Wird bei Euch jedes Stück "fertig"?

  • Ersteller des Themas Klavirus
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Bei meiner alten Lehrerin wurden Stücke so eingeübt, dass sie passabel sind. Also technisch klappen und einigermaßen gut klingen.
Jetzt bei meinem neuen Lehrer wird jedes Stück solang bearbeitet, dass kein Ton mehr irgendwie gespielt wird, sondern jeder Ton einen klanglichen Sinn und Zweck bekommt. Das ist mir persönlich wesentlich lieber, weil ich mich jetzt auch in der Schule mal an den Flügel setzen kann um ein Stück vorzuspielen dass ich gerade im unterricht hatte (früher hab ich das lieber vermieden, weil es mir unfertig vorkam)

Aber ich nehme mal an, wenn ich jetzt den Wunsch äußere ein Stück bei einem Vorspielabend oder einer ähnlichen Veranstaltung vorspielen zu wollen, so würden wir das Stück noch mehr bearbeiten.

Ich finde, man sollte Stücke immer so einüben, dass man sie problemlos zumindest Bekannten vorspielen kann. (Natürlich gibt es Stücke die eine solche Bearbeitung nicht nötig haben (siehe die Anfänger-Etüden von z.B. Czerny)


Liebe Grüße
oli
 
... was heißt schon fertig ...

Hallo,

bei mir gab es früher viele Stücke, die "unfertig" liegen geblieben sind. Manche davon habe ich viel später wieder herausgeholt, überarbeitet, auswendig gelernt und im Konzert vorgetragen.

Es gibt aber auch noch Stücke von früher, die sind so voll von eingeschliffenen Makeln, dass ich sie nicht mehr anrühre, der Aufwand lohnt sich nicht. Das sind meine "Leichen im Keller".

Heute plane ich meine Konzertprogramme langfristig und spiele die Stücke auch vor, es bleibt kaum etwas liegen, vielleicht Stücke, die ich eingeübt habe, aber irgendwie nicht passen. Die lasse ich dann liegen. Oder Stücke, die als Zugabe nicht zum Einsatz gekommen sind.
Ist besagtes Konzert dann vorbei, sind die Stücke "fertig" - eher für dieses Mal ausgebraucht oder abgehakt.

Walter
 
Also, ich bin der Meinung, daß es sich auch lohnt, Stücke zu üben, aber sie dann NICHT bis zur Vorspielreife zu bringen. Erstens lernt man immer etwas, wenn man ein Stück übt (eines das einem zusagt natürlich, sonst lohnt sich der Aufwand ja nicht), und zwar nicht nur technisch, sondern auch musikalisch. Man hört das Stück mit ganz anderen Ohren, wenn man es selbst übt, eigene Unsicherheiten und Schwierigkeiten erlebt und dann mit der Darbietung eines Könners vergleicht. Man sieht dann, wie der Könner die Probleme gelöst hat, die die eigene Darbietung beeinträchtigen. Ich glaube das hat einen Wert und macht auch Freude.

Dies ist die Sicht eines "Hobbyspielers". Profis werden es sich natürlich nicht leisten können, Stücke lange zu üben und dann doch nicht vorspielen zu können.

Manfred
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Also, ich bin der Meinung, daß es sich auch lohnt, Stücke zu üben, aber sie dann NICHT bis zur Vorspielreife zu bringen. Erstens lernt man immer etwas, wenn man ein Stück übt (eines das einem zusagt natürlich, sonst lohnt sich der Aufwand ja nicht)

Das ist eine recht gewagte und provokante These ;) aber sie gefällt mir. Ich erlebe das ganz ähnlich. Durch die Arbeit an schwierigen Dingen lerne ich technisch das meiste. Was man dabei lernt, kann man bei einfacheren Sachen dann nutzbringend einsetzen.

Wann man ein Stück vorträgt, das mag auch sehr vom eigenen Anspruch abhängig sein. Ich selbst hätte es ganz gern, wenn auch der letzte Rest "Amateur" nicht mehr zu hören wäre. Verkompliziert wird das dann noch, wenn man es gewohnt ist, bei Klavierspiel sehr scharf hinzuhören :D

Profis werden es sich natürlich nicht leisten können, Stücke lange zu üben und dann doch nicht vorspielen zu können.

Es wäre mal interessant zu erfahren, wie viele schwere Stücke von Profis bearbeitet werden, aber nie gespielt werden, weil "es nicht reicht". Ich weiß es nicht. Dennoch habe ich den Eindruck, daß in den wenigen "perfekt" gelungenen Stücken auch sehr viel Zeit, Arbeit und Routine stecken - selbst für einen Profi.
 
