Tempi in einem klassischen Rondo

Stilblüte

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Gerade habe ich mal wieder das Rondo (3. Satz) der Pathétique von Beethoven geübt.
Ich stelle fest, dass das Verhältnis der gefühlten Tempi der unterschiedlichen Teile auf mich sehr ungewohnt wirkt, wenn der Grundpuls gleich bleibt (=> Metronom).

Das Verhältnis zwischen dem wiederkehrenden Rondothema und den untereschiedlichen Zwischenteilen habe ich aus Aufnahmen anders in Erinnerung. Beispiel - die Halben im langsamen Thema, das nach dem 2. Auftreten des Hauptthemas auftauchen, erscheinen mir viel zu schnell, das Thema wirkt sehr gehetzt. So geht es mir mit einigen Stellen. Manche wirken zu schnell, andere zu langsam.

Wie ist das gedacht bzw. üblich in so einem Rondo: soll man das Tempo konsequent durchhalten - habe ich vielleicht einfach einen falschen Eindruck von dem Stück - oder ist es tatsächlich so, dass man die einzelnen Teile im Tempo, dem Charakter dienlich, variieren kann?
 
Ich finde, dass man bei Beethoven einige Freiheiten in der Tempogestaltung hat - ich meine mich auch von Aufnahmen her zu erinnern, dass viele Pianisten das Seitenthema mit den Halben langsamer nehmen, und wiederum andere das Tempo eher konstant halten.
Ich habe Aufnahmen im Ohr, wo mir das Seitenthema zu "gehetzt" klingt, und auch solche, wo es mir zu "verzögert" klingt. In meinen Augen ist es entscheidend, dass das Seitenthema gesanglich klingt - das ist nicht unbedingt eine Frage des Tempos. Bei etwas zügigerem Tempo finde ich es leichter, den Bogen über 4 Takte zu spannen (und trotzdem gesanglich zu spielen), daher bevorzuge ich es. Mir gefällt auch die Idee, dass der Satz durch ein relativ einheitliches Tempo einen "Gesamtpuls" bekommt.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wie ist das gedacht bzw. üblich in so einem Rondo: soll man das Tempo konsequent durchhalten - habe ich vielleicht einfach einen falschen Eindruck von dem Stück - oder ist es tatsächlich so, dass man die einzelnen Teile im Tempo, dem Charakter dienlich, variieren kann?
Findest Du irgendwelche Angaben zu Tempoänderungen im Notentext? Natürlich nicht, denn da stehen keine.

Daraus folgt als erstes, bevor man über Tempovarianten nachdenkt, dass man alles in einem gleichmäßigen Puls denken und spielen kann. Erst danach kann über Abweichungen nachgedacht werden. Grund: man muss erst mal wissen, wovon man abweicht und sich überlegen, ob man das wirklich will und was man damit erreichen/darstellen will.

Die eventuelle Voreingenommenheit durch Lieblingsaufnahmen mit variablen Tempi ist keine gute selbständige Basis.

...das kann man natürlich anders sehen, aber es wird sehr schwer werden, so eine andere Sicht am Notentext plausibel zu machen.

...ja klar, x oder y spielen nicht, als hätten sie ein Metronom verschluckt - aber wenn x oder y gut spielen, dann finden die stets ins Haupttempo zurück und dann haben die sich ihre Tempoänderungen überlegt, nachdem sie wie oben beschrieben alles in einem Puls gespielt haben.
 
Hallo Stilblüte,

du kommst doch bestimmt mittels Uni-Bibliothek an Joachims Kaisers Buch über die 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten. Ich hab erst gestern das Kapitel über Op.13 gelesen. Er beleuchtet dort verschiedene interpretatorische Fragen u.a. zur Grave-Einleitung, Tempowechsel im 1.Satz (Seitenthema) und auch über das Tempo im Rondo gab es was zu lesen.

