Üben und Interpretation

  • Ersteller des Themas philomela
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[…]
Die andere Frage ist, ob im Kino die Genugtuung heftiger Unmutsbekundungen nicht ein wenig ausbleibt - schließlich sind die Darsteller zweidimensional auf Zelluloid gebannt und nicht körperlich anwesend... ;)

Schönen Gruß,
Dreiklang

Gerade im Kino ist das am wenigsten bedenklich. Das ganze dient keinesfalls einer Verbesserung der Aufführung, sondern stellt lediglich ein Ventil für den unzufriedenen Zuseher dar. Weder wird er das Eintrittsgeld zurückbekommen, noch wird er daraufhin eine für ihn angenehmere Darbietung erwirken. Dabei kann dieser Unmut schon durch Unverständnis hervorgerufen werden.

Wenn der Zuseher seinem Unmut Luft macht, leidet im Kino wenigstens niemand darunter.
Anders wäre das bei einem Solokonzert.

Grüße
Thomas
 
...Wenn der Zuseher seinem Unmut Luft macht, leidet im Kino wenigstens niemand darunter.
Anders wäre das bei einem Solokonzert.

Grüße
Thomas

Ja. In so einem Fall, würde ich nicht zu denjenigen gehören, die sich lautstark hervortun. Dazu habe ich zu großen Respekt vor jemandem, der es schafft, da "oben" zu sitzen, und vor dessen Fertigkeiten. Wenn es einem gar nicht passen sollte, kann man ja auch theoretisch, leise und innerlich kopfschüttelnd, den Ort wieder verlassen.
Im Kino hatte ich schon den Fall, daß mir ein Film gar nicht gelungen schien. Dann bin ich eben still gegangen...

Ein recht heikles Thema, nicht wahr...?
 
Aber ich frage mich immer noch, welche der hier versammelten Clavio-Götter denn entscheiden dürfen, wer von uns "schon interpretieren" darf und wer "noch spielen" muß. Wenigstens tröstlich zu wissen, dass aus der Perspektive eines Horowitz oder Arrau die großmächtigen Clavio-Göttern wahrscheinlich ebenfalls zu ganz kleinen Geistern schrumpfen, die halt auch nur "spielen" (selbst wenn sie von sich etwas ganz anderes glauben ...)

ojot
 
...wer von uns "schon interpretieren" darf und wer "noch spielen" muß...

Hallo jaegermeier,

für Dich selbst, darfst Du natürlich immer entscheiden:"Ich interpretiere".

Ansonsten, hat Rolf schon Kriterien angeführt:
- ab der Musikhochschule beginnt "Interpretation" eine ernsthafte Rolle zu spielen. Entscheiden, ob eine gelungene Interpretation gespielt wird - werden dann die Profis, die dort arbeiten und sich ihrerseits ihre Reputation (erfolgreich) verdient haben.
- auch Konzerte wurden einmal genannt, im Kontext "Interpretation".

Schwierig wird es wohl werden, wenn man hobbymäßig spielt. Um an dem Begriff "Interpretation" zu arbeiten, würdest Du Dich wohl ebenfalls an einen reputierten Profi(musiker?) wenden müssen, in Form von privatem Unterricht. Und dann auch bereit sein, diesem und seinem Urteil zu vertrauen, und nicht etwa dessen Meinung dann "in den Wind" schlagen. Allerdings, wenn ich Rolf richtig verstanden habe, ist es kaum möglich, ohne sehr fundierte technische Grundlagen an dem Begriff "Interpretation" zu arbeiten - entsprechende Kurse an der Musikhochschule setzen dieses Können ebenfalls als Grundlage voraus.

Schönen Gruß, Dreiklang.
 
Aber ich frage mich immer noch, welche der hier versammelten Clavio-Götter denn entscheiden dürfen, wer von uns "schon interpretieren" darf und wer "noch spielen" muß. Wenigstens tröstlich zu wissen, dass aus der Perspektive eines Horowitz oder Arrau die großmächtigen Clavio-Göttern wahrscheinlich ebenfalls zu ganz kleinen Geistern schrumpfen, die halt auch nur "spielen" (selbst wenn sie von sich etwas ganz anderes glauben ...)

