(Sehr) alte Musik

  • Ersteller des Themas St. Francois de Paola
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Was ist eure Beziehung zu (sehr) alter Musik bis ca. 1650?

  • Ich mag sie nicht

    Stimmen: 0 0,0%
  • Sie ist nicht meine Welt, das ein oder andere finde ich aber doch interessant

    Stimmen: 9 20,9%
  • Sie ist eine bedeutende Ergänzung zu Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin und co.

    Stimmen: 23 53,5%
  • Sie hat für mich den gleichen Stellenwert wie Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin und co.

    Stimmen: 7 16,3%
  • Sie interessiert mich mehr als Literatur der Romantik, Klassik, Spätbarock etc.

    Stimmen: 3 7,0%
  • Alles Neuere ist für mich nebensächlich

    Stimmen: 1 2,3%

  • Umfrageteilnehmer
    43
St. Francois de Paola

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20. Apr. 2015
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Da ich mich momentan mit einigen Sachen "abseits des Mainstreams" befasse, würde mich mal erstmal die subjektive, sicher nicht wirklich repräsentative Meinung der Foristen interessieren, besonders im Vergleich mit dem anderen Ende des Standardrepertoire (wobei man auch hier sicherlich diskutieren kann, was dazu gehört und was nicht).

Mit sehr alter Musik meine ich alles an abendländischer Kunstmusik (wobei gerade hier die Abgrenzung nicht leicht sein dürfte) bis zur Frühbarockzeit - von der Gregorianik angefangen über die Notre dame-Schule, Ars Nova, Renaissance bis zum Frühbarock - von meist anonymen Meistern über Paumann, Cabezon, Merulo, Bull, Byrd, Gabrieli, Palestrina, Gesualdo, Frescobaldi, Sweelinck, Monteverdi, Schütz und Konsorten.

Bach, Händel, Vivaldi, Scarlatti, Telemann, Couperin, Pachelbel, Buxtehude und co. sind ja auch normaler Bestandteil des Konzertprogramms und klingen für die meisten sehr viel gewohnter, deshalb lasse ich hier mal Hoch und Spätbarock außen vor.

In der Diskussion darf natürlich auch darüber debattiert werden, ob die sehr alte Musik nur fremdartig klingt oder ob man der Meinung ist, dass die allerhöchste Entwicklung der Kunst erst bei Bach zu beobachten ist, bei der Abstimmung interessiert mich aber primär die subjektive Meinung.

Natürlich interessiert mich außerdem, ob die Foristen der Meinung sind, dass genügend Aufmerksamkeit auf diese Musik gelenkt wird.
Andere "exotischere" Musik, in erster Linie zeitgenössische Kunstmusik, wird doch wesentlich häufiger bei Aufnahmeprüfungen oder Wettbewerben verlangt als Musik bis zum 30jährigen Krieg. Auch gibt es sehr häufig beispielsweise in WDR 3 zu attraktiver Sendezeit ausführlich das Forum Neue Musik zu hören, in der Weise gibt es wenig für alte Musik. Auch in den Konzertsälen und Opern erklingt zumindest nach meinem subjektiven Empfinden sehr alte Musik eher selten, am häufigsten hört man soetwas noch in Kirchen.
 
Auch in den Konzertsälen und Opern erklingt zumindest nach meinem subjektiven Empfinden sehr alte Musik eher selten, am häufigsten hört man soetwas noch in Kirchen.
Die älteste erhaltene Oper stammt aus dem Jahr 1600. Es könnte sein, dass dies ein triftiger Grund für die Weigerung der Bühnen ist, Opern aus dem Mittelalter oder der Renaissance aufzuführen. ;-)

Die erhaltenen Opern Monteverdis gehören jedenfalls zum Standardrepertoire und werden regelmäßig an mittleren und großen Häusern gespielt. An kleineren Häusern eher selten, weil die sich keine Spezialisten mit den entsprechenden Instrumenten und Kenntnissen leisten können.
 
Da der Mensch seit erwiesen 35.000 Jahren flötet, nehme ich mir die Freiheit, alles, was mir in die Finger kommt und mir gefällt auf der Querflöte zu spielen. Mittelalter, Renaissance, Frühbarock bis ganz modern, alles ist erlaubt...:005:
Es gibt Blockflötenensembles mit Musik vor dem Barock als Repertoire, gespielt auf den entsprechenden Instrumenten. Daher kenne ich einiges.
 
Ich habe mal den Robertsbridge-Codex gespielt, das älteste erhaltene Werk für ein Tasteninstrument, komponiert um 1370. Und auch diese Musik hat ihren ganz besonderen Reiz. Ich musste mir dabei allerdings Szenen und Schauplätze wie aus Game of Thrones vorstellen, damit ich der Musik Leben einhauchen konnte. Das fällt mir wirklich auf: Beim Hören und Spielen mittelalterlicher Musik brauche ich außermusikalische Bilder (zumindest in der Vorstellung), die in der entsprechenden Zeit verortet sind.

