Sehr schönes Thema.
Ich geb mal meinen Senf dazu :p
Ich habe ja kürzlich den Lehrer gewechselt, bin jetzt bei jemandem, der bestimmt viel von Musik versteht, und gleich in den ersten Stunden hatte der Unterricht sehr viel mit eben diesem gesanglichen Spiel zu tun.
Es ging um den Mittelteil des Fantasie-Impromptus, der ja wirklich sehr lyrisch und "gesanglich" gespielt werden sollte, und dessen Charakter ich ein wenig verfehlt hatte. Ich schreibe mal an diesem Beispiel, wie ich das gesangliche Spiel umsetzen sollte bzw. es auch getan habe (hoffe ich):
Was Mindenblues schon sagte, sagte auch meine Lehrerin und es ist ja eigentlich klar: Die Begleitstimme muss total zurückgenommen werden. Im vorliegenden Stück sind die Griffe recht weit, und ein zartes, klares, aber gebundenes Spiel lässt sich durch relativ flache Handhaltung erreichen, außerdem dadurch, dass man die Hand (wenn genügend Zeit ist) zu den Tasten hinbewegt und nicht nur "drüberspielt" sondern in die Taste hineinspielt. Man kann dann auch die Lautstärke und den Klangcharakter sehr genau kontrollieren.
Wenn es physisch möglich ist, kann man im F.I. sowohl im A als auch im B-Teil den ersten Ton jedes gebrochenen Akkordes links länger halten; so bleibt die Harmoniegrundlage bestehen, man muss aber weniger Pedal verwenden => die Melodie klingt nicht so unsauber.
Was das gesangliche Spiel in der Melodie angeht:
Ich habe vorgespielt. Ihr hat eine Betonung, Phrasierung usw. nicht gefallen. Sie singt mir die Stelle vor, und mir wird klar, so wie ich das gespielt habe, würde man das niemals singen, denn beim singen phrasiert und artikuliert man meistens automatisch recht logisch und "richtig", der Melodie und den Bögen entsprechend.
Außerdem habe ich sehr enges Legato gespielt, d.h. die Finger nah an die Taste, genauestens kontrollieren, die Töne überlappen sich fast.
Unabhängig vom Fantasie-Impromptu finde ich außerdem, dass man sowohl durchs Sehen als auch durchs Hören sehr viel lernen kann.
Ich habe zwar noch keine Klavierschüler. Würde ihnen aber zwei Versionen vorspielen: Eine "gehämmerte", eine "gesungene" (die klanglichen Unterschiede erst deutlich, dann immer weniger stark unterscheidbar machen) und fragen, was besser gefällt bzw. welcher Unterschied besteht.
Außerdem dem Schüler vorsingen (er muss ja nicht selbst singen, wenn er nicht möchte).
Und ich persönlich lerne auch dadurch, dass ich mir Videos von spielenden Pianisten ansehe, habe ich festgestellt. Man hat da den direkten Zusammenhang von Handhaltung, technischer Umsetzung und Klangergebnis.
Die Hand sieht einfach viel entspannter und die Bewegung geschmeidiger aus, wenn man gesanglich spielt;
Umgekehrt spielt man automatisch lyrischer, wenn die Hand locker ist.
So, ich hoffe, ich hab das einigermaßen verständlich erklärt, manche Themen lassen sich ohne praktisches Zeigen so schlecht in Worte fassen.
liebe Grüße
Stilblüte