Schadet Fitnesscenter dem Klavierspiel?

youtube einstellungen

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Der Artikel gibt recht gut meine Eindrücke von Tzimon Barto wieder, die ich leider nur bei youtube gewinnen konnte. ich frage mich nur, ob der Autor den Vergleich mit Horowitz und Pogorelich ernst gemeint hatte oder ob ihm da die momentane Begeisterung einen Streich gespielt hat.

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Ich denke, dass der Vergleich ernst gemeint war. Bei youtube verschwinden leider immer wieder hörenswerte Beiträge- und früher waren wesentlich mehr Barto Beitäge zu sehen-

Tzimon Barto reizt immer zum Widerspruch. Und Haydnspaß könnte gefallen, dass er auch im Konzert nur noch von Noten spielt.
Seine Experimente scheinen nicht immer zu gelingen aber da er sehr weit geht und viel wagt, kommen zuweilen richtige Sternstunden des Klavierspiels zu Stande. Ich habe von ihm Klavierklangbilder gehört, die absolut einmalig sind. Und obwohl ich Iveo Pogorelichs Gaspard fast für den Besten halte, setzt Barto hier noch einen höheren Standard. Die Transparenz seines Spiels ist reine Hexerei.
 
die Schwester Güher und Süher Pekinel, mit denen ich gleichzeitig studiert habe, erzählten mir, dass sie bei Rudolf Serkin Liegestütze auf den fingerspitzen machen mussten, weil nach seiner ansicht ihre Hände zu schwach seien.

So schlimm das klingt, muss es nicht verkehrt sein, zumal man die Übung erträgliche gestalten kann, wenn man die Übung in Schräglage macht und mit den Händen nicht auf den Boden abstützt sondern auf eine Tischplatte oder ähnliches. So kann die Belastung genau gesteuert werden.

Es gibt schon kuriose Geschichten... :rolleyes:

Zum Klavierspielen braucht man die Fingerkraft, die man bei solchen Liegestützen braucht, jedenfalls nicht. In dem Moment wo der Ton erklingt, hilft gewaltsames Drücken eh nichts mehr. Der Hammer hat ja schon längst vorher ausgelöst. Die Bewegung muß beim fortissimo schnell sein, Nachdruck braucht man als Klavierspieler überhaupt nicht. Auch wenn viele Pianisten das zu glauben scheinen.

Barto ist ein interessanter Pianist, aber wo der Zusammenhang zwischen seinem Klavierspiel und seiner Bodybuilding-Leidenschaft sein soll, ist mir ein Rätsel.
 
Barto ist ein interessanter Pianist, aber wo der Zusammenhang zwischen seinem Klavierspiel und seiner Bodybuilding-Leidenschaft sein soll, ist mir ein Rätsel.

Er ist halt ein ausgezeichnetes Beispiel einer Antwort auf dieses Thema. Davon abgesehen liegt der Zusammenhang vielleicht in der Disziplin, die er für beides aufbringen konnte.

Im übrigen ist ja noch garnicht geklärt, ob Klavier und Fitnesstraining wirklich reibungslos nebeneinander betrieben werden können. Dazu muß man es vermutlich ausprobieren und feststellen, welche Grenzen der eine Bereich dem anderen setzt.
 
Serkin wusste schon Bescheid

Es gibt schon kuriose Geschichten... :rolleyes:

Zum Klavierspielen braucht man die Fingerkraft, die man bei solchen Liegestützen braucht, jedenfalls nicht. In dem Moment wo der Ton erklingt, hilft gewaltsames Drücken eh nichts mehr. Der Hammer hat ja schon längst vorher ausgelöst. Die Bewegung muß beim fortissimo schnell sein, Nachdruck braucht man als Klavierspieler überhaupt nicht. Auch wenn viele Pianisten das zu glauben scheinen.

QUOTE]


Nun, das ist keine erfundene Anekdote, sondern so tatsächlich passiert. Und da Rudolf Serkin auch einige erfolgreiche Pianisten unter seinen Schülern hatte kann man davon ausgehen, dass er schon wusste was er tat und verordnete.

