Üben und Interpretation

  • Ersteller des Themas philomela
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ich weiß nicht mehr, was ich noch sagen soll, ganz ehrlich. Ich habe das Gefühl, ganz fürchterlich missverstanden zu werden. Ich stimme dir in allen Punkten zu. Wie kommt du denn auf die Idee, es könnte anders sein, als du beschrieben hast? Wieso denkst du denn, ich würde den fettzitierten Satz von dir nicht aus tiefster Seele unterstreichen! Die musikalische Arbeit und Erfahrung/Erkundung des Stückes mit allem was dazu gehört, also mit allen Sinnen, mit Herz und Hirn, ist doch das Wichtigste überhaupt. Wieso sollte man sonst Musik machen?? Ich meine, ich habe das auch in diesem Faden deutlich gemacht.

Nicht weinen, Chiarina, alles wird gut! :kuss: Ich hatte dich gar nicht persönlich angesprochen, sondern mich eher mit der Vorstellung auseinandergesetzt, welche furchtbare Katzenmusik wir allerorten hätten, würden die Klavierlehrer dazu übergehen und ihren Schülern das Interpretieren verbieten. Weil sie es noch nicht können.
Und wehe es erdreistet sich einer....

Zitat von Rolf:
Und wem der Umstand, dass es unschwer verifizierbare Qualitätsunterschiede schlichtweg gibt, nicht behagt, wer sich aber dennoch oder trotzdem berufen fühlt, der melde sich zur Aufnahmeprüfung an: das ist doch gar kein Problem! Anmelden, vorspielen (pardon: vor dem Prüfungsgremium interpretieren) kostet nichts (von den Fahrt- und Portokosten abgesehen) - - - wer am Klavier zu interpretieren in der Lage ist, der wird unschwer das zuständige Studium absolvieren und anschließend (wenn nicht schon währenddessen) die Konzertarena bereichern.

Wie war das mit dem Turteln?



Zitat von Chiarina:
Aber eine Interpretation ist doch überhaupt nicht vom Schwierigkeitsgrad eines Stückes abhängig. :confused: Wo soll ich das gesagt haben?

Na dann steht dem Interpretieren ab der ersten Stunde ja nichts mehr im Wege :p

Zitat von Chiarina:
Ich bin sehr betrübt, dass man allen Ernstes annimmt, ich würde Schülern "spiel die Druckerschwärze auf dem Papier" o.ä. vermitteln und nicht dazu motivieren, wundervolle musikalische Erfahrungen zu machen, die aufs Engste mit der eigenen Persönlichkeit und ihrer Entwicklung verknüpft sind.

Wie gesagt, nicht weinen. Wir unterscheiden uns nur in der Definition des Wortes "Interpretation". Insofern sind wir uns doch einig, prima!

LG, Sesam
 
(...) Soll man das wirklich bei jedem Stück das man spielt, von Anfang an machen oder reicht es, wenn man nach eigener Stimmung und Vorstellung musiziert. - Für mich reicht das.

Grüße
Thomas

Thomas - für mich persönlich auch, vollauf, - und für den Moment. Allerdings, pflegen sich meine Meinungen auch mal schnell zu ändern.

Nur, nota bene: was man so im stillen Kämmerlein tut, in allen Details in einem Faden öffentlich auszubreiten, und auf dem was man tut dann auch noch öffentlich zu beharren - kann unter Umständen zu mittelgroßen Katastrophen führen. Ich spreche aus sehr fundierter eigener Erfahrung, was mein Schreiben hier betrifft. (Ey - ich erinnere mich gerade - Du warst in dem Faden ja auch mit dabei :D:D https://www.clavio.de/forum/179309-post8.html)

So -- das war mein persönliches Wort zum Samstag.
But nevertheless - feel free.... to do so. Es hätte sich nicht die erste interessante Diskussion so entsponnen....

Schönen Gruß, Dreiklang
 
Hallo,

ich bin froh und dankbar über diese Diskussion, auch wenn ich sie mir vielleicht etwas weniger emotional gwünscht hätte. Ich wollte mit meiner Ausgangsfrage nicht polarisieren und auch nicht, dass sich jemand missverstanden fühlt.

Das Wort Interpretation habe ich einfach nach meinem Umgangssprachlichen Verständnis benutzt und wollte mir weder etwas anmaßen damit oder jemanden brüskieren.

