Eure schönste Kadenz

Stilblüte

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Meine zwei lieben Schüler haben mir vor über einem Jahr Konzertkarten für ein Konzert mit den Bambergern geschenkt, in denen u.a. die Symphonischen Tänze von Rachmaninov aufgeführt wurden.
Direkt am Anfang zeigt Rachmaninov schon seine Genialität, indem er es schafft, einen simplen, gebrochenen Dreiklang zu einem spannenden Motiv werden zu lassen (hier eine beliebige Aufnahme:
View: https://www.youtube.com/watch?v=aejZf3Y75JM
)

Wirklich besonders und für mich absolut charakteristisch ist die absolut packende Verwendung einer simplen V-I-Verbindung (im Video bei ca. 1:37, es empfiehlt sich aber, den ganzen Anfang anzuhören). Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie viel Kraft, Stringenz, Form und Befriedigung in einer simplen Kadenz liegen!
Rachmaninov scheint eine besondere Liebe zu diesen (scheinbar!) simplen Akkordverbindungen gehabt zu haben. Er schreibt die kompliziertesten Préludes, aber quasi jedes davon endet mit einer nachgesetzten, schlichten, doch immer fantasievoll gestalteten Kadenz!

Darum die Frage: In welchen Stücken kommen eure allerliebsten Kadenzen vor?

Eine weitere Kadenz, die ich als Gipfel eines Stückes sehr packend und gelungen finde, ist die am Ende der 4. Ballade von Chopin.
 
Was genau meinst du?
- Solokadenzen in Klavierkonzerten (wie die berüchtigten in Rach 3)
- "quasi Cadenza" Abschnitte aus Sonaten, Rhapsodien etc?

meine Favoriten
Konzerte Solokadenzen:
- Mendelssohn Violinkonzert e-Moll die Kadenz von J. Joachim
- Beethoven Violinkonzert D-Dur Kadenz im 1. Satz
- die Solokadenz in Barbers Klavierkonzert
- Beethoven Konzert Nr.2 die Kadenz von Brahms

"kadenzartige" Abschnitte:
- de Falla Nächte in spanischen Gärten
- der "Kadenz" bespitznamte Abschnitt im Finale der Waldsteinsonate
- die quasi Mini Kadenz I-VI-V4-3 mit nachfolgender Trillerkette (wendet sich von C nach Es) in op.111
- die grelle Glitzerkadenz in Ravels Ondine
 
Ich verstehe die Frage nicht @rolf, ich habe doch ganz genau erklärt, welche Art von Kadenz ich meine, nämlich eine, die mit V-I endet. Eine musiktheoretische Formel, die wenige Sekunden dauert.
 
tja... der Dichter spricht (die beiden letzten Akkorde)

...partout V-I ist etwas einengend...
...da passiert bissel mehr als nur V-I, oder? erstmal ne lange f-Moll Arpeggienkette, dann 4 Akkorde (Des-Dur- b-Moll6 (vulgo II7)-C-Dur7-f-Moll)

aber ok: Waldsteinsonate (Finale) der Jubiläumsludwig verprasst da viele Takte für die V-I Wendung :-)
 
die absolut packende Verwendung einer simplen V-I-Verbindung
So simpel ist das an der Stelle nicht - und genau deshalb ist die "packend" und nicht banal. Rachmaninow ersetzt nämlich die Terz der Dominante durch die Quart, und das führt dazu, dass man diese beiden Akkorde nicht als typische V-I-Verbindung hört. Das, was du als V beschreibst, vereinigt hier die Subdominante (repräsentiert durch F und C) mit der Dominante (G und D). Die Kadenz wirkt dadurch gleichzeitig plagal und authentisch.
 
Wenn ich nur an Mozarts V-I Schlüsse denke...
- Abendempfindung
- Ah perdona il primo affetto (aus Clemenza) - hier geht es mir wahrscheinlich um etwas mehr als die Schlusskadenz, nämlich um den vollkommenen Eindruck einer Symmetrie der ganzen Arie, der die Schlusskadenz vermittelt.
- 2. Satz KV481 (die fast letzte Kadenz mit dem langen Triller) - die habe ich irgendwie immer als Gratwanderung zwischen großartig und unglücklich empfunden; einmal habe ich sie richtig überzeugend erlebt, so unendlich befriedigend und allumfassend, wie sie verspricht, sein zu können... dann bin ich aufgewacht.
- 2. Satz von KV457 (so vieles, nicht nur der Schluss)
- KV477 - da ist schön sicherlich nicht der richtige Ausdruck, aber ein Gänsehautschluss ist es schon. In diesem Sinne, auch das Requiem mit seiner fehlenden Terz?
- KV511 :020::020:
- KV613 :chr03:
 
Selbstverständlich hat jede "besondere" Kadenz eine Eigenheit (im Neutralen Sinne) die sie erst zu etwas Besonderem macht. Ansonsten würde sie nicht herausstechen. Genau darauf zielt die Frage an.
 
Leider auch keine klassische V-I-Kadenz, und deshalb habe ich keine Ahnung ob du so etwas suchst... aber ich bringe trotzdem mal eine Stelle aus dem 5. Satz der 2. Sinfonie von Mahler hier ein.

Die Kadenz ist bei ca. 01:10:55 in folgendem willkürlich gewählten Video. Ich habe bewusst ca. 30 Sekunden weiter nach vorne als Startpunkt verlinkt, damit die Wirkung besser rüberkommt.


View: https://www.youtube.com/watch?v=0zu5nc5GECI&t=4212s
 
Eine auf den ersten Blick simple, aber absolut geniale Kadenz ist der Beginn des Accompagnato-Rezitativs vor der Susanna-Aria im 4. Figaro Akt. Allein die Tatsache, das Stück auf dem unstabilen Quartsextakkord zu beginnen ist ein dramaturgischer Kniff erster Güte - die innere Unruhe der Susanna wird spürbar, noch bevor sie eine einzige Note gesungen hat.