Ich halte es durchaus für möglich, dass die Stärkung der Stützkraft der Hand sinnvoll sein kann auch im Hinblick auf das Klavierspiel.

Natürlich ist alles nur eine Frage der Schnelligkeit und nicht der puren Kraft, aber die Vorstellung des Pianisten kann mit "Geschwindigkeit" wenig anfangen. Unsere Vorstellungen beim Spiel sind fast nie:"Ich muss die Taste schneller nach unten bewegen", sondern ich muss da mit mehr Nachdruck spielen, wobei hier ausdrücklich nicht das "Nachdrücken " in der Taste gemeint ist, weil völlig sinnfrei.

Wir sprechen ja auch vom Armgewicht und vom Gewichtsspiel. Unsere Hilfsvorstellungen sind eine Sache, die reine Physik wieder eine Andere.

Der wirkungsvolle Schlag eines Karateka ist ein zwar hinkender aber möglicher Vergleich, denn die Wirkung ist umso besser, je schneller nach dem Treffer alles wieder entspannt ist. eben wie in den Tasten, wo man sofort wieder entspannt sein sollte.
 
Nun, das ist keine erfundene Anekdote, sondern so tatsächlich passiert. Und da Rudolf Serkin auch einige erfolgreiche Pianisten unter seinen Schülern hatte kann man davon ausgehen, dass er schon wusste was er tat und verordnete.

Also daß das tatsächlich so passiert ist, glaube ich sofort. Und daß Serkin davon überzeugt war, daß man diese Art von Muskeln beim Klavierspielen braucht ebenso. Nur daß man sie wirklich braucht glaube ich nicht ^_^

Unsere Vorstellungen beim Spiel sind fast nie:"Ich muss die Taste schneller nach unten bewegen", sondern ich muss da mit mehr Nachdruck spielen, wobei hier ausdrücklich nicht das "Nachdrücken " in der Taste gemeint ist,

Meine Vorstellung bezieht sich tatsächlich auf den Anschlagszeitpunkt und die Anschlagsgeschwindigkeit. Ich mag da ein besonderer Fall sein. Früher dachte ich allerdings auch: mehr Druck bringt mehr Ausdruck. Entsprechend kräftezehrend war mein Klavierspiel damals auch.

Was den "Nachdruck" betrifft - denn nehm ich durchaus wörtlich: was mit Nach-Druck zu spielen ist, muß später gespielt werden. Da hilft es wenig, einfach nur lauter zu spielen oder fester zu drücken.
 
Hi Haydnspaß,

Also daß das tatsächlich so passiert ist, glaube ich sofort. Und daß Serkin davon überzeugt war, daß man diese Art von Muskeln beim Klavierspielen braucht ebenso. Nur daß man sie wirklich braucht glaube ich nicht ^_^
Meine Vorstellung bezieht sich tatsächlich auf den Anschlagszeitpunkt und die Anschlagsgeschwindigkeit. Ich mag da ein besonderer Fall sein. Früher dachte ich allerdings auch: mehr Druck bringt mehr Ausdruck. Entsprechend kräftezehrend war mein Klavierspiel damals auch.
Was den "Nachdruck" betrifft - denn nehm ich durchaus wörtlich: was mit Nach-Druck zu spielen ist, muß später gespielt werden. Da hilft es wenig, einfach nur lauter zu spielen oder fester zu drücken.

deine Beiträge kann ich aus meiner Sicht nur bestätigen.

  • Die Lautstärke des Tons bestimmt zu 99% die Geschwindigkeit zum Auslösezeitpunkt. Die restlichen Prozent sind Esoterik. ;-)
  • Druck nach dem Anschlag bewirkt selbstverständlich nichts und sollte grundsätzlich vermieden werden.