Bravo! Endlich traut sich einer, es zu sagen!

Ansonsten, hat Rolf schon Kriterien angeführt:
- ab der Musikhochschule beginnt "Interpretation" eine ernsthafte Rolle zu spielen. Entscheiden, ob eine gelungene Interpretation gespielt wird - werden dann die Profis, die dort arbeiten und sich ihrerseits ihre Reputation (erfolgreich) verdient haben.

Da muss ich widersprechen. Schon in der Oberstufe im Gymnasium gehört bei uns in Bayern die "Interpretation" zu den Bewertungskriterien.

"...überzeugende und eigenständige Interpretation des Stücks hinsichtlich Körpergefühl, technischer Ausführung und musikalischer Gestaltung." (S.2 http://www.digitale-schule-bayern.de/dsdaten/247/11.pdf )
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Da muss ich widersprechen. Schon in der Oberstufe im Gymnasium gehört bei uns in Bayern die "Interpretation" zu den Bewertungskriterien.

Danke für diesen Link - die unter "Bewertungskriterien" aufgeführten Punkte finde ich als Laie sehr interessant. Das Doc wird abgespeichert ;).
Darin gibt es auch einen kleinen uups-Punkt für mich ("Persönliches Auftreten in der Vorspielsituation").

Ansonsten... kann ich mangels Expertise nur beginnen, zu fachsimpeln...
Interessanterweise ;) setztest Du den Begriff "Interpretation" in Deinem Post selbst in doppelte Hochkommas. Und vielleicht nicht aus Zufall steht die "musikalische Gestaltung" an letzter Stelle...? Davor kommen Dinge, die ich der Technik und dem "ansprechenden Spiel" zuordnen würde.

Des weiteren... wenn ich drüber nachdenke, führt es mich wieder zurück zur Technik. Ich vermute stark, ein Professor wird es genau hören, wenn Du nicht technisch superklasse bist, oder auch nur leicht ins "Schwimmen" kommst. Wenn Du spielst, und aufgrund vorhandener technischer Unzulänglichkeiten - seien sie noch so klein - ein Spiel entsteht, das Du nicht wirklich willst - wars das wohl gewesen aus meiner Sicht mit einer (guten) Interpretation, weil die Grundlage dafür fehlt. Durch diese technischen Mängel entstehen dann kleine Widersprüche in der angestrebten Grundaussage des musikalischen Vortrags.

Aber ich muß und will hochgradig vorsichtig sein mit solchen "Pauschalisierungen" - ich weiß, daß es unzählige Schüler und Studenten gibt, die hart daran arbeiten, auf diesen Gebieten voran zu kommen - ich als Laie möchte keine lapidaren Aussagen über einen Begriff wie "Interpretation" in den Raum werfen. Außerdem weiß ich, was ich nicht weiß, oder wenn ich etwas nicht weiß...

Bloß eins noch: andere als "Gott" zu bezeichnen, könnte als unangebracht verstanden werden ;)

Rolf weist darauf hin, wieviel es da geben mag, das man im Schulalter nicht kann oder weiß - und wie bekannt ist, ist es schwierig, genau zu wissen, was man alles nicht weiß oder wieviel man noch lernen könnte...

Zum Glück, gehen doch ab und zu einige in diesem Sinne unvereingenommen in ein Musikstudium. Lernen, arbeiten hart, werden ausselektiert (ich weiß schon, ich rede mich da leicht) - und irgendwann kommen diejenigen dabei raus, die ich nach einigem Suchen auf YT wiederfinde, bzw. deren Namen bekannt werden - und die ich abgrundtief bewundere, wenn sie einfach das Podium betreten, sich an ein Instrument setzen, und in meinen Augen unglaubliches und unglaublich schönes zustande bringen....

