Wie am besten das Gehör "bilden"?

  • Ersteller des Themas Der Pianist
  • Erstellungsdatum

Glaubt ihr eigentlich, dass es Menschen gibt, bei denen Gehörbildung nicht möglich ist?

Ich halte mich für so jemanden. Ich habe jahrelang klassische Gitarre gespielt, musste aber immer mit elektronischer Krücke stimmen.
Bei diesen Intervallhörübungen z.B. von Klaus Kauker versage ich kläglich. Singen geht auch nicht.

Trotzdem macht Musik mir viel Spaß und ich konnte auf der Gitarre sogar recht anspruchsvolle Sachen im Duo spielen.

ich denke, Gehörbildung ist für alle Menschen - die medizinisch gesehen über ein einwandfreies Gehör verfügen - möglich.
Ich habe auch daran gezweifelt, bis es auf einmal funktionierte.

Ich habe mit 16 in einer Band zu spielen begonnen und immer unseren Gitarristen bewundert, der aus dem Stand heraus, quasi während des Spielens, seine Gitarre ohne Referenzton auf einer andern Saite nachgestimmt hat. (Damals natürlich ohne Stimmgerät im Bodentreter)
Dieses lässige Stimmen fand ich so cool, dass ich es können wollte. Es ging aber immer komplett in die Hose, selbst wenn ich in aller Ruhe allein zu Hause saß.

Die Lösung des Rätsels ist mir erst Jahre später klar geworden. Der Gitarrist hatte Geige spielen gelernt und hatte somit eine ganz konkrete innere Klangvorstellung der Quarte und der großen Terz, da er ja alle Töne intonieren können musste.
Er wusste also vorher wie jeder Ton zu klingen hat.

Nachdem ich das (sehr spät) kapiert hatte, würde mir klar, dass planloses und hoffendes herumdrehen am Wirbel sinnlos ist, solange ich gar nicht wusste, was ich hören will.

Der Weg führt(e bei mir) über die Fähigkeit Intervalle im "inneren Ohr" erzeugen zu können.
Setz dich ans Klavier und spiele einen Grundton in deiner Stimmlage und versuche die Quinte zu singen. (Es hört ja niemand:D)
Das kann Wochen dauern, ... dann spiel das Intervall Grundton/Quinte und versuche die Dur/Moll Terzen zu singen.
Nach einer Weile spürst du auf den Cent genau, ob du drauf bist ... oder nicht.
Dann hast du ein untrügliches Terzgespür.:p

Wenn du Quinte und Terzen kannst, hast du implizit auch Zugang zu Sexten und Quarten, also dem Umkehrintervallen.

Mittlerweile kann ich auch Arpeggien erkennen, und wenn ich eine kleine Septime brauche, dann singe/denke ich mir eben kurz ein X7 Arpeggio als Gegenkontrolle zum Ganzton abwärts..

Es funktioniert, ist aber mit Arbeit verbunden.

Ich wünsche dir viel Erfolg.

Lieber Gruß, NewOldie
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Guten Morgen,

mein Gehör wurde vor kurzem von einem HNO getestet. Es wurden mehrere Hörtests gemacht und unter anderem eine Mittelohrdruckmessung(?..).

Resultat: Mein Gehör arbeitet ausgezeichnet, keine "Fehler", der Schutzmechanismus(?) wird optimal ausgelöst, ich höre alle getesten Frequenzen.

Mittlerweile kann ich mir Töne besser merken und diese ins Langzeiggedächtnis "verschieben". Aktuell brauche ab und zu noch "Vorlagen" (Beispiel: Einen bestimmten Ton, der in einem Lied öfters vorkommt, den höre ich aber NUR gedanklich!) um den aktuell hörbaren Ton zu erkennen. (Ich höre ein h, denke an das h im Lied - Bingo! Erkannt)


Ich glaube, nein ich weiß, dass man sich Töne genauso merken kann, wie Düfte oder Farben. Es klingt nur sehr abstrakt, oder?

PS: Die Kernaussage deines Posts bezieht sich also auf das "Nachsingen" bestimmter Intervalle, klingt gut - muss ich mal versuchen :D Dankeschön für den Tipp!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
- muss ich mal versuchen :D Dankeschön für den Tipp!

moin, mal versuchen reicht nicht, du musst am Ball bleiben, wochenlang ...:p:p:p

Wichtiger, als Intervalle nachzusingen ist das gezielte "Hineinsetzen" zwischen (später über und unter) 2 Rahmentöne.