Nun weiß ich, dass man damit, zumindest in Pianistenkreisen (bei Sängern ist das wieder anders), eher zurückhaltend umgehen sollte, um eben diesem Anmaßungsvorwurf zu entgehen. Damit hab ich kein Problem, zumal sich so einige Fettnäpfchen vermeiden lassen.

Ich ersetze hiermit also "Interpretation" durch "persönlichen Ausdruck". Und den, so habe ich es hier als Konsens wahrgenommen, darf und soll man immer in sein Musizieren einbringen. Keiner propagiert hier ja gefühlloses Umsetzen des Notentexts (dann könnte man ja auch ein Midi abspielen). Bloß scheint die Herangehensweise recht unterschiedlich zu sein.

Viele Grüße
philomela
 
Ich habe bei Adorno (Kolisch und die neue Interpretation) eine nette Stelle gefunden, die vielleicht etwas zum Nachdenken über das Thema anregen könnte.

Zitat von Adorno:
Der Gedanke des integralen Komponierens, eines Verfahrens, in dem jede Note thematisch, im Zusammenhang des Ganzen zu verantworten ist, wurde von Kolisch auf die musikalische Darstellung übertragen. Man kann von integraler Interpretation reden. Sie setzt sich zur Aufgabe, nicht etwa in bloßem Wohllaut und glattem Ablauf das Werk widerzuspiegeln, sondern dessen Struktur ganz und gar in seiner Erscheinung zu verwirklichen, die „Röntgenphotographie des Werkes“ zu bieten. Das Interpretationsideal geht nicht von der klanglichen Fassade aus, sondern bestimmt diese funktionell, von den vielfach latenten musikalischen Ereignissen her. Die genaueste Analyse des Werkes, die präzise Erfahrung seiner „subkutanen Elemente“ werden verausgesetzt.

Ein Link zu einem kurzen Vortragstext bezüglich Interpretation:

http://www.velbrueck-wissenschaft.de/pdfs/2005_zehentreiter.pdf


Hier noch ein interessanter Artikel - ist gar nicht so leicht im Internet was Substantielles zu diesem Thema zu finden, vielleicht bin ich aber auch nur zu ungeschickt beim Suchen. :rolleyes:

http://www.mgg-online.com/probeartikel/interpretation.pdf

Aus diesem Artikel möchte ich noch eine Stelle zitieren:

So wächst die Verantwortung des Interpreten, wenn er das ›Beste der Musik‹ vermöge der Spontaneität seiner Interpretation dem Hörer dennoch vermitteln möchte. Solches hatte Liszt im Sinn, als er 1856 in der Vorrede zur Symphonischen Dichtung „Ce qu’on entend sur la montagne“ notierte: »Obschon ich bemüht war, durch genaue Anzeichnungen meine Intentionen zu verdeutlichen, so verhehle ich doch nicht, daß Manches, ja sogar das Wesentlichste, sich nicht zu Papier bringen läßt, und nur durch das künstlerische Vermögen, durch sympathisch schwungvolles Reproduzieren, sowohl des Dirigenten als der Aufführenden, zur durchgreifenden Wirkung gelangen kann. Dem Wohlwollen meiner Kunstgenossen sei es daher überlassen, das Meiste und Vorzüglichste an meinen Werken zu vollbringen« ( F. Liszt 1857 ) .

Ich finde, dass das ein ganz schön moderner Ansatz von Liszt war - der Interpret als Vollender eines Werkes, aber vielleicht täusche ich mich ja auch, und das Konzept gibt es bereits seit Urzeiten. Nun, wer meint, des Interpretierens bereits mächtig zu sein, kann sich ja jetzt einmal fragen, ob er/sie würdig ist, „das Meiste und Vorzüglichste“ an Liszts Werken zu vollbringen. :D

Meine kleine Entdeckungsreise ins „Reich der Interpretation“ hat jedenfalls noch viele Fragezeichen bei mir hinterlassen:

Objektive Interpretation, (ich glaube mich zu erinnern, Anklänge hier in Flips Beitrag gelesen zu haben) - das kann es doch gar nicht wirklich geben, oder? Wenn es die gäbe, dann existierte doch längst die einzig wahre Interpretation, neben der andere nicht mehr bestehen könnten. Oder verstehe ich da etwas falsch?