Gruß, Dreiklang
 
Aber ich frage mich immer noch, welche der hier versammelten Clavio-Götter denn entscheiden dürfen, wer von uns "schon interpretieren" darf und wer "noch spielen" muß. Wenigstens tröstlich zu wissen, dass aus der Perspektive eines Horowitz oder Arrau die großmächtigen Clavio-Göttern wahrscheinlich ebenfalls zu ganz kleinen Geistern schrumpfen, die halt auch nur "spielen" (selbst wenn sie von sich etwas ganz anderes glauben ...)

ojot

Bravo! Endlich traut sich einer, es zu sagen!

Schon in der Oberstufe im Gymnasium gehört bei uns in Bayern die "Interpretation" zu den Bewertungskriterien.



Lieber Franz,

ich freue mich sehr, wenn du hier postest! Hoffentlich immer öfter! :p

Aber ist denn ein hoher Maßstab an eine Interpretation gleichbedeutend damit, selbst diesen Maßstab verwirklichen zu können? Ich meine nicht!

Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass jemand für sich sein Spiel als Interpretation definiert. Ich selber habe allerdings diesen Begriff nie für mich verwendet. Mir hat es immer ausgereicht, mich mit der Musik auseinanderzusetzen und mich darin auszudrücken.

Interpretation nennt man auch bereits eine Deutsch-Klausur im 8. Schuljahr, wenn es um Lektüre geht. Davon ausgehend kann man natürlich definieren ( wie auch hasenbein), dass bereits die individuelle Entschlüsselung des Notentextes eine Interpretation ist. Es ist für mich in Ordnung, es so zu nennen.

Ich verstehe es aber trotzdem anders. Um ein Werk in all seiner Komplexität zu deuten und zu erfahren, um in der Lage zu sein, verschiedene Möglichkeiten überhaupt erkennen zu können, um den Notentext nach seinen Vorstellungen klanglich umsetzen zu können, muss man bestimmte pianistische und musikalische Erfahrungen gemacht haben, die in der Regel darüber hinausgehen, was man sich als Laie ( da gibt es aber absolute Ausnahmen, was die hervorragenden Amateurwettbewerbe immer wieder zeigen) aneignen kann. Nicht umsonst spricht man von den großen Interpreten, nicht umsonst hat jeder Interpretationen berühmter Pianisten im Schrank. Warum? Weil sie von einer ganz besonderen Qualität sind. Dabei gefällt einem nicht jede Interpretation, aber jede ist in sich schlüssig und hat eine Präsenz in der klanglichen und musikalischen Gestaltung, die den höchstmöglichen Ausdruck bewirkt.

Selbstverständlich kann man alles als Interpretation bezeichnen, halt auf verschiedenem Niveau. Aber wie ich schon in meinem Schauspielvergleich weiter oben angedeutet habe: als Interpreten von Faust etc. würde ich nur Schauspieler bezeichnen, die eben auch ein Wissen und Können haben, das sich völlig von dem meiner Wenigkeit unterscheidet.

Ich heffe sehr, dass meine Haltung zur Interpretation keineswegs als arrogant und demotivierend verstanden wird a la Clavio-Gott ( das Wort erschüttert mich etwas). Für mich ist es im Gegenteil so, dass sie mich motiviert, mein Bestes zu geben und so tief wie möglich in ein Stück einzudringen. Ob das Ergebnis dann eine Interpretation ist, ist die Frage. Der Übergang ist natürlich fließend. Mir reicht es auch völlig, wie hier schon öfter angeklungen, ein Stück klanglich in möglichst vielen Facetten zu erfahren und zu erkennen. Das ist schon so viel!

Liebe Grüße

chiarina
 
Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass jemand für sich sein Spiel als Interpretation definiert. Ich selber habe allerdings diesen Begriff nie für mich verwendet. Mir hat es immer ausgereicht, mich mit der Musik auseinanderzusetzen und mich darin auszudrücken.

Frage:

Rolf sagt, wenn ich es richtig verstehe, bevor man interpretiert, muß man das Stück erstmal technisch vollkommen beherrschen und exakt das spielen können, was da geschrieben steht.

