Rubato und Klassik

Das war, wie erwähnt, nur eine Geschichte am Rande, bezugnehmend auf hasenbein.
Ist doch nicht das erste Mal, dass ein Thread etwas "ausfranst".
(Aber wenn es stört, halte ich mich eben zurück :016:)
 
(Um welchen Stil geht es genau ? - was man hier zuerst möglichst genau sagen soll)

Ich tendiere zu der Meinung, dass die Tempokonstanz in dem Grad, wie wir sie im heutigen Zeitalter kennen (möglicherweise dank dem Einfluss anderer Musikkulturen), nicht unbedingt einen Ausgangspunkt für die abendländische klassische Musik bilden soll.

Hat man im 19. Jahrhundert mehr rubato gespielt als davor und danach? Sehr wahrscheinlich. Das heißt aber nicht, dass wir die Art und Grad der gängigen Temposchwankungen im 18. Jahrhundert gut einschätzen können, oder mit denen verschiedener heutiger Musikrichtungen vergleichen.

Wurden hier die Aussagen von CPE Bach noch nicht erwähnt ? denn sie bemühen sich mehr um Präzision als die üblichen "Eindrucksberichte". Im letzten Satz des folgenden Ausschnitts wird eine unserer Vorstellung des "Romantischen" sehr nahekommende Vortragsart beschrieben.

g42.png

Das letzte Notenbeispiel oben zeugt von einem "Lokal"-Rubato, das wir heute vermutlich in sogennanter hochromantischer Musik ohne nachzudenken anwenden würden, aber überhaupt nicht in der aus CPE Bachs Epoche - wohl ein Irrtum. Hier ist auch die Frage: wie viel?
 
@kitium : Danke für diesen Textausschnitt! Stellt sich die Frage, in welchem Maße sich dies z.B. auch auf Mozart anwenden läßt. Ich vermute, daß man sich in cantablen Instrumentalsätzen durchaus an den Gesangspraktiken der damaligen Zeit orientieren kann. (Ich kenne leider nur den Tosi in der Übersetzung von Agricola).
 
Schnelle gleichmäßige Notenfolgen kann man nicht durch schnelles Zählen (odee Treten) üben. Das geht überhaupt nicht. Natürlich nicht. Allein das Sprechen einer Zählsilbe hemmt schon.

Meiner Meinung nach fehlt es an einer genauen Klangvorstellung, wenn schnelle Tonfolgen "irgendwie" noch nicht richtig klingen. Man muss den durchlaufenden Beat in sich finden und spüren. Das dauert, bis mal sechs Tonleitertöne geradeaus klingen.
 
Schnelle gleichmäßige Notenfolgen kann man nicht durch schnelles Zählen (odee Treten) üben. Das geht überhaupt nicht. Natürlich nicht. Allein das Sprechen einer Zählsilbe hemmt schon.

Meiner Meinung nach fehlt es an einer genauen Klangvorstellung, wenn schnelle Tonfolgen "irgendwie" noch nicht richtig klingen. Man muss den durchlaufenden Beat in sich finden und spüren. Das dauert, bis mal sechs Tonleitertöne geradeaus klingen.
True story: ich habe in einem Stück einmal Septolen für die Streicher komponiert (Achtelseptolen im 2/2, Halbe=ca. 80). In der Probe war die Stelle nicht annähernd zusammen, woraufhin der Dirigent zur Streichergruppe wiederholt brüllte: ZÄHLEN!!! Und er führte es vor: (sehr schnell gesprochen) EINS-ZWEI-DREI-VIER-FÜNF-SECHS-SIE-BEN-EINS-ZWEI... Ihm war die Ironie der Situation nicht bewusst. Dem Orchester offensichtlich auch nicht. Mir ist die Lösung erst zu spät eingefallen: Blech muss lauter.
 