Interpretationen in Werkseditionen - ich denke da zum Beispiel an die Ausgabe der Bachinventionen von Busoni. Wer ist eigentlich die Zielgruppe solcher Ausgaben, allein der Hobbypianist? Man möchte ja meinen, dass der Profi sich bei der Erarbeitung seiner Interpretation an einen Urtext hält.

Urtexte - Ich habe unlängst in einem Interview mit Leslie Howard gelesen, dass die Henle Ausgabe der h-Moll Sonate 6 oder 7 Fehler aufweist - inwiefern sichert sich ein Interpret eigentlich ab, ob die Notenausgaben die er verwendet tatsächlich fehlerfrei sind? Ich dachte eigentlich, dass man mit einer Urtext Edition eines namhaften Verlages auf der sicheren Seite sei.

Orchester - interpretiert eigentlich ein Orchestermusiker? Das geht doch irgendwie gar nicht, da würden sich ja Dirigent und Musiker gegenseitig im Weg stehen. Ist praktische Interpretation somit nur Dirigenten und Solisten bzw. kleinen Ensembles vorbehalten?

Der kognitive Prozess aus Philomelas zweiten Beitrag lässt mir auch keine Ruhe. Für mich ist Kognition nie rein rational - emotionale Erfahrungen gehören für mich dazu, oder beeinflussen die Kognition zumindest erheblich. Scheinbar wird das aber von einigen anders gesehen. Tja bleibt also noch die Frage, ist Interpretation rein rational? Also wenn das so ist, möchte ich glaub‘ ich gar nicht interpretieren, da mach ich das Klavierspielen dann lieber zu einer ohnehin privaten, emotionalen Angelegenheit ;-)

Vielleicht hat ja jemand Lust, ein bisserl über diese Aspekte zu diskutieren.

LG, PP (die sich leider noch nicht einmal in der Lage sieht zu spielen, und somit den Begriff üben strapazieren muss, aber davon träumt, irgendwann dem 88zahnigen Biest doch noch so etwas wie schöne Musik zu entlocken.)

Per sogni e per chimere e per castelli in aria l‘anima ho millionaria :)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
ich habe es in dieser Welt nicht verschuldet und auch nicht eingerichtet, dass der Berufszweig des Klavierlehrers leider nicht die Konzertexamina an den Musikhochschulen betreut und dass dieser Berufszweig auch leider nicht die dortigen Studenten lehrt. Freilich gilt auch hier: wer sich berufen fühlt, der bewerbe sich. Qualität wird sich über kurz oder lang schon durchsetzen. Ganz einfach.


Keine Lust und Zeit auf sinnlose Endlosdiskussionen! Musst du dir diesmal andere Sparringspartner suchen :kuss:

ach Sesam,
das finde ich jetzt jammerschade - - ich hätte mich so gefreut, wenn Du für uns alle hier das von Dir beanstandete fettgedruckte widerlegt hättest...
Wie schön und erhellend wäre gewesen, wenn Du mit dem elenden Unsinn, den ich da verzapft habe, rigoros aufgeräumt hättest: allen wäre damit gedient gewesen!!! Mir auch!!! Ich lasse mich liebend gerne in jeglichem Bereich, welcher mit Klaviermusik und Klavierspiel zu tun hat, belehren - und das ist mein Ernst!!!!

Also, Sesam:
sei so gut, und erkläre hier nichts zur sinnlosen Endlosdiskussion - beweise uns allen, dass die Aufnahmeprüfungen sowie die Abschlußprüfungen (Konzertexamen etc) und zwischendrin die Lehrveranstaltungen der Musikhochschulen nebst der zusätzlichen fakultativen Meisterkurse vom Berufszweig der Klavierlehrer geleistet wird.
Das ist nämlich wirklich hochwichtig, denn dieser Nachweis würde dafür sorgen, dass man endlich begreift, dass an Musikschulen dasselbe geleistet wird wie an den Musikhochschulen, und das würde bedeuten, dass der überbezahlte Job "Klavierprofessor" absolut unnötig ist.
 
Woran erkennt man, ob ein Stück nur schön gespielt, oder interpretiert ist?

Wenn jemand für sich spielt oder anderen vorspielt, hat er wohl eine Absicht, soll das einen Sinn oder einen Zweck haben. Was will er den Zuhörer hören lassen, was ihm verdeutlichen?

Das kann sein:

Sich selbst darstellen – eine Show abziehen

Einen Auftrag oder eine Pflicht erfüllen (mehr oder weniger lustlos)

Dem Zuhörer schöne oder interessante Musik vorspielen (ihm einfach Freude machen) usw.