Profis werden es sich natürlich nicht leisten können, Stücke lange zu üben und dann doch nicht vorspielen zu können.
Horowitz erzählte, dass er bei Cortot sämtliche 32 Beethovensonaten gelernt hatte - öffentlich gespielt hat er davon aber nur recht wenige ;) (was sehr zu bedauern ist, denn man hätte gerne mehr späte Beethovensonaten als lediglich op.101 (live) von ihm)
des weiteren hat Horowitz erzählt, dass er Liszts A-Dur Konzert und beide Chopinkonzerte gelernt hatte, dass er aber nie dazu kam, diese zu spielen (weil man ihn für die Brecher von Brahms, Rachmaninov, Tschaikowski engagierte)
...ich bin überzeugt, dass wir uns einig darüber sind, dass Horowitz ein Profi war ;):D
 
des weiteren hat Horowitz erzählt, dass er Liszts A-Dur Konzert und beide Chopinkonzerte gelernt hatte, dass er aber nie dazu kam, diese zu spielen (weil man ihn für die Brecher von Brahms, Rachmaninov, Tschaikowski engagierte)

oh Mann oh Mann... selbst ein Horowitz mußte sich dem Diktat von Zwängen und der Massen unterwerfen... :eek:

Wann wird man eigentlich vom "Diener" zum "Spielemacher"...?

Dagegen ist man als Amateur ja ein König (man kann tun und lassen was man will)...
 
Lang Lang erzählte, er sei "noch nie an einem Stück gescheitert", schränkte es jedoch etwas insoweit ein, als er die Goldbergvariationen bereits einstudiert habe, aber noch nie vor Publikum gespielt: Manche Werke müssten halt "mit den Jahren wachsen". Das Verhältnis von Begabung u. handwerklichem Training schätzt er übrigens bei jedem bedeutendem Künstler mit 50/50 ein.

LG
BP
 
Also, ich bin der Meinung, daß es sich auch lohnt, Stücke zu üben, aber sie dann NICHT bis zur Vorspielreife zu bringen. Erstens lernt man immer etwas, wenn man ein Stück übt (eines das einem zusagt natürlich, sonst lohnt sich der Aufwand ja nicht), und zwar nicht nur technisch, sondern auch musikalisch. Man hört das Stück mit ganz anderen Ohren, wenn man es selbst übt, eigene Unsicherheiten und Schwierigkeiten erlebt und dann mit der Darbietung eines Könners vergleicht. Man sieht dann, wie der Könner die Probleme gelöst hat, die die eigene Darbietung beeinträchtigen. Ich glaube das hat einen Wert und macht auch Freude.

Dies ist die Sicht eines "Hobbyspielers". Profis werden es sich natürlich nicht leisten können, Stücke lange zu üben und dann doch nicht vorspielen zu können.

Manfred
Das zum "Profi-Status" Gesagte trifft zu. Angesichts des harten Existenzkampfs im Berufsalltag muss die ohnehin knapp bemessene Zeit für Vorbereitung, Einstudierung und Optimierung bestmöglich genutzt werden. Schließlich erhält der Profi sein Honorar nicht für das Lernen, sondern für das Können - wie soll er denn Bezahlung einfordern für etwas, das er (noch) gar nicht beherrscht?

Das Phänomen, experimentell zu arbeiten, Dinge auszuprobieren, sich unverbindlich zu informieren, wird spätestens in der Studienzeit zunehmend durch die Notwendigkeit, Begonnenes mit Erfolg abschließen zu müssen, abgelöst werden. Dass auch während der beruflichen Tätigkeit noch Lern- und Entwicklungsprozesse stattfinden, steht dabei nicht im Wiederspruch zum Profi-Status. Nur können sie nicht als Ausrede für Qualitätsmängel und Defizite herhalten.

Die zunehmende Berufserfahrung sollte es aber auch mit sich bringen, dass Fehlversuche und gescheiterte Projekte immer seltener werden - allerdings hat man dazu seine Stärken und Schwächen selbstkritisch ausfindig zu machen und seine Karriereplanung darauf abzustimmen. Aber ist das nicht eigentlich eine selbstverständliche Voraussetzung für jede professionell ausgeübte Tätigkeit (nicht nur Klavierspielen)?, fragt

mit LG Rheinkultur
 
Horowitz erzählte, dass er bei Cortot sämtliche 32 Beethovensonaten gelernt hatte

Später sagte Horowitz...

Zitat von Horowitz:
Ich könnte niemals alle 32 Beethovensonaten runterspielen! Manche Sonaten von Beethoven sind zwar wunderbar, aber eine nach der anderen zu spielen ist das Langweiligste, was man sich überhaupt vorstellen kann. Beethoven hat manchmal einfach zu viele Noten geschrieben. Im Unterschied zu Mozart: Bei ihm sitzt jede Note am rechten Fleck!

Vielleicht ist deswegen die Anzahl der Einspielungen von ihm überschaubar. Horowitz hatte aber einiges im Repertoire, was er nie öffentlich spielte. Die Humoreske von Schumann liebte er, er wollte sie aber lange Zeit nicht öffentlich spielen da fürchtete, sie wäre dem Publikum zu lang. Anscheinend hat er auch sehr viel aus der Moderne im Repertoire gehabt, von dem er aber nur wenig spielte, weil laut ihm gerade die Amerikaner so was nicht hören wollen.