Und ebenso genial ist die Schlusskadenz am Ende der Arie - die hört gar nicht richtig auf! Die aufsteigenden Bläserlinien sind ein Sinnbild für die Unsicherheit der Susanna, die sich mit der Rosenarie nur scheinbar beruhigt hat. Mit so einfachen Mitteln die Figuren so präzise zu charakterisieren, das hat weder vor noch nach Mozart je ein Komponist gekonnt:


View: https://www.youtube.com/watch?v=PFX_UpK8ZdY
 
Zuletzt bearbeitet:

An der Passacaglia und Fuge in c-Moll, BWV 582 von Johann Sebastian Bach mit ihren fantastischen Kadenzen kann ich mich nicht satthören:



Der Schluss der Fuge mit dem neapolitanischen Sextakkord ist freilich ein Höhepunkt (Minute 12:58). Und dann die picardische Terz im Schlussakkord...
:super:

Und die Toccata in F-Dur, BWV 540:

 
Zuletzt bearbeitet:
wenn Bach, dann natürlich auch diese Schlußformel (steckt V-I drin)
V I 5.png
diese letzten vier Takte des Praeludium der 1. Cellosuite sind von enormer Wirkung!
 
Bartok 10 leichte Klavierstücke enthält auch eine überraschend wirkungs- und ausdrucksvolle V-I Schlußwendung:
V I 1.png
evtl wird die besondere Wirkung dadurch verursacht, dass es vorher bissel anders als nur I-IV-V-I abläuft ;-)
 
Dann möchte ich noch mein Lieblingswerk von Franz Schubert erwähnen: Fantasie in f-Moll für Klavier zu vier Händen
 
Was Ravel durch geschicktes Changieren mit den Tongeschlechtern an Farbgebungen in spätbarocke Wendungen einstreut, ist schon sensationell:



Mehrfach beendet er die jeweiligen Abschnitte mit der Schlusswendung IV-I-V-I und setzt nicht nur das plagale IV-I direkt gegen das authentische V-I, sondern er ändert die Schlusswirkung durch Austauschen der Tongeschlechter. Des weiteren gelingt ihm die Herstellung einer Assoziation an kirchentonale/modale Strukturen des Vorbarock mit den letzten beiden Akkorden ("mixolydische Septime"). Der Beiname "antique" steht demnach nicht nur für den Bezug auf eine bestimmte Epoche, sondern für ein ganz individuelles Changieren mit unterschiedlichen Stilistiken, das dennoch in jedem Moment charakteristisch für Ravels Personalstil bleibt. In der späteren Orchesterfassung kommt als weitere Komponente der Parameter Klangfarbe dazu, zumal er die charakteristische romantische Besetzung (Holzbläser) wählt.

Gerade wenn Komponisten Assoziationen an einen "alten Stil" wecken, ohne die Stile zu kopieren, gelingen wirkungsvolle und charakteristische Lösungen.

LG von Rheinkultur
 
Etwas Vergleichbares wie in Ravels Menuet antique gibt es auch in Prokofievs 1. Sinfonie, die durchaus gewollte Anspielungen an Haydn enthält. Hier sind besonders die Kadenzen in der Gavotte interessant - die abschließenden, eigentlich simplen V-I-Wendungen werden zur Überraschung, weil Prokofiev jedesmal vorher durch eine chromatische Modulation in die entlegene Tonart Cis-Dur ausweicht. hier zum ersten Mal bei 0'20'':


View: https://www.youtube.com/watch?v=Cb--4g2Nbbk
 
Zuletzt bearbeitet:
welche Art von Kadenz ich meine, nämlich eine, die mit V-I endet. Eine musiktheoretische Formel, die wenige Sekunden dauert.
wie in deinem @Stilblüte Beispiel (sinfon. Tänze) dürfen ja auch sozusagen "zwischendurch"-Stellen mit V-I erwähnt werden, die irgendwo mitten in einem größeren Zusammenhang stehen (auch wenn dergleichen dann nur Bruchteile von Sekunden dauert) - Hauptsache sie sind wirkungsvoll. Eine solche Stelle mit V-I findet sich in der Exposition der Hammerklaviersonate:
V I 6.png
zwar hat man die typische aufsteigende Quarte V-I (hier f-b) schon tausendmal gehört, aber irgendwie ist sie hier besonders wirkungsvoll (wie in den sinfon. Tänzen)
 
Diese Stelle aus Pfitzners Christelflein-Ouvertüre ist durch unablässige Wiederholung einer Kadenz mit einem recht seltsamen Durchgangsakkord gekennzeichnet, der eine so extreme Spannung auslöst, dass die eigentliche Schlusswirkung der V-I-Folgeakkorde überhaupt nicht Platz greift:



Weniger schön als faszinierend, welche Kräfte so ein Akkord in dieser Platzierung freisetzen kann.

LG von Rheinkultur
 
Der Schluss der Matthäuspassion mit seiner großen Septime auf der I ist unglaublich:

Bach Matthäuspassion.PNG

Etwas weiter vorne begonnen:


View: https://youtu.be/URYF9HseN_w?t=274
bzw.

bei etwa 4:34

Und zum zweiten den traumhaften zweiten Satz des 4. Klavierkonzerts von Beethoven, hier bei 19:23:



Viele tolle Kadenzen sind dort zu finden und die tollste ist diese, die allerdings etwas länger dauert:

Beethoven, viertes Klavierkonzert, 2. Satz.a)PNG.PNG

Beethoven, viertes Klavierkonzert, 2. Satz.PNG

Liebe Grüße

chiarina
 

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