Was werde ich durch regelmäßiges Klavierspielen als Erwachsener können?

@FünfTon @hasenbein
Verstehe! Ist jetzt kein Selbstbetrug, aber so wie ich das sehe ist Rythmus natürlich IMMER wichtig, aber eher zu beachten bei (nicht sicher wie man das jetzt sagen soll) "strikten" Songs, die man, wie ihr schon gesagt habt, mit anderen spielt oder auch schnellen Passagen in der Klassik. Ist es dabei nicht "normal", dass bei einem 'träumerischen" Stück, wie dem liebestraum, mehr intuitive Pausen und betonungen passieren.
Korrigiert mich gerne!! ich verstehe euren Ansatz prinzipiell! Danke für eure Beiträge!!
 
Rhythmus ist traditionell die Schwäche von Leuten, die nur allein und nicht mit anderen zusammen Musik machen.

Rhythmus ist traditionell die Schwäche von all dem "empfindsamen" Romantikkram, wo nach jeder Tonfolge eigentlich ein mittellanger Seufzer eingebaut werden müsste.

Ein bisschen Bach, Mozart und Beethoven, und schon geht es besser. 😉
 
Das ist dieses unabsichtliche Rubato, das in Wirklichkeit dadurch zustande kommt, dass man es nicht flüssig und rhythmisch genug kann, und dann lässt man diese unabsichtlichen "Wartepausen" und Langsamfahrstellen einfach drin.
Selbst erlebt im Unterricht, als ich Robert Schumanns späte Fantasiestücke op. 111 spielte. Noch während meines Vortrags erhob sich der Professor, ging mit Bleistift und Zettel in der Hand an mir vorbei zum Bücherregal, zog ein Buch heraus und begann auf den Zettel zu schreiben. Als ich zu Ende gespielt hatte, überreichte mir mein Lehrer wortlos den Zettel. Darauf hatte er eine der Musikalischen Haus- und Lebensregeln von Robert Schumann geschrieben:

"Spiele im Takte! Das Spiel mancher Virtuosen ist wie der Gang eines Betrunkenen. Solche nimm dir nicht zum Muster."

Das unabsichtliche Rubato hat es an sich, dass man selbst als Spieler nicht weiß, was da passiert. Du sollst aber das musikalische Vokabular beherrschen und nicht das Vokabular Dich. Kannst Du beim Spiel einen organischen Grundpuls dazu klopfen? Vielleicht mit dem linken Fuß, weil der sonst am wenigsten zu tun hat? Gelingt es Dir, eine Stimme organisch einzubetten, auch wenn die gespielte Figur mit einer Pause beginnt? Schärfe also Dein Verständnis für einen organisch laufenden Grundpuls, ohne dass die Musik dadurch statisch oder gleichförmig wird. Dieses auch ohne Instrument oder anhand einer Aufnahme durch einen anderen Spieler mal verifizieren. Bei guten Interpretationen wirst Du diesen Grundpuls immer erkennen und mitklopfen können. Nur dann wirst Du bei der Tempoführung den Zuhörer mitnehmen können, der sonst im Wechsel entweder in die Enge getrieben wird oder am ausgestreckten Arm hängend verhungern darf. Beides ist als Extrem sinnlos und unmusikalisch. Frohes Schaffen!

LG von Rheinkultur
 
Kannst Du beim Spiel einen organischen Grundpuls dazu klopfen?
Ich würde, ohne selbstlobend zu sein, schon sagen, dass ich ein recht gutes Rythmusgefühl habe. Deshalb stellt es sich für mich sicher nicht als schwierig heraus, das Stück "perfekt im Takt" zu spielen.

Hier würde ich gerne einen Vergleich erläutern, der mir dazu eingefallen ist.
Sucht man auf Youtube nach Stücken, erscheinen gelegentlich "Synthesizer"-Videos, bei denen quasi die Noten eines Stückes perfekt im Rythmus mit den gegebenen Tonlängen gespielt werden. Doch ich, und da denke bin ich nicht der einzige, empfinde diese "Stücke" dann meistens als sehr emotionslos und einfach nicht schön. Ich will jetzt nicht sagen, dass ein Profimusiker kein Rythmusgefühl hat, aber wenn man eine, wie du (@Rheinkultur) gesagt hast, gute Interpretation mit einem solchen Video vergleicht, wie ich es eben erklärt habe, weicht die Interpretation des Profimusikers von der "Computerversion" in Sachen Takt ein kleines Bisschen ab. Ist diese natürliche "Ungenauigkeit"/Abweichung dann quasi das perfekte Maß an Rubato? Weil im Endeffekt ist es ja dann genau, unter anderem, das, das die Interpretation schön macht?!
 
