Wann ist ein Stück im Unterricht fertig?

Wenn du, wie ich bereits geschrieben habe, ein Stück sinnvoll erarbeitest, ist das nicht die Isolierung irgendeiner Fähigkeit, sondern das ganze Paket. Du lernst quasi, das Dach zu bauen, lernst, was du dabei brauchst und wie du die Werkzeuge nutzt.
Also lernt man mit einem Stück, an dem man lange genug übt, das Klavierspiel? Natürlich nicht und ich weiß, dass Du das auch nicht so meintest. Mein Geschreibsel war ja eher auf Rolfs Meinung bezogen, dass die Erfahrung wichtig ist, wenigstens ein Stück einmal wie ein Profi spielen zu können. Und das ist für mich als Hobbypianist gaaanz weit weg von "so gut wie möglich".

Natürlich weiß hier niemand, wie der Perfektionismus von Hubschraubers Lehrer in der Realität aussieht, aber Fakt ist wohl, dass der Anspruch des Schülers und der des Lehrers nicht übereinstimmen und das ist nicht gut.
Ich habe als Kind die Erfahrung machen dürfen, ein Jahr an einer Etüde herumzufiedeln. Genau in diesem Jahr habe ich aufgehört, die Geige zu lieben und gelernt habe ich gar nix. Und deswegen halte ich so einen Perfektionismus für fatal, denn selbst ein Lehrerwechsel brachte die verlorene Begeisterung nicht wieder zurück.
 
Nunja, es gibt doch immer wieder Leute, die in solch Rubato-verschwurbeltem Kitsch unbedingt "Kunst" erkennen wollen.

Sachte.

Auf einer Skala der Empfindsamkeit von 1 bis 10 gebe ich Kempff hier eine 7. 10 wäre aber auch möglich, und nicht unbedingt verkehrt.

Und beim Versuch, zwischen meisterhaft dargestellter Gefühls- bzw. Empfindungtiefe und kitschig-aufgesetzter Schnulzdudelei zu unterscheiden, sind schon ganz andere mit dem Kopf aufgeschlagen. ;)

Gerade Beethoven hat doch recht genau bezeichnet, was er meinte. Das mit Sicherheit nicht.

Geht's Dir in erster Linie um "Beethoven", oder ums "Musizieren"...?
 
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Der Lehrer macht es sich vermutlich einfach leicht.

(zu dem diskutierten KL: normalerweise vermeide ich ja die berühmten "psychologischen Ferndiagnosen"... aber mir klingt das danach, daß Rheini irgendwo Recht hat. Wer nicht merkt, spannt, mitbekommt, oder wahrhaben will, daß ein Schüler wegen einem oder zwei Stücken längst "auf dem Zahnfleisch schrubbelt" - der denkt doch über seinen Job nicht nach, und am Einfühlungsvermögen hapert es noch dazu)

das kann sich ja jeder Hobbyspieler selbst fragen oder austesten: ob er irgendwas leichtes (viel leichter als was er sonst übt) wirklich hörenswert (!) hinkriegt

ein entschiedenes und fettes "Ja". (und was meinst Du, wie blöd ich mir vorgekommen bin, als ich das das erste mal tat. Da kommen Gedanken auf, wie: so was einfaches? Kann doch jeder... das ist nichts wert, sowas zu spielen... das liegt doch unter Deinem Können... und noch mehr so dummes Zeug...)
 
...

Beispiele:

Beethoven, Für Elise
Schubert, Impromptu op. 90/2
Mozart, Adagio h-moll
Schumann, Kinderszenen

Die Existenz dieser Aufnahmen ist aber beileibe kein Grund, als Amateur die Hände entmutigt in den Schoß zu legen. Eher wissen die Größen ihres Fachs im Sinne der Schopenhauer'schen Aussage, dass diejenigen, die sich für kleine Dinge zu groß fühlen, in Wahrheit für große Dinge zu klein sind. Deshalb sollte sich demnach niemand davon abhalten lassen, größer zu werden.

LG von Rheinkultur

Ich muss ja gestehen, dass ich Haskils "Kinderszenen" nie etwas abgewinnen konnte. Nun war Clara H. natürlich eine große Pianistin, aber bei den Kinderszenen ist doch manches musikalisch fragwürdig geraten. Nein, ich möchte nicht ins Detail gehen.

