Wie haltet Ihr es mit Wiederholungen?

R

Rondo

Guest
Hallo miteinander,

ich bin mir oft unsicher, wie ich Wiederholungen, z.B. in Bach-Suiten oder -Partiten oder in klassischen Sonatensätzen, gestalten soll. Mich würde deshalb interessieren, wie Ihr das macht:

Legt Ihr Wert darauf, den wiederholten Teil nicht identisch gleich zu spielen wie beim ersten Mal? Wenn ja, wie geht Ihr dazu vor? Verlasst Ihr Euch darauf, dass der wiederholte Teil (weil er naturgemäß anders anfängt und anders weiter geführt wird als beim ersten Mal) sozusagen "von allein" anders wirken wird? Oder spielt Ihr bei der Wiederholung absichtlich "anders" als beim ersten Mal? Was konkret verändert Ihr in diesem Fall bei der Wiederholung (Verzierungen, Dynamik, Artikulation?)?. Plant Ihr das schon beim Erlernen des jeweiligen Stücks ein, oder macht Ihr das spontan?

Fragen über Fragen - ich würde mich freuen, wenn hier ein paar Anregungen zusammenkommen.

Viele Grüße,
Rondo
 
Hallo,

Wiederholungen, gerade bei Expositionen von Sonaten, mache ich im Konzert fast immer, um dem Zuhörer die wichtigen Themen besser zu vermitteln.
Außnahmen für meinen Geschmack: bei den meisten Beethoven Scherzos in den Sonaten mache ich nach deren Mittelteilen (Trios), wenn das Scherzo wieder kommt, keine Wiederholungen mehr, sonst hätte man alles 8 statt 6 Mal gehört.

Dass es immer anders gespielt ist, liegt auf der Hand. Du kannst wohl kaum exakt das gleiche wieder machen. Ein paar Veränderungen baue ich meistens bewusst ein: mehr Rubato, Mittelstimmen hervorheben, andere Melodieschwerpunkte etc. Anderes kann allerdings auch mal spontan geschehen. Bei der Reprise einer Sonate sind Veränderungen meist schon einkomponiert, so dass der Unterschied hier automatisch schon deutlicher hörbar ist, aber auch hier kann noch bewusst etwas anders gestaltet werden.

LG, Joh
 
Als Amateur bin ich - bei verstorbenen Komponisten - befreit von der sklavischen Verfolgung von Kompositions-Vorgaben. Die anderen, lebendigen, mögen mir dann mal aufs Dach kommen.

Man kann das in unterschiedlicher Weise nutzen. Z. B. wäre eine Variante, den ersten Durchgang leise zu spielen, um dem Zuhörer die Musik vorzustellen, und den zweiten Durchgang dann dazu zu nutzen, Dynamik hereinzubringen.

Profis werden mich nun wohl zu steinigen versuchen. ...

Aber als Amateur muss und werde ich eh damit leben, und mute es auch meinen - sehr seltenen...- Zuhörern zu, dass die Wiederholungen ohnehin anders sind als die ersten Durchgänge: dass sie andere Spielfehler enthalten.<achselnzucken>
:zunge:
 
Wiederholungen natürlich mindestens zweimal. Ich erinnere mich an ein Konzert mit Rudolf Serkin im Kölner Gürzenich (damals gab's die Philharmonie noch nicht). Auf dem Programm stand Schuberts B-Dur-Sonate. Serkin spielte die Exposition einmal, wiederholte sie und geriet beim zweiten Mal wieder in die "prima volta". Also das Ganze ein drittes Mal. Mir tat der alte Mann leid. Ich glaube, einen Augenblick des Entsetzens in seinem Gesicht gesehen zu haben. Aber auch die dritte Runde der Exposition war zum Heulen schön.

Was die Wiederholungen im Da capo der Menuette (und von daher sinngemäß in den Scherzos) anbelangt, schreibt bereits Leopold Mozart in seiner Violinschule, daß man die Wiederholungen weglassen solle, um den Zuhörer nicht zu ermüden und zu langweilen.
 