Ist diese natürliche "Ungenauigkeit"/Abweichung dann quasi das perfekte Maß an Rubato? Weil im Endeffekt ist es ja dann genau, unter anderem, das, das die Interpretation schön macht?!
Bei einer solchen Abweichung spürst Du trotzdem den zugrundeliegenden Puls und kannst ihn nachvollziehen. Dann ist die Schönheit einer Interpretation bewusst herausgearbeitet und gestaltet und es ist zu spüren, warum es so und nicht anders im jeweiligen Moment sein muss.
 
1. Klavierunterricht: Ich gehe nun wöchentlich seit September (schauen wir mal, wies weiter geht..) für eine Stunde in Klavierunterricht. Dort spiele ich eigentlich ausschließlich Stücke aus dem Genre Rock/Blues/Swing/..., wobei ich zu Hause die Schwierigkeit der Stücke heruntergeschraubt habe und mir daher neben dem Unterricht selber Stücke, mit Noten, beibringe. Die Träumerei von Schumann, oder ein leichter Walzer oder auch Nocturne von Chopin wären hier Beispiele. Hab das Notenlesen schnell gelernt und tue mir daher ziemlich leicht, Stücke "vom Blatt" zuspielen:)

Lieber Jakob,

herzlichen Glückwunsch zum Klavier! :) Schön, dass du nun auch Klavierunterricht nimmst, allerdings wundert mich die Stilrichtung. Mir scheint, dass dein Schwerpunkt eher auf klassischen Stücken liegt, oder nicht? Falls es so ist, würde ein Lehrer mit diesem Schwerpunkt sinnvoll sein.

Ich stimme @Tastatula zu. Probiere doch mal, die begleitenden Achtel wegzulassen und nur Bass und Melodie zu spielen. Höre dem Verlauf der Melodie gut zu - sehr wahrscheinlich ändert sich dann dein Hören und du wirst dein rubato der Melodie anpassen. Die Achtel müssen sich nämlich dem Melodieverlauf im Timing anpassen und nicht umgekehrt wie gerade.

Es würde sich aus meiner Sicht sehr lohnen, bei einem wirklich guten Lehrer mit Schwerpunkt Klassik Unterricht zu nehmen! Du zeigst Klangsinn und Talent, wendest auch nach eigener Beschreibung viel Zeit auf. Dann könnte es gut möglich sein, den Liebestraum ganz zu lernen und dir würde womöglich Ohren und Augen aufgehen! :)

Liebe Grüße

chiarina
 
herzlichen Glückwunsch zum Klavier! :) Schön, dass du nun auch Klavierunterricht nimmst, allerdings wundert mich die Stilrichtung
Zuerst einmal ein Danke für den Glückwunsch! Freut mich!
Ja eigentlich habt ihr damit total Recht. Mein Klavierlehrer hat ganz normal Klavier studiert, also kann er mich sicher auch in dieser Richtung unterrichten. Ich habe zwar ein gutes Verhältnis mit ihm, habe mich aber noch nicht wirklich getraut, ihm das zu sagen, weil ich nicht als jemand rüberkommen will, "der mal so klassische Musik lernen will". Aber eigentlich weiß ich, dass ich ihm das eigentlich sagen muss. Hätte daran gedacht einem Zyklus zu folgen, in dem zuerst immer ein klassisches Stück gelernt wird (natürlich mit der Zeit die es benötigt) und danach ein Stück aus einer anderen Stilrichtung. Tendenziell finde ich diese Abwechslung gut, da man bei Stilrichtungen Jazz usw. mehr über die Musiktheorie mit Akkordlehre usw. macht und das recht sinnvoll für ein Musikalisches Gehör sein kann.
Letztendlich glaube ich aber, dass ich gerne den Schwerpunkt eher auf klassische Musik legen will!
 
Das ist dieses unabsichtliche Rubato, das in Wirklichkeit dadurch zustande kommt, dass man es nicht flüssig und rhythmisch genug kann, und dann lässt man diese unabsichtlichen "Wartepausen" und Langsamfahrstellen einfach drin.

