ansprechen.
 
Weil ein Schüler der weiss, das es nicht gut war, sich verarscht fühlt.

Es gibt jede Menge Formulierungen mit denen man Kritik sachlich anbringen kann ohne sich zu verbiegen oder seine Glaubwürdigkeit zu untergraben: "Das geht noch besser", "Das war noch nicht so gut" oder auch "Das gefällt mir so nicht, weil..." und durchaus auch "Das war nicht gut". Letzteres aber nur bei Schülern deren Selbstbewusstsein keine erkennbaren Lücken aufweisst und die selbst auch eher Sachlich unterwegs sind.

Das sage ich natürlich auch zu meinen Schüler. Es ging doch aber in meinem Kommentar um Alternativen zu "Scheiße"

Es gibt auch viele Schüler, die es einfach nicht lernen wollen, weil sie dafür (und für vieles anderes auch) zu bequem und manchmal sogar auch aggressiv sind. Sofort raus werfen geht wegen Vertrag nicht, also muss man Alternativen suchen und versuchen, die Stimmung hoch zu halten
 

Es gibt auch viele Schüler, die es einfach nicht lernen wollen, weil sie dafür (und für vieles anderes auch) zu bequem und manchmal sogar auch aggressiv sind.

Das klingt jetzt aber arg nach böser Schüler, armer Lehrer mimi.

Aggressivität ist eine Reaktion, nur leider ist oft nicht erkennbar worauf, zumal der Ausbruch nicht immer in dem Kontext erfolgt in dem auch die Ursache liegt. Und Aggressivität ist ein Zeichen von Unsicherheit und Stress. Ein Lehrer der damit nicht umgehen kann, sollte bei Schülern mit solchen Problemen, den Unterricht besser ablehnen.

Ich gehe übringes davon aus, in der Regel handelt es sich in solchen Fällen in der Regel um Kinder. Bei Erwachsenen fände ich so ein Verhalten schon befremdlich, weil die ja ganz andere Möglichkeiten haben.
 
Ich mache den Job seit 35 Jahren und hatte schon fast alles was es gibt:

Schüler mit schweren Depressionen bis zum (nicht erfolgreichen) Selbstmordversuch, einer wurde nach einem Mordversuch von der Polizei erschossen, einer versuchte eine Bank auszurauben, tödlicher Autounfall, Krebserkrankungen usw.

Da ist das aggressive Verhalten einer pubertären 14-jährigen nichts dagegen. Ich weiß auch, woran es bei ihr liegt. Das halte ich schon aus. Kein böser Schüler, armer Lehrer mimi. Ich habe zu sehr vielen Ex-Schülern nach 20/25 Jahren immer noch einen guten Kontakt und bin voll ausgebucht

Habe keine Zeit für mimi
 
Wenn ich alles ausspreche, werde ich in 45 Minuten nicht fertig :lol:
Und ich glaube auch nicht, dass du deine Überforderung ansprechen, sondern nie mehr zu mir kommen würdest.

Dass du nicht fertig wirst, glaube ich sofort, der zweite Satz aber trifft nicht auf alle Schüler zu. Ich konnte Lobhudeleien noch nie ausstehen, habe mich schon als Kind deutlich beschwert, wenn ich gemerkt hatte, dass Erwachsene absichtlich mogelten um mich gewinnen zu lassen. In der Schule mochte ich nur die strengen Lehrer, für andere habe ich nichts getan.
Übertragen auf den Klavierunterricht: Her mit der Kritik, deshalb bin ich doch hier! Nicht ehrlich gemeinten Lob finde ich nur peinlich. Meine bisherigen KL konnten zudem nie verstehen, warum ich wenig erpicht auf neue Stücke war. Auch meine jetzige KL fragte letzte Woche, ob mich der Mozart nicht langsam langweilen würde, sie hätte da z.B. noch einen Bach...
Nein, ich möchte mich in meinen Stücke so sicher fühlen, dass auch Aspekte besprochen werden können, für die in den bisherigen Stunden keine Zeit mehr war oder die noch überforderten. Oberflächlichkeit langweilt auf die Dauer, Tiefsinn hingegen ist spannend. Sollten manche Dinge trotzdem noch zu schwierig sein, kann man sie zumindest ansprechen und notieren und vielleicht einen Teilbereich schon einmal antesten.
Am einfachsten wäre doch ein Gespräch zwischen Schüler und KL in dem auch abgeklärt wird, wie hart der Schüler herangenommen werden möchte. Zumindest mit Erwachsenen sollte das möglich sein. Man kann auf Kritik und zu viele Informationen nämlich nicht nur mit Arbeitsverweigerung reagieren sondern im Gegenteil erst recht motiviert werden nach dem Motto: "Na warte, dir werde ich es zeigen!"

(ich habe mich übrigens zu Bach überreden lassen, aber nur zusätzlich!)
 