Jetzt ein paar kleine Aber's:
  • Klavierspielen ist ein mental/physiologischer Vorgang, die Bewegungsprozesse sind leider sehr unbewusst. Daher verändern bestimmte mentale Vorstellungen (z. B. mit Nachdruck spielen) auch diese Bewegungsvorgänge und sind dadurch hörbar.
  • Die Kontrolle und Steuerung des Geschwindigkeit zum Auslösezeitpunkt ist nach meiner Erfahrung für den Menschen wenig intuitiv. Daher ist das sehr schwer zu lernen und zu lehren. Man braucht vermittelnde Vorstellungen.
  • Durch welches Bewegungstraining erreiche ich die höchste Kontrolle und den höchsten Wert (ffff) der Geschwindigkeit? Diese Frage ist für mich immer noch nicht ganz geklärt. Durch mentale Übungen (z. B. Konzentration), Krafttraining, komplexe Koordinationen, etc.?
  • Die Kraft der Finger muss nicht gross sein, sonst könnten nicht schon die Wunder-Kinder Klavier spielen. Aber die Muskeln, die jedes Gelenk von den Fingern bis zu den Schultern stabilisieren, müssen so stark sein, dass kein Gelenk kollabiert. Und da kann es bei einzelnen Gelenken doch Defizite geben.
  • Man kann 2 Eigenschaften der Muskeln unterscheiden: Die statische Kraft (Bodybuilding) und die Schnelligkeit der Bewegung. Es ist wohl so, dass man nicht beides gleichzeitig verbessern kann. Eine (langsame) Bewegung kann um so genauer kontolliert werden, je geringer der Kraftaufwand ist. Welche Eigenschaft ist nun wichtiger für das Klavierspielen?

Noch etwas Grundsätzliches:
Wenn ein einzelner Künstler bestimmte Methoden nennt, durch die sein Erfolg bewirkt werden soll, sagt das leider wenig über diese Methoden aus, weil:

  • Er ein Einzelfall ist.
  • Er die Methoden, die wirklich den Erfolg bewirken, vielleicht gar nicht erkennt.
  • Er die Methoden, die wirklich den Erfolg bewirken, vielleicht gar nicht mitteilt. (Betriebsgeheimnis ;-) )


Gerade bei so "Spinnern", wäre ich sehr vorsichtig.

Gruß
 
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Und ob dann spezielle Kräftigung der Muskeln dazu kommt, hängt auch vom Typ ab. Es gibt Menschen, die etwas schwächer angelegt sind und da kann eine Kräftigun immer gut tun. Es versteht sich von selbst, dass Übertreibungen immer vermiden werden sollten -

die Schwester Güher und Süher Pekinel, mit denen ich gleichzeitig studiert habe, erzählten mir, dass sie bei Rudolf Serkin Liegestütze auf den fingerspitzen machen mussten, weil nach seiner ansicht ihre Hände zu schwach seien.

So schlimm das klingt, muss es nicht verkehrt sein, zumal man die Übung erträgliche gestalten kann, wenn man die Übung in Schräglage macht und mit den Händen nicht auf den Boden abstützt sondern auf eine Tischplatte oder ähnliches. So kann die Belastung genau gesteuert werden.

Danke für den tollen Bericht über Rudolf Serkin. @Klavigen!

Ebenfalls finde ich, daß auch Ausdauersport wie Joggen, Schwimmen usw. sich nur positiv auf das Klavierspielen auswirken kann. Nicht nur weil man fitter ist, sondern der ganze Körper viel entspannter ist und wer viel Sport macht durchaus auch Rückenschmerzen und ähnliches vorbeugen kann.

Naja, die Sportart Boxen würde ich jetzt als Pianist gerade nicht empfehlen. :D

Auch das Heben von schweren Gegenständen wie schwere Bierkästen usw. wirkt sich, zumindest bei mir, äußerst negativ auf Finger und das Klavierspiel aus.