In diesen Fällen genügt es technisch möglichst perfekt und musikalisch ansprechend den Notentext wiederzugeben. „Interpretieren“ ist aber, das hat die Diskussion inzwischen ergeben, etwas anderes, und dieses „Andere“ (oder „mehr“) muß am gespielten Stück hörbar sein – eine andere Information hat der Hörer ja nicht. Aber wie zeigt sich das? Schließlich hat ja auch der Interpret nur dieselben klaviertechnischen - eigentlich: nur akustischen Mittel - zur Verfügung (vielleicht das bessere Instrument, aber das hat mit der interpretation nichts zu tun), als der Amateur, wenngleich sicher das größere Arsenal. Was also genau tut er oder was macht er anders, als der Liebhaber?

Nehmen wir folgenden Fall:

Ein begabter und gut ausgebildeter Amateur spielt ein mittelschweres Stück musikalisch hervorragend aus seiner Intuition heraus.

Ein Profi interpretiert dasselbe Stück. Der Vergleich beider Aufnahmen zeigt nur minimale Unterschiede, die im Bereich der „Streuung“ von Aufnahmen des Profis liegen.

Der Unterschied zwischen „interpretiert“ und nur „schön gespielt“ liegt dann offensichtlich nicht im Ergebnis, sondern darin, daß der Profi sich etwas dabei gedacht hat, der Amatuer aber einfach nach Gefühl drauf los gespielt hat – oder?

LG

Pennacken
 
Ich
(................................................................................................................................!!!!!!!!!!!!!.....................................................................................................)
Per sogni e per chimere e per castelli in aria l‘anima ho millionaria :)

:kuss:
den hast Du Dir redlich verdient!!!
Ein super Beitrag!!!

herzlichste Grüße,
Rolf
 
Nehmen wir folgenden Fall:

Ein begabter und gut ausgebildeter Amateur spielt ein mittelschweres Stück musikalisch hervorragend aus seiner Intuition heraus.

Ein Profi interpretiert dasselbe Stück. Der Vergleich beider Aufnahmen zeigt nur minimale Unterschiede, die im Bereich der „Streuung“ von Aufnahmen des Profis liegen.

Der Unterschied zwischen „interpretiert“ und nur „schön gespielt“ liegt dann offensichtlich nicht im Ergebnis, sondern darin, daß der Profi sich etwas dabei gedacht hat, der Amatuer aber einfach nach Gefühl drauf los gespielt hat – oder?

LG

Pennacken

Hallo Pennacken,

wenn überhaupt, so wird man man klangliche Unterschiede ausmachen können: meist ist der Profi schlichtweg besser darin, das Instrument differenziert und sensibel anzufassen. Aber im mittelschweren Bereich kann das der Laie, der Hobbyspieler (wie auch immer man formulieren will) dasselbe leisten, denn es ist weder unmöglich noch unlehrbar, differenziert und ausdrucksvoll, überlegt und sinnvoll zu spielen.

Ich bin davon überzeugt, dass talentierte musikalische Hobbyspieler z.B. die leichteren von den Chopin-Nocturnes auf professionellem Niveau interpretieren könnten - allerdings werden sie dazu sehr viel Zeit aufbringen müssen, bis es so weit ist. Aber prinzipiell ist es machbar.

Fantastisch ist, wenn sie von allein darauf kommen und das schaffen (das ist das, was ich als talentiert bezeichnen würde) - wenn es von allein nicht gehen sollte, obwohl der Wunsch da ist, dann wird Hilfe von außen nötig sein (Unterricht). Wo man diese Hilfe erhält, mag man sich selber überlegen und entscheiden.

Der wichtigste Schritt dahin ist, ein ganz arg kinderleichtes Stückchen überhaupt sinnvoll, überzeugend und individuell darstellen - meinetwegen auch interpretieren - zu können! Wer das aber nicht schafft, braucht diesen selbstgewählten Anspruch nicht an schwierigeres stellen!! Bei einem manuell sehr leichten Stück lassen sich schon die Tugenden des Klavierspielen Könnens ausmachen - - - ja, so krass und unerbittlich ist das: man kann prinzipiell das Mini-Menuet in G-Dur (Bach) hinreissend und rührend spielen, man hört aber auch sofort, ob das eben nicht ganz der Fall ist.