Zum Selbstbetrug neigende Schüler reden dann sich und/oder dem Lehrer ein, so sei es halt, wie sie es empfänden, das sei halt ihre "Interpretation".

Spoiler Alert: Jeder auch nur ansatzweise fähige Lehrer durchschaut diesen Bullshit sofort :coolguy: :musik022:

Dem allein werkelnden Autodidakten fehlt es an Kommunikationspartnern. Der kann sich dann mit Krücken wie dem Metronom helfen, einem Klavierlehrer vorspielen oder tun, was ich bereits vorgeschlagen habe, weil er dann gezwungenermaßen im Takt bleiben muß.

Das Problem ist altbekannt und es eiert selbst dann, wenn das Stück aus simplen Dreiklängen und Arpeggien besteht und technisch keine Herausforderung ist. Unser Keyboarder hatte anfangs auch ordentlich Seegang - nach ein paar Proben wurde es in kurzer Zeit erheblich besser. So lernt man es nämlich am schnellsten.
 
@chiarina
WOW! Ich habe soeben deine Website durchstöbert und bin wirklich begeistert. Besonders gelungen finde ich den "Technik" Abschnitt! Gut gewählte Zitate, Erklärungen & Veranschaulichungen! Gratulation!
 

... weicht die Interpretation des Profimusikers von der "Computerversion" in Sachen Takt ein kleines Bisschen ab. Ist diese natürliche "Ungenauigkeit"/Abweichung dann quasi das perfekte Maß an Rubato? Weil im Endeffekt ist es ja dann genau, unter anderem, das, das die Interpretation schön macht?!

Du liegst da ganz richtig. Ein guter Interpret verfügt meiner Ansicht nach über zweierlei Dinge, die ihn gut machen: Geschmack, und das technische Repertoire, ihn umzusetzen. Beides kann man lernen. Der Geschmack entsteht mit der intensiven Beschäftigung, d.h. mit Hören, Spielen, Analysieren, kompetentem Klavierlehrer Glauben, und zwar über Jahre und Jahre hinweg. Meine Aufnahmen von vor zwei Jahren kann ich kaum anhören, so befremdlich wirkt mein damaliger "Geschmack" auf mich heute. Und in zwei Jahren wird es mir mit den heutigen Aufnahmen vermutlich ähnlich gehen (hoffentlich).

Ganz entscheidend beim Verbessern ist der Wille, ein gewisser Ehrgeiz. Der ist bei dir klar vorhanden. Es ist beachtlich, wie weit du alleine gekommen bist. Du bist engagiert und wirst diese (und viele weitere) Nüsse knacken.

Konkret würde ich den Liebestraum mal langsam mit Metronom versuchen, und wenn das sitzt, nur ganz zart vom Metrum abweichen und auch wieder zurückkehren. Hier sind auch schon viele andere gute Tips genannt worden. Viel Spaß und stell bald wieder was ein!
 
Rhythmus ist traditionell die Schwäche von Leuten, die nur allein und nicht mit anderen zusammen Musik machen.
Das bezweifle ich. Dann dürfte es kaum Orchestermusiker geben, die rhythmische Schwächen haben. Leider gibt es sie zuhauf. Selten in Spitzenorchestern, aber ab der "mittleren Provinz" hat man damit zu kämpfen. Und die allermeisten Amateurorchester (jedenfalls die, die ich kenne) sind in dieser Hinsicht eine Katastrophe.
 
Du spielst hier im Forum haufenweise wundervolle Klassikliteratur vor und nimmt Unterricht in Rock/Blues/Swing??

Ich mein, klar würde man am liebsten alles spielen, bei jedem Mozart den ich anfasse weine ich dem Joplin nach, der in der Ecke stehen bleibt und umgekehrt ebenso. Ein Leben ist zu kurz, vor allem, wenn man nicht täglich 10 Stunden am Instrument sitzt sondern wie ich nur eine. Zum Glück sind aber doch ausgebildete Klavierlehrer hoffentlich in der Lage mehrere Stilrichtungen zu unterrichten. Und man selber hat neben dem Klavier hoffentlich einen Mund um dem KL dann auch zu sagen, was man spielen möchte. Mein KL ist mir vor Freunde beinahe um den Hals gefallen, als ich ihm Bach, Beethoven und Chopin nannte, er hat wohl viele Schüler, die lieber Filmmusik oder gar mal die Musik aus Super Mario vom Nintendo Gameboy nachspielen wollen.