Es kommt immer darauf an, bei Wettbewerben wollen die es zumeist nicht, im Konzert mache ich sie des öfteren. Ausnahme war aber diejenige im 3. Satz der Appassionata, die lassen auch viele große Pianisten oftmals weg, das ist so unglaublich anstrengend... und in meinem Schubert jetzt habe ich auch aus Zeitgründen drei Wiederholungen weggelassen
 
Ich glaube, wir sind gerade dabei, die Frage, ob man Wiederholungen auch mal weglassen kann, mit der Frage zu vermengen, wie man Wiederholungen gestalten kann. Vielleicht nehmen wir beides auseinander.
 
Werft Ihr ein Lebensmittel jedes Mal weg, wenn das (Mindest)Haltbarkeitsdatum überschritten ist? Ich denke, das tut Ihr nicht automatisch. Aber das Haltbarkeitsdatum muss draufstehen. Genauso stehen auch die Wiederholungszeichen am Ende einer jeden Exposition. Man muss deshalb nicht gezwungenermaßen die Exposition wiederholen. Ich denke, das kann man von Fall zu Fall entscheiden. Beethoven Sonaten z.B. sind so gut durchkomponiert, die Expositionen teils so lang, dass ich denke, es ist vertretbar, die Expositionen nicht jedesmal zu wiederholen. Es tut der Sache musikalisch keinen Abbruch, finde ich.

Wenn man die Exposition wiederholt - soll man sie anders gestalten? Also im Falle der Werke von Mozart würde ich sie gleich gestalten. Mozarts Werke vertragen noch nicht soviel gestalterische Freiheiten wie zum Beispiel die Werke Schuberts oder Schumanns. Aber auch das kann man von Fall zu Fall entscheiden, denke ich - (als Amateur ;-)
 
Wiederholungen natürlich mindestens zweimal. Ich erinnere mich an ein Konzert mit Rudolf Serkin im Kölner Gürzenich (damals gab's die Philharmonie noch nicht). Auf dem Programm stand Schuberts B-Dur-Sonate. Serkin spielte die Exposition einmal, wiederholte sie und geriet beim zweiten Mal wieder in die "prima volta". Also das Ganze ein drittes Mal.

Oh, ich beneide Dich um dieses Erlebnis! Serkin live und dann auch noch in einer Art „Endlosschleife“... das kommt meiner Vorstellung vom Paradies schon recht nahe...
 

Das Fadenthema driftet scheinbar unweigerlich zu der Fragestellung ab, ob man Wiederholungen überhaupt spielen sollte. Das war in der Tat nicht meine Absicht, aber kurz dazu: In irgendeinem Interview oder Gesprächskonzert hat Andras Schiff mal gesagt, dass die Exposition deshalb wiederholt werden sollte, weil sie das thematische Material, das dann später in der Durchführung verarbeitet wird, vorstellt. Wenn man sich in die Lage eines Zuhörers versetzt, der die Sonate idealerweise zum ersten Mal hört, ist es sinnvoll, die Exposition zu wiederholen, damit der Zuhörer überhaupt eine Chance hat, die Themen im weiteren Verlauf wiederzuerkennen. Das finde ich sehr einleuchtend.

Wenn man die Exposition wiederholt - soll man sie anders gestalten? Also im Falle der Werke von Mozart würde ich sie gleich gestalten. Mozarts Werke vertragen noch nicht soviel gestalterische Freiheiten wie zum Beispiel die Werke Schuberts oder Schumanns. Aber auch das kann man von Fall zu Fall entscheiden, denke ich - (als Amateur ;-)

Genau dies ist ein Punkt, bei dem ich mir besonders unsicher bin. Sowohl bei Barockmusik als auch bei romantischer Musik habe ich das Gefühl, mir sehr viel mehr Freiheit bei der Wiederholung nehmen zu „dürfen“. Bei einer Exposition eines einfachen klassischen Sonatensatzes (ich spreche von frühen Haydn- oder Mozartsonaten, nicht von den späten Sonaten Beethovens) sehe ich einfach wenig Möglichkeiten für Abwandlungen, ohne dass es für mich falsch oder manieriert klingt. Aber haben Mozart und Haydn es gewollt, dass man ihr Publikum mit identischen Wiederholungen langweilt?
 