...und das Wissen und Können, das man für das Mini-Menuet benötigt, erschöpft sich nicht in Plattidüden wie "diese Technik, jene Handhaltung, hier lauter, da leiser, hier Hauptthema, hier Kadenz" etc. ... aber daran kann man arbeiten, da kann man lernen, da kann man immer sensibler werden, da kann man immer mehr verstehen usw usw
 
Zitat von Rolf "Klavierprofessor" absolut unnoetig

Hallo Rolf,
was Du da erwaehnt hast, hat mich sofort an den Schweizerischen Musikpaedagogischen Verband SMPV erinnert http://www.smpv.ch/zv_berufsstudium.cfm
Kennst Du diesen ? ansonsten lies mal nach wirklich sehr interessant

einen schoenen geruhsamen Sonntag
wuenscht Dir

Destenay
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Ich verfolge diese Diskussion seit Beginn und will eigentlich nichts zur Interpretation an sich beitragen, sondern ein paar Beobachtungen (nicht nur aus diesem Thread) liefern:
Es ist eine Unart unserer Zeit, dass jeder Dahergelaufene meint, das zu können- und zwar indem er die Sache mit demselben Begriff bezeichnet-, wofür Profis - egal welcher Sparte - oft ihr Leben gewidmet haben.
Ob das ein Schachspieler, bildender Künstler, Musiker oder ein Tischler ist, ist dabei nebensächlich. Es geht darum, welches Können der- oder diejenige durch seine Beschäftigung entwickelt hat. Wer meint, sich mit so jemandem vergleichen zu müssen, ist nicht nur anmaßend, er beweist auch, dass er nicht weiß, was es bedeutet, sich einer Sache zu verschreiben.
Würde jemand unter Konzertniveau interpretieren können, dann müsste man doch sagen, dass er nicht so gut wie z.B. Horowitz interpretiert. Das, so meine ich, ist aber unmöglich - sonst müsste man die Qualität von Interpretationen an sich einordnen können- das geht aber meines Erachtens nicht - jemand interpretiert oder eben nicht.
Was jemand durch Lehrjahre (ob im Handwerk, auf Universitäten, Hochschulen, etc.) gelehrt bekommen hat, steht so weit über dem Wissen und Können eines Laien, dass es unmöglich ist die beiden zu vergleichen. Niemandem würde es einfallen, eine Interpretation von Gulda besser oder schlechter als eine von Horowitz zu bezeichnen. Mir kann die eine oder andere besser gefallen, mein ästhetisches Empfinden ist aber wohl kaum Gradmesser wofür sonst Musikwissenschaftler Jahrzehnte lang aufwenden- genau so wenig, wie mich meine Empfindung dazu befähigt, sagen zu können, jemand spielt besser, weil mir dessen Interpretation besser gefällt.
Das von rolf angesprochene "Beleidigtsein" trifft die Sache sehr gut. Man vermisst heutzutage leider eine gewisse Bescheidenheit vor der Leistung und dem Wissen derer, die ihre Sache (auf akademischem Niveau) gelernt haben. "Kann ich auch" ist das Motto unserer Zeit, das sich die Fernsehanstalten auf die Fahnen geschrieben haben und so sieht man Hinz und Kunz sich bei vermeintlichen Großtaten an Lächerlichkeit gegenseitig überbieten.
Wieso kann man nicht soviel Ehrlichkeit sich selbst gegenüber haben, seine eigenen Leistungen, so gut sie einem auch erscheinen mögen, als plumpe Gehversuche einzuordnen, nicht wert mit demselben Begriff bezeichnet zu werden, wie das, was der Profi "tut" (;))?
Wieso kann man sich nicht einfach eingestehen, dass es Dinge gibt, die man selbst nie können wird und denjenigen Respekt zollen, die sich einer Sache voll und ganz verschrieben haben und es deshalb irgendwann einmal (so gegen ihr Lebensende ;)) auch zu wahrhaftigem "Können" bringen können?
 