Wenn also mehrere technisch hervorragend ausgebildete Pianisten das Stück spielen, bewußt ohne zu interpretieren, hört es sich also bei all diesen unverwechselbar exakt gleich an. (???)

Dann aber: Wie kannst Du Dich "in der Musik ausdrücken", solange Du nicht interpretierst ?

Und: Müßte nicht ein mit dem Notentext programmiertes E-Piano am besten dazu in der Lage sein, exakt das zu spielen, was geschrieben steht ?

Wichtig: Dies sind meinerseits keine "spitzen Bemerkungen", sondern ich bemühe mich, diesen Thread in all seinen Facetten zu verstehen.

Gruß
Rubato
 
Hallo zusammen,

mit großem Erstaunen lese ich hier immer wieder, dass "Interpretation" erst dort beginnt, wo auf höchstklassigem Niveau, auf Weltbühnenniveau meinetwegen, die perfekte Klavierbeherrschung vorgetragen wird. Also ehrlich gesagt, von Vertetern dieser Ansicht möchte ich im Leben nicht unterrichtet werden!!

Die nachhaltige Vermittlung von technischem Können setze ich im Unterricht voraus, das ist so selbstverständlich, dass ich darüber gar nicht reden brauche. Dass aber die Vermittlung des "künstlerischen Bildes" wie Neuhaus das nennt, ein ganz, ganz wesentlicher, jahrelang dauernder Prozess im Unterrichts ist, das vergisst die Interpretationswächterschaft. Wie soll man denn jemals in komplexe musikalische Gedanken hineinwachsen und sich in diesen Landschaften auskennen, wenn man das nicht von Anfang an von einem Lehrer vermittelt bekommt? Wenn also der oder die LehrerIn über Jahre, fast Jahrzehnte nur sagen würde: spiele die Druckerschwärze auf dem Papier.... Wenn das der empfohlene Weg ist, na dann Mahlzeit! Leute, was habt ihr bloß für Lehrer? Oder wozu nehmt ihr Unterricht? :confused: Ich kenne drei Lehrer und ein paar andere peripher - und bin mir sicher, dass alle qualifiziert genug sind, über die teilweise hier geäusserten Ansichten nur müde den Kopf zu schütteln bzw. sich ob der Lächerlichkeit köstlich zu amüsieren.

Und schon mal auf die Idee gekommen, dass auch manuell, technisch einfache Stücke interpretiert werden können/dürfen/sollen?? Interpretation hat nichts, rein gar nichts mit dem (manuellen) Schwierigkeitsgrad des Stücks zu tun. Na, klingelts?

LG, Sesam
 
Hi sesam,

guter Post und gut, dass du nicht "interpretieren tun" geschrieben hast. ;-)

Gruß
 

@ Bachopin: Danke für die schnelle, wohlgesinnte Antwort, bevor der Sturm der Entrüstung hier über mich hineinbricht und mir wieder die Lizstsche h-moll Sonate, Petruschka und Ondine um die Ohren fliegen :D

LG, Sesam
 
Auch von mir volle Zustimmung zu Sesams Post!

Die nachhaltige Vermittlung von technischem Können setze ich im Unterricht voraus, das ist so selbstverständlich, dass ich darüber gar nicht reden brauche. Dass aber die Vermittlung des "künstlerischen Bildes" wie Neuhaus das nennt, ein ganz, ganz wesentlicher, jahrelang dauernder Prozess im Unterrichts ist, das vergisst die Interpretationswächterschaft. Wie soll man denn jemals in komplexe musikalische Gedanken hineinwachsen und sich in diesen Landschaften auskennen, wenn man das nicht von Anfang an von einem Lehrer vermittelt bekommt?

Ich finde auch, sowohl die ständige Vervolllkommnung des technischen Rüstzeugs als auch der Prozess zur Erlangung eines "künstlerischen Bildes" ist etwas, was beides im Idealfall schon ganz früh anfängt und was beides im Grunde nie aufhört, egal auf welchem Level man steht.