Also:
Quinte mit Pedal halten und die (Dur/Moll) Terz hineinsingen.

Oder später:
Terz spielen und den fehlenden, darüber liegenden Grundton des Sextakkordes (1 Umkehrung) intonieren.
Gute Übung zum Heraushören von Akkordlagen=Umkehrungen und die Bildung von Sexten.

Lieber Gruß, NewOldie
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Für eine genaue Tonhöhenvorstellung finde ich es auch sehr hilfreich viel vom Blatt zu singen.
Man kann sich auch bevor man mit dem Üben anfängt vorstellen wie genau jetzt die ersten Töne klingen werden.
Kleine Geiger schulen übrigens ihre Klangvorstellung oft mit Kinderliedern. Viele Lehrer lassen ihre Schüler auch erst spielen wenn sie das zu Spielende sauber singen können. Mit meinen ganz Kleinen singe ich ALLES erst in der Rhythmussprache und dann mit den Fingersätzen. Beides natürlich IMMER mit den richtigen Tönen und sauber. Danach sind die Kleinen in der Lage ein Stück auch auf der Geige zu spielen. Macht man es anders, könnte es passieren, dass auch kleine Geiger nach Fingersätzen spielen und das klingt dann sehr grausam...
Ich denke, was für kleine Geiger hilfreich ist, hilft sicher auch Pianisten zur Gehörbildung. Der einzige Nachteil dieser Methode ist, dass man nicht genau benennen kann was gesungen wird. Die Tonnamen kann man bei etwas Größeren dazunehmen, aber Intervalle und überhaupt die Beziehungen der Töne bleiben außen vor. Aber das wird für einen Erwachsenen nicht das große Problem sein, da wir eh dazu neigen alles benennen zu müssen und ich eher vermute, dass es an der Klangvorstellung und nicht an der Benennung hapert.
 
meine Erfahrung sagt mir, dass aufmerksames und bewusstes, durchdachtes Klavierspielen ausreicht, um sein Gehör zu bilden. Meine Klavierlehrerin hat mit sei dem ich bei ihr angefangen habe gezwungen, dies zu tun, und ich hör für meine Ansprüche ausreichend.
mMn ist das auch ein Indiz für einen guten Instrumentallehrer. Vielleicht funktionierte es bei mir allerdings auch nur, weil ich schon im extrem jungen Jahren bei ihr angefangen habe.
mfg
Sushi
 
Das ist es eben, man muss es in jungen Jahren anfangen, sonst wird es immer aufwändiger.

Geige könnte ich niemals spielen, weil einfach diese Vorstellung vom Klang nicht dauerhaft in meinem Gedächtnis zu verankern ist.

Und bei der ganzen Sache darf man nicht vergessen: Nicht jeder Mensch kann singen, auch wenn das gerne behauptet wird.
 
Nicht jeder Mensch kann singen, auch wenn das gerne behauptet wird.

Wenn Du Menschen mit entsprechenden geistigen oder körperlichen Behinderungen einbeziehst, ist diese Aussage natürlich wahr.

Nimmt man nur die Nichtbehinderten, ist sie sehr zu bezweifeln.

Wie Heinrich Jacoby bereits vor Jahrzehnten gezeigt hat, sind es lediglich "Fehlprogrammierungen", die bei manchen Menschen die Singe-Unfähigkeit hervorrufen.
Wenn man weiß, wie, und entsprechenden (von hoher Motivation und Arbeitsbereitschaft des Schülers gestützten) Aufwand betreibt, kann man auch diesen Menschen erfolgreich Singen beibringen.

Richtig muß es also heißen: Manche Menschen sind leider aus irgendwelchen Gründen so verkorkst, daß es, vor dem Hintergrund dessen, was ihnen selber wichtig erscheint, nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich wäre, die Singe-Hemmungen zu beseitigen, so daß man der Einfachheit halber (aber letztlich an der Wahrheit vorbei) sagt: "Er kann nicht singen."