Und auch Kempffs schöne Einspielung der Elise kann mich nicht von der Qualität dieses völlig überschätzten Werkes überzeugen.
 
Also lernt man mit einem Stück, an dem man lange genug übt, das Klavierspiel? Natürlich nicht und ich weiß, dass Du das auch nicht so meintest.

Nein, man lernt an einem Stück, an dem man gut und sinnvoll übt, das Klavierspiel. Wie lange man dafür braucht, hängt vom Übeeinsatz, der Qualität des Übens und den Fähigkeiten des Klavierspielers ab. Vielleicht auch von den Qualitäten des Lehrers. :p


Natürlich weiß hier niemand, wie der Perfektionismus von Hubschraubers Lehrer in der Realität aussieht, aber Fakt ist wohl, dass der Anspruch des Schülers und der des Lehrers nicht übereinstimmen und das ist nicht gut.

Ja, das ist nicht gut. Ich nenn' sowas wie hier "am Schüler vorbeiunterrichten".

Ich habe als Kind die Erfahrung machen dürfen, ein Jahr an einer Etüde herumzufiedeln. Genau in diesem Jahr habe ich aufgehört, die Geige zu lieben und gelernt habe ich gar nix. Und deswegen halte ich so einen Perfektionismus für fatal, denn selbst ein Lehrerwechsel brachte die verlorene Begeisterung nicht wieder zurück.

Das kann ich nur zu gut verstehen! Das liegt aber nicht am "Perfektionismus", sondern am mangelnden pädagogischen Gespür deines damaligen Lehrers. Es gibt auch jede Menge gegenteiliger Fälle, wo mangelnde musikalische Arbeit zum Aufhören und Hassen des Instruments geführt haben!

Liebe Grüße

chiarina
 
Und deswegen halte ich so einen Perfektionismus für fatal, denn selbst ein Lehrerwechsel brachte die verlorene Begeisterung nicht wieder zurück.

Perfektionismus um seiner selbst Willen, und ohne Rücksicht auf Verluste ist ganz bestimmt "fatal". Dein bedauernswertes Beispiel zeigt es. Es wurde aber auch schon gesagt: mit dem Schüler arbeiten (nicht gegen ihn), aufhören, wenn keine nennenswerten "Fortschritte" mehr erzielt werden, abwechseln, Farbe reinbringen usw.

Und eines gilt sicher auch: mit Freude an der Sache lernt man auch besser.

p.s. ups, chiarina formulierte ganz ähnlich.
 
Und auch Kempffs schöne Einspielung der Elise kann mich nicht von der Qualität dieses völlig überschätzten Werkes überzeugen.

"überschätzt" würde ich nicht sagen. Eher: tausendfach durchgenudelt von allen Seiten: Popmusik, Unterhaltungsmusik, Massenmusik... (wie der erste Satz der Mondscheinsonate).

Verbunden mit der allfälligen Gefahr: "Ich kann's nicht mehr hören".
 
So, jetzt schreibe ich mal aus der Sicht einer Schülerin, die zwei komplett unterschiedliche Erfahrungen mit Klavierunterricht gemacht hat.

Der eine Lehrer hat mir sehr schwere Stücke gegeben, die er für fertig hielt, wenn ich gerade mal die Töne hintereinander bekommen habe (wenn überhaupt). Es wurde nicht gefeilt, nicht allzu lange an einem Stück gearbeitet, sondern immer wieder etwas Neues begonnen. Begründung: Erwachsene brauchen schnelle Erfolgserlebnisse. Am Anfang fand ich das toll "was ich alles schon spiele", aber schnell habe ich gemerkt, dass NICHTS richtig saß, nichts richtig gut klang und das Stück so schnell vergessen war, dass die Übezeit vorher wirklich verschwendete Lebenszeit war. DIESER Lehrer hat es sich meiner Meinung sehr leicht gemacht.