Wie gefällt Dir: "Du hast so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann!"
:lol::lol::lol:



Deine Erfahrungen sind ja besonders heftig. Harter Tabak. :angst:
Ich hätte vermutet, die Klientel (Klavierlernende) sei tendenziell unauffällig.

Und ich glaube auch nicht, dass du deine Überforderung ansprechen, sondern nie mehr zu mir kommen würdest.

:denken: Meine Befürchtung wäre eher, dass der oder die KL die Krise bekommt, wenn man zu oft mit der weißen Fahne wedelt und um Erläuterung/Wiederholung/mehr Zeit bittet... das betagtere Gehirn ist ja manchmal sooo langsam! :girl:

Man kann auf Kritik und zu viele Informationen nämlich nicht nur mit Arbeitsverweigerung reagieren sondern im Gegenteil erst recht motiviert werden nach dem Motto: "Na warte, dir werde ich es zeigen!"

Nicht aus Trotz, aus Ehrgefühl. ;-)
 
... die ehrliche und schonungslose Rückmeldung muss immer mit der expliziten oder impliziten Botschaft einhergehen, dass der Schüler selbstverständlich zu erheblich Besserem in der Lage ist und dies auch des Lehrers aufrichtige Überzeugung ist, sowie mit klaren Anweisungen, Hilfestellungen, Tipps etc., wie der Schüler möglichst schon gleich, spätestens aber zu Hause übend, es deutlich besser hinkriegen kann.
Wenn zwischen Lehrer und Schüler ein vertrauensvolles Verhältnis vorhanden ist und der Lehrer sieht, wie und wo er den Schüler wirklich weiter bringen kann, dann ergibt sich das von selbst.
 
Für meine Unterrichtserfahrungen spielt der Begriff Kritik kaum eine Rolle und ich finde es etwas merkwürdig wie betont hier über Bewertungen nach dem Motto "Das war gut/schlecht" gesprochen wird.

Selten, aber manchmal wurde ich im Unterricht gelobt, z. B. wenn etwas unerwartet gut geworden oder vielleicht bemerkenswert war. Als ehemals fleißiger Schüler kann ich mich an schlechte Bewertungen eigentlich gar nicht erinnern. Selbst, als ich in späteren Jahren leider viel zu wenig Zeit zum Üben investieren konnte, wurde mein Spiel im Unterricht nie als schlecht beschrieben. Ich finde es komisch, dass hier, so wie ich die Beiträge wahrnehme, in so vielen Unterrichtssituationen vom Schüler eine leistungsorientierte Bewertung seiner Teilnahme am Unterricht erwartet wird oder aus der Sicht des Lehrers vom Schüler erwartet zu werden scheint. Die Bewertung steht eher bei Prüfungen, Wettbewerben oder evtl. beim Vorspiel im Vordergrund.

Bei der Erarbeitung von Stücken habe ich Hinweise des Lehrers, was man besser machen kann, auch nicht als Kritik empfunden und mich deshalb irgendwie angegriffen gefühlt. Wenn ich gerade gespielt habe und der Lehrer sagt "spiele das nochmal und stelle dir dabei dies und das vor oder versuche die Melodie deutlicher hervorzuheben oder an der Stelle, wo es es leiser wird, nicht langsamer zu werden" ist die Intention in erster Linie, mir Möglichkeiten oder Anleitungen zu geben, wie ich das Spiel verbessern kann und nicht, das gerade gespielte zu bewerten. Da muss gar keine Formulierung wie "Das war schon ganz gut, aber..." nach der berühmten Kommunikationsregel "erst das Lob und dann die Kritik" herbeigekünzelt werden. Dafür gehe ich doch zum Unterricht, um die Dinge zu lernen oder zu verbessern die ich noch nicht kann. Da ist es doch falsch, in jedem Hinweis oder in jeder Anleitung eine Kritik zu sehen. Wenn der Lehrer mich gut kennt, weiß er doch, dass ich das noch nicht kann und will mich damit nicht kritisieren sondern die Informationen geben, um die ich ihn mit meinem Besuch ersuche.

Vielleicht ist das bei Kindern/Jugendlichen weniger der Fall, aber vielleicht haben Erwachsene, die Situationen im Unterricht als angreifende Bewertung oder unangebrachte Kritik empfinden, oft auch ein Hierarchie-Problem, dass sie nicht akzeptieren wollen, dass der Lehrer, der logischerweise in Sachen Klavierspiel der kompetentere von beiden ist, sich in der Unterrichtssituation automatisch in der Hirarchieebene oberhalb des Schülers befindet.

Und es ist auch etwas schräg, wenn man in erster Linie zum Unterricht geht, um sich Lob und Anerkennung abzuholen, statt aus der Motivation heraus, ein Instrument zu lernen. Natürlich freut man sich normalerweise über ein ehrliches Lob, aber das sollte nicht das Wichtigste am Unterricht sein.
 

Zurück
Top Bottom