LG,
Hasenbein
 
Richtig muß es also heißen: Manche Menschen sind leider aus irgendwelchen Gründen so verkorkst, daß es, vor dem Hintergrund dessen, was ihnen selber wichtig erscheint, nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich wäre, die Singe-Hemmungen zu beseitigen, so daß man der Einfachheit halber (aber letztlich an der Wahrheit vorbei) sagt: "Er kann nicht singen."
In dieser Beschreibung kann ich mich wiederfinden ;) Aber wieso an der Wahrheit vorbei? "Er kann nicht singen" ist doch völlig richtig. Nur ist das kein naturgegebener, unveränderlicher Zustand.

lg marcus
 
Richtig muß es also heißen: Manche Menschen sind leider aus irgendwelchen Gründen so verkorkst, daß es, vor dem Hintergrund dessen, was ihnen selber wichtig erscheint, nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich wäre, die Singe-Hemmungen zu beseitigen, so daß man der Einfachheit halber (aber letztlich an der Wahrheit vorbei) sagt: "Er kann nicht singen."
Es gibt natürlich das Phänomen der Amusie, das ich nicht als Behinderung einstufen würde, aber dennoch musikalische Ausübung wirkungsvoll verhindert und selbst die Rezeption zur Qual werde lassen kann. Allerdings sind die Zahlen der tatsächlich betroffenen immer noch um vieles niedriger als derer, die behaupten nivht singen zu können.
 
nochmal zum Singen.

... fällt mir auf, weil ich gerade meine Hausaufgabe mache, und zwar eine kleine Transkription.

Ich habe es so gelernt:
Jede kleine Phrase, die ich transskribiere, singe ich vorher.
Bevor ich sie nicht singen kann, habe ich sie auch nicht wirklich gehört.

Wenn ich das nicht mache, lösche ich mein Klanggedächtnis beim "probieren" und die Phrase ist schnell durch falsche Töne überschrieben.

Lieber Gruß, NewOldie
 
Bevor ich sie nicht singen kann, habe ich sie auch nicht wirklich gehört.

Wenn ich das nicht mache, lösche ich mein Klanggedächtnis beim "probieren" und die Phrase ist schnell durch falsche Töne überschrieben.

Singst Du sie denn dann mit der Aufnahme mit? Sonst könnte es ja auch passieren, dass Du das Gedächtnis durch falsches Singen löschst, oder?
 

Singst Du sie denn dann mit der Aufnahme mit? Sonst könnte es ja auch passieren, dass Du das Gedächtnis durch falsches Singen löschst, oder?

Hi, Nica, nö, ich stoppe die Vorlage und versuche die Phrase zu wiederholen.
Eher nach dem Motto; "habe ich das jetzt richtig gehört?"

Dabei singe ich objektiv sicher oft leicht? daneben:D, aber ich merke ob ich den Sinn verstanden habe.
Dadurch bekomme ich vor allem eine gute Vorstelllug vom generellen Melodie-Verlauf und timing.
Wo ist die Phrase rhythmisch auf "off "oder "on"; wo sind Überbindungen etc.
Dabei klatsche ich mit.

Die rhythmische Struktur skizziere ich als erstes, das ist dann sowieso die Basis für alles weitere.
Ohne Rhythmus geht beim heraushören (bei mir) gar nix.:p

Lieber Gruß, NewOldie
 
Wenn Du Menschen mit entsprechenden geistigen oder körperlichen Behinderungen einbeziehst, ist diese Aussage natürlich wahr.

Nimmt man nur die Nichtbehinderten, ist sie sehr zu bezweifeln.

Wie Heinrich Jacoby bereits vor Jahrzehnten gezeigt hat, sind es lediglich "Fehlprogrammierungen", die bei manchen Menschen die Singe-Unfähigkeit hervorrufen.
Wenn man weiß, wie, und entsprechenden (von hoher Motivation und Arbeitsbereitschaft des Schülers gestützten) Aufwand betreibt, kann man auch diesen Menschen erfolgreich Singen beibringen.

Richtig muß es also heißen: Manche Menschen sind leider aus irgendwelchen Gründen so verkorkst, daß es, vor dem Hintergrund dessen, was ihnen selber wichtig erscheint, nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich wäre, die Singe-Hemmungen zu beseitigen, so daß man der Einfachheit halber (aber letztlich an der Wahrheit vorbei) sagt: "Er kann nicht singen."

LG,
Hasenbein

Mal abgesehen von den musikalischen Fähigkeit wäre nach dieser Wahrnehmung wohl jeder Mensch behindert oder verkorkst. Warum fällt es manchen so schwer, sich einzugestehen, dass es sehr viele unterschiedliche Menschen gibt und dass die eigenen Vorraussetzung nicht das Maß aller Dinge sein können?

Wobei ich teilweise zustimmen kann, dass mancher es sich einfach macht, indem er sagt, er sei unmusikalisch. Viel häufiger ist das aber auf entsprechende Äußerungen von Musiklehrern zurückzuführen. Unser System beton vor allem, dass jemand etwas nicht kann, anstatt von den vorhandenen Fähgikeiten auszugehen.

