@alibiphysiker ...dem widerspreche ich auch nicht. Deswegen habe ich auch geschrieben, die Harmonielehre die man heute doziert: Z.B. die Bezeichnung Tonika, Subdominate und Dominate stammen von 1893 (gar nicht so alt). Der Quintenzirkel und einiges mehr kam auch später.
Sorry, aber das sind leider alternative Fakten (um es mal modern auszudrücken).
Die Bezeichnungne Tonika, Subdominante und Dominante stammen aus der französischen Generalbassschule des 17. Jahrhunderts und sind das ganze 18. Jh. in Gebrauch. Den Quintenzirkel gibt es bei Heinichen (1711), das Konzept fällt in die Entstehungsphase einer von der wohltemperierten Stimmung her gedachten Dur-Moll-Tonalität.
Was richtig ist, ist dass sich die Begriffe in ihrer Bedeutung im 20. Jahrhundert gewandelt haben. Die Musik auf drei Funktionen und ihre "Parallelen" zu reduzieren, wäre natürlich Mozart nie eingefallen, ist aber auch wiederum in der heutigen Form kein Konzept von 1893, sondern von vor allem zwei Nationalsozialisten (Grabner und Maler).
Das 18. Jahrhundert hatte aber eine sehr hoch entwickelte, praxisnahe und in vielen Belangen viel differenziertere Theorie, die man erst in den letzten Jahrzehnten langsam wiederentdeckt hat (und weiterhin tut).
(Wer sich dafür weiter interessiert, kann übrigens auch auf meiner noch im Entstehen begriffenen Homepage stöbern: bernardynet.de)
Nachdem ich gestern mal wieder eine eigenes Stück zwischen Komposition und Arrangement (tonal) mit Studierenden geprobt habe, fiel mir wieder auf, wie deutlich man merkt, welche Spieler ein kompositorisches Verständnis dafür haben, was passiert (d. h. klug phrasieren, musikalischen Witz erkennen, realisieren, welche Funktion ihre Stimme und einzelne Töne gerade haben usw.), und welche weniger.
Das Problem ist, glaube ich, dass die meisten denken, diese Dinge ausschließlich durch ihren Hauptfachunterricht und das Üben am Instrument erlernen zu können. Die Vorstellung, dass eine Idee davon, was die Musik überhaupt will, der technischen Umsetzung vorausgeht (und mindestens die halbe Miete ist), fehlt m. E. sehr häufig.
Interessant finde ich immerhin, dass die Umfrage doch zeigt, dass unter Hobbymusikern Theorie einen höheren Stellenwert hat als unter angehenden Profis.