Viele Grüße!
 
Es gibt aber auch noch Stücke von früher, die sind so voll von eingeschliffenen Makeln, dass ich sie nicht mehr anrühre, der Aufwand lohnt sich nicht. Das sind meine "Leichen im Keller".
Schön, sehr schön, freut mich sehr, dass es auch anderen so geht. Ich hielt das schon immer für völlig normal.

Und wenn ich mich an ein sehr schwieriges Stück mache, was sehr viel Übezeit verlangt, ist es schon vorgekommen, dass es mir, bevor ich es konnte, schon zum Halse heraus hing.

CW
 

Vielleicht ist deswegen die Anzahl der Einspielungen von ihm überschaubar. Horowitz hatte aber einiges im Repertoire, was er nie öffentlich spielte. Die Humoreske von Schumann liebte er, er wollte sie aber lange Zeit nicht öffentlich spielen da fürchtete, sie wäre dem Publikum zu lang. Anscheinend hat er auch sehr viel aus der Moderne im Repertoire gehabt, von dem er aber nur wenig spielte, weil laut ihm gerade die Amerikaner so was nicht hören wollen.

Hallo Troubadix,

so ad hoc fällt mir kein klassischer Pianist ein, der seit Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts mehr Aufnahmen gemacht hat als Horowitz. Damit meine ich nicht nur die Anzahl sondern auch das Repertoire. Wenn seine Einspielungen überschaubar sind, wie bezeichnest Du dann die Anzahl von z.B. ABM:-).

Liebe Grüße
Christian
 
Hallo Troubadix,

so ad hoc fällt mir kein klassischer Pianist ein, der seit Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts mehr Aufnahmen gemacht hat als Horowitz. Damit meine ich nicht nur die Anzahl sondern auch das Repertoire. Wenn seine Einspielungen überschaubar sind, wie bezeichnest Du dann die Anzahl von z.B. ABM:-).

Liebe Grüße
Christian

Es ging um Einspielungen von Beethoven-Sonaten! ;)

Viele Grüße!
 
Ich habe da mal eine Frage . Habe seit 2 Jahren Unterricht, Mein Problem: Immer wenn ich ein Stück gut kann, auch auswendig ,habe ich es nach einiger Zeit wieder vergessen und müsste es wieder ganz neu lernen. Ist das eigentlich normal? Oder könnt Ihr alles noch nach Jahren ad hoc wieder spielen?
 
Dazu gibt´s hier schon einen Faden. Bei vielen ist es so, dass sie Stücke, die sie als Kind gelernt haben, nach 20 Jahren noch können und Stücke, die sie als Erwachsener gelernt haben, schnell wieder vergessen.

Nein, ganz neu musst Du das nicht. Nimm Dir so ein Stück und Du wirst feststellen, dass es viel schneller geht, das wieder auf altes Niveau zu bringen.
 
Das ist normal. Man vergisst und verlernt schnell, am schnellsten die schwierigen Stellen, in die man die meiste Arbeit gesteckt hat.

CW
 
Ich finde das aber ganz traurig. Ich liebe all meine ehemals gelernten Stücke. Und wundere mich dann, dass das ja gar nicht mehr geht. Ja , besonders die schwierigen Passagen , die ich wochenlang probiert habe ,klappen überhaupt nicht mehr .
 
was habt ihr alle mit eurem "ad hoc"? ...
gruselig, solche anglizismen ;)
 
Jedes Stück, das ich irgendwann mal "anfasse" auf 100% zu bringen wäre für mich utopisch. Dennoch lerne ich auch viel aus den Stücken, die ich nicht zur Perfektion bringe. Das "nicht zu 100% erarbeiten" wird bei mit natürlich auch noch begünstigt, dass ich seltenst irgendwo auftrete oder vorspiele. Für das kurze Vorspiel irgendwo hab ich natürlich immer noch einen Klassiker parat ;)

Schön, sehr schön, freut mich sehr, dass es auch anderen so geht. Ich hielt das schon immer für völlig normal.

Und wenn ich mich an ein sehr schwieriges Stück mache, was sehr viel Übezeit verlangt, ist es schon vorgekommen, dass es mir, bevor ich es konnte, schon zum Halse heraus hing.

CW

Jaja die Leichen im Keller kenne ich nur zu gut. Bei mir ist es beispielsweise die Elise, welche ich als Kind wohl viel zu früh angegangen bin... Obwohl meine technischen Fertigkeiten mittlerweile wohl mehr als ausreichen sollten, dieses "Stückchen" zu spielen, haben sich so viele Unsauberheiten und Fehler eingeschliffen, dass ich es komplett ablehne dieses Stück zu spielen... (und von diesen Leichen gibts bestimmt auch noch mehr). Ein Stück weit bin ich aber auch froh, mich dem Vortrag der Elise entziehen zu können :D
 

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