Wird bei Euch jedes Stück "fertig"?

  • Ersteller des Themas Klavirus
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NaMu, das stimmt... war mir gar nicht aufgefallen. Das ist wohl eher lateinischen Ursprungs... ;)
 
Grundsätzlich könnte man die Ausgangsfrage mit der Gegenfrage beantworten: Wie sollte man das Wort "fertig" überhaupt definieren?
Der professionelle Musiker verbindet mit der Fertigstellung vermutlich die Aufführungssituation. Idealerweise ist der Vorgang der Einstudierungstätigkeit vor dem Betreten des Podiums abgeschlossen, da der Berufsmusiker ja engagiert und bezahlt wird für das "Können" und nicht für das "Nichtkönnen". Das schließt nicht die Optimierung von Interpretationen durch zunehmende Podiumserfahrung aus. Der Amateur hingegen ist zum öffentlichen Auftreten im Prinzip nicht verpflichtet, da er seinen Lebensunterhalt anderweitig zu bestreiten pflegt. So gesehen ist auch beim Nichtprofi das Stück "fertig" erarbeitet, wenn er es auf dem Podium in vertretbarer Qualität darbieten könnte, so dies seine Absicht wäre. Dann könnte man die Qualität des "Fertig"-Seins nochmals relativieren, indem man die Hör(er)erwartung des Publikums, das individuelle Begabungspotenzial des Künstlers, der Wartungszustand des Instruments etc. als weiteres Kriterium zur Beantwortung heranzieht. Nachher sind alle Diskussionsteilnehmer so schlau wie vorher... .

Vielleicht ist das Wort des israelischen Komponisten Josef Tal zutreffend, der zu sagen pflegte, eine Komposition sei erst fertig, wenn sie aufgeführt worden ist.

LG von Rheinkultur
 
Dann könnte man die Qualität des "Fertig"-Seins nochmals relativieren, indem man die Hör(er)erwartung des Publikums (...) heranzieht

Als bekennender Amateur hat man vielleicht einen "Amateurbonus"...? Als Student eine "Studentenverpflichtung" zu Niveau und Qualität? Ich weiß es nicht.

Ich hab' schon oft darüber nachgedacht, ein eher einfaches Stückchen, das aber ohne jeden erkennbaren Anlaß zum Tadel, irgendwo einzuspielen.

Viele Leute, aber nicht alle, stellen Sachen öffentlich, die eher an der Grenze ihrer Fähigkeiten, denn ein gesundes Maß darunter, liegen. Eher dann, wenn man endlich online damit gehen kann, als dann, wenn etwas endlich ausgereift und "gesettelt" (Anglizismus) ist.

Wenn man sich YT so anschaut...

Muß jeder für sich selbst entscheiden. Nur: was ist eigentlich an einem einfachen, dafür aber sehr schön und tadellos gespielten Stück, so schrecklich verkehrt...?

("einfach" = in Relation zu den eigenen technischen Grenzen gesehen).

I don't know...

Schönen Gruß
Dreiklang
 
Als bekennender Amateur hat man vielleicht einen "Amateurbonus"...? Als Student eine "Studentenverpflichtung" zu Niveau und Qualität? Ich weiß es nicht.
In Kategorien einteilen und in selbigen denken kann mitunter sehr einfach sein - und führt, ehe man es sich versieht, um Lichtjahre an der Realität vorbei.
"Amateurbonus"? Es gibt Wettbewerbe für Amateurmusiker, die eigentlich einen sogenannten bürgerlichen Beruf ausüben. Wer dort vorne mitspielt, könnte sich vielfach auch unter Profis behaupten, wird aber seine Gründe dafür gehabt haben, ein anderes Karriereziel anzusteuern. Einer dieser nebenberuflichen Meisterpianisten schreibt des öfteren hier in diesem Forum mit...! Der Student hat einen besonderen Status: Einerseits ist er bereits dabei, sich als professioneller Vertreter seines Fachs zu etablieren; andererseits ist er durchaus noch in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt, indem er z.B. öffentliche Auftritte nur in Rücksprache mit seinem Lehrer absolvieren soll. Angesichts der sehr begrenzten Ausbildungszeit wird er in der Regel aber bereits zu Studienbeginn nicht mehr auf Anfängerniveau agieren.

Viele Leute, aber nicht alle, stellen Sachen öffentlich, die eher an der Grenze ihrer Fähigkeiten, denn ein gesundes Maß darunter, liegen. Eher dann, wenn man endlich online damit gehen kann, als dann, wenn etwas endlich ausgereift und "gesettelt" (Anglizismus) ist.
Das hat sicherlich mit einer fragwürdigen Selbsteinschätzung zu tun. Lieber kommt man sich großartig bei der Wiedergabe eines hochvirtuosen "Brechers" vor - in der verhängnisvollen Annahme, man sei nur durch die Stückauswahl schon eine Ausnahmepersönlichkeit, als dass man sich mit weniger spektakulären Darbietungen zufriedengäbe. Selbst bei Aufnahmeprüfungen an Musikhochschulen gilt der ungeschriebene Grundsatz, lieber ein gut mittelschweres Stück überlegen zu gestalten und souverän zu beherrschen als mit einem zu schwierigen Vortragsstück unter Druck zu scheitern. Freilich ist auch nachvollziehbar, dass die Studienzulassung in einem von extremem Konkurenzdruck bestimmten Marktsegment nicht auf Anfängerniveau erfolgen kann - zumal die Wechselperspektiven für gescheiterte Berufsmusiker sehr ungünstig sind.