Wiederholungen spiele ich - absichtlich:-D - eigentlich nur in den langsamen Sätzen der Mozartsonaten und bei den Sonaten von Scarlatti anders, dann jedoch nicht einstudiert sondern spontan. Andere Phrasierung, zusätzliche Verzierungen etc.. Nach meiner Kenntnis war so etwas zur damaligen Zeit durchaus üblich und erlaubt. Da werden Kenner der historischen Aufführungspraxis hier im Forum sicherlich qualifiziertere Beiträge leisten können als meine Wenigkeit, ich mache das aus Spaß an der Freude;-).
 
Wenn man sich in die Lage eines Zuhörers versetzt, der die Sonate idealerweise zum ersten Mal hört, ist es sinnvoll, die Exposition zu wiederholen, damit der Zuhörer überhaupt eine Chance hat, die Themen im weiteren Verlauf wiederzuerkennen. Das finde ich sehr einleuchtend.
@Rondo
Das ist ein Aspekt zur Wiederholung, der sicher für viele - aber nicht alle - frühklassischen Sonatensätze (egal in welcher Gattung) gilt. (und nicht nur dafür das "like)

Hierbei ist diese scheinbar naive Dramaturgie (alles zweimal sagen, damit sich´s besser einprägt, besonders wenn man´s erstmals hört) gar nicht so dumm: denn genau das macht die späteren Abweichungen / Änderungen umso wirkungsvoller. (!!)

Ein schönes Beispiel hierfür ist Schumanns Träumerei: ohne Wiederholung des ersten Teils (der ja schon zwei verschiedene Ziele vorstellt: erst über die Subdominante zurück zut Tonika, danach über die Dominantparallele und Tonikaparallele zurück zur Tonika) wäre der zweite Teil nicht mehr so überraschend und faszinierend.

Allerdings lässt sich konstatieren, dass die Komponisten mit der direkten schlichten Wiederholung nach und nach unzufrieden wurden. und stattdessen den letzen Takt / die letzten Takte am Ende einer Exposition änderten (das kennen wir alle als 1. vor und 2. nach dem doppelten Taktstrich) - das konnte sich durchaus auch über mehrere Takte erstrecken.

Hieraus - nämlich aus den Veränderungen beim fortsetzen nach der Wiederholung - kann man ablesen, dass es den Komponisten oftmals darauf ankam, dass man z.B. die wiederholte Exposition verschieden wahrnahm *) --- und zeigt in der Struktur deutlich, dass von einem identischen wiederholen nicht die Rede sein kann. Denn die wiederholte (also zweite) Exposition wird (ist) anders, sie führt nicht zu demselben Ergebnis.

Überdeutlich kann man das im Variationssatz der Sonate op.111 von Beethoven sehen - da lässt niemand eine Widerholung aus! :-)
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so weit eher aus der Perspektive des Hörers (und ganz vorsichtig und sachte aus der Perspektive des Analytikers) - aber es gibt ja auch den Spieler, der z.B in Beethovens pathetique lamentieren könnte "buhu jetzt muss ich denselben Stiefel (Exposition) nochmal runterdreschen... wie öde" --- in diesem sehr krassen Fall (ich glaube nicht, dass irgendwer so denkt) hätte der Spieler die Dramaturgie der Sonate nicht begriffen...

trotzdem kommt es vor, dass Wiederholungen sogar dort, wo die Partitur an der Weichenstellung nach der Exposition ein deutlich unterschiedliches 1. und 2. aufweist, nicht wiederholen ---- das hat ganz banal pragmatische Gründe: die Dauer betreffend (so eine Exposition kann schon paar Minuten dauern...)
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allgemein: eine Wiederholung verlangt nicht, 100% dasselbe nochmal zu bringen, also zu kopieren - dazu ist Musik zu vielschichtig. Das mag auf dem Paier so aussehen, aber wenn man ein wenig über die klangliche Dramaturgie nachdenkt, merkt man, dass secundo anders wirkt als primo und ergo auch partiell anders klingen nicht nur darf, sondern soll -- in welcher Weise das dann geschieht, daran zeigt sich, ob man das Stück verstanden hat und überzeugend spielen kann!
(vereinfacht gesagt: machen die Leute "gähn, räkel, raschel", wenn man in der Träumerei die Wiederholung des ersten Teils spielt, dann hat man sie nicht wirklich drauf)

