Haben Theoriekenntnisse Folgen für die Praxis?

Hat Theoriekenntnis Folgen für die Praxis?

  • Ja, wer Musik satztechnisch durchdringen kann, spielt ganz anders und viel zwingender.

    Stimmen: 21 80,8%
  • In der Praxis sind ganz andere Dinge relevant. Was zu tun ist, lässt sich auch intuitiv begreifen.

    Stimmen: 5 19,2%

  • Umfrageteilnehmer
    26
Ich zu Lehrer: 'Sag mal 'ne Tonart.' Er: 'As-Dur' Ich spiele es auswendig in As-Dur. Welche Töne ich nutzen muss war mir klar. ...
Und dann war mir klar: wenn ich ein Stück harmonisch geblickt habe, dann kann ich es auch transponieren, in dem ich in den passenden Stufen und Funktionen denke,
Ich kann mich täuschen, aber das klingt nicht "gewöhnlich", sondern nach einer besonderen Begabung. Das sage ich ganz wertfrei, denke aber, dass das nicht jeder "auf Anhieb" kann, und die einzig logische Erklärung wäre dann ein besonderes Talent. Oder?

Was mich interessiert: Was genau passiert bei "in dem ich in den passenden Stufen und Funktionen denke". Woher weißt du schnell genug, welche Tasten das sind? Überlegst du einfach so wahnsinnig schnell, welche nun die iii in cis-moll ist, oder weißt du es? Hast du es gelernt, oder wusstest du das "schon immer" nachdem das Prinzip klar war? Was ist mit Umkehrungen, denkst du da einfach noch schneller oder macht das keinen Unterschied für dich?
 
@Stilblüte .... take it easy ... langsam solltest du merken, dass sich in diesem Forum einige Genies so nach der Art @Dreiklang taumeln. Ja nu, vielleicht mein er somit ein einfaches Kinderliedchen oder Tonleiter.
 
Ich finde das gar nicht sooo abwegig.

Mir ist es schon auf der Gitarre passiert, daß ich eine Melodie gespielt habe, sie aber in ganz anderen Lagen fortgesetzt habe, als ich sie ursprünglich mal gelernt habe.
Ich hatte das so interpretiert, daß ich wohl so auf der Gitarre heimisch bin, daß ich intuitiv die Töne spielen kann, die ich will, ohne darüber nachdenken zu müssen, wie ich sie finde.

Das ist ja ähnlich wie das Blattspiel. Das funktioniert ja auch nicht über das Entziffern der Tonnamen aus den Noten und dann das finden der passenden Tasten, sondern direkt.
 
Auf einer Gitarre mal eben Stufen zu transponieren ist auch was anderes als auf dem Klavier.

Ich habe genau das Gleiche wie @Häretiker gemacht und erlebt (einfach viel herum gespielt und probiert, auch Vieles in anderer Musik wieder erkannt) aber immer nur in einer Tonart. Mal eben in eine andere Tonart zu transponieren kann ich zwar gar nicht, aber halte es auch nicht für eine besondere Begabung. Man muss es einfach nur machen und üben, bis man sich überall zu Hause fühlt.
 
Ich kann mich täuschen, aber das klingt nicht "gewöhnlich", sondern nach einer besonderen Begabung. Das sage ich ganz wertfrei, denke aber, dass das nicht jeder "auf Anhieb" kann, und die einzig logische Erklärung wäre dann ein besonderes Talent. Oder?

Meine Lebenserfahrung sagt mir: es ist ungewöhnlich. :-) (Diese Erkenntnis musste ich aber auch erst einmal erlangen.)

Was mich interessiert: Was genau passiert bei "in dem ich in den passenden Stufen und Funktionen denke".

Wenn ich weiß, dass der Anfang von "Yesterday" die Tonika ist und es via II-V-I in Moll zur VI geht, dann kann ich das halt in allen Tonarten spielen. II-V-I in allen Tonarten, das sollte man drauf haben, wenn man versucht, Jazz zu spielen.

Beim Improvisieren habe ich auch keine Zeit zu überlegen "Hey, es wäre toll, wenn ich jetzt über II-V-I zur Subdomiannte gehe, dazu mache ich die Septime klein" ... zu spät! Das sollte man dann in die Fingers haben.

Aber: Das kann man üben! So die Standardwendungen oft genug in allen Tonarten. Ich kann 'All of Me'? Ok, nächster Schritt: 'All of Me' in allen Tonarten.