Auf Dauer ist es unbedingt förderlich, wenn man neben Klassik auch mal Blues spielt, Abwechslung erhält den Spaß und man lernt eine Menge dazu. Aber wenn Du nun offenbar leidenschaftlich Liszt und Chopin spielst, dann würde ich doch zumindest damit mal anfangen... Oder hängt Dein Herz seit dem Unterricht doch eher an Rock und Blues?

--> Ganz wichtig, mal mit dem KL sprechen und gemeinsam klären, wo die Reise hingehen soll.
 
Ist das nicht genau das Schöne in dieser Musikepoche/diesem Musikstil?

Nur wer in time spielen kann, kann auch mit der time spielen. Eigentlich ganz einfach.

Grüße
Häretiker

PS:
Ich kenne auch andere lustige Marotten, z.B. von Saxophonisten, dass die es so gewohnt sind, die Töne zu ziehen, dass sie nicht in der Lage sind, mal einen Ton gerade zu spielen. Wenn man mal einstimmen will: am Anfang zu tief, zwischendurch gut, nachher etwas zu hoch. gnagnagna
 
Oder Flötisten, die nicht mehr ohne Vibrato spielen können ......... da wird das Einstimmen auch schwierig
 
Viel Spaß und stell bald wieder was ein!
Hab heute in der Früh schon kurz die genannten Übungen gespielt, werde sie, denke ich, am Nachmittag hochstellen.

Würde mich gerne auch kurz dafür bedanken, so zahlreiches Feedback zu bekommen. Bei so einer guten Kritik, das ist an alle gewendet, tue ich mir leicht euch zu folgen und (hoffentlich) auch so leicht, eure Tips umzusetzen.

Willkür ist nie eine ästhetische Kategorie
Ich hab auch betont, dass Rythmus immer wichtig ist, aber ich denke, dass er zb bei einem Marsch mehr in den Vordergrund rückt, als bei einem "träumerischen" Stück aus zb dem Impressionismus, nicht, dass er hier oder dort wichtiger ist.

Nur wer in time spielen kann, kann auch mit der time spielen. Eigentlich ganz einfach.
Wie schon gesagt, Timing ist (fast) alles.

Oder hängt Dein Herz seit dem Unterricht doch eher an Rock und Blues?
Nein, dass auf keinen Fall. Ich weiß, dass das für euch vielleicht nicht gut nachvollziehbar ist, aber ich hab halt selber vor der Klassik viel mehr Respekt als vor Jazz, und will halt nicht vor meinem Lehrer wie ein Banause vorkommen, wenn ich jetzt nun mal einen Liszt spielen will. Tendenziell weiß ich ja, dass der Lehrer dafür da ist, mir weiterzuhelfen, aber bis jetzt bin ich noch nicht dazu gekommen. Ich habe vor, ihn darum zu beten, den Schwerpunkt eher auf Klassik zu legen. Doch finde ich, wie du auch schon gesagt hast, die Abwechslung total wichtig. Tief drinnen will ich ja eigentlich Klassik spielen, weil mich das viel mehr anspricht/berührt.
 
ok, noch auf ein Wort zum Rubato:
Du willst von A nach B und zu einer bestimmten Zeit ankommen.
Entweder, du gehst zügig im gleichen Tempo oder es passiert dir, dass du jemand sehr Nettes triffst unterwegs und du ein wenig verweilen möchtest. Dann tust du das im Hinblick auf deine Endzeit und gehst hernach schneller, damit du pünktlich bist.
Sehr grob gesagt, ist das das Prinzip des Rubato. Man raubt ein wenig Zeit, aber man muss sie zurückgeben.
Und wie mit allen schönen Dingen: Tut man sie zu oft, schleicht sich Gewohnheit ein, dann sind sie nicht mehr schön.
Also sei sehr kritisch mit Dir selbst! Gehe mit diesem kostbaren Gut der Zeitbestimmung sorgsam um und fühle immer den Puls, auch, wenn Du Dich mal gegen ihn entscheidest. Das ist das Besondere! Die Absicht!
Nicht die Not.
 
Übrigens würde ich als Chopin Anfängerstück mal den a-moll Walzer Op. posth. empfehlen. Die Etude ist wunderschön. Aber was nützt das, wenn man nur den langsame Anfang spielt und den Rest dann liegen lassen muss. Ist doch schade drum.
 

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