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*) oder wahrzunehmen lernt, denn spätestens beim zweiten hören (idealerweise beim ersten) weiß man, dass die wiederholte Exposition in ein anderes Gleis gelenkt wird und damit nicht mehr ihre erste Wirkung hat!
 
Also wer am Sonntag Andras Schiff gehört hat, wie er die Wiederholungen im ersten Satz der Sonata facile aufs schönste ausgeziert hat, der wird sich immer wieder Wiederholungen wünschen. Jedenfalls wenn der Pianist sein Handwerk versteht!

lg marcus
 
Mozarts Werke vertragen noch nicht soviel gestalterische Freiheiten

gerade bei Mozarts Werken war es früher üblich, diese mit Verzierungen und rhythmischen Elementen zu verändern. In den Peters-Ausgaben der Sonaten und einiger Klavierkonzerte sind sogar Vorschläge zur Verzierung vom Herausgeber hineingeschrieben worden. Der Gipfel der Freiheit wird in den Klavierkonzerten, wie Ihr sicherlich wisst, im Idealfall durch eine improvisierte Kadenz ausgedrückt, aber das ist ein anderes Thema.
 
Ich erinnere mich an ein Konzert mit Rudolf Serkin im Kölner Gürzenich (damals gab's die Philharmonie noch nicht). Auf dem Programm stand Schuberts B-Dur-Sonate. Serkin spielte die Exposition einmal, wiederholte sie und geriet beim zweiten Mal wieder in die "prima volta". Also das Ganze ein drittes Mal. Mir tat der alte Mann leid. Ich glaube, einen Augenblick des Entsetzens in seinem Gesicht gesehen zu haben. Aber auch die dritte Runde der Exposition war zum Heulen schön.

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:-) schöne Anekdote,

ABER: Gerade bei Schuberts B-Dur Sonate die Exposition des 1. Satzes auch nur 1x zu wiederholen ist ja so ne Sache, nicht nur Brendel monierte über dieses kompositorische "Problem" Schuberts: die Exposition zu wiederholen war damals in Schuberts Augen eben noch üblich, so notierte Schubert sie eben und fügte einige ( blasphemisch veranlagte Pianisten und Musikwissenschaftler sagen "banale oder einfallslose") Übergangstakte ein, um wieder zur Tonika des Beginns zurück zu kommen, anstatt der Dramaturgie der Sonate folgend schlüssig mit der Durchführung fortzufahren.

So weit ich mich erinnere, spielte Backhaus die Beethoven Sonaten meist ohne Wiederholung der Exposition, ist ja eigentlich eine Reminiszenz aus der alten Suitensatzform, so wie Beethovens Einleitungen aus der Zeit der französischen Ouvertüren her rühren.

Dass man bei Barock Werken in den Wiederholungen die Verzierungen anders gestaltet, versteht sich eigentlich von selbst ( wenn das Werk gut sitzt, wohl auch spontan) , was bei den Partiten etc auch fast immer gemacht wird, bei einem bestimmten Variationswerk seltsamerweise aber fast nie (Ausnahme Schiff).
 
trotzdem kommt es vor, dass Wiederholungen sogar dort, wo die Partitur an der Weichenstellung nach der Exposition ein deutlich unterschiedliches 1. und 2. aufweist, nicht wiederholen ---- das hat ganz banal pragmatische Gründe: die Dauer betreffend (so eine Exposition kann schon paar Minuten dauern...)
Was empfiehlst Du bei D960? (wo im 1. ein dramatischer Ausbruch wartet)
Toni
 

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