Wie bringe ich das Klavier zum "singen"

  • Ersteller des Themas Franz
  • Erstellungsdatum

Nämlich, beim Spielen bzw. Ausdrücken der zu singenden Phrase (Ausdrücken im doppelten Sinn gemeint!!!) etwas zu übertreiben. Weil ich glaube, dass beim Zuhörer in diesem Punkt weniger ankommt, als man als Spieler annimmt. Damit eine Melodie im Höhepunkt einen silbrigen Glanz bekommt, muss man schon ziemlich "Ausdrücken". Vielleicht ist es wie mit vielen anderen Dingen so: man muss selber brennen, um andere zu erwärmen.

Auch ein interessanter Aspekt. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wenn ich mir verschiedene Interpretationen des 3. Klavierkonzerts von Rachmaninoff oder auch andere Klavierkonzerte anhöre. Man kann sehr schön hören, wie man auf unterschiedliche Weise das Klavier zum Singen bringen kann. Es ist halt schwer das gesunde Mittelmaß zwischen wenig und viel Emotion zu finden. Hört euch die ersten Takte genau an und beurteilt, was ihr als gesanglich empfindet:

http://www.youtube.com/watch?v=5s_Oo7HcQKw&feature=related (Horowitz)
http://www.youtube.com/watch?v=LY4kojG0tQk (Martha Argerich)
http://www.youtube.com/watch?v=oA0kXDMKiLg&feature=related (Der Meister persönlich)
 
Haydnspaß, die Geschichte mit dem Bleistift hat mich inspiriert: ;)
http://www.franz-titscher.de/ChopinOp15Nr2Bleistift.MOV

Nun mit dem Zeigefinger:
http://www.franz-titscher.de/ChopinOp15Nr2Zeigefinger.MOV

Für Walter mit dem Daumen:
http://www.franz-titscher.de/ChopinOp15Nr2Daumen.MOV

Die Melodie in Oktaven:
http://www.franz-titscher.de/ChopinOp15Nr2Oktaven.MOV

Der erste Teil, wie es in den Noten steht:
http://www.franz-titscher.de/ChopinOp15Nr2.MOV

Was soll das nun bringen?
Also, ich habe den Eindruck, dass ich jetzt nach diesen "Vorübungen" besser spiele. Leider hab ich es vorher nicht aufgenommen.

Jedoch muss ich gestehen, dass sowohl die Videos von Franz als auch von Haydnspass mich nicht sehr viel weiter gebracht haben beim Erkenntnisgewinn, wie man das Klavier zum Singen bringt. Dies liegt vor allem daran, dass (vielleicht auch durch die Tonqualität - Videotoneingänge haben oft automatische Aufnahmeaussteuerung, was zu einer Gleichmacherei von Dynamik führt, leider) ich kein deutliches Singen bei den Videos gehört habe.

Die Tonqualität ist natürlich ein Problem, nervt mich auch immer wieder. Der Flügel ist auch verstimmt ...

Hier das Schumann Stückchen in etwas besserer Aufnahmequalität - man hört aber immer noch zu viel pling - pling ... vor allem über die Monitorlautsprecher. Über die Stereoanlage klingt es schon besser.

http://www.franz-titscher.de/SchumannStueckchen.wav

Aber Du hast schon recht, richtig "singen" tut's bei uns "Oberlehrern" eben auch nicht.
Hör Dir mal den an (über eine ordentliche Anlage):

http://de.youtube.com/watch?v=M9tMFnKIij4


Aber was solls: Weiter üben! ;)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Mir gefallen sowohl das Schumann-Stückchen als auch Chop-15/2 (mit allen Fingern gespielt) sehr gut, auch im Hinblick bzgl. Singen. Vielen Dank für den Einsatz und die gelungene Demonstration!

Bei dem Zimmerman-Video ist mir folgendes aufgefallen, was sein Singen für mich sehr wirkungsvoll macht. Zum Einen ist die Grundlautstärke der linken Hand sehr leise, sehr sehr weich. Weiterhin ist auch der Melodieanfang und -ende mit der rechten Hand sehr leise gespielt. Und im Melodiehöhepunkt kommen schon ganz schön viele Obertöne aus dem Flügel raus (vorwiegend aus der Melodiehand). Sicherlich hilft auch ein perfekter Flügel mit neuen Hämmern, diesen weichen Grundsound zu erzeugen. Aber mir scheint dies die Basis zu sein, aus der die Melodie heraus leichter hörbar anfangen kann zu glänzen.