Bei vokaler Renaissancemusik wie Palestrina oder Ockeghem dagegen kann ich eintauchen, mich von der Unendlichkeit des Klangstroms treiben lassen und dabei ganz bei mir sein. Diese Musik hat wie kaum eine andere Musik etwas Meditatives für mich.

Völlig unterrepräsentiert ist übrigens meiner Meinung nach Giovanni Gabrieli, den ich ebenfalls sehr mag und auch künstlerisch für sehr bedeutsam halte.
 
Zuletzt bearbeitet:
@mick es gibt aber auch ältere Vorläufer von Bühnenmusik mit teilweise Gesang. Auch werden diverse Ballettstücke gerne zu zusammengebastelter Musik, die eigentlich als Bühnenmusik gedacht ist, aufgeführt. Da wird aber dann auch meist nur das übliche Programm und kaum auf Älteres zurückgegriffen.
Dass Gattungen und Besetzungen sich stark geändert haben, steht außer Frage.

Da der Mensch seit erwiesen 35.000 Jahren flötet

Von der Musik wirst du aber nicht mehr so viel finden. Das einzige erhaltene antike Musikstück, von dessen Existenz ich etwas rausfinden konnte, ist auf der Seikilos-Steele gefunden worden und klingt weit weniger fremd als man meinen könnte.

Ich habe mal den Robertsbridge-Codex gespielt

Das spiele ich (teilweise) auch gerade neben Buxheimer Orgelbuch, Sweelinck und Cabezon.
 
@mick es gibt aber auch ältere Vorläufer von Bühnenmusik mit teilweise Gesang.

Klar gab es Vorläufer - die Oper entstammt ja nicht dem luftleeren Raum. Aber was nützt das - die Werke sind nur stark fragmentarisch oder gar nicht überliefert. Und nach heutigen Maßstäben bühnentauglich (also mit einer mehr oder weniger geschlossenen Handlung) sind sie auch nicht. Man kann die überlieferten Bruchstücke im Konzert aufführen (das wird oft genug gemacht), aber nicht auf einer Opernbühne.
 
Ein Problem sehr alter Musik aus Rezipientensicht besteht übrigens darin, dass Individualstile dort insgesamt nur sehr rudimentär ausgeprägt sind. Die Musik verschiedener Komponisten einer Epoche klingt für ungeübte Hörer zum großen Teil völlig gleich. Erst, wenn man sich reinhört und intensiver damit beschäftigt, wird man merken, dass z.B. Palestrina etwas anders klingt als z.B. Orlando di Lasso, während der klangliche Unterschied zwischen Chopin und Liszt auch für Laien erkennbar sein dürfte.

Ich vermute, das spielt für das breite Publikum zumindest unbewusst eine Rolle bei der Beurteilung sehr alter Musik.
 

Ich übe an allem, Cabezon ist aber in meinem Konzept für Orgel und Cembalo gedacht, wobei ich ein Tiento übe, das meiner Meinung nach am modernen Klavier auch gar nicht so schlecht klingt und sehr reizvoll ist; der Rest für Orgel gedacht. Noten und Fingersätze kann man aber auch am Klavier gut einüben und die Orgelzeit für Bach und Buxtehude nutzen. Die Sachen sind größtenteils technisch nicht so schwer, benötigen aber ein paar komische Griffe. Die lassen sich größtenteils nicht mit einer klassischen kurzen Oktave von C-c begründen, anscheinend hatten die in Spanien noch irgendwie von G bis g oder so noch kurze Oktaven oder haben mit angehängtem Pedal gearbeitet. Muss mir auch mal Literatur besorgen und viele Spezialisten auf dem Gebiet anhören, um die Musik besser zu verstehen.

Werde auch im Frühjahr nach Ostfriesland fahren und mal versuchen an zeitgenössischen Instrumente (die sich teils sicher auch nicht ganz unerheblich von denen, die die Komponisten verwendet haben unterscheiden, denen aber näher kommen) zu kommen.
Eine spanische Renaissanceorgel oder gar eine englische oder süddeutsche gotische Orgel ist logischerweise nicht so leicht zu bekommen. Bei Sweelinck müsste es schon möglich sein, etwas zu finden, was seinen Instrumenten sehr nahe kommt.

Ein Problem sehr alter Musik aus Rezipientensicht besteht übrigens darin, dass Individualstile dort insgesamt nur sehr rudimentär ausgeprägt sind. Die Musik verschiedener Komponisten einer Epoche klingt für ungeübte Hörer zum großen Teil völlig gleich.

Das ist ein interessanter Punkt, könnte man auch bei neuer Musik drüber diskutieren, die klingt für (sehr) ungeübte auch oft sehr gleich, obwohl da eigentlich die Unterschiede oft sehr groß sind.