Ist nicht die Herangehensweise eines Lehrers, der einem Schüler im Anfängerstadium eine Passage vorsingt, um den Melodiebogen hör- und fühlbar zu machen, bereits der Anfang der Unterweisung in eine Tonmalerei, um irgendwann immer schöner werdende Tonlandschaften malen zu können?

Das man in diesem fließenden Prozess und gleitendem Übergang von einem Level zum nächsten eine harte Grenze ziehen soll, bei dessen Überschreitung man einen Vortrag erst als "Interpretation" bezeichnen darf, und dass man diese Grenze obendrein noch an den Besuch bestimmter Musikhochschulen (statt an der Qualität des tongemalten Bildes) festmachen muß, erschließt sich mir nicht. Daß das eine hilfreich ist, um das andere hinzubekommen, ist eine andere Geschichte.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
... um den Melodiebogen hör- und fühlbar zu machen, bereits der Anfang der Unterweisung in eine Tonmalerei, um irgendwann immer schöner werdende Landschaften malen zu können?

Selten habe ich es schöner ausgedrückt gefunden, worum es - nach meinem Gefühl - bei Musik geht. (die Begriffe "Tonmalerei" und "(musikalische) Landschaften malen" werden dauerhaft im Gedächtnis abgespeichert).
Keiner hat es bemerkt - aber wir sind von der Frage "was ist Interpretation?" bereits weggekommen, und sinnieren darüber nach: wie legen wir die Grundsteine dafür, was tun wir dafür?

Ich kann dem gesagten nur beipflichten - ein Stück tänzerisch, oder bedeutungsschwer, klingen zu lassen - da geht's los, und da fängt für mich auch die Schönheit an. Ich finde auch, daß man solches bereits üben (lassen) sollte, sobald es die technischen Fähigkeiten erlauben.

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(nochmal kurz zurück)

Ich denke, es ging bei der "Interpretations"-Debatte einfach nur um eine einzige, winzige Sache: man sollte halt nach Möglichkeit vermeiden, öffentlich und im Brustton der Überzeugung von "seiner Interpretation" seines Hobby-Stückchens zu sprechen. Weil man damit sehr leicht in Konflikt gerät mit der Art und Weise, wie dieser Begriff von der Fachwelt normalerweise gesehen und angewendet wird.

Ach mein Gott - tut es von mir aus trotzdem, ich habe keine Akazien darin. Das ist mir sowas von Schnuppe im Grunde. Nur hat ein öffentliches Forum eben Signal- und Bildungswirkung. Deswegen - und wohl nur deswegen - bestehen rolf, chiarina (und ich als Laie) auf einer Klärung, auf einer Darstellung zumindest der "reinen Lehre". Mistverständnisse gibt es schon genug auf der Welt, und neue Forumsleser könnten dann wieder auf die ewigen, falschen Gleise gebracht werden.

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... aber wenn ihr noch mehr dieser schönen Ideen habt, wie man in die Richtung "Stücke schön klingen zu lassen" kommt, und sich das erarbeiten kann - nur her damit :)

Mir hatte einmal eine Tanzpädagogin gesagt:"Man solle mit dem Klavier 'Singen'". Mit diesem "Tip" konnte ich in meiner Jugend aber nichts anfangen - und kann es auch heute nicht ;) - viel zu verschieden, diese beiden Dinge, in meinen Augen

Schönen Gruß
Dreiklang
 
Ich würde gerne nochmal zum Thema zurückkehren.
Die Frage war:

angeregt durch den Thread "Fehler einüben" möchte ich hier eine Frage aufwerfen, hier auf Anfängerniveau bezogen.

Es geht darum, wie man übt: Schaffe ich erste eine möglichst gute Grundlage, das heißt, ich lerne den Notentext bestmöglich, einschließlich der vorgegebenen Dynamiken und "schalte" dann meine eigene Interpretation dazu?

Oder lasse ich diese schon früh beim Erarbeiten des Stücks mit einfließen?

Kann und sollte man überhaupt die eigene Interpretation, das eigene Gefühl beim Musizieren, soweit ausklammern und sich nur auf die gedruckte Vorgabe konzentrieren?