Als Konsequenz erscheint mir, das man zum Singen erstmal die Basis in Form von sehr, sehr weichem Spiel schaffen sollte.
Darauf aufbauend dann die Fähigkeit entwickeln, unabhängig von der weiter gleichbleibenden Begleitung einen separaten ziemlich starken kontinuierlichen Melodiebogen formen zu können.

Andere Meinungen, was man da abgucken kann?
 
Danke Franz,

tolle Einspielungen - sehr originell. Und nochmal danke, für den herrlichen Zimerman. DAS ist ein singendes, ja teils klagendes Klavier. Wunderschön gespielt.

Sulan
 
Einfinger-Spiel

Hallo Franz,

vielen Dank für Dein Daumenständchen! Du warst ja ganz schön fleißig!
Solche Experimente muss ich auch mal machen, mal sehen, was das mit mir macht!
Noch ist niemand von Deinen Kollegen auf die Einstiegs-Frage eingegangen:
"Wie vermittelt Ihr das?" - Bin mal gespannt!

Grüße an alle

Walter
 
Noch ist niemand von Deinen Kollegen auf die Einstiegs-Frage eingegangen:
"Wie vermittelt Ihr das?" - Bin mal gespannt!


Es vermittelt sich über den Klang, übers Vormachen und dem Schüler zu demonstrieren, wie unterschiedlich eine Stelle klingen kann, wie unterschiedlich man sie spielen kann, zum Experimentieren anregen. Was die Finger machen ist zweitrangig. Wie sichs anhört - das ist entscheidend!
 
Ich habe erklärt, wie es mir vermittelt wurde.
 
Mir gefallen sowohl das Schumann-Stückchen als auch Chop-15/2 (mit allen Fingern gespielt) sehr gut, auch im Hinblick bzgl. Singen.

Vielen Dank für das Lob.

Bei dem Zimmerman-Video ist mir folgendes aufgefallen, was sein Singen für mich sehr wirkungsvoll macht. Zum Einen ist die Grundlautstärke der linken Hand sehr leise, sehr sehr weich. Weiterhin ist auch der Melodieanfang und -ende mit der rechten Hand sehr leise gespielt. Und im Melodiehöhepunkt kommen schon ganz schön viele Obertöne aus dem Flügel raus (vorwiegend aus der Melodiehand). Sicherlich hilft auch ein perfekter Flügel mit neuen Hämmern, diesen weichen Grundsound zu erzeugen. Aber mir scheint dies die Basis zu sein, aus der die Melodie heraus leichter hörbar anfangen kann zu glänzen.

Als Konsequenz erscheint mir, das man zum Singen erstmal die Basis in Form von sehr, sehr weichem Spiel schaffen sollte.
Darauf aufbauend dann die Fähigkeit entwickeln, unabhängig von der weiter gleichbleibenden Begleitung einen separaten ziemlich starken kontinuierlichen Melodiebogen formen zu können.

Andere Meinungen, was man da abgucken kann?

Ich stimme Dir in allen Punkten zu. Auch die Stimmung/Intonation des Flügels und der Raum spielen eine Rolle. Ein frisch gestimmter Flügel klingt obertonreicher, leider hält so eine "Konzertstimmung" nicht lange. Aber wir wollen dem "Material" nicht zu viel Bedeutung geben.

Eine wichtige Voraussetzung für gesangliches Spiel ist eine Anschlagskultur, mit der man unschöne Klopf- und andere Nebengeräusche weitgehend eliminieren kann. Das heißt intensiver Tastenkontakt, tief in den Tasten spielen, wie Du ja schon geschrieben hast. Ich habe dabei allerdings immer wieder das Problem, dass mir dann die Leichtigkeit verloren geht. Deshalb sind Chopins Etüden für mich so furchtbar schwer. Man soll fast immer "legato" oder sogar "legatissimo" spielen und muss trotzdem federleicht bleiben, damit es eben schön gesanglich klingt z.B. Op. 25/2. Zimerman zeigt das in seinen Aufnahmen meisterhaft. Grandios finde ich auch die Barcarolle:

http://de.youtube.com/watch?v=KU-5u2dmXdM&feature=related

Die Vorstellung deiner Lehrerin "der Ton wird quasi rausgequetscht" ist mMn mit Vorsicht zu genießen, ich kann mir zwar vorstellen, was damit gemeint ist, aber sag mal einem Sänger, er soll einen Ton "herausquetschen" - es wird dann wohl "herausgequetscht" klingen.

An meiner Handhaltung werd' ich arbeiten, im Video ist gut zu sehen, dass mein kleiner Finger manchmal seltsame Sachen macht. Bei flacher Handhaltung klingt der Ton weicher, das ist richtig, runde Bewegungen sind ebenso wichtig, zu viel Bewegung ist aber auch nicht gut.