Der andere Lehrer nimmt leichte(re) und kurze Stücke und lässt mich sehr viel länger daran sitzen. Dafür wird an jeder Phrasierung gefeilt und ganz penibel Takt für Takt erarbeitet, korrigiert, und nochmal korrigiert. Manch einem mag das das öde vorkommen, oder das Gefühl vermitteln, man käme ja nicht voran, weil es wenige, kurze und leichte Stücke sind. Für MICH stellt sich das völlig anders dar: viel lieber spiele ich ein Stückchen aus dem Album für die Jugend oder eine Clementi-Sonatine SCHÖN, als dass ich durch so viele Stücke gejagt werde, dass keines davon sitzt. Die Stücke, die ich so detailliert geübt habe, kann ich nach einem Jahr wieder hervorholen und bekomme sie relativ schnell wieder in die Finger, weil sie eben mal saßen. Das ist bei den oberfläch geübten Stücken nicht der Fall, die musste ich immer komplett neu lernen.

Im Übrigen bin ich ganz froh, wenn es nicht dauernd neuen Stoff gibt, denn nur dann habe ich Zeit, Muße und Spaß, alte Stücke wieder hervorzukramen und aufzufrischen. Und mich dann über den Erfolg zu freuen. Denn es ist ja nicht so, dass ich gezwungen werde, NUR den gerade aktuellen Unterrichtsstoff zu spielen ;). Aber das ist vielleicht auch Charaktersache.

lavendel
 

Hallo,
ich komm mal auf den Ursprungspost zurück (hier hat sich ja schon einiges getan, was ich ganz ehrlich nicht alles lese, aus Zeitgründen - will nur meinen Senf dazu geben ;-) )
Ich bin zwar noch ein blutiger Anfänger, aber meine KL legt Wert darauf, dass ich technisch und dynamisch begriffen habe, wie das Stück gespielt wird und dass es halbwegs flüssig läuft. Tempo und Ausdruck sind Dinge, die ich zu Hause für mich dann verbessern kann und soll. Und wenn ich mag, kann ich natürlich jederzeit das Stück wieder hervorholen im Unterricht und meine Fortschritte fachmännisch beurteilen lassen und etwaige Fehler aufdecken oder mir noch weitere Anregungen für die Interpretation geben lassen.
So ein Perfektionismus wie bei deinem Lehrer gibt es bei meiner KL nicht, das würde ich auch wohl nicht mitmachen. Meine Stücke sind nun wirklich noch sehr einfach (derzeit mache ich die Burgmüller-Etüden op.100), meist ist so eine Etüde in einer Stunde erarbeitet, aber ein paar Wochen "doktore" ich dann schon daran herum, bis sie so klingt, wie ich mir das vorstelle. Trotzdem machen wir im Unterricht mit der nächsten weiter, wenn ich keine großen Probleme habe. Das funktioniert hervorragend und ich kann mittlerweile die ersten 5 fliessend, annähernd im Tempo, mit guter Dynamik und mit ganz gutem Ausdruck spielen. Das heisst nicht, dass ich nicht jedes Mal, wenn ich sie spiele, ich nicht versuche es noch besser zu machen und vor allem, auf alles Gelernte zu achten, aber das ist mein eigener Antrieb, nicht der Zwang der KL.

Gruß, Kerstin
 
Ich habe die (mittlerweile erstaunlich vielen) Antworten zwar alle gelesen, kann und will aber nicht auf alles eingehen sondern nur einen Punkt herausgreifen:

Z.B. wenn man für ein Vorspiel übt, übt man oft anders als ausschließlich für's stille Kämmerlein.
...
Allerdings muss man nicht alle Stücke so gut wie möglich spielen können oder bis zur Vorspielreife bringen.

Das sehe ich auch so. Unsere Tochter hat z.B. im Januar bei JuMu mitgemacht (Blockflötenensemble, nicht Klavier). Da wurden die Stücke über ein ¾ Jahr eingeübt und perfektioniert und das hat sie auch ohne Murren mitgemacht. Dazwischen gab es aber noch kleinere Auftritte (Kirche, Seniorenkreis), für die weniger Aufwand betrieben wurden.