Daniel Barenboim hat diese Frage sehr treffend beantwortet:

Wenn man Musik machen will, muss man unbedingt einen eigenen Standpunkt entwickeln, aber keinen beliebigen, rein subjektiven. Vielmehr geht es um eine Auffassung von Musik, die auf uneingeschränktem Respekt vor den aus der Partitur ersichtlichen Informationen, der Kenntnis der physischen Gegebenheiten des Klangs sowie dem Einblick in die wechselseitige Abhängigkeit aller musikalischer Elemente - also Harmonie, Melodie, Rhythmus, Lautstärke und Tempo - basiert. Uneingeschränkter Respekt für die Partitur bedeutet, dass man dem gehorcht, was auf einer Seite gedruckt steht - also dort piano spielt, wo es angegeben ist, und nicht aus einer Laune ein forte daraus macht.
Doch wie leise ist piano? Diese einfache Frage zeigt, wie wichtig es ist, dass man eine eigene Auffassung von der Quantität und Qualität von Lautstärke hat. Einfach nur leise zu spielen, weil auf dem Notenblatt piano steht, mag ein Zeichen für Bescheidenheit sein, aber es ist auch eine Unterlassungssünde. Die drei Fragen, die ein Musiker sich unablässig stellen muss, sind: warum, wie und zu welchem Zweck? Wer diese Fragen nicht stellen will oder nicht zu stellen vermag, der unterwirft sich einer stumpfsinnigen Buchstabentreue, die dem Geist der Musik nicht gerecht werden kann. (Daniel Barenboim: Klang ist Leben S.24, Siedler 2008 )

Ob man es nun "Interpretation" oder "eigenen Standpunkt" nennt, ist Wortklauberei.

Die Fähigkeit und der Mut zum "eigenen Standpunkt" muß beim Schüler/Studenten mMn von der ersten Klavierstunde an entwickelt werden.

prima! wenn es in diesem Paradies schon dort anhebt, sind die Musikhochschulen und deren Lehrkräfte sicher überflüssig, folglich kann viel Geld gespart werden...

Rolf, polemisierst Du da nicht ein wenig?

Ein künstlerisch überzeugender Vortrag schon bei der Aufnahmeprüfung - nennen wir es nun "Interpretation" oder "Darbietung" ist die Eintrittskarte zur Musikhochschule, aber das weißt Du selbst.

Übrigens ist Deine Polemik völlig überflüssig, ich kann Deine Bedenken bezüglich des hochtrabenden Begriffs "Interpretation" gut nachvollziehen. Zu oft wird schlechtes Spiel damit gerechtfertigt.

Das Thema wurde ja schon oft diskutiert unter anderem hier:
https://www.clavio.de/forum/klavierspielen-klavierueben/6172-interpretation-geschmacksache.html
 
Keiner hat es bemerkt - aber wir sind von der Frage "was ist Interpretation?" bereits weggekommen, und sinnieren darüber nach: wie legen wir die Grundsteine dafür, was tun wir dafür?

Da Interpretation immer "auf der Suche" ist, ist alles zu jedem Zeitpunkt ein Grundstein. Egal ob Bach Menuett oder Balakirevs Islamey.


ein Stück tänzerisch, oder bedeutungsschwer, klingen zu lassen - da geht's los, und da fängt für mich auch die Schönheit an. Ich finde auch, daß man solches bereits üben (lassen) sollte, sobald es die technischen Fähigkeiten erlauben.

Technik und Klang schließen sich doch nicht aus. Oder doch?
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Ich denke, es ging bei der "Interpretations"-Debatte einfach nur um eine einzige, winzige Sache: man sollte halt nach Möglichkeit vermeiden, öffentlich und im Brustton der Überzeugung von "seiner Interpretation" seines Hobby-Stückchens zu sprechen.

Doch, das sollte man. Und üben sollte man auch. Das sollte man nach Möglichkeit nicht vermeiden.