Grüße
Häretiker
 
Etwas in allen Tonarten zu spielen ist auch noch was anderes als während des Spielen eines Anspruchsvollen Stückes zu jedem Zeitpunkt automatisch zu wissen, wo man sich gerade befindet. "Yesterday" ist da natürlich auch nicht das Anspruchsvollste vom Anspruchsvollen. Ich dachte da z.B. eher an sowas wie ein Prélude von Debussy...
Trotzdem ist es toll und schon nicht normal, wenn man als Laie zu solch fortgeschrittenen Fähigkeiten gelangt ist. Das sage ich zu allen, die sie haben :super:
 
Ich dachte da z.B. eher an sowas wie ein Prélude von Debussy...

Eben, deswegen fand ich Debussy spannend ... transponieren kann ich "Hommage a Rameau" nicht (wäre mal ein interessante Übung ..) , aber ich habe da so gezweifelt an meinen Mitmenschen, als ein Vorausleiher jedes einzelne Kreuzchen und Auflösungszeichen in den drei Takten vor jede Note gepinnt hat, wo einfach nur eine Ganztonskala benutzt wird. Einfach mal auf die Tastaur schaun: Was spiele ich? Besser noch, Ohren aufsperren: Was höre ich?

Ja, auch bei Debussy und Ravel versuche ich immer heraus zu finden: Wo bin ich? Wo geht es hin? Debussy und Ravel haben mich unter anderem zum Jazz gebracht ...

Ach ja, Preludes ... ich spiele gerade das "Blondinchen" *) in einem Arrangement für Holzbläserensemble (ich bediene dort die Kontraaltklarinette). Hm, ich sollte das mal probieren ... ich habe die Harmonik ja schon halbwegs im Ohr. :-)

Grüße
Häretiker

*)
La Fille aux cheveux de lin
 
@Härtiker, ja wenn du so viel Freude an Harmonien hast, dann bitte ich dich die im Post #46 die entsprechenden Fragen zu beantworten und vor allem die Kadenzen (korrekt) aufschreiben. Es sind nur 5 Takte, sowas machst du sicher im nu.
 
Ich kann mich täuschen, aber das klingt nicht "gewöhnlich", sondern nach einer besonderen Begabung. Das sage ich ganz wertfrei, denke aber, dass das nicht jeder "auf Anhieb" kann, und die einzig logische Erklärung wäre dann ein besonderes Talent. Oder?

Was mich interessiert: Was genau passiert bei "in dem ich in den passenden Stufen und Funktionen denke". Woher weißt du schnell genug, welche Tasten das sind? Überlegst du einfach so wahnsinnig schnell, welche nun die iii in cis-moll ist, oder weißt du es? Hast du es gelernt, oder wusstest du das "schon immer" nachdem das Prinzip klar war? Was ist mit Umkehrungen, denkst du da einfach noch schneller oder macht das keinen Unterschied für dich?
Hi,
bei Jazzern (also nicht nur bei den Pianisten) ist es üblich, dass sie sich zu einem Stück die Harmonien in Stufen merken; dazu gibt es einige, die viele Stücke in jeder Tonart (sic) üben und man ist mit den Tonarten generell sehr gut vertraut, weil man als Jazzpianist zumindest bestimmte Übungen und Progressionen in allen Tonarten übt. Geläufige Akkorde/Voicings bzw. Umkehrungen ruft man tatsächlich automatisch ab; bei Leadsheets werden idR Akkordbezeichnungen angegeben, zu denen man sich auch in Abhängigkeit der vorhandenen Besetzung die Voicings (welche Akkordstellung, mit oder ohne Basston, weit oder eng, welche Optionstöne) selbst wählt. Das Thema eines Jazzstandards, das man als Jazzer auch immer ein bisschen anders und idR zum Teil oder ganz spontan arrangiert vorträgt und noch dazu darüber improvisiert, zu transponieren ist natürlich etwas anderes als ein technisch und inhaltlich forderndes klassisches ausnotiertes Klavierwerk zu transponieren. Letzterem kommt es eher gleich, eine Transkription einer Aufnahme eines Jazzpianisten einschließlich der Impro transponieren zu wollen, was dann zu ähnlichen Schwierigkeiten führt.
LG
BP
 
Ergänzung: darum habe ich im Bekanntenkreis zwar viele, die hobbymässig Rockmusik machen, aber mit fast keinem von ihnen könnte man Jazzmusik, die einfach viel komplexer ist, spielen. Zwei Bekannte waren zwar bereit, entweder das Thema zu spielen (Bläserin) oder zu begleiten (Bassist), aber beide wollten zu meinem Bedauern nicht improvisieren.