Wenn man sich YT so anschaut...

Muß jeder für sich selbst entscheiden. Nur: was ist eigentlich an einem einfachen, dafür aber sehr schön und tadellos gespielten Stück, so schrecklich verkehrt...?
Wenn man sich YT so anschaut, findet man Darbietungen ganz großer Pianisten, die auch die sogenannten "kleinen Sachen" überzeugender spielen als die mittelmäßigen oder unterdurchschnittlichen Vertreter der Pianistenzunft:
JS Bach / Jörg Demus, 1970: Anna Magdalena Notebook - Solo for Cembalo, BWV Anh. 129 - YouTube
Sviatoslav Richter plays Schubert Impromptu Op.142 No.2 - YouTube
Kempff plays Schubert Impromptu op.90 (D 899) no.3 - YouTube
Bruno CANINO @ BEETHOVEN (5/9) Piano Sonata No.20, Op.49/2 - YouTube
Diese Sammlung könnte man fortführen. Nach wenigen Sekunden macht sich mitunter mehr Dichte und Intensität breit, als andere mäßig begabte Naturen an geballter Anschlagskultur in der Summe ihres Tuns aufzubieten vermögen.

LG von Rheinkultur
 
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es"

Ich will ganz offen sein: damals schwebte mir vor, zu zeigen: spielt doch ein ganz einfaches Stück ein, das aber nicht mehr nach Amateur klingt. Bloß, solche Sachen werden doch wieder zu einem Politikum... und einem Bumerang...

Momentan steht mir nicht der Sinn danach, die Welt um Musik von mir zu bereichern. Außerdem mache ich z.Zt. andere Dinge, und es gibt schon (wirklich) gute Aufnahmen im Forum, mindestens zwei, meiner Meinung nach.
 
Ich will ganz offen sein: damals schwebte mir vor, zu zeigen: spielt doch ein ganz einfaches Stück ein, das aber nicht mehr nach Amateur klingt.

Lieber Dreiklang,

ich glaube, dass genau dies die Kunst ist, die die Profis beherrschen (sollten): ganz einfache "Stücke" so zu spielen, als wären sie einzigartig und etwas ganz besonderes!

Der Amateur mag versuchen, dieser Kunst nachzueifern, doch wird er auf solch ebenem Feld leicht entlarvt und dementsprechend schnell von Profis und Fachleuten als Novize erkannt!

Neigt er hingegen häufig dazu, nach anspruchsvollen "Stücken" zu greifen, um an diesen sein Können zu beweisen - - - kein guter Einfall, sondern eher ein fataler Trugschluss---- dann erweist sich, dass anspruchsvolle Literatur unzählige dem Amateur nicht vollständig bewusste Stolpersteine bietet und somit vielfältige Möglichkeiten beinhalet, sich als Vertreter der Amateurzunft zu demons- (und gegebenenfalls auch zu manifest) ieren!;;)

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Lieber Dreiklang,

ich glaube, dass genau dies die Kunst ist, die die Profis beherrschen (sollten): ganz einfache "Stücke" so zu spielen, als wären sie einzigartig und etwas ganz besonderes!

Der Amateur mag versuchen, dieser Kunst nachzueifern, doch wird er auf solch ebenem Feld leicht entlarvt und dementsprechend schnell von Profis und Fachleuten als Novize erkannt

Auch dann, wenn ich die "Schere" groß genug mache? Ein Fortgeschrittener, der z.B. ein Anfängerstück einspielt, dieses aber makellos, ohne "Anfänger-Kennzeichen" (z.B. "Stacksen", Verlangsamen vor und bei den schweren Stellen, grober Anschlag und dergleichen). Kann oder könnte ein Profi dieses konkrete Stück noch viel besser spielen? Technisch wahrscheinlich nicht - weil die rein technischen Anforderungen ja niedrig sind, und auch der fortgeschrittene Amateur sie zu 100 Prozent erfüllen kann.

Und wenn man die technischen Anforderungen sehr gut erfüllen kann, kann man voll und ganz an den musikalischen Aspekten arbeiten und diese realisieren.

Aber: man muß sich vielleicht den Vorwurf gefallen lassen, daß man "ein Stück weit unter dem eigenen Level" (ein)spielt.
 
Also ich mache viele Stücke nicht fertig, dafür diese Stücke aber mich:D
 

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