Ich verfolge diese Diskussion seit Beginn und will eigentlich nichts zur Interpretation an sich beitragen, sondern ein paar Beobachtungen (nicht nur aus diesem Thread) liefern:
Es ist eine Unart unserer Zeit, dass jeder Dahergelaufene meint, das zu können- und zwar indem er die Sache mit demselben Begriff bezeichnet-, wofür Profis - egal welcher Sparte - oft ihr Leben gewidmet haben.
Ob das ein Schachspieler, bildender Künstler, Musiker oder ein Tischler ist, ist dabei nebensächlich. Es geht darum, welches Können der- oder diejenige durch seine Beschäftigung entwickelt hat. Wer meint, sich mit so jemandem vergleichen zu müssen, ist nicht nur anmaßend, er beweist auch, dass er nicht weiß, was es bedeutet, sich einer Sache zu verschreiben.
Würde jemand unter Konzertniveau interpretieren können, dann müsste man doch sagen, dass er nicht so gut wie z.B. Horowitz interpretiert. Das, so meine ich, ist aber unmöglich - sonst müsste man die Qualität von Interpretationen an sich einordnen können- das geht aber meines Erachtens nicht - jemand interpretiert oder eben nicht.
Was jemand durch Lehrjahre (ob im Handwerk, auf Universitäten, Hochschulen, etc.) gelehrt bekommen hat, steht so weit über dem Wissen und Können eines Laien, dass es unmöglich ist die beiden zu vergleichen. Niemandem würde es einfallen, eine Interpretation von Gulda besser oder schlechter als eine von Horowitz zu bezeichnen. Mir kann die eine oder andere besser gefallen, mein ästhetisches Empfinden ist aber wohl kaum Gradmesser wofür sonst Musikwissenschaftler Jahrzehnte lang aufwenden- genau so wenig, wie mich meine Empfindung dazu befähigt, sagen zu können, jemand spielt besser, weil mir dessen Interpretation besser gefällt.
Das von rolf angesprochene "Beleidigtsein" trifft die Sache sehr gut. Man vermisst heutzutage leider eine gewisse Bescheidenheit vor der Leistung und dem Wissen derer, die ihre Sache (auf akademischem Niveau) gelernt haben. "Kann ich auch" ist das Motto unserer Zeit, das sich die Fernsehanstalten auf die Fahnen geschrieben haben und so sieht man Hinz und Kunz sich bei vermeintlichen Großtaten an Lächerlichkeit gegenseitig überbieten.
Wieso kann man nicht soviel Ehrlichkeit sich selbst gegenüber haben, seine eigenen Leistungen, so gut sie einem auch erscheinen mögen, als plumpe Gehversuche einzuordnen, nicht wert mit demselben Begriff bezeichnet zu werden, wie das, was der Profi "tut" (;))?
Wieso kann man sich nicht einfach eingestehen, dass es Dinge gibt, die man selbst nie können wird und denjenigen Respekt zollen, die sich einer Sache voll und ganz verschrieben haben und es deshalb irgendwann einmal (so gegen ihr Lebensende ;)) auch zu wahrhaftigem "Können" bringen können?

Sehr schoen ausgedrueckt !

Cordialement

Destenay
 
Wieso kann man nicht soviel Ehrlichkeit sich selbst gegenüber haben, seine eigenen Leistungen, so gut sie einem auch erscheinen mögen, als plumpe Gehversuche einzuordnen, nicht wert mit demselben Begriff bezeichnet zu werden, wie das, was der Profi "tut" (;))?
Wieso kann man sich nicht einfach eingestehen, dass es Dinge gibt, die man selbst nie können wird und denjenigen Respekt zollen, die sich einer Sache voll und ganz verschrieben haben und es deshalb irgendwann einmal (so gegen ihr Lebensende ;)) auch zu wahrhaftigem "Können" bringen können?

Hallo sephilosophia,

das ist eine sehr gute Frage!!

...ich fürchte allerdings, dass Du wegen dieser ...hm... sagen wir mal etwas Unbill ernten wirst...

Hier wurden schon Pseudo-Argumente wie die "Meisterkurs-Keule" gebracht...

Wie auch immer: von mir hast Du keinen Stress wegen Deines Beitrags zu erwarten, ganz im Gegenteil!!

herzliche Grüße,
Rolf
 
Hallo,

ich bin froh und dankbar über diese Diskussion, auch wenn ich sie mir vielleicht etwas weniger emotional gwünscht hätte. Ich wollte mit meiner Ausgangsfrage nicht polarisieren und auch nicht, dass sich jemand missverstanden fühlt.