Über die Bleistift-Übung kann man lachen, aber ich bin überzeugt, das bringt tatsächlich etwas. Man muss z.B. die schnelleren Noten langsam denken und völlig loslassen, sonst geht gar nichts. Völlig loslassen stimmt auch nicht ganz, das Handgelenk muss zwar frei sein aber trotzdem eine Art kontrollierte "Wohlspannung" haben, sonst macht der Bleistift, was er will. Und die Übung sensibilisiert das Gehör für Nebengeräusche. Das "Klacken" nervt am Anfang tierisch.

Noch ist niemand von Deinen Kollegen auf die Einstiegs-Frage eingegangen:
"Wie vermittelt Ihr das?" - Bin mal gespannt!

Ein paar interessante Ansätze waren schon da. Wär aber trotzdem schön, wenn sich noch ein paar weitere Kollegen zu Wort melden.
 
Dito - habe auch versucht weiterzugeben, wie es meine Lehrerin mir erklärte (siehe Punkteliste).

Von einem guten Lehrer erwarte ich nicht nur, dass er mir das Ziel zeigt, sondern auch den Weg erklärt, möglichst aufgebröselt in Teilaspekte. Bin persönlich nicht enttäuscht worden darin, und finde es gut, wenn hier Erfahrungen weitergegeben werden, wie man das Klavier zum Singen bringen kann.

@ Franz:
sehe gerade, dass sich unsere Antworten überschnitten haben - zu der Sache mit dem Ton rausquetschen: ich kann mir ebenfallsvnicht vorstellen, dass diese Art bei Chopin - Etüden funktioniert, vielleicht mit der Ausnahme des sehr lyrischen 10/3 und der Nouvelle Etudes. Weil es das Gegenteil ist von leicht spielen - es ist eher zentnerschwer. Ich wundere mich, dass dadurch ein delikater Ton zustande kommen kann, kann es aber. Ist wahrscheinlich nicht gerade das richtige Gleichnis für einen Sänger, stimme dir da zu!

@ Hayndspaß:
Aus der Tatsache, dass Pianisten so viele verschiedene Handhaltungen haben, und trotzdem das Klavier zum Singen bringen können (wie man auf den Videos sieht), kann man ja schließen, das es nicht den Stein des Weisen gibt und eine ultimative Handhaltung. Also von daher, gebe dir recht, dass es zweitrangig ist, was die Hände machen; entscheidend ist, was für ein Ton rauskommt.
Meine Klavierlehrerin machte mir nur klar, dass der Ton leichter zu kontrollieren ist von der Dynamik her, wenn man sehr sehr engen Tastenkontakt hat. Sie behauptet sogar, dass sich der Klangcharakter ändert (dass es sonorer klingt - wir hatten schon mal den kontrovers diskutierten Faden, ob der Klang sich ändert bei gleicher Lautstärke, wenn man die Taste tief reindrückt oder den Finger von oben drauffallen lässt - will das nicht wieder aufflammen lassen).

Also von daher, es ist sicher toll, mit Daumen alleine oder Bleistift eine lyrische sangliche Phrase hinzubekommen. Aber vielleicht für den Einstieg nicht schlecht, eine möglichst sichere Handhaltung zu wählen, und da empfahl meine Lehrerin eben dasselbe wie Stilblütes Lehrer, und auch was Franz meinte mit tief in die Tasten gehen.

Nochwas: der Faden war an die Lehrer gerichtet, was ich nicht bin. Ich kann aber nicht an mich halten, meinen Senf beizutragen, weil ich das Thema für so sehr interessant halte. Will es damit entschuldigen, dass ich auch nur weitergebe, was man mir versuchte, nahezubringen, und hoffe dass es etwas hilfreich ist.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Gedanken zur Klangveränderung beim "Singen"

Kann leider nicht an mich halten und will ein paar Gedanken loswerden, woran ich beim Klang einer Phrase festmache, dass das Klavier anfängt zu singen.

Eigentlich finde ich den Lautstärkeunterschied der einzelnen Töne innerhalb einer Phrase nicht so entscheidend. Viel wichtiger für mich ist, wie sich der Klang der einzelnen Töne unterscheidet. Um es technisch auszudrücken: wie sich der Obertongehalt ändert. Wenn es das Klavier überhaupt hergibt, startet und endet für mich eine Singphrase mit einem sehr warmen weichen Klang und ändert kontinuierlich seinen Obertongehalt, bis er im Höhepunkt richtig hell und klar klingt. Natürlich hängt es damit zusammen, wie intensiv der Melodiebogen gestaltet werden soll. Wenn man es schafft, den Obertongehalt sehr subtil dosiert zu steuern, singt das Klavier wie eine Lerche.