Da Menschen sich seit der Steinzeit nicht verändert haben, glaube ich fest, dass es immer zu jeder Zeit Musiker gegeben hat, die frei und gefühlvoll, mit einem sehr feinen Gefühl für Timing musiziert haben.
Wer den Puls verliert, wird sterben...das war auch schon immer so.
 
True story: ich habe in einem Stück einmal Septolen für die Streicher komponiert (Achtelseptolen im 2/2, Halbe=ca. 80). In der Probe war die Stelle nicht annähernd zusammen, woraufhin der Dirigent zur Streichergruppe wiederholt brüllte: ZÄHLEN!!! Und er führte es vor: (sehr schnell gesprochen) EINS-ZWEI-DREI-VIER-FÜNF-SECHS-SIE-BEN-EINS-ZWEI... Ihm war die Ironie der Situation nicht bewusst. Dem Orchester offensichtlich auch nicht. Mir ist die Lösung erst zu spät eingefallen: Blech muss lauter.
😂🤣😅👍👍👍
 
Mir gibt es zu denken, daß Haydn, Mozart und Beethoven sich nicht zu schade waren, Stücke für Flötenuhr zu schreiben. Musik, die dann eben abläuft wie ein Uhrwerk.
 

Mir gibt es zu denken, daß Haydn, Mozart und Beethoven sich nicht zu schade waren, Stücke für Flötenuhr zu schreiben. Musik, die dann eben abläuft wie ein Uhrwerk.
Mozart war es zuwider, aber er brauchte das Geld:

Nun bin ich getröstet und vergnügt. Erstens weil ich Nachricht von Dir meine Liebe erhalten, wornach ich mich so sehnte; zweitens durch die beruhigende Auskunft in Betreff meiner Affairen – ich habe mir so fest vorgenommen, gleich das Adagio für den Uhrmacher zu schreiben, dann meinem lieben Weibchen etwelche Ducaten in die Hände zu spielen; that es auch – war aber, weil es eine mir sehr verhaßte Arbeit ist, so unglücklich, es nicht zu Ende bringen zu können – ich schreibe alle Tage daran – muß aber immer aussetzen, weil es mich ennuirt – und gewis, wenn es nicht einer so wichtigen Ursache willen geschähe, würde ich es sicher ganz bleiben lassen – so hoffe ich aber doch es so nach und nach zu erzwingen; – ja, wenn es eine große Uhr wäre und das Ding wie eine Orgel lautete, da würde es mich freuen; so aber besteht das Werk aus lauter kleinen Pfeifchen, welche hoch und mir zu kindisch lauten.

https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=1708&cat=
 
Mozart war es zuwider, aber er brauchte das Geld:
Mozart war der piepsige Klang zuwider, nicht das fehlende Rubato:
– ja, wenn es eine große Uhr wäre und das Ding wie eine Orgel lautete, da würde es mich freuen; so aber besteht das Werk aus lauter kleinen Pfeifchen, welche hoch und mir zu kindisch lauten.
Für eine "große Uhr", die nach Orgel klang, schrieb er ein so fantastisches Stück wie KV 608
 
Zuletzt bearbeitet:
OT: Es lohnt sich sehr, die Flötenuhrstücke von Haydn zu inspizieren und - da die Spieldauer der Uhr bekannt ist - ein paar Rückschlüsse auf das Tempo zu ziehen.

Aber bitte nicht den "Tempo giusto"-Sektierern weitersagen, das könnte dort Depressionen auslösen.
 
Abgesehen vom Schlußakkord, der absichtlich einen Tick später gesetzt wurde, haben sich die Walzenstecher bemüht, die Vorgaben genauestens umzusetzen. Dass die Maschinen meistens nicht ganz präzise laufen, verursacht allenfalls unbeabsichtigtes "Rubato".
Nun ist aber rubato nichts, was man in irgendeiner Weise fixieren könnte. Es entsteht im Moment neu und ist auch jedesmal ein wenig anders. Nur dann wirkt es überzeugend und natürlich.
 
Warum glaubst du, dass das so ist? Und was genau meinst du mit "fixieren"?
 

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