Die Konsequenz dieser Informationen für mich war: Wenn eine überzeugende Darbietung gelingt, dann ist doch alles wunderbar. Namhafte "Vorbilder" in beide Richtungen gibt es jedenfalls.

lg marcus
 
Vielen Dank für eure Meinung.

Rolf, das was du schreibst, dachte ich mir eben auch - erstmal wissen, was unmissverständlich geschrieben steht. Bevor man Regeln brechen darf, muss man sie einhalten können.
Das habe ich ja getan, und mich eben darüber gewundert.
Ich habe keine Lieblingsaufnahme, ich hatte das Stück lediglich "so im Ohr". Möglich aber auch, dass dieser Höreindruck durch live-Darbietungen entstanden ist, bei denen sich die (Laien-)Spieler vielleicht ohne Nachzudenken der verschiedenen Tempi bedient haben - ich kanns nicht sagen.

Da meine Beethovenerfahrung äußerst beschränkt ist und ich die Kompositionen wohl nach wie vor nicht so gut verstehe, wie ich das gern würde, oder zumindest mit dem Ergebnis meines Verständnisses nicht immer so warm werde, war ich mir nicht sicher, ob es vielleicht ungeschriebene Beethoven-Spiel-Regeln gibt.

Nunja mal sehen, ich werde schon eine Lösung finden.
 
Liebe Stilblüte,

mir ging es mal so mit dem zweiten Thema des ersten Satzes der Waldstein-Sonate. Ich wollte das erst immer langsamer als das Grundtempo spielen, weil ich es so empfand und auch den Ausdruck so besser herausbringen konnte.

Bis mir aufging, dass genau das die Herausforderung ist - erstmal im Grundpuls die gewünschte Ausdruckskraft zu erzielen. Das geht tatsächlich, brauchte allerdings in meinem Fall etwas Zeit und eine Beschäftigung damit. Als ich das geschafft hatte, konnte ich dann im Tempo ein kleines bisschen nachgeben.

So rum wird also meiner Meinung nach ein Schuh draus.

Liebe Grüße

chiarina
 
mir ging es mal so mit dem zweiten Thema des ersten Satzes der Waldstein-Sonate.
...welchen bislang auch der progressivste gegen den Strich Bürster noch nicht zum Rondo gemacht hat ;) :)

aber was Du ansprichst: lyrische Seitenthemen in bewegten Sätzen verleiten dazu, dass man unwillkürlich den Charakter des lyrischen Seitenthemas durch Tempoanpassung (in solchen Fällen fast immer eine Temporücknahme) verdeutlichen zu müssen glaubt.

heute ist ja Muttertag: :kuss:
vom bösen Rolf
 
...welchen bislang auch der progressivste gegen den Strich Bürster noch nicht zum Rondo gemacht hat


Liebster Rolf,

vielen, vielen Dank, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast, dass der erste Satz der Waldstein-Sonate kein Rondo ist!!! :D:D:D

Ich bin - bezogen auf das Fadenthema - fälschlicherweise davon ausgegangen, dass der geneigte und intelligente Leser den Bezug meines posts auf Stilblütes letzter etwas allgemeinerer Bemerkung (so weit ich das richtig verstanden habe) hergestellt hat.

Da meine Beethovenerfahrung äußerst beschränkt ist und ich die Kompositionen wohl nach wie vor nicht so gut verstehe, wie ich das gern würde, oder zumindest mit dem Ergebnis meines Verständnisses nicht immer so warm werde, war ich mir nicht sicher, ob es vielleicht ungeschriebene Beethoven-Spiel-Regeln gibt.


Aber selbstverständlich ist diese Bezugnahme für manche Leser schwierig, ja sogar kaum ersichtlich! Das Fadenthema bezieht sich schließlich nur auf ein Rondo!!! Deshalb möchte ich dir in tiefster und aufrichtigster Hingabe - besonders auch, da Muttertag ist - völlig ohne Süffisanz für deine Richtigstellung danken!!!!!!!!!!!!!!!!

Hojotoho! Heiaha! :kuss:

chiarina
 

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