Wie man an meinem Usernamen erkennt, liebe ich u.a. auch Bluesmusik. Gitarrengurus wie z.B. Eric Clapton oder Mark Knopfler sagt man nach, dass sie in ihren Soli die Gitarre singen lassen können. Wenn man genauer hinhört, haben sie ihren Röhrenamp so eingestellt, dass bei zart angeschlagenen Tönen der Klang weich ist, aber nicht sehr leise. Je intensiver gespielt wird, kommen immer mehr Röhrenverzerrungen dazu, und der Klang wird schärfer, brillanter - aber nicht sehr viel lauter.

Ich stimme mit Haydnspass überein, dass letztlich wichtig ist, wie es klingt, und nicht welche Handhaltung man einnimmt.

Aber, vielleicht ist es besser, statt pauschal zu sagen, dass man auf den Ton achten soll, stattdessen näher zu beschreiben, worauf man genau achten soll. Und nach meinem subjektiven Empfinden ist es nicht der Lautstärkeunterschied, sondern eher der Klangunterschied, was eine Singphrase auf dem Klavier ausmacht.

Bei vielen Klavieren ist es so, dass sich der Klang nicht mehr sehr viel ändert, ob man kräftig spielt, gefolgt von sehr kräftig. Der grösste Klangunterschied ist in dem Übergang vom weichen Klang zum obertonreichen Klang. Der ist eher im Übergang von sehr, sehr leisem Spiel zu dosiertem stärkeren Anschlag zu finden.

Das setzt voraus, dass es das Klavier überhaupt hergibt, sehr weich zu spielen und sehr obertonreich. Bei vielen modernen Flügeln (und bei abgedroschenen Hämmern sowieso immer) habe ich den Eindruck, dass sie auch bei sehr zartem Anschlag schon brillant klingen. Wie will man das Klavier da zum singen bringen, wenn sich da der Klanggehalt kaum ändert? Oftmals bringt es ja schon was, wenn man bei der nächsten Klavierstimmung auch eine Intonation spendiert, wo durch leider sehr zeitaufwändige Nadelung die Hämmerfilze wieder weich gestochen werden.

Nur so meine Gedanken - in der Hoffnung, hier Rückmeldungen / Gegenmeinungen / Übereinstimmungen zu bekommen, Empfindungen sind ja immer total subjektiv. ...
 
Und nach meinem subjektiven Empfinden ist es nicht der Lautstärkeunterschied, sondern eher der Klangunterschied, was eine Singphrase auf dem Klavier ausmacht.

Da stimme ich dir ganz heftig zu. Leise zu spielen, d.h. piano zu spielen heißt nicht, eine absolute, messbare Lautstärke mit dem Klavier zu erzeugen. Es ist vielmehr eine Klangfarbe. Und genau darum geht es doch beim Singen: Die Melodie farbenreich zu gestalten und nicht nur alles in grau.
 

Danke für den sehr Link, Haydnspaß! Vor allem die Erkenntnis, dass ein Ton subjektiv als länger wahrgenommen wird, wenn man ihn leise beginnt, ist richtig interessant, wie auch seine restlichen Aussagen, dass sowieso der Großteil des Singens subjektiv vom Hörer empfunden wird.
 
@killmymatrix

bitte, gern geschehen :)

war ein Zufallsfund, als ich gestern das Web nach Infos über Garrick Ohlsson abgegrast habe.

Daß Töne subjektiv länger klingen wenn man sie leise spielt, hätte ich eigentlich auch nicht gedacht, aber die Demonstration war sehr überzeugend.
 
Ich fand das Video auch sehr lehrreich, und war auch erstmal erstaunt über die Aussage, dass leise Töne subjektiv länger klingen. Wohl weil die perkussive Komponente beim Anschlag immer grösser wird, je kräftiger man spielt. Aber wenn man leise spielt, ändert sich die Tonstärke offenbar dann nicht so drastisch im weiteren Zeitverlauf.

Für mich ziehe ich die Konsequenz, um besser das Klavier zum Singen zu kriegen, erstmal zu versuchen, einen möglichst weichen leisen und vor allem gleichmässigen Basiston hinzubekommen. Das alleine ist schon schwierig genug, und wäre sicher einen eigenen Faden wert. Dann braucht die Singmelodie nicht zu schreien, um sich abzuheben, sondern erhebt sich nur zart. Vielleicht ist es dies, was aus pling-pling einen singenden Klavierton macht?
 

Zurück
Top Bottom