Was die Kraft und Muskulatur beim Klavierspiel betrifft möchte ich zu diesem Thema die intermuskuläre Koordination erwähnen, die für das Klavierspiel von hoher Bedeutung ist:

Die intermusikuläre Koordination ist das Zusammenspiel der beteiligten Muskeln beim Klavierspiel.

http://de.fitness.com/forum/vbglossar.php?do=showentry&id=19

Liebe Grüße, Mario
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Wenn ich mich recht an einen Artikel erinnere, hat der Vater von Barenboim zu seinem etwa 7jährigen Sohn gesagt, nachdem er sein erstes Konzert gegeben hatte: So, und damit du jetzt nicht abhebst, fängst du an mit Boxen.
Hat ihm wohl nicht geschadet :cool:

Hallo Stilblüte. Du hast Recht. Habe den Artikel gerade hier gefunden:
http://www.abacho.com/mobile/news/promi/anzeigen/?news_id=8829

Ich mache es lieber nicht. Nicht nur wegen der Finger! :D

Liebe Grüße, Mario
 
Was haltet ihr von Volleyball? Ist sicher auch suboptimal.
 

Kaum schaue ich nach langer Zeit wieder mal bei Clavio rein, muss ich herzhaft lachen!

Auch das Heben von schweren Gegenständen wie schwere Bierkästen usw. wirkt sich, zumindest bei mir, äußerst negativ auf Finger und das Klavierspiel aus.

Das ist bei mir genau so, aber nicht direkt wegen dem Heben selbst ...:D

2 Tage später geht's dann meist wieder.

Der Hartmut
 
Also ich glaube nicht das das Fitnessstudio groß schadet. Das die Bewegungen dort nicht unbedingt Koordination trainiern und fördern ist klar, aber ich denke nicht dass das sich negativ aufs Klavierspiel auswirkt wie weiter oben geschrieben. Allemal besser als die Zeit mit nichtstun zu verbringen. Ich glaub auch das Sport dabei hilft Stress abzubauen, ohne diesen ist man ruhiger und ausgeglichener und kann sich besser Konzentrieren. Gesundheitsschädliche Aspekte des Klavierspiels werden denke ich auch abgemildert, Stichwort Rücken.

Wo ich bedenken habe ist bei der Beanspruchung der Finger und Unterarmmuskulatur. Ich geh zwar nicht ins Fitnesstudio, aber Klettern, und am Tag nach dem Klettern hab ich keine Kraft in den Fingermuskeln. Sie sind regelrecht lahm. Ich habe aber das gefühl dass das eine Erschöpfungserscheinung der Muskulatur ist, und nicht dass meine Finger generell langsamer werden. Denn es wird schnell besser.
 
Ich habe aber das gefühl dass das eine Erschöpfungserscheinung der Muskulatur ist, und nicht dass meine Finger generell langsamer werden. Denn es wird schnell besser.

Das könnte Überlastung sein, oder einfach nur starke Ermüdung. Die Muskeln regenerieren sich ja erst nach der Belastung und in dieser Zeit sind sie schwächer, weil schlecht ernährt und so weiter. Dieser Prozeß kann mehrere Tage dauern.

Was noch zu bedenken ist: Wenn man versucht, koordinierte Bewegungen mit sehr hohem Kraftaufwand zu machen, kann es zu Störungen in der Zusammenarbeit von Muskeln und Nerven kommen. Das wäre sicherlich schädlich für den betreffenden Sport und auch für das Klavierspielen. Es läßt sich zwar reparieren aber bringt einen nicht voran.

Ich kann mir vorstellen, daß gerade der Klettersport zu Übertreibungen verleitet, da man wohl eher mit schmerzenden Fingern ganz nach oben kommen will als mit optimalem Trainingseffekt frühzeitig abzusteigen.
 
Mir geht es auch so, dass die Finger klemmen, wenn ich sie für Gartenarbeit oder stundenlange Autofahrten hernehme. Aber das übt sich dann schnel wieder raus, wenn man es nicht - wie Robert Schumann - übertreibt. Elastizität bringt erst die Schnelligkeit und Geschmeidigkeit beim Spiel. Da sind muskuläre Dauerbelastungen kurzfristig kontraproduktiv. Aber es ist auch eine Sache der Gewöhnung.
Und jetzt gehe ich wieder in den Garten, da muss viel getan werden.
 

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