Alter Bösendorfer, wer kennt ihn, was haltet ihr davon?

O

ollli

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29. Sep. 2018
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Hallo,

ich habe die Schule gewechselt. An dieser Schule gibt es einen musischen Zweig mit Instrumentalunterricht für die Schüler der Schwerpunktklassen. Im Festsaal steht ein kleiner (günstiger) Kawai Stutzflügel, und was fand ich im kleinen Kämmerlein mit 12 Quadratmeter?

Das da....:011:



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Das Instrument hat mechanisch etwas gelitten, die Elfenbeiplättchen fehlen zwei dreimal stirnseitig, die Dämpfung bedürfte eines Updates, gestimmt ist er aber sehr gut und der Klang haut einen um. Mir gefällt vor allem wie gewaltig und schön die Bässe sind und warm das Instrument klingt.
Ich spiele ja sonst zu Hause auf einem Stromklavier, Kawai CS11, und bin damit recht zufrieden. Beim Bösendorfer fasziniert mich die Dynamik, mit der man ihn spielen kann, von so was von leise bis "die Nachbarn ziehen aus".
Und das sage ich als ein Bodenbrüter, der mit gut Mitte vierzig vor zwei Jahren erst begonnen hat zu spielen.
Ich gehe in meinen Freistunden in den Raum, wenn er frei ist und klimpere etwas und erfreue mich an jedem Akkord, wir er mir ins Ohr kriecht und das Zwerchfell massiert. Wunderbar.
Interessant wäre, was so eine Restaurierung kosten würde und was der Wert des Instruments dann wäre, mit welchem neuen Instrument, z.B. von Yamaha, dann das Instrument vergleichbar wäre und das auch preislich.
 
Sieht nach einem 275er aus, erstes Viertel 20. Jahrhundert.
Gebrauchte Instrumente dieses Modells in gutem Zustand werden für etwa 50.000 Euro angeboten.
 
Bösi-280-1.jpg

Das dürfte ein identisches Modell sein, also ein 280er aus ca. 1892. Die Farbe der Gußplatte legt nahe, dass der schon einmal in der Fabrik zur Überholung war, denn dieser bronzene Farbton sieht nach original Bösendorfer aus. Die Mechanik dürfte auch der Zeit entsprechen, wenn die Klaviatur so aussieht - und damit wohl noch eine Stoßzungenmechanik.

Der hier abgebildete ist komplett überholt worden, inklusive Neubesaitung, vor allem aber mit einer modernen Mechanik, die der Klavierbauer komplett selbst gebaut hat, inklusive Klaviatur. Die Hebeglieder, Hammer bis zur Kapsel und Fänger stammen aus einem moderneren Bösendorfer um ca. 1920, der Rest ist selbst gebaut. Klingen tut das dann so:



Die 60.000 sind vielleicht für den überholten Flügel ein realistischer Preis, aber nicht für das alte Schätzchen. Ohne einen Preis benennen zu wollen: Man muß dafür überhaupt erst einmal einen Käufer finden. Der Flügel schaut schäbig aus und es ist schon recht aufwendig, die Oberfläche wieder hinzubekommen - und dann eben die Mechanik, die heute keiner mehr spielen will. Mein Klavierbauer hat den Flügel in vergleichbarem Zustand praktisch geschenkt bekommen, weil ein solches Monster in dem Zustand einfach unverkäuflich ist.

Aber für den Festsaal sollte man schon überlegen, ob man das Geld für eine richtige Reparatur in die Hand nimmt; billiger als ein neuer Konzertflügel ist das allemale und mit einer neuen Mechanik ist das praktisch wie ein moderner, sehr schöner Konzertflügel.
 
soll ich ein paar Fotos mehr machen? Kann ich gerne, ist ein interessantes Thema. Er klingt einfach nur wunderschön.
 
mache ich am Montag, wenn ich wieder in der Schule bin und spiele
 
Die Zugstreben vor den Pedalen weisen aus, dass es noch die alte deutsche/ Wiener/ Prellzungen-Mechanik ist.

Wenn der Bösendorfer eine Stoßzungen- bzw. "doppelt englische" Mechanik hätte, dann wäre seine Sanierung weit "ertragversprechender" als mit der liebhabernden Wiener Mechanik.

Das wechselte im Zeitbereich von ca. 1900 (als der Imperial herauskam) bis ca. 1906, als sich wohl Bösendorfer generell von der Wiener Mechanik verabschiedete. Der Flügel sollte also wohl älter sein, und hat damit min. ca. 120 Jahre auf dem ehrwürdigen Buckel.

Für einen Liebhaber, der nicht Profi-Pianist ist, kann das immer noch ein sehr schönes Instrument werden. Bissel problematisch sind wohl die Beschaffbarkeit und die Preissitu für Teile der Mechanik, wenn denn man eine Wiener Mechanik sanieren will. Das müsste ein Fachmann für sowas checken.

Alte Bösendorfer sollten auch in den klassischen "Ecken" geprüft werden, also Stimmstock, der Resonanzboden, und auch der Rahmen. Ich erinnere mich, mal in Mülheim an der Ruhr einen recht alten (um 19010?) Semikonzertflügel in Augenschein genommen zu haben für einen mich besuchenden ex Clavio-Admin, der parallel sich per Hdy vom Klaviermacher Michael beraten ließ - und dann die Finger von dem Flügel ließ.

Zu einem weit tieferen Preis hatte dann der Klaviermacher dennoch gekauft - Argument zum Preis-Tieferlegen: Rahmenriss. Der Flügel wurde dann komplett saniert und wohl auch - nach sehr viel Arbeit - gut verkauft.
 
Zuletzt bearbeitet:

Bis zu welcher Zeit hatten Bösendorfer lederbezogene Hämmer? Oder verwechsle ich da was?
 
Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts sicher nicht mehr.
Anfangs des 20. Jahrhunderts knapp genau noch. ... ;-)

Erst mit dem Ende der Wiener Mechanik endeten auch die Belederungen der Hämmer - der Grund war genannt: die Längsbewegung des Hammers an den Saiten - das ist verschleißgeneigt, das wäre mit Filz obenauf des Hammers nicht gut zu machen gewesen.
 
Aso eine Wiener Mechanik ist es nicht, entweder Englisch oder Halbenglisch. Versuch doch mal die Mechanik genauer zu fotografieren. Die Zugstangenpedalanlage hat Bösendorfer auch mit moderner Mechanik kombiniert. Also wenn er eine moderne Mechanik hat ist der Wert schon fünfstellig...
 

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