Ich selber habe nichts dagegen, alle Stücke relativ gründlich auszuarbeiten. Wegen dieser Gründlichkeit bin ich ja damals zu diesem Lehrer gewechselt, denn bei der Lehrerin davor wurden Stücke immer schon abgehakt, wenn die Noten stimmten und gestaltet wurde gar nicht. Ich glaube auch, dass ich jetzt an den Stücken jeweils viel gelernt habe.
Leider ist es nach dem Pareto-Prinzip aber so, dass man für die letzten 20% an Perfektion 80% des Aufwands braucht. Ich wäre bei meinen Stücken vermutlich mit 85-90% Perfektion zufrieden, mein KL will aber gefühlte 95-99% und das führt zu Spannungen.

Insgesamt haben mir eure Beiträge sehr geholfen, meine Probleme von verschiedenen Seiten aus zu betrachten.

Ich habe auch nochmal mit meiner Tochter geredet und bei einem Lehrerwechsel wäre sie bereit, es noch eine Weile mit dem Klavierspielen zu versuchen.

Danke und viele Grüße
Susanne
 
Im Übrigen bin ich ganz froh, wenn es nicht dauernd neuen Stoff gibt, denn nur dann habe ich Zeit, Muße und Spaß, alte Stücke wieder hervorzukramen und aufzufrischen.

Für mich heißt "Klavierspielen" vor allem auch: ein gewisses Repertoire haben, also eine Anzahl von Stücken, die man jederzeit spielen kann.

Ich habe auch nochmal mit meiner Tochter geredet und bei einem Lehrerwechsel wäre sie bereit, es noch eine Weile mit dem Klavierspielen zu versuchen.

*freu* ;)
 
...wenn du mir hilfst, die "Kunst" in diesem Geschwurbel zu finden. Du fängst an.

Oder ich...? :)

Bei der Beurteilung, und auch der aktiven Gestaltung, von Musik (bekanntermaßen eine nicht zu unrecht sehr populäre Form der Kunst) hilft vor allem eines: viel viel Erfahrung mit ihr.

Erfahrung mit Musik verschiedenster Ausdrucksformen, von flüsternd-zerbrechlich-melancholisch bis hin zu donnernd-strahlend-glorreich.

Hat man diese "Hausaufgaben" einmal gemacht, fällt es, mit etwas Glück, nicht mehr sehr schwer, zwischen "gut", beziehungsweise "schlecht", gestalteter Musik zu unterscheiden.
 
Schön formuliert. Wo hast du diese Allgemeinplätze abgeschrieben? Mit diesem Statement behauptest du ja nur, daß es Leute "mit viel Erfahrung" gibt, die's halt beurteilen können und eben... die Anderen. Nun kann aber jeder von sich behaupten, ebendieses Urteilsvermögen und die dazu nötige Erfahrung zu besitzen. Versäumt hast du allerdings, die Kunstfertigkeit in genau diesem konkreten Geschwurbel anhand nachvollziebarer Kriterien darzulegen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Schön formuliert. Wo hast du diese Allgemeinplätze abgeschrieben?

Das ist ureigenstes, nirgendwo gelesenes oder sonstwie abgekupfertes Gedankengut mit copyright auf "Dreiklang".

Mit diesem Statement behauptest du ja nur, daß es Leute "mit viel Erfahrung" gibt, die's halt beurteilen können und eben... die Anderen.

Es gibt Unterschiede, ja.

Nun kann aber jeder von sich behaupten, ebendieses Urteilsvermögen zu besitzen.

Klar - kann er (wenn er will). Ich bin da leidenschaftslos... ;)

Versäumt hast du allerdings, die Kunstfertigkeit in eben konkreten Geschwurbel anhand nachvollziebarer Kriterien darzulegen.

Wie willst Du mit "Worten" (die haben ihre Grenzen) beschreiben, daß ein Stück, oder eine Passage, zum Beispiel "schwungvoll" gestaltet ist. Noch schwieriger: daß ein Interpret dieses "Schwungvolle" besser darstellt, als ein anderer...? Ob da Worte nicht grundsätzlich versagen müssen...?

Phrasierung, Ausdruck, Puls etc. passen bei Kempff (größtenteils) zum kompositorischen Charakter des Stückes, und stellen diesen Charakter gut dar. Kempff zeichnet "ein recht gutes Bild" dieser Komposition. Beziehungsweise, er macht weitestgehend angenehme Klaviermusik hier.

Man kann das auch gerne als meine eigene, persönliche Meinung deklamieren. ;)
 

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