Hallo philomela,

und ich bin meinerseits auch froh, zu lesen, daß es Menschen gibt, die in der Lage sind, einfache Fakten (und für mich sind es solche) zu verstehen und zu akzeptieren und für sich "anzunehmen". Die Polarisierung liegt in der Schwierigkeit des Themas an sich begründet - danke für Deine Fragestellung und diesen Faden. Ich konnte für mich viel neues lernen. Und dieses Lernen geht auch munter weiter -

-----
@PP

Fehler in Urtexten, die Frage "interpretiert eigentlich ein Orchestermusiker? Das geht doch irgendwie gar nicht", diese interessanten Aspekte lege ich - bis Widerspruch kommt - im Gedächtnis ab. Und dann Dein für mich ziemlicher Hammer-Aspekt:

Der kognitive Prozess aus Philomelas zweiten Beitrag lässt mir auch keine Ruhe. Für mich ist Kognition nie rein rational - emotionale Erfahrungen gehören für mich dazu, oder beeinflussen die Kognition zumindest erheblich. Scheinbar wird das aber von einigen anders gesehen. Tja bleibt also noch die Frage, ist Interpretation rein rational? Also wenn das so ist, möchte ich glaub‘ ich gar nicht interpretieren, da mach ich das Klavierspielen dann lieber zu einer ohnehin privaten, emotionalen Angelegenheit

Ich glaube, das Erarbeiten einer Interpretation erfordert (neben musikalischem Wissen und Erfahrung) emotionale Empfindungsfähigkeit, das von mir vielzitierte Feingefühl, Intuition - und auch, Ausprobieren. Das Realisieren einer Interpretation, also das Spielen in einem Konzert, einer Prüfungssituation o.ä., erfordert mit Sicherheit hohe Konzentration - Emotionalität oder Intuition sind in diesen Momenten wohl weniger gefragt - es sind zu unzuverlässige Partner bei der akustischen Darbietung der musikalischen Vorstellungen.

Emotionalität oder Intuition neigen dazu, nicht sonderlich reproduzierbar zu sein. Übrigens, ein Gedanke der mir auch während der Diskussionen kam: eine gute Interpretation eines namhaften Interpreten genauestens nachzuspielen - wäre auch keine Interpretation ;) denn wie Rolf einmal bemerkte, zeigt eine solche neues, Aspekte, die man an einem Stück noch nicht wahrgenommen hatte, neue Ideen der Aufarbeitung und ähnliches. Also auch dieses Schlupfloch wurde schon einmal gestopft ;)

======

Aber wir schweben wohl ständig ein bißchen in der Gefahr, die Musik an sich zu zerreden. Und ich glaube, wir dürfen bei all dieser Diskussion, auch nicht vergessen, was Musik ist. Wie schön sie ist, welche Wirkung sie auf uns hat, welche Magie, und von mir aus auch: welche Faszination.

Schönen Gruß, Dreiklang
 
... ein ganz arg kinderleichtes Stückchen überhaupt sinnvoll, überzeugend und individuell darstellen zu können!... Bei einem manuell sehr leichten Stück lassen sich schon die Tugenden des Klavierspielen Könnens ausmachen - - - ja, so krass und unerbittlich ist das: man kann prinzipiell das Mini-Menuet in G-Dur (Bach) hinreissend und rührend spielen, man hört aber auch sofort, ob das eben nicht ganz der Fall ist.

Ich freue mich generell, daß das einmal so deutlich gesagt wird. Was interessierten mich meine ganz einfachen Stückchen früher noch... ich konnte sie ja schon, also weg damit... viel lieber, ab ins alpinistische Hochgebirge (Beethoven-Sonaten). Wie ich mich hängend und würgend dort herumgehangelt habe, war ja wurscht ;)
Meine einfachsten Stücke - habe ich vor längerer Zeit auch wieder "re-aktiviert"...

-- ach, und wo wir gerade dabei sind:

... als plumpe Gehversuche einzuordnen, ...

Danke, sephilosophia... im Ernst! Ich suchte eigentlich schon längere Zeit einen Begriff für das was ich tue. "Plumpe Gehversuche am Klavier" erscheint mir goldrichtig und genau passend. Jedes Kind will seinen Namen haben ;)

Schönen Gruß,
Dreiklang
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Der wichtigste Schritt dahin ist, ein ganz arg kinderleichtes Stückchen überhaupt sinnvoll, überzeugend und individuell darstellen - meinetwegen auch interpretieren - zu können! Wer das aber nicht schafft, braucht diesen selbstgewählten Anspruch nicht an schwierigeres stellen!! Bei einem manuell sehr leichten Stück lassen sich schon die Tugenden des Klavierspielen Könnens ausmachen - - - ja, so krass und unerbittlich ist das: man kann prinzipiell das Mini-Menuet in G-Dur (Bach) hinreissend und rührend spielen, man hört aber auch sofort, ob das eben nicht ganz der Fall ist.