Natürlich gibt es einzelne Talentierte, die das dafür notwendige halbwegs professionell ambitionierte Übepensum aufbringen - Tastenjunkie sprach von zwei Std. pro Tag, Häretiker erwähnte mal die GeldSumme, die er für Unterricht investiert hat und wird wohl auch entsprechend viel üben - aber die sind rar gesät und ich habe bei Workshops schon viele Hobbymusiker kennengelernt, die in Sachen Jazz - wie leider auch ich - weitestgehend Anfänger sind und auch bleiben werden.
 

Ich habe höchsten Respekt vor sehr guten Jazzpianisten. Wirklich höchsten.
 
@Härtiker, ja wenn du so viel Freude an Harmonien hast, dann bitte ich dich die im Post #46 die entsprechenden Fragen zu beantworten und vor allem die Kadenzen (korrekt) aufschreiben. Es sind nur 5 Takte, sowas machst du sicher im nu.

@Steinbock44
Glaubst Du ernsthaft, ich würde wie ein kleiner Junge dieser Aufforderung nachkommen!?

Häretiker erwähnte mal die GeldSumme, die er für Unterricht investiert hat und wird wohl auch entsprechend viel üben

Derzeit komme ich leider eher auf 2h/Woche. Und die investiere ich gerade in den Auftritt im Mai, da darf ich noch ganz, ganz viel Bach auf Baritonsax üben ...

Grüße
Häretiker
 
Ja sicher muss du es nicht. Wäre nur kleine Bestätigung wie genial du die erwähnten Analysen beherrscht. Das Liedchen "Yesterday" ist für mich keine Referenz. Also vergiss es!
 
Wäre nur kleine Bestätigung wie genial du die erwähnten Analysen beherrscht.

- Ich habe nie behauptet, Analysen genial zu beherrschen.

- Ja, ich kenne die Bezeichnungen nicht. Weil mich klasische Analyse nicht interessiert. Die fünf Takte sind langweilig bis auf eine Stelle. Da finde ich persönlich 'Yesterday' interessanter, da verlässt man wenigstens seine Heptatonik.

- Frage: Wie nennt man dieses Voicing: d a e' f' c'' g''? Oder diesen Akkord: e a d g' h'? Nenne mir ein paar einfache Möglichkeiten, mit welchem Tonmaterial als Solist man eine II-V-I-Verbindung reharmonisieren kann? Welchen von den drei Akkorden würde man am ehesten wählen? Das ist für mich interessanter. Für mich ist halt dein Beispiel keine Referenz, weil für mich musikalisch langweilig und ohne Praxisrelevanz.

Liebe Grüße
Häretiker
 
Gefragt ist:
a: Wie heissen die Stufen hier?

Das ist nun wirklich simpel:
Code:
                  6-5
       6          4-3            6
T T | S5 D(7) | Tp2-3 T | S6 Sp D4 D7 | T
  3                   3

b: Was ist hier die Besonderheit -> wichtiger Einprägungsmerkmal?

Besonders ist daran harmonisch gar nichts. Es sei denn, man hält den Trugschluss in Takt. 3 für eine Besonderheit, was er aber nicht ist, weil in der Klassik zahllose Vordersätze so enden. Auffällig ist höchstens die unsymmetrische Periodenbildung - der Vordersatz umfasst 2 1/2 Takte, der Nachsatz nur 1 1/2 Takte. Aber auch das gibt es nicht so selten.

c: Erkennt jemand, wer das Komponiert hat?

Ich kenne das Stück nicht, ich tippe auf irgendeinen Chorsatz, möglicherweise von Haydn. Vermutlich gibt es dazu noch eine Klavier- oder Orchesterbegleitung, die Terzverdoppelung auf der 3 des ersten Taktes wäre sonst mindestens ungewöhnlich.

d: wie lange habt ihr für die Analyse ohne zu schummeln gebraucht?
Im Kopf keine 5 Sekunden. Das Aufschreiben war etwas mühsam, weil ich erst nicht wusste, wie ich das mit den hoch- und tiefgestellten Zahlen anstellen soll.
 
Ich habe höchsten Respekt vor sehr guten Jazzpianisten. Wirklich höchsten.