Ich glaube aber schon, dass auch die fehlende oder oft noch nicht voll entwickelte (je nachdem, in welcher Zeit wir uns gerade bewegen - zwischen Gregorianik und Frescobaldi ist ja doch eine erhebliche Entwicklung), Dur- und Molltonalität und Dreiklangsharmonik auf viele befremdlich wirkt.
 
In gleichschwebender Stimmung verliert die Musik vor Bach meist sehr viel von ihrem Reiz. Das dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass Pianisten sowas nur in Ausnahmefällen spielen.

Man sollte ihnen das nicht zum Vorwurf machen - Cembalisten spielen ja auch keinen Liszt und Lautenisten nicht das Rodrigo-Konzert.
 
Ich habe mir mal Tilman Susato besorgt. Ist halt nicht für Klavier gedacht und daher suboptimal.
 
Oh, das ist ein weeiiites Feld, auf dem man noch so viel wunderbare Musik entdecken kann, da vieles leider nur sehr selten mal aufgeführt oder aufgenommen wird. Und dann gibt es da ja noch auf der iberischen Halbinsel den mehr oder weniger fließenden Übergang der abendländischen Musikkultur zur arabischen und sefardischen. Ich gehe da immer wieder gerne auf Entdeckungsreise.

Ich glaube aber schon, dass auch die fehlende oder oft noch nicht voll entwickelte (je nachdem, in welcher Zeit wir uns gerade bewegen - zwischen Gregorianik und Frescobaldi ist ja doch eine erhebliche Entwicklung), Dur- und Molltonalität und Dreiklangsharmonik auf viele befremdlich wirkt.

Das macht es doch noch einmal besonders interessant. Aber wahrscheinlich hast Du Recht, wenn man sieht, wie schwer es auch bei zeitgenössischer Musik vielen fällt, aus dem engen Käfig der Dur/Moll-Tonalität auszubrechen.
 

Palestrina, Byrd, di Lasso, Monteverdi & Kollegen stehen für mich hinter späteren Komponisten nicht zurück. Die Ausdrucksmöglichkeiten der sehr alten Musik sind allerdings geringer (sorry für diese Binse) und die kompositorische Absicht war eine andere. :022:

Müsste ich in ein Konzert gehen und hätte nur die Wahl zwischen einem "zeitgenössischen" Komponisten und einem sehr alten, würde ich letzteren präferieren (= unerhebliches, aber ehrliches Geschmacksurteil).
 
Mein Lieblingskomponist der alten Musik wurde hier noch gar nicht genannt: John Dowland.
Naja, ich klimpere ja auch auf der Gitarre, und da so manches mal Lauten-Transkriptionen. Einfach herrlich, dieser leichte Klang.
Und irgendwann hörte ich mal im Radio "Hesperion XX" - sie spielten wundersame Klänge aus dem alten Spanien. Ich war begeistert.
Also klar: so alte Musik hat für mich einen hohen Stellenwert, aber eher etwas weniger als unsere "Klassik".
 
Mit Verblüffung habe ich mal "rekonstruierte" Abschnitte der Carmina burana (das war kein Mittelaltermarkt-Fantasyquatsch, sondern seriös!) gehört: eine quäkige, teils nervige, teils witzige Katzenmusik :-D sehr weit entfernt von sakraler Gregorianik, und wo doch Ähnlichkeiten eingebaut waren, da waren diese parodistisch (eine Parodie auf die Messe)
Diese Rekonstruktion lässt Mönche Klöster, Ritter, Burgen - kurzum das Mittelalter - usw doch in einem anderen Licht erscheinen.
 
Da der Mensch seit erwiesen 35.000 Jahren flötet, nehme ich mir die Freiheit, alles, was mir in die Finger kommt und mir gefällt auf der Querflöte zu spielen. Mittelalter, Renaissance, Frühbarock bis ganz modern, alles ist erlaubt...:005:
Es gibt Blockflötenensembles mit Musik vor dem Barock als Repertoire, gespielt auf den entsprechenden Instrumenten. Daher kenne ich einiges.
Vor vielen Jahren war ich mal in einem Flötenquartett .Ich hatte die Tenorflöte . Eine Bassflöte war dabei und 2 C-Flöten . Unser Lehrer hatte nur mittelalterliche Musik mit uns gemacht . Es war eine tolle Zeit .
 
Ich versuche mich gerade an:

Scheint ganz machbar zu sein, und ich habe mir auch schon das Fitzwilliam Virginal Book besorgt, das meiste daraus scheint aber etwas schwerer zu sein.

Ich übe es überwiegend am Klavier, kann mir aber vorstellen dass die heutige Stimmung nicht mehr so gut dazu passt. Zum Glück kann ich mit Pianoteq auch historischere Stimmungen einstellen, da haben so ältere Stücke zu Teil wirklich etwas mehr Reiz.
 

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