Mir hatte einmal eine Tanzpädagogin gesagt:"Man solle mit dem Klavier 'Singen'". Mit diesem "Tip" konnte ich in meiner Jugend aber nichts anfangen - und kann es auch heute nicht ;) - viel zu verschieden, diese beiden Dinge, in meinen Augen

Noch ein Grund mehr, dass du mal weniger bescheiden dir gestattest zu interpretieren. Das ist quasi Stimmbildung fürs Klavier.

LG, Sesam
 
Ich denke, es ging bei der "Interpretations"-Debatte einfach nur um eine einzige, winzige Sache: man sollte halt nach Möglichkeit vermeiden, öffentlich und im Brustton der Überzeugung von "seiner Interpretation" seines Hobby-Stückchens zu sprechen. Weil man damit sehr leicht in Konflikt gerät mit der Art und Weise, wie dieser Begriff von der Fachwelt normalerweise gesehen und angewendet wird.

Besten Dank!
Damit ist alles wesentliche zu diesem Thema gesagt!!

Und wem der Umstand, dass es unschwer verifizierbare Qualitätsunterschiede schlichtweg gibt, nicht behagt, wer sich aber dennoch oder trotzdem berufen fühlt, der melde sich zur Aufnahmeprüfung an: das ist doch gar kein Problem! Anmelden, vorspielen (pardon: vor dem Prüfungsgremium interpretieren) kostet nichts (von den Fahrt- und Portokosten abgesehen) - - - wer am Klavier zu interpretieren in der Lage ist, der wird unschwer das zuständige Studium absolvieren und anschließend (wenn nicht schon währenddessen) die Konzertarena bereichern.

...mit etwas gemischten Gefühlen nehme ich wahr, welche Form von Beleidigtsein sich ausbreitet... ich habe es in dieser Welt nicht verschuldet und auch nicht eingerichtet, dass der Berufszweig des Klavierlehrers leider nicht die Konzertexamina an den Musikhochschulen betreut und dass dieser Berufszweig auch leider nicht die dortigen Studenten lehrt. Freilich gilt auch hier: wer sich berufen fühlt, der bewerbe sich. Qualität wird sich über kurz oder lang schon durchsetzen. Ganz einfach.
 
Hallo zusammen,

mit großem Erstaunen lese ich hier immer wieder, dass "Interpretation" erst dort beginnt, wo auf höchstklassigem Niveau, auf Weltbühnenniveau meinetwegen, die perfekte Klavierbeherrschung vorgetragen wird. Also ehrlich gesagt, von Vertetern dieser Ansicht möchte ich im Leben nicht unterrichtet werden!!

Die nachhaltige Vermittlung von technischem Können setze ich im Unterricht voraus, das ist so selbstverständlich, dass ich darüber gar nicht reden brauche. Dass aber die Vermittlung des "künstlerischen Bildes" wie Neuhaus das nennt, ein ganz, ganz wesentlicher, jahrelang dauernder Prozess im Unterrichts ist, das vergisst die Interpretationswächterschaft. Wie soll man denn jemals in komplexe musikalische Gedanken hineinwachsen und sich in diesen Landschaften auskennen, wenn man das nicht von Anfang an von einem Lehrer vermittelt bekommt? Wenn also der oder die LehrerIn über Jahre, fast Jahrzehnte nur sagen würde: spiele die Druckerschwärze auf dem Papier.... Wenn das der empfohlene Weg ist, na dann Mahlzeit! Leute, was habt ihr bloß für Lehrer? Oder wozu nehmt ihr Unterricht? :confused: Ich kenne drei Lehrer und ein paar andere peripher - und bin mir sicher, dass alle qualifiziert genug sind, über die teilweise hier geäusserten Ansichten nur müde den Kopf zu schütteln bzw. sich ob der Lächerlichkeit köstlich zu amüsieren.

Und schon mal auf die Idee gekommen, dass auch manuell, technisch einfache Stücke interpretiert werden können/dürfen/sollen?? Interpretation hat nichts, rein gar nichts mit dem (manuellen) Schwierigkeitsgrad des Stücks zu tun. Na, klingelts?