Gemeine Erkenntnis dazu: Meine Ursprungsidee fürs Klavierlernen war, daß ich mich da so heimisch fühlen Wollte, wie auf der Gitarre. Da habe ich eigene Songs gespielt oder Songs nachgespielt, was dem Jazz-Ansatz näher liegt. Das ganze Literaturspiel in der Lernphase bringt mich dem irgendwie nicht näher ...

Also die sowieso unnützen Partituren wegschmeißen und Liedbegleitung und Jazz-Harmonik lernen?
 
Baratt meint hier nicht irgendwelche rassistische Anmerkungen, die du hier unterschwellig schreibst .... sondern, z.B. Jazz, Tango etc. so gut und locker spielen wie im Ursprungland (da hilft halt keine Theorie).

Davon abgesehen,
- dass es bislang in keiner Weise um eine ABWERTUNG der Musik anderer Kulturkreise gegangen ist
- sondern lediglich um die empirische Feststellung, dass die Musik anderer Kulturkreise außerhalb des europäischen von (zufällig) Angehörigen desselben sich nicht ebenso intuitiv erschließt wie die des eigenen (vermutlich umgekehrt genauso?);
- dass ohne ABWERTUNG des Anderen zwecks Überhöhung des Eigenen schlechthin kein Rassismus im Sinne der Definition vorstellbar,
- eine sachlich beschreibende Unterscheidung hingegen sehr wohl legitim ist (Bsp.: "Das Deutsche ist eine flektierende Sprache. Das Japanische ist eine agglutinierende Sprache."), weil unter Verzicht darauf (vor lauter Sorge, dass irgendwer darin "Rassismus" anprangern und mittels dieses kampfrhetorischen Totschlag"arguments" einen selbst umgehend in eine Defensivposition drängen könnte) mangels Gegenstand keine Kulturwissenschaft möglich ist ...

*lufthol*

... censeo ceterum, dass der "kulturelle Abstand" (analog zum "linguistischen Abstand") zwischen Jazz/Tango und mitteleuropäischer Musik geringer ist als derselbe zwischen letzterer und z. B. der fernöstlichen.
 
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Super Mick! Ich hatte wesentlich länger als 5 Sekunden, bin ich nicht mehr so schnell im Denken. Die Resultaten sind nicht ganz Deckungsgleich aber u.U. liege ich falsch. Dafür war ich schneller im Aufschreiben ... Kugelschreiber sei Dank;-)

Als Besonderheit ist für mich der *Trugschluss mit verzögerten Eintritt.

Der Komponist ist W.A. Mozart, Finale aus: Cosi fan tutte
 
Zuletzt bearbeitet:
- Frage: Wie nennt man dieses Voicing: d a e' f' c'' g''? Oder diesen Akkord: e a d g' h'? Nenne mir ein paar einfache Möglichkeiten, mit welchem Tonmaterial als Solist man eine II-V-I-Verbindung reharmonisieren kann

Ich habe nun nicht alle Beiträge hier gründlich gelesen.
Aber:
Was ich nicht zielführend finde: "klassische Analyse" ( was um alles in der Welt soll das überhaupt sein?) und andere Herangehensweisen, wie sie z.B. im Jazz üblich sind, gegeneinander auszuspielen und/oder eine Art abzuwerten. Harmonisches Denken und Akkordsymbolik in Jazz und verwandten Formen ist klassischer Generalbass, com Grano salis (sic).
Die beiden oben zitierten Harmoniegebilde sind zum Ersten ein stinknormales Kenny Barron- Voicing und zum Zweitesten ein So What - Voicing. Steinalte Hüte.
Außerdem: zum Reharmonisieren habe ich gerade keine Lust.
Scriabin ( is so 'n Klassik- Typ....) tut das in seinen späten Klavierwerken dauernd, und hat nebenbei total geile upper structures in petto. Kanns sogar besser als ich. :-)Empfehlenswert. Auch Debussy und Ravel haben da schon so manche Bresche geschlagen. Und der Samtkäppityp Richard Wagner hat schon gewaltig tristanesk rumgejazzt.
Will sagen: ich habe wie die Stilblüte allergrößten Respekt vor Jazzern und ihrem Können: aber was ist das denn: afrikanische Rhythmik , klassische Harmonik plus paar mehr blue notes; formal: eher ärmlich. In der Mischung als hybride Form: faszinierend.
 

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