Ich denke das ist ein wundervolles Fazit für diesen thread!

Meiner Meinung nach benützen viele Hobbymusiker in der Musik das Wort Interpretation unbedacht, so wie es die threadstellerin auch irgendwo von sich schrieb.

Diese Diskussionen hier fand ich deswegen sehr interessant, weil es das Augenmerk auf die Bedeutung hinter dem Wort legte und -zumindest meine- Sensibilität für die Zukunft schärft.
 
Guten Morgen,

121 Beiträge, um zur Einsicht zu gelangen, dass Klavierspielen durchaus eine Kunst ist. Die man mal nicht so nebenbei husch-husch erlernen(?) kann.
Muss das wirklich erst gesagt werden?? Ok, ich dachte, wir wären schon weiter.

LG, Sesam
 
Objektive Interpretation, (ich glaube mich zu erinnern, Anklänge hier in Fips Beitrag gelesen zu haben) - das kann es doch gar nicht wirklich geben, oder?

Ich glaube, du meinst nicht mich, sondern FLIP... Kann mich jedenfalls nicht erinnern, so etwas wie "objektive Interpretation" vertreten zu haben.

Wieso kann man nicht soviel Ehrlichkeit sich selbst gegenüber haben, seine eigenen Leistungen, so gut sie einem auch erscheinen mögen, als plumpe Gehversuche einzuordnen, nicht wert mit demselben Begriff bezeichnet zu werden, wie das, was der Profi "tut" (;))?

Ich stimme dir zwar zu, dass es die von dir angesprochenen Anmaßungen gibt. Aber man muss trotzdem berücksichtigen, dass das alles kein Schwarz-Weiß ist, wo dazwischen eine klare Grenze vorhanden wäre. Es gibt nicht DEN Hobby-Spieler und nicht DEN Profi. Das ist vielmehr ein Kontinuum, auf dem sich jeder zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Punkt befindet.

Deshalb gibt es keinen Grund, sein eigenes Musizieren von vornherein als "plumpe Gehversuche" abzuqualifieren, nur weil man Klavierspielen nicht beruflich ausübt. Es kommt immer darauf an, welche Qualität das eigene Klavierspiel wirklich hat und das sollte man bei sich selbst realistisch einschätzen können. Ohne sich größer zu machen. Aber auch: ohne sich kleiner zu machen.

Mit der Verwendung des Begriffs "Interpretation" hat das aber aus meiner Sicht gar nichts zu tun. Es ist nicht schon eine Anmaßung, als Hobby-Spieler von Interpretation zu sprechen. Es ist (in den meisten Fällen) nur eine Anmaßung, wenn man sagt: "Ich kann so gut interpretieren wie Horowitz", ohne dass man es wirklich so gut kann. Aber der Begriff "Interpretation" an sich ist nicht für Profis reserviert.

Grüße von
Fips
 
Interpretation und Reproduzierbarkeit

Emotionalität oder Intuition sind in diesen Momenten wohl weniger gefragt - es sind zu unzuverlässige Partner bei der akustischen Darbietung der musikalischen Vorstellungen.

Emotionalität oder Intuition neigen dazu, nicht sonderlich reproduzierbar zu sein. Übrigens, ein Gedanke der mir auch während der Diskussionen kam: eine gute Interpretation eines namhaften Interpreten genauestens nachzuspielen - wäre auch keine Interpretation ;)

Hallo,

um noch mehr Klarheit in den Interpretationsbegriff zu bekommen, drängen sich mir folgende Fragen auf:

Wenn jemand, der es wirklich beherrscht, eine Interpretation entwickelt hat, kann er diese dann jederzeit identisch wiederholen? Und findet im Moment des Vortrags kein kreativer Schaffensprozess mehr statt, sondern reproduziert sich der Künster dann selbst?

Dann würde die Interpretation selbst vor dem Vortrag stattfinden und der Vortrag/das Konzert selbst wäre eine Reproduktion der Interpretation. Verstehe ich das richtig?

Viele Grüße
philomela
 

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