LG, Sesam

Liebe Sesam,

ich weiß nicht mehr, was ich noch sagen soll, ganz ehrlich. Ich habe das Gefühl, ganz fürchterlich missverstanden zu werden. Ich stimme dir in allen Punkten zu. Wie kommt du denn auf die Idee, es könnte anders sein, als du beschrieben hast? Wieso denkst du denn, ich würde den fettzitierten Satz von dir nicht aus tiefster Seele unterstreichen! Die musikalische Arbeit und Erfahrung/Erkundung des Stückes mit allem was dazu gehört, also mit allen Sinnen, mit Herz und Hirn, ist doch das Wichtigste überhaupt. Wieso sollte man sonst Musik machen?? Ich meine, ich habe das auch in diesem Faden deutlich gemacht.

Ich meine nur - und ich habe immer wieder betont, dass meine Meinung nicht für alle gelten muss - dass eine Interpretation in dem Sinne, wie ich sie verstehe, nicht nur die persönliche und individuelle Gestaltung mit einschließt. Meiner Meinung nach bedarf sie einer Reflexion, eines großen pianistischen Könnens, besonders klanglicher Natur und eines großen Wissens um Musik. Wir unterscheiden uns also in dieser Definition.

Aber eine Interpretation ist doch überhaupt nicht vom Schwierigkeitsgrad eines Stückes abhängig. :confused: Wo soll ich das gesagt haben?

Ich bin sehr betrübt, dass man allen Ernstes annimmt, ich würde Schülern "spiel die Druckerschwärze auf dem Papier" o.ä. vermitteln und nicht dazu motivieren, wundervolle musikalische Erfahrungen zu machen, die aufs Engste mit der eigenen Persönlichkeit und ihrer Entwicklung verknüpft sind.

Liebe Grüße

chiarina
 
Interpretation ist gleichzusetzen mit Aufführungspraxis. Das ist eine eigene Wissenschaft. Dabei geht es um die Suche nach der Wahrheit.

Zum Studium zieht man Notationskunde und sorgfältigen Textvergleich (kritische Urtextausgaben), Abbildungen von Instrumenten, Musikern und Musikaufführungen, literarische Beschreibungen der Musizierpraxis, theoretische Zeugnisse wie Kompositions- und Instrumentallehre, praktische Spielanweisungen, Musikerakten und Besetzungsverzeichnisse heran. Weiters berücksichtigt man die zeitbedingten Hörgewohnheiten.

Und wenn man die Wahrheit über die Klangvorstellung erforscht und verstanden hat, braucht man sie nur zusätzlich zum notierten Notentext umsetzen. So einfach ist das mit der richtigen Interpretation.

Soll man das wirklich bei jedem Stück das man spielt, von Anfang an machen oder reicht es, wenn man nach eigener Stimmung und Vorstellung musiziert. - Für mich reicht das.

Grüße
Thomas
 
Besten Dank!
Damit ist alles wesentliche zu diesem Thema gesagt!!

fast alles. Ich möchte noch hinzufügen, daß es zumindest für mich langsam etwas anstregend wird.

...mit etwas gemischten Gefühlen nehme ich wahr, welche Form von Beleidigtsein sich ausbreitet... ich habe es in dieser Welt nicht verschuldet und auch nicht eingerichtet, dass der Berufszweig des Klavierlehrers leider nicht die Konzertexamina an den Musikhochschulen betreut und dass dieser Berufszweig auch leider nicht die dortigen Studenten lehrt. Freilich gilt auch hier: wer sich berufen fühlt, der bewerbe sich. Qualität wird sich über kurz oder lang schon durchsetzen. Ganz einfach

Au-weia (!!) - ich sehe die imaginären Tomaten und rohen Eier schon fliegen...
übrigens: echte Polemik habe ich bisher noch nie in einem Beitrag von Dir ausmachen können.
Noch schnell ein Filmzitat:"Ich möchte wissen, wieso die Leute immer mit rohen Eiern und Tomaten in den Taschen kommen, wenn irgendwo eine Rede gehalten wird" (in irgendeinem Batman-Film, als der böse Pinguin eine Rede vor einer Menge gehalten hat)
 

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