Ich selbst habe, was Rhytmen angeht, große Fortschritte gemacht. Intervalle kann ich leider immer noch nicht ausseinanderhalten, geschweige denn mir eine Melodie merken.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
meine Erfahrung sagt mir, dass aufmerksames und bewusstes, durchdachtes Klavierspielen ausreicht, um sein Gehör zu bilden. Meine Klavierlehrerin hat mit sei dem ich bei ihr angefangen habe gezwungen, dies zu tun, und ich hör für meine Ansprüche ausreichend.
mMn ist das auch ein Indiz für einen guten Instrumentallehrer. Vielleicht funktionierte es bei mir allerdings auch nur, weil ich schon im extrem jungen Jahren bei ihr angefangen habe.
mfg
Sushi

Wie läuft das bewusste, durchdachte musizieren genau ab? Ich kenne das nur vom Gitarrespielen, dass man z.B. eine Stimme spielt und die andere singt etc. Das würde allerdings vorraussetzen, dass man schon singen kann. Oder meinst du eher, eine harmonische Analyse, so dass man die theoretischen Hintergründe vor dem Spielen erfasst?
 
Ich selbst habe, was Rhytmen angeht, große Fortschritte gemacht. Intervalle kann ich leider immer noch nicht ausseinanderhalten, geschweige denn mir eine Melodie merken.

lass dich nicht entmutigen.:p
Klar, es gibt Naturtalente und es gibt andere, die etwas an der Hand geführt werden müssen.
Ich halte mich auch nicht für besonders musikalisch, habe aber auch Hürden genommen, die ich immer für zu hoch gehalten habe.

Anderes Beispiel.
Ich bin, abgesehen vom Joggen, totaler Sportmuffel.

Irgendwann haben mich Kollegen zum Squash mitgeschleppt.
Entsetzlich, nervtötend stressig. Warum macht man so was freiwillig:D?
Nach 5 Minuten habe ich dann gesagt: "Leute, ich habe keine Chance den Ball zu treffen, da ich ihn ja in der hohen Geschwindigkeit gar nicht anfliegen sehe..."

Die Antwort hat mich dann doch erstaunt: "Jaaaa, du darfst ja nicht auf den fliegenden Ball schauen, du musst schon bei meinem Schlag überlegen, wo ich hinspielen will..."
Alleine wäre ich, nicht auf diesen Lösungsansatz gekommen.

Immerhin treffe ich jetzt ab und zu mal...

Solche Tricks gibt es in der Musik auch für Menschen, die sich für unmusikalisch halten....

Lieber Gruß, NewOldie
 
Ich selbst habe, was Rhytmen angeht, große Fortschritte gemacht. Intervalle kann ich leider immer noch nicht ausseinanderhalten, geschweige denn mir eine Melodie merken.
Hallo alfarero,

ich frage mich gerade, wie Du das meinst. In welchem Zusammenhang kannst Du Intervalle nicht auseinanderhalten? Beim Hören von Intervallen? Das gibt es Möglichkeiten, z.
B. Assoziative Verknüpfungen oder über mehrere Sinneskanäle verknüpfen. Ich denke, die Sinnhaftigkeit ist wichtig fürs Lernen. Wann brauchst Du das Hören von Intervallen?

LG
Leonie
 
Ich habe das Problem, wenn ich einen Intervall oder auch nur einen Ton in einer Oktave identifizieren kann, erkenne ich sie in einer anderen tieferen oder höhren schon nicht mehr. Es ist, als wären da ganz neue, andere Klänge. Ich krieche förmlich mit den Ohren über die Tastatur.

lass dich nicht entmutigen - ja, ja, NewOldie, ich nehme auch die Hürde, a b e r ... ein Schneckenweg, der steinig ist.

lg
Kulimanauke
 
Als ich im Rahmen einer Prüfungsvorbereitung Drei- und Vierklänge geübt habe, habe ich festgestellt dass es ein paar (so 5-10) Dreiklangsumkehrungen gibt, die ich genau einer Tonart zuordnen kann. Das sind alles Auftakte oder Schlüsse von bestimmten Stücken (Hochzeitsmarsch - F-Dur, Pathetique c-Moll, usw) Ich denke, dass ich das noch ein wenig ausbauen könnte, aber schon bei verminderten wird es wohl etwas schwieriger...

benedikt
 

Zurück
Top Bottom